Kapitel 28
Keely
Was tat sie da? Sie konnte doch nicht einfach mit Miss Gillwater mitgehen! Ich muss jetzt endgültig den Verstand verloren haben! Hatte sie etwas gehört, von dem was sie gesagt hatte? Oh nein, oh nein, Herr, was tust du gerade? Hast du die Kontrolle verloren, oder spielst du ein grausames Spiel mit mir, oder... willst du alles wieder gut machen? Hoffentlich war es Letzteres, was Gott tat. Alles wieder gut! Konnte denn alles wieder gut werden?
Sie klammerte sich fester an den Arm ihrer Begleiterin und warf ihr einen flüchtigen Blick zu. Als sie vorhin gelächelt hatte, hatten sich zwei Grübchen auf ihren Wangen gebildet. Derecks Grübchen!
Sie konnte dem Mädchen doch jetzt nicht alles erzählen! Sie hatte doch gar keine Beweise, sondern nur das Gefühl und die ganzen Ähnlichkeiten. Wenn sie doch nur ein Bild von Dereck bei sich hätte... Das Bild auf dem sie drei als Familie abgebildet waren und das jetzt bei ihr im Salon einen Ehrenplatz auf dem Klavier bekommen hatte, das wäre der perfekte Beweis gewesen und natürlich die Papiere von der Adoption.
„Wollen wir nicht lieber zu mir gehen?", fragte Keely schnell, bevor sie die Straße zum Hotel einschlugen.
„Wenn es Ihnen lieber ist, können wir das gerne tun." Wie umsichtig sie war. „Ist es denn weit?"
„Nein, nicht viel weiter, als bis zum Hotel."
„Gut."
Ein unangenehmes schweigen breitete sich zwischen Ihnen aus, aber Keely war zu aufgelöst, um es zu brechen. Sie führte die junge Frau durch die Straßen der Stadt und sie gelangten schon bald bei ihr zu Hause an. Keely konnte das Staunen in Miss Gillwaters Augen sehen. Sie richtete ihren Blick auf das Wohnhaus vor ihnen und versuchte es mit ihren Augen zu sehen. Das Haus war größer als alle anderen Häuser in der Stadt. Es hatte mehrere Erker, die Fenster waren groß, geschwungen und hatten Sprossen. Die Fenster Giebel waren hübsch verziert. Außerdem war es mit einem angenehmen gelb angestrichen und auf den Fensterbrettern standen Blumenkübeln, die mit den unterschiedlichsten Blumen bepflanzt waren. Am Zaun, der das Haus umgab, wuchs Flieder und versprühte einen wohligen Duft. Links vom Haus lag das Gemüsebeet und auf der rechten Seite stand ein Pavillon, dazwischen war eine Grünfläche. Zum Pavillon und zum Haus führte ein schmaler Sandweg. Der Weg, der zum Haus führte, war von prächtigen Kirschbäumen gesäumt, die ihre, in zarten rosa blühenden Ästen wie Wächter über den Weg ausstreckten. Wenn man auf die rechte Seite des Hauses sah, sah man schon einen Teil des Obstgartens. Was Miss Gillwater nicht sehen konnte waren die Scheune und die Felder, die sich hinter dem Haus weit bis über den Horizont erstreckten. Kein Wunder, dass Miss Gillwater, alles was sie sah, wie aus einem Bilderbuch aufnahm. Noch heute gingen die Bewohner von Weston mit Bewunderung und Ehrfurcht in ihren Augen an diesem Prachtbau vorbei.
„Das hat mein Mann für mich gebaut, bevor wir geheiratet haben", erklärte sie sinnend. „Sein größter Traum war es immer, reich zu werden, um seinen Eltern die Umsiedlung nach Amerika zu ermöglich, aber daraus ist leider nichts geworden, weil..." Sie brach ab und ließ den Satz unbeendet in der Luft hängen. Konnte sie sich dieser Fremden schon so sehr öffnen? Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. „Jedenfalls ist das alles schon lange her und ich weiß, dass er sehr stolz auf diesen Anblick wäre, wenn er das jetzt sehen könnte." Und er wäre glücklich darüber, dass du wieder da bist!
„Großvater Stevens hat auch für Großmutter Stevens ein Haus gebaut und wir haben darin gewohnt, aber dann-" Sie unterbrach sich. Ob sie einer Fremden nicht erzählen wollte, was in ihrer Vergangenheit vorgefallen war, weil es so schrecklich gewesen war oder einfach nur, weil es sie nichts anging, genauso wie Keely? „Jetzt leben wir in Eighford, Missouri."
„Und Sie kommen aus?"
„Atlanta."
„Ah." Keely öffnete die Gartenpforte und ließ Miss Gillwater ein. „Dann haben Sie bei Ihrem Umzug ja beinahe den halben Kontinent überquert."
Miss Gillwater lächelte verschmitzt. Oh, wie Keely dieses Lächeln an Dereck erinnerte! „Nicht ganz, aber es war weit, doch ich kann mich kaum noch daran erinnern. Ich war damals erst fünf."
Keely nickte „Verstehe." Sie drückte die Haustür auf und machte eine Handbewegung, die Miss Gillwater dazu ermutigte einzutreten. „Kommen Sie mit in den Morgensalon. Dort sitze ich am liebsten." Sie nahm Miss Gillwater noch den Hut ab, den sie ihr reichte, und legte ihn auf die dafür vorgesehene Ablage in der Garderobe.
Sie ging ihr voran in den Morgensalon und auch hier sah sie sich noch einmal alles an, als sähe sie es zum ersten Mal. Die nach Osten gerichtete Wand bestand aus einem gesprossten Panoramafenster, aus dem man die Felder der Farm sehen konnte. Davor stand eine Chaiselongue, daneben ein Sofa und eine Stehlampe. Diese Wand hatte dem Raum seinen Namen gegeben. Keely liebte es noch vor Morgengrauen aufzustehen und es sich mit einer Tasse Kaffee im Morgensalon gemütlich zu machen und der Sonne beim Aufgehen zuzusehen. Nicht nur der Himmel, sondern auch der Raum und sie selbst wurden dabei verzaubert und sie staunte über Gott, der alles so wunderschön geschaffen hatte.
An einer anderen Wand stand ein bequemer Sessel neben dem Kamin und darüber hingen zwei teure Gemälde an der Wand, die beide eine Landschaft zeigten. Gegenüber dieser Wand stand ein Klavier und darauf das Familienbild, dass Keely so sehr liebte, weil es Dereck, Rachel und sie knapp zwei Wochen vor Derecks Unfall zeigte. Zusammen. Als eine Familie. Über dem Klavier war ein Fenster, von dem aus man einen guten Blick auf den Obstgarten hatte. Auf dem Paneelen Fußboden lag ein graubeiger Teppich. Eine Amphore, mit Hyazinthen bepflanzt, zierte den darauf stehenden Kastanienbraunen, Tisch.
„Ein wirklich hübsches Zimmer. Spielen Sie Klavier, Mrs Brownan?"
Keely war überrascht, dass die junge Frau noch ihren Namen wusste und merkte jetzt erst, dass sie sich gar nicht richtig vorgestellt hatte. Entweder Miss Gillwater hatte ihr Namensschild gelesen, oder gehört wie der Doktor sie so nannte. „Ja, sogar sehr gerne. Manchmal spiele ich mit meiner Tochter vierhändig, dass macht mir am meisten Freude."
„Mutter hat mir als Kind Klavierstunden geben lassen, aber als sie einsah, dass ich zwei linke Hände habe, hat sie es sein lassen."
„Schade. Es macht mir immer großen Spaß einfach drauflos zu spielen." Trotz des bedauern, dass Keely empfand musste sie lächeln. Dereck hatte einmal versucht ein Lied auf dem Klavier zu spielen, hatte aber kläglich versagt. Miss Gillwater trat näher an das Klavier und schaute sich das darauf stehende Bild an. Keely biss sich auf die Lippen.
„Ist das Ihre Tochter?"
Sie nickte, doch da fiel ihr ein, dass Miss Gillwater das nicht sehen konnte und sagte: „Ja, aber sie ist nicht diejenige mit der ich Klavier spiele." Sie stellte sich hinter Miss Gillwater und betrachtete das Bild ebenfalls. „Abbie, Amilia und Terry sind eigentlich nur meine Adoptivkinder, aber ich liebe sie genauso wie dieses Kind." Sie tippte mit dem Finger auf Rachel.
„Verstehen sich Ihre Adoptivkinder mit Ihrer... richtigen Tochter?", fragte Miss Gillwater vorsichtig und drehte sich leicht zu Keely um.
Keely seufzte schwer. „Sie kennen sich nicht."
Betroffen und erschrocken zugleich legte sich Miss Gillwater die Hände aufs Herz. „Oh, ist Ihre Tochter-"
„Nein", unterbrach Keely sie müde, „jedenfalls nicht soweit ich weiß. Sie... Ich habe sie nach dem Tod meines Mannes zur Adoption freigegeben."
Miss Gillwater sagte nichts. Ihre Hände sanken von ihrer Brust und sie starrte einfach nur noch auf das Bild.
„Setzten Sie sich, Miss Gillwater, ich werde uns Limonade holen und dann möchte ich Ihnen alles erzählen. Oder möchten Sie lieber Tee?"
„Nein, Limonade ist schon in Ordnung."
„Gut. Machen Sie es sich gemütlich." Keely lächelte sie knapp an und verschwand dann in die Küche.
Judy war schon längst gegangen, aber Keely brauchte sie im Moment auch nicht. Sie füllte Limonade in eine Karaffe, nahm sich zwei Gläser und trug alles in den Morgensalon. Miss Gillwater saß auf der Chaiselongue und musterte die Gemälde. Keely stellte ihre Last auf den niedrigen Tisch und schenkte ihnen beiden ein. Dann reichte sie Miss Gillwater ein Glas. „Gefallen Ihnen die Bilder, Miss Gillwater?"
Die junge Frau wandte sich ihr zu. „Ja, sogar sehr. Sie sind sehr professionell gemalt worden. Von wem sind sie?"
„Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht. Mein Mann hat sie hier aufgehängt. Woher er sie hatte, weiß ich nicht. Sie waren schon immer an dieser Wand. Eigentlich waren es drei, aber das eine musste ich verkaufen."
Die beiden nippten an ihrer Limonade und sagten kurze Zeit nichts. Keely wusste, dass sie das Schweigen brechen musste, aber sie musste sich noch einmal ihre Worte zurechtlegen. Rachel – wenn sie es denn wirklich war – sollte keinen Schock erleiden. „Also, ich wollte Ihnen meine Geschichte erzählen, Miss Gillwater. Die ganze Tragödie hat eigentlich vor sechsundzwanzig Jahren begonnen, als ich und Dereck heirateten. Seine Eltern lebten in Schweden und kannten mich kaum, aber sie vertrauten Dereck und stimmten unserer Hochzeit zu. Er ist hier bei einer Tante großgeworden, weil seine Eltern arm waren. Sie konnten seine Reise nach Amerika finanzieren, aber ihre eigene nicht. Einen Monat nach unserer Hochzeit hatten sie dann endlich genug Geld um Auszuwandern, aber ihr Schiff versank im Meer. Dereck war sehr erschüttert, aber er blieb stark."
Keely lächelte gezwungen und nahm einen Schluck von ihrer Limonade. „Das schlimme an der Geschichte ist, dass ich nicht auf den Segen meiner Eltern gewartet habe. Sie hatten Dereck gern, aber sie wollten das wir warten, aber ich wollte nicht. Ich war erst achtzehn, als wir heirateten und mit neunzehneinhalb war ich Mutter. Das war nichts ungewöhnliches, aber Ma und Pa waren böse auf mich. Ich hatte schon immer eine angespannte Beziehung zu ihnen und als ich heiratete sagten sie mir, dass sie mich nie wieder in ihrem Haus sehen wollten."
„Wie schrecklich", hauchte Miss Gillwater. Sie saß stocksteif auf ihrem Platz und hing an Keelys Lippen. Deren Stimme zitterte schon leicht und ihre Gefühle drohten sie beim Weitererzählen zu übermannen.
„Als meine Tochter, Rachel hieß sie, zwei Monate alt war, starb Dereck. Er wurde beim Roden eines Waldstückes von einem Baum tödlich verletzt und starb keine zwei Stunden später an den Verletzungen. Ich blieb mit meinem Kind und meiner Trauer allein zurück. Unser Haus war noch verschuldet. Dereck war sich sicher mit der nächsten Ernte alle Schulden zu begleichen, aber ein Hagel zerstörte einen Großteil der Ernte, die freundliche Nachbarn und Freunde für mich einbrachten. Mir war von Anfang an klar, dass meine Eltern mich nicht unterstützen würden und so musste ich mich allein durchschlagen. Mein Haus konnte ich nicht verkaufen. Es sprachen unzählige Dinge dagegen. Zudem kam noch Rachel. Ich hatte keine Ahnung wie ich sie allein großziehen sollte." Eine einsame Träne rann über Keelys Gesicht. Ungeduldig wischte sie sie weg.
„Sie müssen nicht weitererzählen, Mrs Brownan."
Mrs Brownan! Gab es etwas Schlimmeres als von seiner eigenen Tochter so genannt zu werden? Keely hasste es! Tapfer holte sie tief Luft. „Doch, ich muss Ihnen alles erzählen." Sie schluckte und schloss kurz ihre Augen, um sich zu sammeln. "Ich war ja selbst noch fast ein halbes Kind und ich wusste, dass ich Rachel niemals allein erziehen und ernähren konnte. Zudem hatte ich plötzlich Angst zu lieben. Ich hatte Angst nochmal jemanden zu verlieren. Ich weiß es ist paradox, aber das war auch noch ein Grund warum ich Rachel dann zur Adoption freigab. Ich dachte ich könnte nicht mehr lieben, dabei habe ich Rachel immer geliebt und tue es heute noch."
Sie holte tief Luft und sah Miss Gillwater lange an. Diese rutschte unter ihrem eindringlichen Blick auf ihrem Platz hin und her und errötete leicht. „Wissen Sie was, Miss Gillwater, ... Ich glaube Sie... Sie sind meine Tochter."
Ihre Worte schienen wie ein Kanonenschuss für Miss Gillwater zu sein. Sie sah sie ganz fassungslos an. „I-ich?"
Keely stand auf, holte das Familienbild und drückte es Miss Gillwater in die Hand. „Sie sind Dereck wie aus dem Gesicht geschnitten, sehen Sie doch. Der Doktor meinte zudem noch, Sie hätten meine Augen, meine Statue, meine Stimme, dieselbe Art zu reden und zu Lachen. In unserem Gespräch habe ich noch weitere Ähnlichkeiten zwischen Ihnen und Dereck herausgefunden. Zudem hat mir Callum Gillis, das ist nicht nur der Patenonkel von Rachel, sondern er arbeitet auch im Waisenhaus, erzählt, dass Rachel von ihren Adoptiveltern Catlen May genannt wurde. Mehr durfte er mir nicht erzählen."
Miss Gillwater brachte kein Wort heraus. Sprachlos starrte sie auf das Bild in ihren Händen und sah dann hoch zu Keely. „Wann ist Ihre Tochter geboren, Mrs Brownan?"
„Am fünften März 1880."
Miss Gillwater bedeckte ihre Augen mit einer Hand. „O mein Gott!"
Keely wusste nicht, ob das ein Gebet war, aber sie war sich ganz sicher, dass die junge Frau schockiert war und ihre Reaktion machte deutlich, dass sie ebenfalls am fünften März 1880 geboren worden war. Keely stand auf und setzte sich neben sie. „Darf ich?" Sie nahm Miss Gillwater das Bild aus der Hand und zog sie an sich. Mein Kind! Ich halte mein Kind nach fünfundzwanzig Jahren der Trennung wieder in meinen Armen.
Auf einmal spürte Keely wie die Gestalt in ihren Armen schluchzte und jetzt konnte sie auch nicht mehr verhindern, dass sie weinte. „Es tut mir so leid, Rachel... so unendlich leid. Ich hätte es niemals tun dürfen."
Rachel erwiderte jetzt die Umarmung und Keelys Herz machte einen Satz. Es floss über vor Liebe. „Bitte vergib mir. Es war ein Fehler, dass weiß ich. Ich habe es jeden Tag bereut und so lange darunter gelitten, dass ich es getan habe." Sie schwieg und ließ ihren Tränen einfach freien Lauf. Wenn sie doch nur wüsste, was in Rachi vor sich ging! Mein Gott, mein Gott, bitte mach alles gut. Ich flehe dich an, lass nicht zu, dass sie mich wegstößt! Ich kann sie doch nicht wiederfinden, ihr alles erzählen und sie dann wieder verlieren, Herr! Bitte lass das nicht zu. Gib ihr Liebe und Verständnis für mich.
Ob Rachel gerade genau die gleichen Stürme in sich ausfocht? Wie musste sie sich fühlen? Ihre kleine heile Welt hatte plötzlich einen Riss bekommen, der nie geflickt werden könnte, wenn sie es nicht zuließ. Die Narbe von dem Riss jedoch, würde immer bleiben.
Jetzt löste Rachel sich aus Keelys Umarmung und schaute ihr verlegen in die Augen. „Ich weiß gar nicht, was ich denken oder sagen soll. Das alles ergibt Sinn, aber ich hätte es mir einfach nie erträumen können. Es kommt alles so plötzlich und..." Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von der Wange, die ihr wie ein Wasserfall über das Gesicht strömten. Sie tat einen zittrigen Atemzug. „H-hatte dein M-mann mich lieb?", schluchzte sie.
Die Frage schnitt Keely ins Herz. Sie zweifelte an der Liebe ihres Vaters und sie fragte nicht: „Hatte Pa mich lieb?", sondern: „Hatte dein Mann mich lieb?"
„Ja, das hatte er. Wenn er gekonnt hätte, hätte er dich den ganzen Tag auf seinen Armen gehalten und dich angeschaut. Manchmal hat er einfach an deiner Wiege gestanden und dir beim Schlafen zugesehen. Seine Augen waren dabei so voller Liebe, dass..." Sie konnte nicht weitersprechen und bedeckte das Gesicht mit ihren Händen. Sie vermisste ihn gerade so sehr! Sie vermisste ihre gemeinsame Zeit so sehr! Leise Schuldgefühle klopften wieder an die Tür ihres Herzens.
„Was habe ich nur getan?", murmelte sie mehr zu sich selbst, als zu der jungen Frau. „Vergib mir, Rachel, bitte vergib mir. Ich war so dumm, so schrecklich dumm." Ihre Stimme war jetzt wieder deutlicher. Sie schüttelte den Kopf. Die Last der Schuld war nicht mehr auszuhalten. Sie musste daran denken, wie oft sie in den ersten Jahren, nach Rachels Adoption, Gott angeschrien hatte. Ihre ganzen Gefühle, ihre Vorwürfe und Fragen, ihren ganzen Schmerzen, hatte sie ihm zu Füßen geworfen. „Mach damit was du willst, Herr, aber nimm das alles von mir!", hatte sie einmal gerufen. Es hatte sie befreit. Oh wie gerne würde sie jetzt auch schreien, aber das ging nicht. Jetzt noch nicht.
„Ich muss erst über alles nachdenken. Ich weiß nicht mal, ob ich überhaupt böse bin. Ich bin gerade einfach nur überrumpelt und verwirrt und habe tausend Fragen. Ich muss nachdenken."
„Tu das. Denk über alles nach und bete darüber, dann wirst du alles verstehen."
Rachel sah man ihre Verwirrung und Unsicherheit deutlich an, als sie aufstand. Keely erhob sich ebenfalls. „Ich werde jetzt gehen. Bis bald. Wenn ich mir über alles klar bin, komme ich und sag dir Bescheid."
Keely biss sich auf die Unterlippe und nickte. „Hab Geduld mit dir, Rachel. Ich werde für dich beten und auf dich warten." Mit diesen Worten ließ sie ihre Tochter in die anbrechende Nacht hinaus.
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