Kapitel 56
Wenn man sich über Jahre hinweg eine Sache erträumt und diese endlich in Erfüllung geht, fällt es einem überraschend schwer, die Realität des Augenblicks zu realisieren. Doch als ich sie nun die Treppe vom Mädchenschlafsaal herunterkommen sah, änderte sich jenes Gefühl schlagartig.
Die Nervosität steckte mir noch immer in den Knochen, doch nun zierte mein Gesicht ein liebevolles Lächeln.
Lily sah hinreißend aus, nicht das sie das nicht immer tat, doch die Tatsache, dass sie sich für ein Date mit mir solche Mühe gemacht hatte, besänftigte meine strapazierten Nerven.
Ohne den Blick von ihr nehmen zu können, trat ich ihr entgegen, als sie das Ende der Treppe erreicht hatte.
Doch etwas in ihrer Ausstrahlung wirkte verhalten.
Nicht sicher, wie wir uns begrüßen sollten, verharrten wir regungslos voreinander, wie zwei Fremde, die sich gegenseitig nicht einschätzen konnten. Dabei kannte ich sie doch besser als die meisten andern. Verlegen fuhr meine rechte Hand zum Ansatz meines Haares, während ich sie schief anlächelte.
„Du hättest dich für mich doch nicht so hübsch machen müssen. Das wäre doch wirklich nicht nötig gewesen." Ich versuchte es scherzhaft klingen zu lassen, doch meine Stimme erschien mir etwas rauer als gewöhnlich.
„Ich-", setzte sie verlegen an und fuhr sich befangen durch eine der gelockten Haarsträhnen. Mein Lächeln verwandelte sich in ein breites Grinsen, welches mein halbes Gesicht einnahm, als ich meine Hand an ihren Arm legte, um sie zu beruhigen.
„Nein wirklich, du siehst umwerfend aus. Aber ich hoffe, du weist, dass ich dich nicht weniger hinreißend gefunden hätte, wenn du hier im Pyjama und verschlafender zerzauster Frisur aufgetaucht wärst."
Das schien das Eis zwischen uns zu brechen, denn sie legte lachend den Kopf in den Nacken und sah mich dann erneut an, diesmal ohne die verlegene Distanz zwischen uns.
„Du bist ein Idiot", schimpfte sie schmunzelnd. Dann fügte sie mit einem schalkhaften Grinsen hinzu: „Eigentlich hatte ich auch genau das vor, aber du kennst ja Marlene, so hätte sie mich niemals aus dem Schlafsaal gelassen." Das Funkeln in ihren Augen brachte mich beinahe um den Verstand.
Wie konnte es sein, dass ich mir die halbe Nacht den Kopf darüber zerbrochen hatte, dass etwas schiefgehen könnte, wenn wir doch trotz unserer Differenzen mittlerweile perfekt auf einer Wellenlänge waren? Nun konnte ich über mein gestriges Verhalten nur noch schmunzeln.
~
„Krone, ich schwöre bei Merlins liebster Unterhose, wenn du dich nicht gleich hinsetzt, zerbeiße ich deinen Besen", drohte Sirius, während er sich verzweifelt die Haare raufte. Er hatte den Versuch einzuschlafen aufgegeben und saß nun aufrecht in seinem Bett.
Als ich seine Drohung wie das Nervenbündel, das ich war, ignorierte, sah Remus von seinem Verwandlungsbuch auf und rieb sich den steifen Nacken, wie so oft, wenn er Stundenlang über ein Buch gebeugt dasaß. „Nimm seine Worte lieber ernst, James", warnte er mich.
„Das letzte Mal, als ich nicht auf ihn gehört habe, habe ich mein Buch am nächsten Tag auf seinem Bett wiedergefunden, zwischen den Fängen seiner Hundeschnauze."
Trotz der Unruhe in meinem Körper warf ich einen besorgten Blick zu meinem Besen, der frisch poliert an der Wand lehnte und entschloss mich schließlich kein Risiko einzugehen. Seufzend ließ ich mich auf mein Bett fallen und vergrub das Gesicht in den Händen.
„Jetzt komm schon. Es ist doch das, was du immer wolltest", bemerkte Peter verständnislos. Er schien nicht zu begreifen, warum mich der kommende Tag so nervös machte. Wobei nervös eine haushohe Untertreibung war. Dennoch sah ich Mitgefühl in seinen Augen aufblitzen.
„Aber genau das ist es doch!", versuchte ich ihm hilflos zu erklären. „Ich habe solange auf diesen Tag gewartet, was, wenn ich es ruiniere?"
„Blödsinn", warf Remus bestimmt ein, doch ich wehrte seine Worte kopfschüttelnd ab.
„Nein, ich meine es Ernst, wenn es um Lily geht, schaffe ich es doch immer ins Fettnäpfchen zu treten, warum sollte es morgen anders laufen?", klagte ich. Die Sorge, es zu ruinieren, unterdrückte beinahe sämtliche Vorfreude in mir. Doch zu meinem Glück konnte ich mich auf meine Freunde verlassen und Remus fand wie immer die richtigen Worte.
„Weil", betonte Remus schlicht, „Ihr es genau richtig gemacht habt. Ihr habt euch nicht kopfüber sofort in ein Date gestürzt, als ihr euch näher gekommen seid, sondern habt euch erst besser als Freunde kennengelernt. Ihr habt etwas auf das ihr aufbauen könnt, ein Fundament, auf das ihr vertrauen könnt. Selbst wenn du dein Talent, dich daneben zu benehmen, beibehalten solltest, wird das nur halb so wild sein.
Sei einfach du selbst, schließlich hat sie dich im letzten Jahr gut genug kennengelernt, dass sie hinter die Bedeutung deiner dummen, unüberlegten Sprüche schauen kann."
Er sah mich aufmunternd an und tatsächlich legte sich das anhaltende Wippen meiner Füße.
~
Auf dem Weg nach Hogsmeade herrschte reges treiben. Wir waren nicht sonderlich früh losgegangen, weshalb wir uns mitten im Ansturm auf das kleine Zaubererdorf wiederfanden. Lily erzählte soeben etwas was Mary erlebt hatte und einige Zischende Wissbies sowie eine Bruchlandung im großen See beinhaltete – was zugegeben eine ziemlich witzige Story war - als ein Junge aus dem Jahrgang unter uns mir aufgeregt zuwinkte.
„Hättest uns doch sagen können, dass du nicht mit den anderen nach Hogsmeade gehst, Kumpel." Matt schlug mir freundschaftlich auf den Rücken und schloss sich uns ungefragt an, ohne seine Freundesgruppe einige Meter vor uns zu beachten.
„Wann plant ihr eigentlich die nächste Poker Nacht? Ich könnte meine Taschen mal wieder etwas mit eurem Geld füllen", scherzte er, schien jedoch wirklich auf eine Antwort zu warten.
Ich zuckte beiläufig mit den Schultern und warf Lily einen unbehaglichen Blick zu. Sie schien ebenso wenig begeistert von Matts Anwesenheit, weshalb sie den Abstand zwischen uns etwas vergrößerte. Wir wirkten wohl nicht gerade wie die üblichen flirtenden Paare auf ihrem Weg in das kleine Dorf. Verstimmt räusperte ich mich und versuchte meine Stimme nicht allzu gereizt klingen zu lassen. Er hatte sicher nicht die Absicht, uns zu stören, ihm fehlte wohl nur das benötigte Taktgefühl.
„Hey man das klingt echt super und Sirius wird sicher ganz Feuer und Flamme für diese Idee sein. Du musst nur ein paar Minuten warten, er sollte jeden Augenblick auch hier vorbei kommen, dann könnt ihr den Abend planen." Ich warf erneut einen raschen Blick zu Lily, die nun mit verkniffenen Lippen auf ihre Füße starrte und einen Stein vor sich her kickte. „Nun es ist nur so, wir haben hier gerade ein Date und naja-", ließ ich den Satz unbeendet in der Luft hängen und hoffte, dass er den mehr als offensichtlichen Wink verstehen würde.
Und tatsächlich öffnete sich sein Mund überrascht zu einem stummen Laut, während er prüfend zu Lily herübersah, die er bis dahin wohl nicht wirklich registriert hatte. Die Verblüffung vertiefte sich auf seinem Gesicht, als er erkannte, wer meine Begleitung war. "Wie geht's?", murmelte Lily, als sein Blick begann, ihr unangenehm zu werden. Ihre Stimme schien ihn endlich aus seinem Schock zu reißen, denn er lachte peinlich berührt, antwortete ihr höflich und eilte dann zurück zu seinen Freunden, ohne sich noch mal zu uns umzublicken. Was seine Freunde jedoch nicht davon abhielt, uns reichlich Schulterblicke zuzuwerfen, nachdem er ihnen etwas zu geflüstert hatte.
„Tja, das wird wohl das Gesprächsthema Nummer eins für die nächsten Tage sein", witzelte Lily matt. Es schien ihr wirklich unangenehm zu sein, unser Date gleich so an die Öffentlichkeit zu bringen. Und das konnte ich ihr nicht einmal verübeln. Nach all den Jahren, in denen es zum Allgemeinwissen aller gezählt hatte, dass Lily Evans sich lieber vom Astronomie Turm stürzen würde, als mit mir auszugehen, übte es einen gewissen Druck auf sie aus, wenn sie nun etwas mit mir anfing. Weshalb ich sie auch aufmunternd anlächelte und sie neckend in die Seite pikste, um ihre Aufmerksamkeit zurückzuerlangen.
„Lass die Schwachköpfe doch tratschen, wenn sie nichts Besseres zutun haben. Das ändert rein gar nichts zwischen uns. Du musst dich zu nichts verpflichtet fühlen, ich will einfach nur, dass du mir eine Chance gibst, ohne dich von irgendjemanden beeinflussen zu lassen."
Ich legte all meine Aufrichtigkeit und Zuneigung für sie in meine Worte und es schien seine Wirkung zu zeigen. Sie nickte ein paar Mal, um sich selbst zu überzeugen und kurz darauf strahlte sie wieder natürlicher. Die angespannte Härte war von ihrem Kiefer verschwunden und ihre sanften Züge kamen wieder zum Vorschein.
Nach dem Gespräch mit Matt hatte ich uns etwas abseits von dem üblichen Pfad geführt, um uns etwas mehr Zweisamkeit zu ermöglichen. Nachdem wir uns einige Meter von den Massen entfernt hatten, bildete ich mir ein, dass sie wieder etwas meine Nähe suchte und den Abstand von vorhin nicht mehr aufrechterhielt. Erst als ihre Hand unbewusst die meine streifte, merkte ich, wie nahe wir beieinander gingen. Augenblicklich fing mein Handrücken dort an zu kribbeln, wo sie mich berührt hatte. Nach und nach wurden so die kleinen Schnätze in meinem Bauch wachgekitzelt, welche sogleich aufgeregt in alle Richtungen flogen.
„Nimmst du auch ein Butterbier?", fragte ich, als wir uns durch das Gedrängel im Drei Besen bahnten.
Lily verdrehte lachend die Augen, bevor sie mir mit erhobener Stimme über den Lärm hinweg antwortete. „Was denkst du denn?"
Ich nickte verstehend und bereitete mich darauf vor, mich zum Tresen vorzukämpfen, während Lily uns einen Platz suchte. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich unsere Getränke geordert hatte und Lily eine kleine Nische für uns ergattern konnte. Doch schließlich ließ ich mich ihr gegenüber in die Bank fallen und schob ihr ihren Krug voll mit dem süßlichen Heißgetränk zu.
„Danke", nahm sie es zufrieden entgegen und nippte auch sogleich daran. „Das vermisse ich in der Muggelwelt am meisten", erklärte sie mit einem kleinen weißen Butterbierbart unter der Nase. Ich verkniff mir ein Grinsen.
„Ach wirklich?", harkte ich stattdessen interessiert nach und versuchte mir nichts anmerken zu lassen. Sie nickte bestätigend.
„Sogar mehr als Kürbissaft, wobei ich den an heißen Sommertagen auch zu schätzen weiß", fügte sie nachdenklich hinzu.
„Ich muss zugeben, dass ich Butterbier wohl auch bevorzuge, den Bart würde ich ansonsten zu sehr vermissen", zog ich sie auf. Unverständnis, zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab und sie legte fragend den Kopf schief. Sie sah unbeschreiblich niedlich aus. Ich wischte mir schelmisch mit der Hand übers Gesicht an eben jener Stelle, an welcher der Butterbierschaum bei ihr klebte. Kurz bildete sich eine kleine Falte zwischen ihren Augenbrauen, bevor sie den Wink verstand.
„Oh", belächelte sie die Situation und wischte sich akribisch mit dem Ärmel über die Lippen. „Besser?", fragte sie schließlich und ich zog eine Augenbraue nach oben.
„Besser würde ich es nicht nennen, mir fehlt der kleine Bart jetzt schon", wandte ich mit schiefem Lächeln ein. „Wenn du ihn hättest wachsen lassen, wärst du Dumbledore sicher bald eine Konkurrenz geworden."
Ihre Haare flogen durch die Luft, als sie kichernd den Kopf schüttelte.
„Merlin bewahre! Du bist so ein verrückter Idiot, James Potter!", klagte sie dann und fuhr sich mit der Zunge über die Mundwinkel, um zu überprüfen, ob auch wirklich alles weg war.
„Ich bin vielleicht ein verrückter Idiot, aber du bist einfach nur niedlich, Lily Evans", neckte ich sie. Etwas verlegen biss sie sich auf die Innenseite ihrer Wange und schob sich eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr. Ermutigt von der Atmosphäre zwischen uns griff ich nach ihrer anderen Hand, welche neben ihrem Krug ruhte. Ich sah, wie ihre Augen zu unseren Händen huschten und mich dann musterten. „Ist das ok für dich", fragte ich schüchtern und deutete auf unsere Hände. Mein Daumen fuhr kleine Kreise über ihren Handrücken und ein Gefühl von Zufriedenheit umhüllte mich, als sie bestätigend nickte.
„Ja das ist mehr als ok für mich", hauchte sie. Ihre Mundwinkel zuckten, als sie erneut herunterblickte.
Ich habe eine kleine Überraschung für euch...
Weil dieses Kapitel irgendwie überdimensionale Ausmaße angenommen hat, habe ich es zweigeteilt und werde den anderen Teil nachher noch hochladen. Ich hoffe ich kann euch damit etwas den Abend versüßen.
Also bis nachher... 🥰
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