Kapitel 44
„Ich kann es einfach noch immer nicht fassen", murmelte ich seufzend, als wir eins der wenigen noch leeren Abteile betraten.
„Ich bin mir zwar auch nicht sicher, was Dumbledore sich dabei gedacht hat, aber es kann nur zu unserem Vorteil sein. Ich meine, stellt euch all die Möglichkeiten vor, all die Streiche, die wir ohne Konsequenzen durchziehen können, weil unser guter Krone uns ab jetzt decken kann." Sirius ließ sich gut gelaunt auf dem Fensterplatz mir gegenüber fallen und schlug seinem Kumpel begeistert auf den Arm.
„Genau sagen kann ich es auch nicht, aber diese Intention hatte er mit Sicherheit nicht im Sinne", erwiderte Remus, während er seine Tasche auf dem Gitter über uns verstaute.
„Ist aber eine Logische Konsequenz dieses unverhofften Ereignisses", fuhr Sirius munter fort.
Ich schnaubte – ganz Unrecht hatte er damit nicht, auch wenn ich ganz sicher nicht zulassen würde, dass die vier unter meiner Verantwortung ganz Hogwarts auf den Kopf stellten. Schlimm genug das ich dieses Jahr als Schulsprecher unter ihrer Streich - Woche leiden würde. Jedes Schuljahr veranstalteten sie ganz nach Rumtreiber Manier einen Streich nach dem andern, um die Erstklässler aufzumischen. Und zu meinem Graus rechnete ich nicht damit, dass James sich dieses Ereignis von seinem Amt als Schulsprecher nehmen lassen würde.
Ich spürte wie James Hand ausversehen meinen Arm streifte, als er sich auf den Platz neben mich setzte. Ein wohliges Gefühl strahlte von jener Stelle in meinen restlichen Körper aus und ich versuchte es eilig zu verdrängen. Wahrscheinlich hatte er es nicht mal bemerkt, denn er ließ sich nicht das geringste anmerken und beäugte stattdessen kritisch seinen Freund. Er schien innerlich mit sich selbst zu hadern, auf wessen Seite er bei dieser Auseinandersetzung stehen sollte. Für ihn war es wohl ein ebenso großer Schock gewesen, wie für uns, als das Schulsprecher - Wappen aus seinem Hogwarts Brief gefallen war. Wobei ich weniger glaubte, dass es ihm etwas ausmachte Verantwortung zu übernehmen, als viel mehr das Dilemma, dass er sich eventuell gegen die dummen Ideen seiner Freunde stellen musste.
„Ich hab schon eine Idee! Wir könnten nochmal bei den Slytherins Einbrechen und ihren Gemeinschaftsraum einen Schönheitsschliff verpassen! Was meinst du Wurmschwanz, denkst du nicht auch etwas rot würde ihnen stehen?", witzelte Sirius weiter und warf Peter mit einer Bertie Botts Bohne ab, um dessen Aufmerksamkeit zu erlangen. Dieser sah etwas erschrocken vom Tagespropheten auf.
Auf der Titelseite der heutigen Ausgabe schimmerte das erschreckende Zeichen der Anhänger von Du weist schon wem - Ein Symbol, welches mehr als Tausend Worte sprach. Mann musste den dazugehörigen Artikel nicht lesen, um zu wissen, dass diesen Monstern erneut Menschen zum Opfer gefallen waren. Jedes Mal hinterließen sie es, um die Angst der Menschen zu schüren und leider waren sie sehr erfolgreich damit. Ein flüchtiger Blick auf die sich windende Schlange genügte, um mir die Übelkeit durch den Körper zu jagen. Ein fieser Knoten bildete sich in meinen Magen, bei der Erinnerung an meine Eltern und ich wandte meinen Blick ab, damit ich die Stirn an die Kühle Fensterscheibe legen konnte, um die aufkommenden Kopfschmerzen zu besänftigen.
„Ich denke, ich will lieber keinen Ärger mit den Schlangen", nuschelte Peter schließlich. Er fühlte sich sichtlich unwohl etwas gegen Sirius Vorschlag einzuwenden. Zurecht, denn dieser kniff missmutig den Mund zusammen und lehnte sich mit verschränkten Armen an die Lehne seines Sitzes.
„Nach deiner Meinung hat keiner gefragt", brummte er dann und kassierte einen Seitenhieb von Remus, der ihn tadelnd beäugte. Peter quiekte leise auf und versteckte sich hinter den Seiten seiner Zeitung, um sich möglichst unauffällig zu verhalten.
„Jedenfalls müssen wir James Amt ordentlich ausnutzen, um unser letztes Jahr mit voller Seele auszukosten", fuhr Sirius schließlich erheitert fort.
Erneut durchzuckte ein Stechen meine Schläfe. Großartig, ich würde den Großteil meines letzten Hogwarts Jahres im Krankenflügel verbringen müssen, wenn mir schon der kleinste Hauch von Stress die Blitze durch den Schädel jagte. Sirius schien meine gequälte Miene falsch zu deuten und sie als Reaktion auf seine Kommentare zu interpretieren.
„Macht dir unser Krone das Schulsprecher Erlebnis schon jetzt kaputt, nur weil wir versuchen all unsere Möglichkeiten zu erfassen", lachte er.
Ich schnalzte abfällig mit der Zunge, doch bei James gekränkter Miene bemühte ich mich um etwas Sanftheit in der Stimme. „Es kam einfach nur unerwartet."
Eine glatte Untertreibung. James Potter sollte Schulsprecher sein?! Wozu hatte ich mich jahrelang um die Regeln geschert und meine Aufgaben als Vertrauensschüler so ernst wie kein anderer genommen, wenn dann James Potter einfach vorbeispaziert kam, mit seinen Albereien, Streitigkeiten und Streichen, nur um einfach so in diesen Posten zu rutschen. Dabei war ich mir nicht mal sicher, ob er ihn überhaupt wirklich wollte. Vielleicht war er auch schlicht und ergreifend zu stolz, um ihn abzulehnen.
„Jedenfalls muss Dumbledore sich etwas dabei gedacht haben, also bau nicht schon gleich am ersten Tag Mist, James", gab Remus zu bedenken.
James seufzte und rutschte etwas an seiner Lehne herunter.
„Ich werd wohl versuchen müssen nicht allzu oft mit den Schlangen aneinander zu geraten, oder?", fragte er schließlich kleinlaut. Seine Augen waren zusammengekniffen und seine Brille saß etwas zu tief auf seiner Nase.
Von Sirius kam nur ein entrüstetes, „Pah!" Doch Remus stimmte ihm bestätigend zu.
Ich legte ihm besänftigend eine Hand auf die Schulter und versuchte ihn mit meinem Blick aufzubauen. „Ich übernehme einfach die Slytherins und du versuchst mir nicht allzu viel Ärger zu bereiten."
Zu meiner Überraschung funkelten seine Augen niedergeschlagen, als er zu mir herübersah. Er stieß etwas Luft aus, bevor er die Schultern straffte und sich aufrecht hinsetzte. Ganz plötzlich strahlte er eine Ernsthaftigkeit aus, welche ich bewundert hätte, wenn sie mich nicht zeitgleich so einschüchtern würde.
„Ich werde meine Aufgaben als Schulsprecher ernst nehmen, das ist dir bewusst, oder Lily? Ich bin seit Jahren einer der Klassenbesten und auch wenn ich das Streichespielen liebe, kann ich doch sehr gut mit Verantwortung umgehen."
Er warf einen unauffälligen Blick zu Remus, dessen Gesicht ein kaum merkliches Schmunzeln zierte.
„Also machen wir unsere Aufgaben dieses Jahr als ein Team, okay? Kannst du versuchen dich auf mich zu verlassen? Das würde mir wirklich viel bedeuten."
Noch immer kratzten kleine Zweifel an meinem Vertrauen, nagten an dem Bild von James, welches sich über die Jahre in mir gefestigt hatte. Doch da war ebenfalls eine leisere Stimme, die seinen Worten zustimmte. Die Stimme, die mich daran erinnerte, dass ich dieses mit Vorurteilen behaftete Bild hinter mir lassen musste. In diesem Sommer hatte er mir mehr als nur einmal bewiesen, dass er mit Verantwortung umgehen konnte, ganz besonders wenn es um das Wohlergehen andere Menschen ging. Also würde ich ihm eine Faire Chance geben.
„Wenn wir noch länger auf die Erstklässler warten müssen, dann geh ich runter in die Küche und genieße das Essen dort", klagte James wehleidig. Er hatte seinen Kopf auf die Hände gestützt und betrachtete sehnsüchtig seinen leeren Teller.
„In ein paar Tagen, werden sie ihr trödeln schon bereuen, wenn wir ihnen zeigen, wer hier die Herren im Schloss sind", grinste Sirius durchtrieben, während er nachdenklich ein paar Ideen auf einem Stück Pergament notierte. Bei meinem Versuch einige der gekritzelten Worte zu entziffern, schirmte er den Zettel belustigt mit seinem Unterarm ab. „Das hättest du wohl gern, was Kleine? Keine Chance, das ist eine streng geheime Rumtreiber Angelegenheit. Keine Außenstehenden erlaubt, erst recht keine Mädchen!"
Ich hob verwundert eine Augenbraue, bevor Marlene sich empört einmischte. „Seit ihr vier jetzt zusätzlich auch noch sexistisch oder was?", fauchte sie und versuchte ungeschickt nach dem Pergament zu greifen. Doch Sirius war schneller und ließ es geschickt in seiner Hosentasche verschwinden.
„Sexistisch würde ich es nicht nennen, wir schließen nämlich auch jeden anderen aus. Zu den Rumtreibern gehören ja bekanntlich nur wir vier und unsere Geheimnisse hüten wir bis in unser Grab", erklärte er sich schließlich und hielt Marlenes wütenden Blick selbstsicher stand. Gerade als sie zu einer weiteren bissigen Bemerkung ansetzen wollte, öffnete sich das Eingangstor und McGonagall betrat die Halle, gefolgt von einer Schah Kinder, die mit kugelrunden Augen jedes kleinste Detail in sich aufsogen.
Nostalgie umfasste mich wie eine Decke aus Erinnerungen. Vor wenigen Jahren war ich ebenso aufgeregt dort entlang gelaufen. Jede fliegende Kerze, jedes Anzeichen von Magie hatte eine völlig neue Welt für mich eröffnet, eine Welt die ich mittlerweile so selbstverständlich wie atmen empfand. Fast schon sehnte ich mich nach diesem Gefühl der Euphorie und des Staunens - damals war meine größte Sorge im Leben gewesen, über eine solch lange Zeit von meiner Familie getrennt zu sein. Heute waren meine Sorgen deutlich komplizierter und gravierender.
Just in diesem Moment, spürte ich Marlenes Gewicht auf meinen Oberschenkeln, als sie sich unelegant über mich lehnte, um Sirius Notizen aus dessen Hosentasche zu fischen. Es war nicht verwunderlich, dass sie kläglich scheiterte und die ganze Sache darin endete, dass sie sich gegenseitig auf die Oberarme schlugen. Vielleicht waren doch nicht all meine Probleme so bedeutsam, schoss es mir bei diesem Anblick durch den Kopf und irgendwie verspürte ich Dankbarkeit für die Sorglosigkeit meiner Freunde.
„Marlene!", lachte ich schließlich, als ein weiterer Hieb seitens Sirius, mich fast von der Bank schubste. „Könntest du bitte von mir runtergehen!"
Triumphierend hob Sirius die Hände, als sie sich tatsächlich zurückzog. Etwas bockig verschränkte sie die Arme vor der Brust und pustete sich eine verirrte Strähne aus dem Gesicht, bevor sie sich der Einteilung der Erstklässler zuwandte.
„Amelia Taylor", schallte soeben McGonagall Stimme über unsere Köpfe hinweg und ein kleines schüchternes Mädchen erklomm die Stufen, um sich den Sprechenden Hut aufsetzen zu lassen. Neugierig kniff ich die Augen zusammen, damit ich sie besser erkennen konnte.
„Sag mal, ist das nicht Deans kleine Schwester?", überlegte ich laut, gerade als der Hut feierlich „Hufflepuff!", verkündete.
„Taylor hat eine Schwester?", kam es prompt fragend von James zurück. Ich nickte nur bestätigend und folgte dem kleinen Mädchen mit den Augen, bis sie sich an ihrem Haustisch niederließ.
„Vielleicht werd ich sie in den nächsten Tagen mal fragen, ob sie bei irgendetwas Hilfe braucht. Dean würde sich sicherlich freuen, wenn sie jemanden hat, an den sie sich wenden kann." Der Gedanke wie sehr ich mich damals auf Severus Hilfe verlassen hatte, brachte unschöne Erinnerungen in mir zu brodeln. Ein kleiner Teil von mir wünschte sich noch immer, dass die Dinge anders zwischen und stehen würden. Doch dieser Zug war wohl schon vor einer ganzen Weile abgefahren, ich hatte mich nur etwas zu lange an seine Fassade geklammert.
Sirius schnaubte abfällig und spielte ungeduldig an seinem Besteck herum. „Nana, liebe Schulsprecherin, wir dürfen aber keine Lieblinge haben. Bevorzugung ist nicht sonderlich professionell!", belehrte er mich mit einer Stimme, die wohl Professor McGonagall strenge Art imitieren sollte. Bei ihm klang es jedoch wie eine etwas femininere Version unserer Lehrerin, so schrill drangen seine Worte an mein Ohr.
Ich warf ihm einen genervten Blick zu und reckte meinen Hals, um die Einteilung der anderen Kinder besser verfolgen zu können.
Gequält kaute ich auf meiner Kürbispastete und würgte den letzten Bissen herunter. Schwer atmend sackte ich etwas zusammen und rieb mir den vollen Bauch. „Wenn es nur nicht so gut schmecken würde", klagte ich und beäugte skeptisch, wie Sirius und James sich noch mehr Essen auf die Teller schaufelten. Wie konnte man nur so viel essen? Und sie schienen noch lange nicht fertig.
Mary hatte ebenfalls aufgegeben und ihr halbvoller Teller zeugte von ihrem kläglichen Scheitern. „Man sollte den Hauselfen eine Medaille für diese Köstlichkeiten überreichen", ächzte sie und lehnte ihren Kopf erschöpft an Marlenes Schulter.
Bevor ich es ihr gleich tun konnte und meinen Kopf ebenfalls erschöpft auf die Tischplatte fallen ließ, erschien McGonagall hinter mir. „Wenn sie hier fertig sind, würde ich sie und Mr. Potter bitten mich aufzusuchen, damit ich ihnen ihre neuen Unterkünfte zeigen kann", erklärte sie und beäugte James mit nicht deutbaren Blick, bevor sie erneut zu ihrem Tisch zurückkehrte.
James schluckte sein letzten Bissen Kartoffeln herunter, bevor er mich mit der Begeisterung eines Kleinkindes anfunkelte. Es war unmöglich mein Herz nicht verzückt hüpfen zu lassen, als er mich dieses Blickes bedachte.
„Wir kriegen unsere ganz privaten Räume?!"
James und Lily mit ihren ganz eigenen Schulsprecher Räumen? Das bietet doch definitiv Material für Jily Momente in der Zukunft! 😂
Ich wünsch euch allen schonmal Frohe Weihnachten und hoffe ihr habt ein paar schöne Feiertage mit der Familie und/oder Freunden ❤️
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