Kapitel 42
Lilys Finger krallten sich fest in den Ärmel meines Sweatshirts, als sie die übliche Welle an Übelkeit überkam, die das Apparieren oftmals mit sich brachte. Auch mein Magen drehte sich unheilverkündend, doch nach ein paar tiefen Atemzügen hatte ich mich wieder unter Kontrolle.
Wir standen auf einer weitläufigen Wiese, welche von bunten Blumen gesprenkelt wurde. Der beinahe wolkenfreie Himmel, zusammen mit dem Gefühl der sommerlichen Luft, erweckte Vorfreude in mir. Den Rand der Wiese säumte ein dichter Wald aus Laubbäumen, unser Startpunkt für den heutigen Tag, doch zunächst mussten wir auf eine weitere Überraschung für Lily warten.
„Hast du die Karte aus dem Buch dabei?" Versuchte ich Remus unauffällig zuzuflüstern. Doch Lily hob trotzdem neugierig eine Augenbraue, beließ es jedoch bei diesem fragenden Blick und schaute sich stattdessen erneut die unberührte Landschaft an.
Ich bemerkte zunächst, wie sich ihre Augen verblüfft weiteten, bevor ich die beiden Gestallten am Rande des Waldes erblickte. „Marlene! Mary!", rief Lily aus, während ein einstimmiges „Lily!", zurückhallte.
Die drei liefen mit ausgebreiteten Armen aufeinander zu, was Sirius ein Prusten entlockte, während er sich köstlich über die überschwängliche Begrüßung amüsierte.
„Ich fall dir ab jetzt auch immer um den Hals, wenn wir uns sehen, Krone!", gluckste er. Dann faste er sich mit einer Hand theatralisch an die Brust und der Handrücken seiner anderen, flog zu seiner Stirn. „Oh James, jede Sekunde die ich von dir getrennt bin, brennt eine Leere in mein Herz, die mein ansonsten Sinnloses Darein nicht ertragen kann."
Es war erstaunlich, wie ernst er bei seinem Schauspiel bleiben konnte.
Peter hingegen verfiel bei seinem Anblick sogleich in ein hustendes Lachen und Remus Mundwinkel zogen sich ebenfalls in die Höhe. „Solange ich dich wegen deiner Trennungsangst nicht bei deinen Toilettengängen begleiten muss, werd ich damit schon irgendwie klarkommen, Tatze", bemühte ich mich um Ernsthaftigkeit. Dann schubste ich ihn spielerisch zur Seite, als er mit sehnsüchtigem Blick die Arme um mich schlang.
Empört versuchte er es erneut und versuchte mich mit einem Hundeblick zu überzeugen, der jedem Welpen Konkurrenz machen konnte. „Ach, Jamsie!", säuselte er, mit betroffener Stimme.
„Nenn mich nicht so!", klagte ich und richtete meine Aufmerksamkeit erneut auf die Mädchen, die nun Arm in Arm auf uns zukamen.
„Lily würdest du nie so abweisen!", hörte ich sein raues Geflüster an meinem Ohr, bevor er es schließlich gut sein ließ. Punkt an ihn - da konnte ich nicht widersprechen.
Doch jetzt war nicht der Moment für solche Gedanken, schließlich hatten wir noch einiges vor.
„Du musst uns alles von Amerika erzählen! Nein wirklich ich will alles wissen!", forderte Lily, als sie bei uns angekommen waren. Ihre Augen funkelten dabei vor Neugier, fast wie in jenen Momenten in Hogwarts, in denen sie etwas Neues lernte und ihre Welt erneut von diesem Wissen erhellt wurde.
„Gab's da süße Jungs?", warf Marlene keck dazwischen und biss sich wohl unbewusst auf die Unterlippe.
„Ich wünschte nur, ich wäre früher hier gewesen", nuschelte Mary, Marlenes Frage ignorierend und sah schuldbewusst zu Lily, die diesen Kommentar - nachdem ihre glücklichen Gesichtszüge kurz entgleist waren - einfach überging.
„Verflucht! Ich dachte, du kannst diese verflixte Karte lesen, Moony! Wozu haben wir dich denn, wenn du uns mit deinem Wissen nicht mehr nützlich bist?", stichelte Tatze, während er versuchte Moony die Karte zu entreißen. Dabei zerknitterte er eine der Ecken so sehr, das die Schrift darauf nur noch undeutlich leserlich war. Remus warf ihm einen warnenden Blick zu und drehte sich so, dass seine Schulter die Karte vor Sirius aufdringlichen Pranken abschirmte.
„Ich kann ja wohl mit mehr dienen, als nur meiner Belesenheit", grummelte er, die Nase dicht über das Papier gebeugt. Es grenzte an ein Wunder, dass er so blind für seine Umwelt, nicht über eine der dicken Wurzeln stolperte oder gar über seine eigenen Füße.
„Tja, aber deine angebliche Belesenheit, leitet uns gerade immer tiefer in diesen Wald, deshalb wäre ich schon beruhigt, wenn wir uns auch auf sie verlassen könnten", triezte Sirius weiter, jedoch sichtlich belustigt, über die aufkommende Falte zwischen Remus Augenbrauen.
Ich warf einen unauffälligen Blick über meine Schulter, wo sich die Mädchen nun langsam auch tuschelnd fragten, wo wir eigentlich hinwanderten. Das Lily das Urvertrauen aufbrachte, uns Rumtreibern überhaupt in einen dunklen Wald zu folgen, ohne eine vernünftige Erklärung einzufordern, hatte mich ohnehin schon stutzig gestimmt. Nun schienen ihre Fragen kurz davor aus ihr herauszubrechen, gebündelt mit einem Schwall anklagender Worte, auf die ich gut verzichten konnte.
„Jetzt reist euch mal zusammen, ihr Streithähne!", ermahnte ich meine Freunde zischend. „Wir laufen schon eine halbe Ewigkeit durch diesen Wald, ich will jetzt einfach eine ehrliche Antwort. Haben wir uns verlaufen, oder nicht?"
Sirius sprang ungeduldig auf und ab, um über Remus Schulter einen Blick auf die Karte zu erhaschen. Während Remus konzentriert unseren Weg mit dem Finger nachstrich, um sich einen Überblick zu verschaffen. Unsere Ungeduld schien ihn sichtlich zu verunsichern und er bemühte sich um einen kühlen Kopf. „Jetzt lasst mir doch mal einen Moment zum nachdenken. Wir müssen ganz in der Nähe sein!"
Und als würde das Schicksal Remus Überlegenheit beweisen wollen, entdeckte ich sie just in diesem Augenblick.
Mein Atem stockte, überwältigt von ihrem Anblick, ihrer Eleganz und Schönheit.
„Da", hauchte ich und augenblicklich verharrten alle an Ort und Stelle. Die Mädchen bemerkten sie erst einige Sekunden nach uns, doch auch sie versteinerten bei dem Anblick der sich ihnen bot. Lily schlug sich verblüfft die Hände vor den Mund und sah mich dann mit geweiteten Augen an. „Das war unser Ziel?", flüsterte sie. Ich nickte kaum merklich, das Pochen meines Herzens erschien mir plötzlich so unendlich laut und ich fürchtete die scheuen Tiere zu verschrecken. Als sich Lilys Augen wieder von meinen lösten, wandte ich mich ebenfalls erneut nach vorne.
Hinter dem silbern schimmernden Einhorn, welches genüsslich graste, kam ein kleines goldenes Horn zum Vorschein. Das kleine Fohlen sprang, von plötzlichem Übermut ergriffen, über die Lichtung, als jagte es dem Schimmern der Sonnenstrahlen hinterher, die durch die Lücken des Blätterdachs fielen. Ein Wiehern entwich seinen Nüstern, während seine noch immer etwas unkoordinierten Hufe auf dem weichen Waldboden aufschlugen.
„Das ist ja golden", entwich es Mary mit funkelnden Augen. Ihre Stimme war von Bewunderung erfüllt.
„Fohlen nehmen erst nach zwei Jahren die silberne Färbung ihrer Eltern an", erwiderte Lily ebenso ehrfurchtsvoll und so leise, dass ich sie kaum verstand. „Ich habe noch nie ein Echtes gesehen. Bis jetzt habe ich nur über sie gelesen und die Zeichnungen in den Büchern bewundert."
Für einen kurzen Augenblick konnte ich mich nicht entscheiden was ich lieber betrachtete, ihre glänzenden grünen Augen oder doch das Fohlen, welches noch immer leichtfüßig über die Äste sprang, so unbekümmert und frei. Genau dieses Gefühl wollte ich Lily geben, einen Moment der Leichtigkeit und Unbeschwertheit – das konnten wir wohl alle mal vertragen. Nach all den schrecklichen Wochen, den Verlusten, den grausamen Schlagzeilen im Tagespropheten und der Angst die tagtäglich mehr geschürt wurde, waren solche Augenblicke eine Rarität, die es zu suchen gab und an denen man sich festhalten musste. Die Dunkelheit lehrt einem das Licht erst richtig zu schätzen. Und diesen Moment im klaren Sonnenlicht würde ich in meinem Herzen tragen, damit er mir Hoffnung gab.
Vielleicht würde es den anderen genau so gehen, dann hätte dieser Ausflug sein Ziel erfüllt.
„Wir schlafen hier mitten im Wald?", fragte Lily etwas unbehaglich über diese Idee. „Wenn es hier Einhörner gibt, werden doch sicher auch andere, nicht so freundliche, Tiere hier herumschleichen."
Sirius warf seine Tasche unachtsam auf den Boden, als wir eine große Lichtung erreichten. Zufrieden sah er sich um und nickte bestätigend mit dem Kopf. „Hast du etwa Angst, Kleine? Wenn es dir zu gruselig wird, kannst du ja wieder zurückgehen und uns wahren Gryffindors den Spaß überlassen." Damit traf er einen Nerv und Lily verdrehte trotzig die Augen, nicht bereit sich sowas bieten zu lassen.
„Ohne mich überlebt ihr hier draußen doch keine einzige Nacht", erwiderte sie mit verschränkten Armen und einem herausfordernden Funkeln in den Augen.
Währenddessen machten sich Remus und Peter daran, das Zelt aufzubauen, welches ich meinen Eltern abgeschwatzt hatte. Zunächst waren sie nicht begeistert gewesen, dass wir bei allem was momentan geschah alleine weggingen. Aber dieser Ort schien abgelegen genug, um das Risiko jemanden anzutreffen zu minimieren.
Als Sirius unsere Freunde dabei beobachtete, wie sie verzweifelt versuchten sich nicht in den Strippen des Zelts zu verheddern, seufzte er ergeben und zückte seinen Zauberstab. Doch bevor er die Heringe mithilfe von Zauberei in den Boden hexen konnte, wehrte Remus genervt ab. „Wir haben doch gesagt, wir wollen richtig Campen! Dazu gehört, dass aufbauen des Zelts ohne Magie. So macht es doch viel mehr spaß", erklärte er und hob zur Verdeutlichung die Heringe in die Luft.
Sirius stieß gelangweilt etwas Luft aus, bevor er sich umdrehte und davon stapfte. „Fein, macht ihr euch ruhig die Hände schmutzig, ich werd mich mal etwas umsehen."
Keine zehn Minuten später stand das Zelt und Remus sah Peter zufrieden an, die Hände klatschten den letzten Rest Erde von seinen Knien. „Ladys first", säuselte er dann und hob den Stoff auf einer Seite des Zelts an, damit Lily und die anderen hineintreten konnten.
Belustigt sah ich, wie Lily kritisch die Stirn in Falten legte, als wundere sie sich, wie wir alle in ein so winziges Zelt passen sollten. Remus schien dies ebenfalls zu bemerken und ließ erheitert seine Zähne aufblitzen, als sich ein verschmitztes Grinsen auf seine Lippen legte. Mary und Marlene bekamen von diesem stummen Austausch nichts mit und betraten unbeirrt das Zelt. Lily hingegen, wippte zweifelnd mit den Füßen auf und ab.
„Jetzt mal ehrlich, Remus, wo sind die anderen Zelte? Ich kann dir gerne helfen sie aufzubauen."
„Tja leider haben wir nur dieses eine, aber James stört es sicherlich nicht, wenn du heute Nacht dicht neben ihm liegst", witzelte er und kassierte ein genervtes Schnauben seitens Lily. Mein Herz hingegen, zog sich bei diesem Gedanken sehnsüchtig zusammen und meine Gedanken schweiften kurz in diese Vorstellung ab, bevor ich mich zurück in die Realität zwang.
Schließlich trat Lily doch durch den Zelteingang und wir folgten ihr belustigt. Als ich den Stoff der Eingangs-Plane hinter mir fallen ließ, stieß ich beinahe mit ihr zusammen und trat überrascht etwas zurück. Breit grinsend beobachtete ich, wie Erkenntnis in ihre Augen trat und sie sich innerlich rügte, nicht eher auf diese Idee gekommen zu sein.
Mary und Marlene rannten unterdessen aufgeregt durch das riesige Zelt, um sich eines der Betten zu sichern und ihre Sachen auszupacken. Sie erkundeten jede kleinste Nische und jeden einzelnen Schrank - wobei sie mich etwas an zwei Niffler im Goldrausch erinnerten. Was genau sie sich von ihrer Suche erhofften, blieb mir jedoch schleierhaft.
Nach kurzem Staunen sah Lily amüsiert zu Remus hinüber. „Wie war das mit, keine Zauberei?"
Mein Kumpel zuckte nur abtuend mit den Schultern, bevor er an ihr vorbei ging, um sich zu den Mädchen in den großen Raum zu gesellen. „Ganz ohne schaffen wir es dann wohl doch nicht", gluckste er.
Ein stummes Lachen legte sich auf Lilys Lippen. „Das nenne ich bequemes Campen. In solchen Momenten liebe ich die Zauberei noch mehr."
I'm so sorry, dass letzte Woche kein neues Kapitel kam. Ich war einfach zu krank zum schreiben.
Aber ich hoffe dieses gefällt euch und als Wiedergutmachung, versuche ich diese Woche noch eins zu posten (wenn ihr wollt), hab es auch schon zur Hälfte fertig. 😉
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