Kapitel 4
Ich spürte den Wind durch meine Klamotten jagen und umfasste den Stiel meines Besens fester. Meinen anderen Arm streckte ich nach dem Quaffel aus und flog mit ihm eine scharfe Kurve, um ihn dann zurückzupassen. Das musste schneller werden! Sonst würden wir Probleme beim Spiel gegen Slytherin bekommen. Wir versuchten die Manöver noch einmal, bis Abott plötzlich landete.
„Was ist los?", brüllte ich gegen das Heulen des Windes.
„Wir spielen schon seit Stunden! Ich habe noch was vor", seine Stimme drang nur leise an mein Ohr. Das durfte doch nicht wahr sein.
„Wir sind noch nicht fertig mit trainieren!", rief ich ihm abermals zu und ließ meinen Besen tiefer gleiten, um meiner Stimme Verhör zu schaffen.
„Das letzte Manöver sitzt noch nicht gut genug", fügte ich dann hinzu.
„Wenn es nach dir ginge ist es nie gut genug", und damit verschwand er. Ich seufzte.
Natürlich war es für mich nie gut genug. Schließlich war ich der Kapitän unseres Teams, da war es meine Pflicht das beste aus uns heraus zu holen und das heute war eindeutig nicht unsere beste Leistung. Ich klemmte mir den Quaffel unter den Arm und ließ meinen Besen weiter absteigen. „Gut ihr habt's gehört", rief ich den anderen zu. „Training ist für heute vorbei."
Ich landete wie die anderen auf dem Boden und machte mich auf den Weg zum Schloss. In meinem Kopf ging ich noch einmal verschiedene Strategien durch, doch ich musste widerstrebend zugeben, dass Abott recht hatte. Wir hatten ewig trainiert und selbst ich konnte mich nicht mehr besonders gut konzentrieren. Der Klang meines Namens ließ mich innehalten.
„Ihr wart wirklich gut", hörte ich Peters Stimme hinter mir. Er rannte, um mich einzuholen. Sein Gesicht war kaum zu erkennen zwischen seiner dicken Wollmütze und seinem roten Gryffindor Schal.
„Nicht gut genug", erwiderte ich und blieb stehen, um auf ihn zu warten.
„Was treibst du hier überhaupt? Es ist bitterkalt. Hast du uns etwa die ganze Zeit zugesehen?"
„Nicht die ganze Zeit, aber Remus ist am Lernen und Sirius hab ich seit dem Frühstück nicht mehr gesehen. Er ist gleich nach dir verschwunden. Da dachte ich, es wäre die beste Idee, dir etwas zuzusehen." Wir gingen nun schnellen Schrittes zum Schloss und ich wünschte, ich hätte daran gedacht, eine Jacke mit zu nehmen.
„Wie man es sieht", wandte ich mich wieder an Peter.
„Das war wirklich nicht unsere beste Leistung heute."
Ich musste dringend etwas an unserer Strategie ändern. So eine Blamage wie letztes Jahr gegen die Slytherins wollte ich um jeden Fall verhindern. Ärgerlich kniff ich die Lippen zusammen, bei der Erinnerung an ihr Gefeixe und den Hohn nach diesem Spiel. Es hatte uns nicht nur im Quidditch Ärger gebracht, sondern dank Sirius hatten wir eine Woche lang nachsitzen dürfen. Er hatte das Gelächter und die Witze nicht ertragen und war bei einem unserer Streiche zu weit gegangen. Remus hatte ihm das wochenlang vorgehalten und als Anlass genommen, jede unserer kommenden Ideen im Keim zu ersticken. Sirius hatte das nur mit viel Gejammer über sich ergehen lassen.
Wir hatten das Schloss fast erreicht, da gingen meine Gedanken wieder zu meinem Gespräch mit Sirius über. Skeptisch wandte ich mich an Peter.
„Sag weißt du, wo sich Sirius gestern Nacht rumgetrieben hat? Ich hab ihn heute Morgen gefragt, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass seine Antwort mit der Küche gelogen war", brachte ich meine Gedanken zum Ausdruck. Peter hatte Probleme, mit meinem Tempo mitzuhalten und sah nun gehetzt zu mir auf.
„Wieso sollte er lügen? Wo hätte er sonst sein sollen?"
Ich zuckte mit den Schultern.
Wenn ich das wüsste. Ich war mir selbst nicht ganz sicher, weshalb ich dachte er würde lügen, aber eine Stimme in mir versuchte mir zu sagen, dass er mich am Zauberstab herumführen wollte.
„Ich weiß es auch nicht, ich hab nur so ein Gefühl. Ich dachte, du wüsstest vielleicht mehr", setzte ich zu einer Erklärung an. Peter schüttelte energisch den Kopf.
„Nein, ich weiß von nichts. Aber-", er stoppte und schien über etwas nachzudenken.
„Spuck's aus Peter", hakte ich nach.
„Naja ich fand's etwas seltsam, wie er heute Morgen mit einem Haufen Essen davon gestürmt ist", erklärte er und sah mich stirnrunzelnd an. Ich lachte.
„Sirius und Essen ist jetzt nicht gerade etwas ungewöhnliches", brachte ich zwischen zwei Atemzügen hervor.
„Ich mein ja auch eher, dass er Remus und mich einfach links liegen gelassen hat", wandte er ein und schien sich über mein Gelächter zu ärgern.
Wir hatten gerade die Eingangshalle erreicht, als mich abermals eine Stimme innehalten ließen.
„Hey! Hey James, warte mal", ein Mädchen mit langen blonden Haaren kam auf mich zu gerannt.
„Clarissa?", ich sah sie verwundert an.
„Ist was passiert?", fragte ich besorgt. Sie sah mich mit gerunzelter Stirn an.
„Das wollte ich dich eigentlich fragen", erwiderte sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Ich neigte meinen Kopf etwas verwirrt zur Seite.
„Tut mir leid, ich weiß nicht, was du meinst?" Nun sah sie wirklich erstaunt aus.
„Hast du die Gerüchte noch nicht gehört?", setzte sie abermals an, doch ich hatte nicht die leiseste Ahnung auf was sie anspielte.
„Ich würde nicht sagen, dass ich was so was angeht, immer auf dem neusten Stand bin", brachte ich zu bedenken.
Sie grinste heimtückisch.
„Oh darüber solltest du unbedingt auf den neusten Stand gebracht werden", erwiderte sie.
Wenn sie mich so ansah, war ich mir ziemlich sicher, dass ich das neuste Gerede gar nicht erst wissen wollte. Wenn das nächste Mädchen vorhatte, mich auf ein Date einzuladen, musste ich sie leider enttäuschen. Das hatte ich mir seit diesem Jahr abgeschworen. Es würde sowieso nicht funktionieren. Kein Mädchen konnte Lily Evans das Wasser reichen.
Ich hatte versucht, mich mit andern Mädchen abzulenken, aber vergebens. Remus hatte mir geraten, mich lieber auf das zu konzentrieren, was ich wirklich wollte. Anscheinend hatte Lily meine Dates mit anderen Mädchen nur als Bestätigung genommen, dass ich es nicht ernst mit ihr meinte. Wenn sie nur wüsste. Ich würde alles dafür geben, um sie endlich in meinen Armen halten zu können. Dass sie mich bemerken würde, ohne das ich dafür dumme Streiche spielen musste oder mich mit ihr anlegte.
Ich sah zu Clarissa herunter und lächelte entschuldigend.
„Clarissa nimm's mir nicht übel, aber all dieses Gerede ist wirklich nicht mein Ding." Meine Antwort schien sie nicht zu stören. Ganz im Gegenteil, sie schien sich sehr sicher, dass ich etwas Wichtiges verpasste.
Solange es nicht wieder um dieses Mädchen aus Ravenclaw ging, die vorhatte, mir einen Liebestrank einzuflößen, war mir das Gerede egal. Aber falls sie es erneut versuchen sollte, wäre eine Warnung vielleicht doch von Vorteil. Letztes Mal hatte der arme Peter die an mich adressierten Pralinen gegessen und war ihr tagelang nachgelaufen. Ich war mir nicht sicher, wer von den beiden mehr darunter gelitten hatte.
Clarissa zuckte mit den Schultern und wandte sich zum Gehen.
„Hm fein, wenn es dir so lieber ist. Dann kannst du ja Sirius selbst fragen", sagte sie mit einem Grinsen in der Stimme und machte sich auf den Weg zur Großen Halle.
„Warte, was?! Sirius?", rief ich ihr hinterher. Sie blieb augenblicklich stehen und drehte sich langsam zu mir.
„Doch neugierig?" Ihre Stimme klang zuckersüß und ich musste mich zusammen reißen, sie nicht an den Schultern zu packen und heftig zu schütteln. Dann würde dieses Grinsen vielleicht endlich von ihrem Gesicht verschwinden. Ich trat einen Schritt auf sie zu. Genug mit dem Gerede! Sie genoss es zu sehr mich so am Haken zu haben.
„Komm einfach auf den Punkt", schimpfte ich und sah zu ihr hinunter.
„Okay - wie bring ich dir das möglichst schonend bei?" Sie schwang nachdenklich ihren Zauberstab in der Luft herum. Himmel waren alle Frauen so? Wenn ja hatte ich einen weiteren Grund mich auf keine Dates mehr einzulassen.
„Clarissa", warnte ich sie. Sie grinste mich mit dem breitesten Lächeln der Welt an.
„Sirius und Lily Evans hatten heute Morgen ein Date."
Ich starrte sie an.
„Guter Witz", hörte ich Peter neben mir sagen. Meine Atmung musste kurz gestockt haben, denn ich schnappte plötzlich scharf nach Luft.
Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren und ich hatte Probleme, das Gesagte zu verarbeiten. Ihre Worte hallten in meinem Kopf nach und verdrängte alle anderen Gedanken. Ich versuchte mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Nach ein paar tiefen Atemzügen setzten sich die einzelnen Teile langsam wie ein Puzzle zu einem Bild zusammen. Sirius, wie er die ganze letzte Nacht verschwunden war und mein ungutes Gefühl, dass er mich aus irgendeinem Grund belog. Peters bedenken, wie er sich heute benommen hatte. Sogar dass er unsere Karte die letzten Tage immer mitgenommen hatte, schien mir auf einmal verdächtig. All das setzte sich zu einem Bild zusammen und ich fing an, erneut die Kontrolle über meine Atmung zu verlieren. Die Luft um mich herum besaß ganz plötzlich nicht mehr genug Sauerstoff.
„James?", die Stimme kratzte nur an meinem Bewusstsein. Ich war unfähig darauf zu reagieren.
Ein Stechen blitzte durch mein Herz. Hilfe?!
„Hey Krone, gehts dir nicht gut?"
Was für eine bescheuerte Frage! Mein Herz war gerade dabei, sich selbst zu erdolchen und mich einen tragischen Tod sterben zu lassen. Da ging es mir natürlich bestens!
„Vielleicht sollte er sich setzten."
Ich spürte kalte Hände an meinen Armen, die an mir zerrten. Und dann saß ich auf den Stufen einer Treppe. Wie war ich so schnell hier hingekommen?
„Hier trink etwas."
Clarissa musste von irgendwo her einen Kelch mit Kürbissaft geholt haben, jedenfalls breitete sich dieser süßliche Geschmack gerade in meinem Mund aus. Das half. Ich trank gierig den Rest und sah dann in die besorgten Gesichter von Peter und Clarissa.
„Mir gehts gut." Die beiden warfen sich einen wenig überzeugten Blick zu und sahen mich dann wieder besorgt an. „Wirklich mir gehts bestens", versuchte ich es noch einmal. Meine Stimme klang dünn und es wunderte mich nicht das ich sie nicht überzeugte. Seufzend fuhr ich mir mit beiden Händen übers Gesicht und dann durch meine Haare. Ich lehnte mich erschöpft zur Seite und stützte meine Schulter an dem Treppengeländer ab. Peter setzte sich neben mich.
„Das ist bestimmt eins dieser dummen Missverständnisse. Du weißt doch, wie schnell sich falsche Gerüchte in Hogwarts verbreiten." Ich sah von ihm zu Clarissa hinüber. Diese versuchte eine zustimmende Miene aufzusetzen und scheiterte kläglich daran. Ganz offensichtlich hielt sie es für mehr als nur ein Gerücht. Verflixt. Mein Herz wurde abermals von Stichen durchzogen, als sich ein Bild von Lily in Sirius Armen in meinen Kopf formte. Ihre roten Haare an seiner Brust. Ihr Gesicht in seinem Pullover verborgen. Peter bemerkte sofort, wie sich mein Körper wieder versteifte.
„Jetzt mal ehrlich James. Es sind immer noch Lily Evans und Sirius, von denen wir hier reden. Es würde mich überraschen, wenn die beiden überhaupt einen Satz miteinander Wechsel können, ohne dass sie ihm Beschimpfungen an den Kopf wirft."
Ich atmete tief durch. Er hatte ja recht. Und selbst wenn die beiden wie durch ein Wunder ein vernünftiges Gespräch führten, würde Sirius nie ein Date mit Lily haben. Er war mein bester Freund. Nein! Mein Bruder.
Und das Letzte, was ich mir vorstellen konnte, war, dass er mit Lily ausgehen würde.
Er war es doch gewesen, der meinte, ich sollte sie mir aus dem Kopf schlagen, weil es mich zu sehr verletzte, immer wieder eine Abfuhr zu bekommen. Er konnte es nicht ertragen, wenn ich litt. Er würde sich selbst hassen, wenn er mir so was antun würde. Das Letzte, was er tun würde, wäre, sich hinter meinem Rücken an Lily ran zu machen. Diesen Schmerz könnte er mir niemals antun.
Ich sah Peter immer noch etwas niedergeschlagen an. Meine Stimme klang flach und erschöpft.
„Eins steht fest. Ich und Sirius haben eindeutig Redebedarf!"
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