Kapitel 31
„Mum!", übermütig schmiss ich mich in die Arme meiner Mutter und atmete ihren vertrauten Duft ein. Wie sehr ich sie doch vermisst hatte. Sie roch nach blumigem Parfüme und ihrer Lieblings-Hautcreme, wie schon zu meinen Kindheitstagen. Augenblicklich umhüllt mich ein heimisches Gefühl und ich bemerkte, wie sehr ich mich doch nach meinem Zuhause gesehnt hatte.
Ja, ich liebte Hogwarts und alles was es mit in mein Leben gebracht hatte, doch seine Eltern seit seinem elften Lebensjahr nur noch in den Ferien zu sehen, war nicht gerade einfach. Für niemanden.
Und obwohl ich nach meinem unschönen Aufenthalt im St. Mungos fast Täglich eine Eule Nachhause geschickt hatte, fühlte ich mich, als hätte ich ewig nicht mehr mit meiner Mum gesprochen. In unseren Briefen war es auch hauptsächlich um jedes kleinste Anzeichen gegangen, welches auf einen Rückfall hindeuten könnte. Aus jedem Kopfschmerz machten sie eine schwerwiegende Migräne und aus jeder schlaflosen Nacht einen eine weitere Folge des Zaubers.
Es war schon fast lästig gewesen, aber besonders nach meinem Gespräch mit Petunia hatte ich verstanden, wie sich meine Familie fühlen musste. Für mich war es eine einfache Tatsache, dass ich wieder kerngesund war. Meine Eltern hingegen konnten magisch bedingte Nachwirkungen nicht ausschließen – Sie verstanden einfach zu wenig von der Zauberer Welt, um die Erklärung des Heilers nachzuvollziehen.
Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen löste ich mich von meiner Mutter und in dem Moment, indem sie mich genauer musterte, runzelte sie besorgt die Stirn. Liebevoll nahm sie mein Gesicht in ihre Hände und fuhr mir vorsichtig über die Haare.
„Engelchen, geht es dir nicht gut? Hast du irgendwelche Schmerzen? Du siehst nicht aus, als hättest du in letzter Zeit ausreichend schlaf bekommen", sie hob forschend mein Kinn an und betrachtete besorgt meine Augen.
„Und deine Augen sind ganz Rot! Wie lange ist das schon so? Hast du deinen zuständigen Arzt darüber in Kenntnis gesetzte?"
„Mir geht's gut, Mum!", unterbrach ich ihren Redeschwall und fuhr mir erschöpft über den Nacken. Die letzte Nacht zerrte erheblich an meinen Nerven und ich hatte schwer mit meinem Filmriss zu kämpfen. Für eine Person die immer gerne Kontrolle über alles hatte, war eine Gedächtnislücke nicht gerade ein Zuckerschlecken.
„Ich hab gestern Abend nur etwas zu viel gefeiert."
Auf ihren mahnenden Blick hin, der überausdeutlich eine Standpauke ankündigte, versicherte ich ihr, dass es nicht zur Gewohnheit werden würde. Langsam entspannte sie sich und nickte schließlich.
Sie schien weniger darüber besorgt, dass ich zu viel getrunken hatte, als vielmehr erleichtert, dass es nichts Ernstes war und legte das Thema schnell beiseite.
Um abzulenken sah ich mich suchend im Bahnhofsgebäude um und versuchte zwei ganz bestimmte Personen im Getümmel der Pendler zu finden.
„Wo sind Dad und Tunia?"
Das liebevolle Lächeln meiner Mutter geriet in bröckeln und Besorgnis ergriff von mir besitz. „Mum?", fragte ich leise.
Sie legte mir ihre Hand auf die Schulter und seufzte, als hätte sie gehofft dieses Thema zunächst vermeiden zu können.
„Es ist nichts Schlimmes. Petunia und euer Vater hatten nur eine kleine Auseinandersetzung", sie wurde jäh unterbrochen, als zwei dunkle Haarschöpfe hinter uns auftauchten.
Augenblicklich spannten sich meine Muskeln an und ich unterdrückte das Bedürfnis die beiden fort zu hexen.
„Guten Tag, Madam, darf ich uns vorstellen? Ich bin Sirius Black und das hier", er machte eine ungewöhnlich elegante Armbewegung, wenn man bedachte, dass es sich hier um Sirius handelte, „ist mein bester Freund, James Potter."
Meine Mutter war sichtlich entzückt von ihm, das konnte ich ganz eindeutig an ihren Gesichtsausdruck ablesen. Ich konnte das folgende Augenrollen nicht verhindern.
Merlin, das konnte ja was werden.
Mein Blick fiel auf James welcher schon den gesamten Tag über ungewöhnlich steif wirkte. Meine Mutter bemerkte es wahrscheinlich nicht mal, aber ich kannte ihn mittlerweile gut genug, um zu sehen, wie angespannt sein Kiefer knirschte, währende die Ader an seinem Hals angestrengt pulsierte. Oder wie er seine Schultern ungewöhnlich strak durchgedrückte, als würde er ansonsten haltlos in sich zusammensacken.
„Freut mich euch kennen zu lernen, ich bin Lilys Mutter, Jean Evans. Lily du hast mir nie erzählt was für charmante Schulfreunde du hast", säuselte meine Mum und mir stieg die Röte ins Gesicht. Als charmant würde ich die zwei Chaoten jetzt vielleicht nicht bezeichnen, aber ich ließ meine Mutter lieber in diesem Glauben, als ihr die wahre Natur der beiden zu offenbaren.
„Sie sehen wirklich nicht aus, als wären sie alt genug Lilys Mutter zu sein", flötete Sirius, woraufhin ich ihm einen bitterbösen Blick zuwarf und dem Instinkt unterdrückte, mir meine flache Hand vor die Stirn zu schlagen.
Schön und gut Black, dass du mit jedem Mädchen flirtest, aber halte meine Mum gefälligst von deinen selbstgefälligen Sprüchen fern, versuchte ich ihm stumm über Augenkontakt mitzuteilen. Jedoch wahren meine Versuche von keinem Erfolg gekrönt. Stattdessen fuhr er sich lässig durch die Haare und setzte sein verführerisches Grinsen auf.
Zu meiner Erleichterung musste ich allerdings nur gegen das Verhalten einer der beiden Rumtreiber ankämpfen. Wobei mir James Ausstrahlung auf eine ganz andere Art und Weise Kopfschmerzen bereitete. Diese auffällige Zurückhaltung und Stille, welche er heute an den Tag legte, passte einfach nicht zu ihm.
Die kleine sorgenvolle Stimme, die mich anwies in beiseite zu nehmen und zu fragen, was zu seinem rapiden Stimmungswandel geführt hatte, schob ich jedoch zunächst in die hinterste Ecke meines Kopfes. Damit konnte ich mich auch noch beschäftigen, wenn ich Blacks überschwängliche Komplimente von meiner Mutter abgekratzt hatte, die eindeutig viel zu begeistert von ihm war.
Ich wusste wirklich nicht, wie ich es immer wieder in die absurdesten Situationen schaffte. Tatsache war jedoch, dass diese hier mit zu den sonderbarsten in meinem gesamten Leben gehörte. Ich saß mit meiner Mutter, Sirius Black und James Potter in unserem kleinen Ford und fuhr durch die Straßen von London.
Da James Eltern aus mir nicht bekannten Gründen verhindert waren und sie nicht abholten konnten, hatte meine Mum ihnen angeboten, sie nachhause zu fahren. Dass es aber durchaus auch andere Wege für zwei volljährige Zauberer gab nachhause zu kommen, hatte Sirius allem Anschein nach vergessen zu erwähnen.
Ich hätte die beiden wirklich keine Sekunde aus den Augen lassen dürfen, das hatte ich jetzt davon.
Zu allem Übel, hatte Sirius ohne eine Diskussion zuzulassen, den Beifahrersitz in beschlag genommen und sah nun hibbelig dabei zu wie meine Mum den Schaltknüppel betätigte.
„Und den brauchen sie, um an Geschwindigkeit aufzunehmen?", fragte er mit der Neugier eines Kleinkindes in den Augen. Ich bemerkte wie er ehrfürchtig über die Knöpfe des Radios fuhr und erschrocken in seinen Sitz zurück wich, als die etwas zu energetische Stimme einer Radiosprecherin durch die Lautsprecher schallte. Nachdem er den ersten Schock verdaut hatte, breitete sich ein begeistertes Grinsen auf seinem Gesicht aus und er durchlöcherte meine Mum weiter mit allerlei Fragen über unser Auto.
So wie es schien, war er völlig vernarrt in jegliche Art von Muggel Fahrzeugen – noch etwas, was ich nicht von ihm erwartet hätte, er war wirklich immer für eine Überraschung zu haben.
Um diese absurde Situation für einen Moment aus meinen Gedanken zu verdrängen, wandte ich meine Aufmerksamkeit aus dem Fenster und betrachtete, wie sich die Landschafft nach und nach veränderte. Die dicht aneinander liegenden Häuserwände, lichteten sich schon bald und etwas Grün sprenkelte sich dazwischen. Als wir so weit ländlich gelangt waren, dass ich mich nach etwas frischer Landluft sehnte, kurbelte ich mein Fenster herunter und atmete einmal tief durch. Meine Haare flogen mir wirr um den Kopf und verdeckten mir immer wieder das Sichtfeld.
Als ich ein kaum merkliches Wimmern vernahm, sah ich mich verwundert zu James um. Dieser klammerte sich, als würde sein Leben davon abhängen, an den Griff der Autotür und hatte seine Augen fest zugekniffen.
„Würde es dir was ausmachen, das wieder zuzumachen?"
Läge meine Aufmerksamkeit nicht schon auf ihm, hätte ich seine Bitte wohl, über den Fahrtwind hinweg, überhört. So kurbelte ich jedoch etwas verwirrt die Scheibe wieder hinauf.
Als auch das letzte Rauschen des Windes verklungen war und ich abermals nur die leise Stimme aus dem Radio hörte, die immer wieder von Sirius aufgeregten Fragen übertönt wurde, entspannte sich James etwas.
„Danke", hauchte er.
Seine Fingerknöchel standen schon weis hervor, als er seine Hände von dem Griff löste und sie nervös aneinander rieb.
„Hast du etwa angst vorm Autofahren?", fragte ich ungläubig und vielleicht etwas zu plump für die Situation. Er fuhr sich verlegen durch die zerzausten Haare, welche keine Hilfe von offenen Autofenstern benötigten, um so auszusehen.
„Ich vertraue diesen Muggel Kasten nur nicht", gab er schlicht zur Antwort. Etwas in seiner Stimme verriet mir, dass ihm die Situation überaus unangenehm war.
„Ich will nur nicht, dass es auseinander fällt und uns alle umbringt", fügte er noch kleinlaut hinzu und ich biss mir in die Unterlippe, um das aufkommende Lachen zu unterdrücken.
„Darf ich dich erinnern, dass du letztes Jahr fast im Sturzflug den Boden umarmt hättest, während deiner waghalsigen Mission den Schnatz zu fangen?"
Sein rechter Mundwinkel zuckte verräterisch, doch sein Blick war weiter auf die Rückenlehne vor sich gerichtet.
„Lieber breche ich mir beim Quidditch all meine Knochen, als hier drin ohne einen tieferen Sinn zu sterben", scherzte er, wobei doch etwas Ernsthaftigkeit in seinen Worten mitschwang.
Nun kam wirklich ein leises Glucksen über meine Lippen und ich strich mir einige vom Wind verirrte Strähnen hinters Ohr.
„Und sich beim Quidditch alle Gliedmaßen zu brechen hat einen tieferen Sinn?"
Belustigt betrachtete ich ihn und wunderte mich zum wiederholten mal an diesem Tag, warum er mir nicht direkt in die Augen sah.
Das kleine, jedoch penetrante Gefühl etwas falsch gemacht zuhaben, drängte sich erneut an die Oberfläche meines Bewusstseins.
„Wenn ich dabei den Sieg hole, dann ist es sogar der einzig wahre Sinn", lächelte er und blickte aus dem Fenster, wo sich schon die ersten Felder über das Land erstreckten.
„Manchmal redest du wirklich Unfug, James Potter", neckte ich ihn und das erste Mal an diesem Tag, sah er mir für einen kurzen Moment direkt in die Augen.
„Und du bist einfach umwerfend, Lily Evans."
Seine Worte schienen ihn eben so sehr überrumpelt zu haben wie mich, denn wir wandten beide verunsichert unsere Blicke ab. Mein Herz versuchte mir jedoch einen Strich durch die Rechnung zu machen, als es aufmüpfig versuchte in seine Richtung zu hüpfen. Seine Worte, oder vielmehr die Art wie er diese gesagt hatte, hinterließen ein angenehmes Kribbeln in meinem Inneren.
Allerdings beflügelten sie nicht nur dieses Gefühl, sondern auch jenes kleine penetrante, welches mir versuchte mitzuteilen, dass irgendetwas nicht stimmte. Seine Stimme hatte warm rau und wunderbar geklungen, aber es schwang auch ein hauch von Traurigkeit mit ihr. Oder war es Bedauern?
Aber was sollte James bedauern?
Was war vorgefallen, dass er mich schon den ganzen Tag auf Distanz hielt, mich kaum wagt anzusehen, nur um mir dann so etwas zu sagen?
Als er mich aus meinen Gedanken riss, klang er weniger warm, sondern eher kühl und aufgesetzt. „Ich – Vergiss einfach was ich gesagt habe."
Ein kleiner Stich durchbohrte mein Herz und ließ es wummernd zurück. Das Hochgefühl in meiner Bauchgegend wandelte ich in Windeseile in schwummrige Übelkeit.
Hatte er das ernst gemeint?
Aufgewühlt knabberte ich an meiner Unterlippe und betrachtete die niedlichen, verwinkelten Häuschen, welche wir passierten.
„Schon in Ordnung", nuschelte ich schließlich, obwohl jede Faser meines Körper das gegenteilige schrie.
Was war nur los zwischen uns? Warum sendete er mir so widersprüchliche Signale?
Trotz des Sturmes, der in ihm zu toben schien und all seine Aufmerksamkeit einforderte, bemerkte er meine Verletztheit und griff unüberlegt nach meiner Hand, welche sofort Stromstöße durch meinen gesamten Körper jagte. Wie elektrisiert stellten sich die feinen Härchen in meinem Nacken auf und ein wohliger Schauer lief mir den Rücken hinunter.
Als wären die kleinen Stromstöße nun auch zu ihm übergegangen, löste er meine Hand schnell wieder aus seiner.
„Ich will nur nicht, dass es komisch zwischen uns ist", erklärte er dann und etwas flehendes lag in seinem Blick.
Diesmal war ich es die den Kontakt zwischen uns aufbaute und nach seiner Hand griff. Die darauf folgenden Gefühle, waren nicht weniger intensiv und durchströmten mich herrlich aufregend.
„Ich wüsste nicht, warum es das sollte", lächelte ich aufmunternd, während ich den Druck meiner Finger verstärkte.
Ich meinte es ernst, ich wusste es wirklich nicht, aber es war überausdeutlich, dass da trotzdem etwas war. Ich schaffte es nur nicht die passenden Puzzlestücke zusammenzusetzten.
Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte James, als wolle er zu einer Erklärung ansetzte - vielleicht hätte mir das geholfen etwas Licht ins Dunkle zu bringen – doch er schüttelte schließlich nur kaum merklich den Kopf und behielt seine Gedanken für sich, während er mit braun lodernden Augen auf unsere Hände sah.
Irgendetwas quälte ihn und allem Anschein nach hatte es was mit mir zutun. Jetzt musste ich nur noch herausfinden was.
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