
Kapitel 12
Beim Abendessen warf ich immer wieder verstohlene Blicke den Gryffindor Tisch hinauf. Potter saß schweigend am Tisch und stocherte in seinem Essen herum. Seine Laune schien wirklich im Keller zu sein. Ich beobachtete wie Sirius sich vehement darum bemühte seinen Kumpel auf bessere Gedanken zu bringen. Er schlug ihm lachend auf den Oberarm, doch Potter tat dies mit einem kurzen Schmunzeln ab.
War es wirklich meine Schuld, dass er dort so niedergeschlagen saß? Ich hätte nie gedacht das mein Verhalten einen solchen Einfluss auf ihn haben könnte. Eigentlich hatte ich eher gedacht ich wäre diejenige die er verletzen würde und nicht anders herum. Grübelnd wandte ich mich wieder meinem eigenen Essen zu. Marlene hatte bis eben mit Mary gesprochen und wandte sich jetzt mit einem theatralischen Seufzen mir zu.
„Ok, als du dich heute mit Sirius beglückt hast, hat Alec mich auf ein Date am nächsten Hogsmeade Wochenende eingeladen." Ich hustete und schlug mir panisch auf die Brust, um wieder Luft zu bekommen.
„Ich habe mich ganz sicher nicht mit ihm beglückt!" Fassungslos sah ich sie an, doch sie zeigte mir nur grinsend ihre Zähne. Wenn diese Sticheleien jetzt zur Gewohnheit werden würden, musste ich um mein Leben bangen. Das würde nicht gut enden.
„Wie auch immer. Auf jeden Fall will er mit mir zu Madam Puddifoot und du musst mir helfen, ihn davon zu überzeugen irgendwo anderes mit mir hinzugehen!"
„Warum sagst du ihm nicht einfach dass du den Laden schrecklich findest." Sie rieb sich verlegen den Nacken und sah auf ihren Teller.
„Ja, nun ich hatte irgendwie ne Kurzschluss Reaktion, als er mich gefragt hat, ob ich da gerne mit ihm hingehen würde. Was soll ich ihm sagen warum ich meine Meinung geändert habe?" Ich zuckte beiläufig mit den Schultern. War das nicht offensichtlich?
„Vielleicht einfach die Wahrheit?", schlug ich vor und schob mir ein Stück meiner Kartoffel in den Mund. Marlene sah mich wenig überzeugt an. Manchmal konnte sie die einfachsten Dinge wirklich verkomplizieren. So wie damals, als ein Hufflepuff, einen Jahrgang unter uns, sie nach einem Date gefragt hatte und ich mir darauf wochenlang ihre inneren Konflikte anhören durfte.
Aber Lily, er ist so nett zu mir ich möchte seine Gefühle nicht verletzten. Vielleicht sollte ich ihm doch absagen, nicht dass ich ihm hinterher das Herz breche. Tja anstatt einfach mit ihm zu reden, hatte er sie nach drei Wochen zur Rede gestellt und wie ich ihr vorher gesagt hatte, hatte er keine Selbstmord Gedanken, nachdem sie ihm einen Korb gegeben hatte. So weit ich wusste, hatten die beiden danach sogar noch guten Kontakt.
Auf ihren verzweifelten Blick hin ließ ich meine Gabel sinken und sah sie auffordernd an. „Tu so, als wäre ich Alec."
Mary neben Marlene, die das Gespräch anscheinend belauscht hatte, beugte sich nun über den Tisch und sah uns belustigt an.
„Na das kann ja interessant werden." Marlene schluckte.
„Okey. Also Alec... ich weiß ich habe gesagt ich würde liebend gerne mit dir zu Madam Puddifoot, aber nicht wegen dem doofen Laden, sondern nur weil ich überall gerne mit dir hingehen würde. Und dann hab ich realisiert, dass ich überall lieber mit dir hingehen würde, als zu Madam Puddifoot." Mary ließ sich wieder zurück fallen und nickte zustimmend mit den Kopf.
„Klingt doch nicht schlecht."
Da stimmte ich ihr zu. Marlene machte sich einfach mal wieder zu viele Gedanken.
„Nicht schlecht? Verdammt ich bin einfach so nervös was ihn angeht. Was ist wenn ich das mit uns versaue?" Ich lehnte mich zu ihr rüber und legte ihr bestimmt eine Hand auf die Schulter.
„Brauchst du nicht. Letztes Mal lief doch alles super zwischen euch. Und falls er dich nicht so mag wie du bist, ist er es nicht Wert."
„Das sagst du so leicht", grummelt sie missmutig. „Tja das ist nunmal die Wahrheit."
Eine weitere Wahrheit war, dass ich mich Potter gegenüber wie ein Trottel benommen hatte. Ich war vielleicht nicht perfekt, aber ich würde ganz sicher nicht wie meine Schwester oder Severus enden. Unter gar keinen Umständen wollte ich Menschen die es gut mit mir meinten verletzen und allem Anschein nach gehörte Potter zu diesen. Zumindest wenn ich Sirius glauben schenkte.
Mit einer schwachen Entschuldigung verabschiedete ich mich von Marlene und Mary und stand von der Bank auf. Nervös strich ich mir die Falten auf meinem Rock glatt und setzte mich in Bewegung, Richtung Potter.
Meine üblichen Potter Alarmglocken klirrten in meinem Kopf, doch ich ignorierte sie stur und versuchte mich auf meinen Fehler zu konzentrieren. Genau Lily, du bist nicht so ein Mensch, der andere unfair verurteilt. Du sorgst nicht dafür das es anderen schlecht geht.
Mit gestraften Schultern und stillstehendem Atem bleib ich hinter Remus und Peter stehen. Potter saß mir auf der anderen Seite des Tisches zwar zugewandt, jedoch bemerkte er mich in seiner schlechten Laune nicht. Er starrte eisern auf seinen Teller. Komm schon, Lily, das kann doch nicht so schwer sein. Sag einfach es tut dir leid und dann ist die Sache gegessen. Etwas zu starr für meinen Geschmack wollte ich zu einer lausigen Entschuldigung ansetzten. Doch bei Potters erneutem Anblick überlegte ich es mir spontan anders. Vielleicht hatte Sirius wirklich recht und ich sollte versuchen ihm eine echte Chance zu gegeben.
Als Potter gerade einige gekochte Karotten über seinen Teller schob, überwand ich meinen Stolz und machte mit geballten Händen in der Hüfte, auf mich aufmerksam.
„Potter, also wirklich! Mit Essen spielt man nicht!"
Großartig Lily. Das war einer der schlechtesten Versuche, die ich jemals unternommen hatte, um eine Situation aufzulockern. Ich versuchte mir meinen Ärger über mich selbst nicht anmerken zu lassen und lächelte ihn an.
Potter schien meinen missratenden Friedensversuch nicht verstanden zu haben, was ich ihm nicht verübeln konnte.
„Was?", fragte er mich mit verwirrten Augen durch seine Brille, die ihm etwas schief auf der Nase saß. Ich hielt den Drang zurück mein Gesicht in meinen Händen zu verbergen und sah ihm in die Augen. Er hatte schöne Augen, jedoch fehlte ihnen ein gewisses Funkeln, welches ich noch bei Slughorns Party bemerkt hatte.
„Setz dich doch." Remus rutschte etwas zur Seite, um mir Platz direkt gegenüber von Potter frei zu machen. Ich fühlte mich etwas orientierungslos, als er mich aus meinem Gedanken riss, setzte mich jedoch dankbar neben ihn. Remus schien einen Verdacht zu haben, weshalb ich hier aufgetaucht war. Jedenfalls sah er unauffällig zwischen Potter und mir hin und her. Potter hingegen versuchte sein Starren überhaupt nicht zu verheimlichen. Er sah mich aus großen Augen an. Um unter seinem Blick nicht aus Nervosität zusammen zu brechen schnappte ich mir eine der Karotten, die er eben noch so achtlos betrachtet hatte und steckte sie mir in den Mund.
Nun lagen auch Peters und Sirius Blicke auf mir und ich entschloss das dies eindeutig nicht der richtige Ort für ein Gespräch mit Potter war.
„Da du anscheinend keinen Appetit mehr hast, wärst du so freundlich und würdest mich zum Gemeinschaftsraum begleiten?"
Ein breites Grinsen brach auf Sirius Gesicht aus, welches im großen Kontrast zu Potters gerunzelter Stirn stand.
„Du willst das ich dich begleite?" Würde ich dich sonst fragen Potter?
Mein Lächeln wirkte wahrscheinlich etwas aufgesetzt und ich war dankbar, als Sirius ihm einen Stoß mit dem Ellbogen verpasste. Potter rieb sich verwirrt die Rippen, nahm seinen Blick jedoch nicht von meinem Gesicht. Als er nach wie vor zu keiner Antwort ansetzte, fügte ich ein in die Länge gezogenes „Also?", hinzu.
Ganz plötzlich breitete sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht aus und er sprang hastig auf. Durch seine übereilten versuche seine Beine über die Bank zu bekommen, verlor er etwas von seiner üblichen Potter coolness, als er dabei fast kopfüber auf den Steinborn krachte. Ich unterdrückte ein Glucksen und hielt mir gespielt geschockt die Hand vor den Mund, um mein Lachen zu verbergen.
Als wir die Stimmen der großen Halle hinter uns gelassen hatten, überlegte ich fieberhaft, wie ich das Gespräch am besten anfangen sollte. Ich sollte mich auf jeden Fall entschuldigen und ihm eventuell in Ruhe erklären warum ich reagiert hatte, wie ich nun eben hatte. Doch bevor mir meine zurechtgelegten Worte über die Lippen kommen konnten ergriff Potter das Wort.
„Es tut mir so unendlich leid, Lily! Ich hab schon seit Tagen versucht mit dir zu reden. Ich hätte nicht so in die Situation einschreiten dürfen. Das letzte was ich gewollt habe, ist es in irgendeiner Art und Weise schlimmer für dich zu machen."
Er holte tief Luft und ich wollte ihm gerade erklären, dass ich nicht mehr sauer auf ihn war, da fuhr er schon mit seiner Entschuldigung fort.
„Und natürlich hab ich es mal wieder vermasselt. Du weist das besser als jeder andere. Ich bin manchmal wirklich so ein Idiot und denke nicht nach bevor ich handle und ich kann verstehen wenn du jetzt nie wieder ein Wort mit mir..."
„Hol mal Luft, Potter!"
Er sah mich aus großen Augen heraus an und schnappte wirklich kurz nach Luft. Ich war auf einer der Treppenstufen stehen geblieben und er ragte nun ein gutes Stück über mir. Jetzt oder nie.
Dank seiner überschwänglichen Rede warf ich meine zurechtgelegten Wort über Bord. Mit hoch gerecktem Kopf sprudelten die Worte aus mir heraus.
„Mir tut es leid. Ich war einfach nur so wütend, weil ich dachte, dein Ego hätte dich zu dieser Aktion getrieben. Ja, du kannst ein Idiot sein und unüberlegt handeln, aber das kann ich auch nur allzu gut. Ich habe es überhaupt nicht in Erwägung gezogen, dass du mich verteidigt hast, weil ich dir wichtig bin. Mein kleiner bescheuerter Kopf, hat von selbst angenommen dass es sich bei deiner Reaktion mal wieder nur um dich gedreht hat. Und das tut mir leid. Es ändert zwar nichts an der Konsequenz, das die Slytherins es noch mehr auf mich absehen werden, aber du hast es nur gut gemeint. Und Sirius hat mir klar gemacht, dass ich mich selbst belüge, mit all diesen Vorurteilen im Kopf. So ein Mensch will ich nicht sein. Ich will mein Weltbild nicht so verzerrt haben, dass ich anderen Menschen wehtue."
Ich wollte nicht so enden wie Severus und Petunia. Ich sog tief den Atem ein und senkte meinen Blick, der bis eben auf Potters Gesicht geruht hatte. Verwundert bemerkte ich, das ich meine Hände in den Stoff meines Rockes gekrallt hatte. Es fiel mir schwerer als ich zugeben wollte, mich zu meinen nächsten Worten durch zu ringen. Verflucht sei Merlin, wenn ich jetzt einen Rückzieher machen würde. Verdammt Lily, du bist ein Gryffindor! Beweise mal etwas Mut und spring über deinen schatten. Zitternd ließ ich von dem Stoff meines Rockes ab und überwand den restlichen Stolz in mir.
„Also was denkst du? Freunde?" Ich hielt ihm meinen ausgestreckten Arm hin und sah mit großer Wahrscheinlichkeit aus wie ein Kleinkind das versuchte neue Freunde im Sandkasten zu finden.
Für einen kurzen Augenblick sah mich Potter blinzelnd an. Dann erschien ein Strahlen auf seinem Gesicht, das meine Knie zum Zittern brachte. Es erhellte seine Augen und bildete kleine Fältchen an ihren Seiten. Mit schnellen, großen Schritten kam er die Stufen zu mir herunter und nahm mit einem festen Händedruck meine Hand. Sie fühlte sich warm und rau an. Irgendwie beängstigend richtig in meiner.
„Freunde! Definitiv Freunde!" Aus seiner Stimme vernahm ich pure Freude und ich meinte ihn noch nie so glücklich gesehen zu haben.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro