Kapitel 11 - Crowley in der Vaterrolle
Der nächste Morgen ist für beide merkwürdig. Scarlett schlief die ganze Nacht nicht sonderlich gut und hat sich immer von einer Seite auf die andere gewälzt. Scud wurde dadurch hin und wieder wach, hat versucht sie zu beruhigen und sie im Arm zu halten, doch es hat nicht allzu lange funktioniert. Als sie dann am Morgen wach wurden, sahen beide total übermüdet aus. Scarlett ging schweigend duschen, während Scud runter in die Küche ging. Grübelnd macht er das Frühstück fertig, als sie dann wieder zu ihm kommt. Sie setzt sich an den gedeckten Tisch und muss leicht lächeln. Scud hat ihr Pancakes in Herzform gemacht. Das ist so süß von ihm. Sie guckt auf als er sich neben sie setzt und die Kaffeetassen abstellt.
„Wie geht es dir?"
„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Es ist alles komisch."
„Das glaub ich dir.... es tut mir wirklich leid, Scarlett."
„Du kannst nichts dafür."
„Naja, so würde ich das nicht sagen."
„Scud, du bist für uns da. Das weiß ich sehr zu schätzen."
„Ist doch selbstverständlich."
Beide trinken einen Schluck Kaffee und fangen dann an, die Pancakes zu essen. Scarlett hat eigentlich keinen Hunger, aber nach dem ersten Biss kann sie nicht anders, als ihren Teller leer zu essen. Scud ist ein super Koch und das sind mit Abstand die besten Pancakes, die sie je gegessen hat.
„Ich habe Tommy und mich übrigens von der Schule abgemeldet. Nur damit du Bescheid weißt, dass wir wohl den ganzen Tag hier sein werden."
„Du hast was?!"
„Ist das ein Problem? Wir können auch gehen."
„Ihr geht jetzt gar nicht mehr zur Schule?"
„Doch natürlich. Nur heute nicht."
„Ich dachte schon, ihr geht gar nicht mehr."
Er guckt sie erleichtert an und legt eine Hand auf ihren Oberschenkel. Scud trinkt einen Schluck und isst weiter, guckt sie dabei an. Scarlett muss grinsen und isst ebenfalls weiter. Sie legt ihre Hand auf seine und verschlingt deren Finger miteinander. Es ist wirklich süß, wie sehr Scud sich um die beiden sorgt. Er möchte nicht, dass sie das normale Leben aufgeben, auch wenn er alles andere als normal ist.
„Keine Sorge, Scud. Ich schmeiß die Schule nicht. Ich brauch einfach nur eine kleine Auszeit."
„Das kann ich auch verstehen, mein Schatz."
Scud streichelt ihren Handrücken und trinkt seinen Kaffee aus und isst auf. Scarlett isst ebenfalls auf und genießt seine Berührung. Sie legt ihren Kopf auf seine Schulter und atmet seinen Duft tief ein. Eher gesagt, den Geruch von Gras mit einem Hauch seines Duftes.
„Erklärst du mir was da los war? Wieso hast du deine Dämonenkräfte eingesetzt?"
„Weil ich nicht zulassen werde, dass dieser Kerl deinen Bruder schlägt."
„Versteh mich nicht falsch, ich weiß das zu schätzen, aber... hättest du ihn nicht einfach nehmen und mit ihm gehen können?"
„James hat mir zuerst eine reingehauen. Das letzte Mal habe ich mich zurückgehalten."
„Ich muss mich damit wohl abfinden, was? Da du ja ein Dämon bist und so..."
„Das war erst das dritte Mal, dass ich sie eingesetzt habe."
„Ich hoffe nicht, dass ich beim vierten Mal dabei bin."
„Es tut mir so leid."
Er gibt ihr einen Kuss auf ihr Haar und streichelt weiter ihren Handrücken. Er lehnt seinen Kopf an ihren und senkt den Blick. Es tut ihm wirklich leid. Er wollte nicht, dass es so weit kommt. Dass er seine Kräfte benutzt hat und beide mit ansehen mussten, was er im wütenden Zustand macht, wollte er nicht. Er ist so froh, dass die beiden keine Angst vor ihm haben. Er hätte es nicht ertragen, wenn sie sich vor ihm fürchten würden und es abgelehnt hätten, mit zu ihm zu kommen. Aber er hält die Liebe seines Lebens in seinen Armen. Auch wenn etwas furchtbares passiert ist (und das nicht zum ersten Mal) wendet sie sich nicht von ihm ab. Nein, Scarlett macht genau das Gegenteil. Sie sucht seine Nähe, vergräbt sich in seinen Armen. Denn dort fühlt sie sich sicher. Noch nie zuvor hat sie sich so gefühlt, wie sie sich bei ihm fühlt. So geborgen, sicher, glücklich, geliebt und zufrieden kann sie sich nur an Scuds Seite fühlen.
„Scud, hör auf dich immer zu entschuldigen. Ich muss mich einfach nur daran gewöhnen."
„Ich mich nicht oder was?"
„Du bist ein Dämon und ich ein Mensch. Das ist kompliziert aber ich weiß, dass wir das zusammen schaffen."
„Das werden wir."
„Danke übrigens das du uns da raus geholt hast."
„Ich konnte euch doch nicht dort lassen."
„Ich liebe dich, Scud."
„Ich dich auch."
Sie guckt ihn dankbar und verliebt an. Trotz der ganzen gemischten Gefühle, kann sie ihre Liebe zu ihm weder verbergen, noch in den Hintergrund rücken. Besonders in einer solchen Situation ist er für sie da. Auch wenn er sich selbst Vorwürfe macht und sich schuldig und schlecht fühlt, gibt er ihr das Gefühl, dass er ihr Fels in der Brandung ist. Denn genau das will er sein. Ihr Fels. Und das für alle Ewigkeit. Er kann sich seine Zukunft nicht mehr ohne sie vorstellen. Er will es auch gar nicht. Scarlett ist seine erste Liebe und er weiß, dass sie die Richtige für ihn ist.
„Du Scud? Kann ich eigentlich irgendwas machen? So als kleines Danke, dass ich hier sein darf mit Tommy."
„Ich wüsste nicht was."
„Lass es mich wissen, wenn ich was machen kann."
Sie steht auf und räumt die Teller zusammen, bringt diese zur Spüle und holt dann die Tassen. Sie möchte sich gerne etwas nützlich machen und da Scud das Frühstück gemacht hat, beschließt sie, den Abwasch zu machen. Das ist das Mindeste was sie machen kann. Anschließend trocknet sie alles ab und räumt alles wieder ein. Als sie die Teller gerade wegstellt, kommt Crowley in die Küche. Sie weiß, dass er ihr nichts tun wird, aber sie hat dennoch ein wenig Angst vor ihm. Und gesunden Respekt. Die Aura, die ihm umgibt, ist dunkel und kalt, passend zum König der Hölle. Er lächelt beiden zu und Scud nickt ihm einmal kurz zu.
„Haben wir noch Kaffee?"
„Ja, kleinen Moment."
Scarlett beeilt sich, ihm eine Tasse mit Kaffee zu füllen und sie ihm zu reichen. Er nimmt sie dankend entgegen und setzt sich dann an den Tisch. Er trinkt einen Schluck und schlägt die Zeitung auf, während sich Scarlett wieder neben Scud setzt und sich ein wenig an ihn kuschelt. Es ist merkwürdig, in so einer normalen Situation mit dem König der Hölle beisammen zu sitzen.
„Scarlett, was machen wir heute?"
„Keine Ahnung, ich bin für alles offen. Schlag was vor."
„Das was ich vor habe, würde dir nicht gefallen."
„Wenn es was damit zu tun hat, dass du zurück zu mir nach Hause gehst, dann nein. Vergiss es."
„Scarlett, das Kapitel muss abgeschlossen werden. Du kannst für immer hier wohnen aber du musst mit ihnen reden. Auch wenn es scheiße ist, sie sind deine Eltern."
„Ich werde mit ihnen reden. Nur nicht jetzt. Und ich werde allein mit ihnen reden."
„Das kannst du. Aber es muss halt sein... möglichst bevor sie die Bullen einschalten. Sonst bin ich dran wegen Körperverletzung und Drogen."
„Ja okay, ich werde.... heute Abend... mit ihnen reden."
„Ich weiß, dass deine Mutter dich geschlagen hat. Sollte es jemand von den beiden noch einmal versuchen, dann ruf mich. Oder meinen Vater."
„Sie... sie meinte es nicht so, Scud. Das war ein Ausrutscher."
„Geschlagen ist geschlagen. Ich hätte von meinen Eltern wohl öfters Schläge verdient, aber nicht du."
„Nein das hast du bestimmt nicht. Es war ein versehen. Außerdem ist nichts schlimmes passiert."
Während der ganzen Zeit, in der Scud und Scarlett geredet haben, hat Crowley zugehört. Er faltet die Zeitung zusammen und legt sie auf den Tisch. Räuspernd guckt er beide an und trinkt einen Schluck Kaffee, guckt dann Scarlett direkt an.
„Scud, halt die Klappe. Und Scarlett, du erzählst mir jetzt ganz genau was gestern passiert ist."
„Meine Eltern haben Scud nicht gerade auf dem besten Weg kennengelernt. Jedenfalls meine Mutter nicht. Gestern hatten wir eine Diskussion darüber, ob er gut genug für mich ist und meine Mam ist da ein wenig ausgeflippt, als ich nicht auf sie gehört habe. Sie hat mir eine Ohrfeige gegeben. Als ich dann raus bin, habe ich Scud mit meinem Vater und Tommy in der Garage gesehen und alles was ich mitbekommen habe war, dass mein Vater uns alle belogen hat und ich deren Leben zerstört habe."
Während sie ihm das alles erzählt senkt sie den Blick und bekommt Tränen in den Augen. Es ist wirklich nicht leicht, darüber zu reden. Aber sie weiß, dass er nur helfen möchte, denn es geht hier um die Freundin seines Sohnes. Auch wenn sein Ruf schlecht ist, wenn es um die Familie geht, dann ist er sehr nett und will sie nur beschützen. Sein Blick ist ernst und sie spürt ihn auf sich ruhen. Scud drückt ihre Hand und versichert ihr somit, dass sie nicht allein ist und dass sie es auch nicht allein durchstehen muss. Er wird immer an ihrer Seite sein und sie immer unterstützen.
„Ich kenne das Gefühl, nicht gewollt zu sein, meine Liebe. Was hat dein Vater mit Scud gemacht?"
„Er hat ihn geschlagen... gestern schon zum zweiten Mal."
„Ich hoffe, mein Sohn hat etwas dagegen unternommen."
„Gestern... er hätte ihn gestern beinahe.... getötet."
„Warte, warte. Wir sprechen hier von Scud und nicht vom unglaublichen Hulk."
„Er hat schon einmal jemanden getötet."
„Scud hat noch nie einen Menschen getötet. Hexer zählen nicht, Darling."
Sie guckt hoch zu Crowley und spürt, wie Scud sich neben ihr anspannt. Er drückt ihre Hand und steht auf, entschuldigt sich und geht hoch in sein Zimmer. Die Wut kocht wieder in ihm auf und er setzt sich auf sein Bett, dreht sich einen Joint und zündet sich den an. Das beruhigt ihn und lässt ihn wieder runterkommen. Scarlett guckt ihm nach und stützt dann ihren Kopf in ihren Händen ab, guckt wieder zu Crowley.
„Wieso ist er darüber so wütend? Ist das nicht etwas Gutes?"
„Er ist impulsiv. Scud will sich von keinem beeinflussen lassen."
„Das habe ich schon mitbekommen. Aber er hat auch einen sehr ausgeprägten Beschützerinstinkt."
„Den hat er ausnahmsweise von seiner Mutter."
„Ich kann es nicht mit ansehen, wenn er unglücklich ist."
„Er hat gesehen, was dein Vater getan hat, sozusagen sein gesamtes Leben. Und das deiner Mutter ebenfalls."
„Das wusste ich nicht."
„Das wusste niemand. Außer er selbst."
„Was kann ich für ihn tun?"
„Im Moment glaube ich nichts. Er hat gesagt, dass du mit deinen Eltern reden sollst, oder? Am liebsten will er es machen. Oder das ich hingehe."
„Ihr denkt da aber weniger an reden, habe ich recht?"
„Ich denke an reden."
„Vielleicht könntest du dann mitkommen?"
„Kann ich machen, Darling."
„Danke, Crowley."
„Keine Ursache. Aber ich muss jetzt wieder an die Arbeit. Wir sehen uns heute Abend."
Crowley steht auf und verlässt die Küche. Scarlett bleibt allein zurück und will gar nicht darüber nachdenken, was er bei seiner Arbeit macht. Sie schüttelt den Kopf um die Gedanken zu vertreiben und steht auf, räumt seine Tasse weg und geht anschließend hoch. Sie öffnet die Tür von Scuds Zimmer und sieht ihn auf dem Bett sitzen und kiffen. Er hat leise Musik an und guckt auf, als sie ins Zimmer kommt. Auch wenn er weiß, dass es sie nicht stört, wenn er kifft, will er es auf ein Minimum in ihrer Gegenwart reduzieren. Er drückt seinen Joint aus und guckt sie mit roten Augen an. Scarlett setzt sich zu ihm auf das Bett und nimmt seine Hände in ihre.
„Ist alles okay?"
„Geht so. Es ist alles beschissen."
„Nicht alles, Scud."
„Zum Beispiel?"
„Wir sind zusammen."
„Das stimmt."
„Es ist also nicht alles beschissen, oder?"
„Aber diese Situation gerade schon."
Scarlett lehnt sich an ihn und streicht ihm zärtlich über die Wange. Scud schlingt seine Arme um sie und drückt sie an sich. Er gibt ihr ein Kuss auf das Haar und genießt ihre Nähe. Scud weiß, dass er sie nie wieder hergeben wird. Sie ist sein Ruhepol und die Liebe seines Lebens. Das gibt er garantiert nicht einfach so auf. Auch wenn er sie in Gefahr bringt und alles ruiniert, er kann sie nicht gehen lassen. Ein Tag ohne sie, selbst eine Minute ohne sie, ist schrecklich. Er braucht sie.
„Ja das stimmt schon, aber dein Dad kommt mit und redet mit meinen Eltern. Wir kriegen das hin, Scud."
„Warum kommt der denn jetzt mit?"
„Vielleicht kann er ja helfen. Und er sah etwas ruhiger aus als du ehrlich gesagt."
„...danke."
„Willst du auch mit? Ich will nur nicht, dass es wieder in einer Schlägerei endet."
„Willst du mich dabei haben?"
„Wenn du dich benimmst, dann ja. Also ich mein, dass du nicht wieder in eine Schlägerei gerätst."
„Und was ist, wenn dein Vater mir wieder eine reinhaut?"
„Ich bezweifle, dass dein Vater es zulassen wird."
„Ich weiß nicht. Er war nie bei einem Konflikt dabei."
„Aber er wird wohl kaum zulassen, dass du geschlagen wirst. Scud, ich bitte dich. Keine Schlägerei."
„Schon gut. Was ist mit Tommy? Ich möchte, dass er mitkommt."
Bei diesen Worten, spannt sich Scarlett an. Am liebsten würde sie ihn aus allem raus halten. Er ist noch so jung und musste schon so viel in den letzten Tagen mit ansehen. Aber kann sie es verbieten, dass er mitkommt? Schließlich hat er auch fragen und sollte wissen, wer sein leiblicher Vater ist.
„Wieso?"
„Er wollte auch mit deiner Mutter reden. Ich finde, er sollte das."
„Ich will ihn einfach schützen, weißt du? Er soll so etwas nicht noch einmal mit ansehen müssen."
„Er möchte es selbst so, wie du gestern mitbekommen hast. Und er sollte erfahren, wer sein richtiger Vater ist."
„Ja, das sollte er. Aber er ist doch noch so jung."
„Er ist 13. In dem Alter hat mein Vater schon viel erlebt."
„Das waren aber auch andere Zeiten damals. Außerdem geht es hier um meinen kleinen Bruder. Da mache ich mir nun mal Sorgen."
„Ich bin da. Du bist da. Und mein Vater auch. Was soll da schiefgehen?"
„Ich weiß es nicht. Ich hab einfach nur Angst um ihn."
„Es wird schon alles gut gehen, Scarlett."
„Ich hoffe es."
Scud hebt ihren Kopf mit einem Zeigefinger unter ihrem Kinn an und küsst sie zärtlich. Er lässt es sie definitiv nicht allein durchstehen. Egal was auch kommt, er wird an ihrer Seite sein.
„Wann wollen wir los?"
„Wenn dein Dad wieder da ist?"
„Okay. Ich frag ihn mal. DAD?"
Scarlett muss sich die Ohren zuhalten, als er plötzlich neben ihr losbrüllt. Scud ist manchmal wirklich faul. Statt aufzustehen oder sich zu seinem Dad zu zappen, brüllt er einfach runter. Grinsend schüttelt sie den Kopf und hält sich weiterhin die Ohren zu.
„WAS IST?"
„KÖNNEN WIR LOS?"
„JA."
Scud nimmt ihre Hände in seine und legt sie in seinen Schoß. Innerlich tut es ihm eventuell ein klein wenig leid, dass er einfach so los gebrüllt hat. Aber nur vielleicht und ganz, ganz tief in seinem Inneren. Er guckt sie an und drückt ihre Hände.
„Wir können es jetzt hinter uns bringen."
„Okay. Dann sollten wir das wohl tun."
Scud sieht die Anspannung in ihr und als er in ihre Augen guckt, die ihn sonst immer strahlend vor Liebe angucken, siehst er nur Angst und Trauer. Sie tut ihm so leid. Ihre ganze Familie ist innerhalb weniger Tage zerbrochen. Und das nur wegen ihm. Hat er alles vermasselt? Doch wenn es so wäre, dann würde sie hier nicht bei ihm sitzen, sich an ihn kuscheln und seine Nähe suchen. Doch genau das tut sie. In der Nacht hat sie sich so eng an ihn gekuschelt, wie sie nur konnte. Und die ganze Zeit über, hatte sie ihre Hand in sein Shirt gekrallt, als ob sie den Halt von ihm brauchte. Und auch die Gewissheit, dass er bei ihr ist und nicht geht. Als ob er das könnte. Niemals wird er gehen. Niemals wird er sie verlassen. Denn sie ist die einzige Person, die in ihm Gefühle auslöst, auf die er nie wieder verzichten will.
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