18
Die nächsten zwei Tage vergehen wie im Flug und so sitze ich bereits im Flugzeug, obwohl ich noch nicht mal ansatzweise für das Treffen mit Olivia vorbereitet bin. Also Mental, denn meine Stiefmutter ist... wenn ich es nett ausdrücken möchte... im besten Falle schwierig und wenn ich ganz großes Glück habe, ist sie so nett wie mein Chef, wenn er schlechte Laune hat.
Das wird bestimmt ein tolles Wochenende.
Vielleicht sollte ich einfach aus dem Flugzeug springen, der Fall wäre sicherlich angenehmer, als das Aufeinandertreffen mit meiner Stiefmutter.
Angespannt atme ich aus und schaue aus dem Fenster der Maschine, die bereits im Landeanflug auf Hannover ist.
"Mam, würden sie sich bitte anschnallen". Bittet mich die Stewardess höflich.
Aus meinen Gedanken gerissen blinzele ich sie verwirrt an. Anschnallen...?
Ach so... richtig. Fliegen... Landen...Anschnallen.
"Sicher." sage ich zustimmend und beginne am Gurt herumzunesteln, bis das vertraute "Klick!" ertönt.
"Vielen Dank!" lächelnd geht sie weiter. Ob sie in der Business Class auch kontrollieren? Wer weiß, aber sicher bin ich nicht, dafür ehrlich erleichtert, dass beim Check in kein Platz mehr für mich frei war.
Nach der Landung habe ich allerdings das Pech, lange auf meinen Koffer warten zu müssen und so treffe ich eine halbe Stunde später auf einen sichtlich schlecht gelaunten Mr. Black, der mich mit finsterem Blick und nervös hin und her tigernd vor der Gepäckausgabe erwartet.
"Wenn sie das nächste Mal einen Flug buchen, dann sorgen sie dafür, dass sie in der Business Class einen Platz haben." verlangt er ungehalten.
"Eine Stunde weggeworfene Zeit, die wir hätten nutzen können, wenn sie bei mir gewesen wären!"
"Ja Sir." stimme ich knapp zu. Ich hab jetzt echt keinen Nerv mich mit ihm zu streiten. Ich war mir nämlich nicht sicher, ob ich für mich ebenfalls First Class buchen soll, als ich die Tickets gekauft habe, denn bisher sind wir noch nie zusammen geflogen. Aber jetzt weiß ich ja Bescheid und werde das beim Rückflug berücksichtigen.
Mit meinem Koffer bewaffnet steuere ich den Ausgang an und winke ein Taxi herbei, dann öffne ich die Beifahrertür, damit mein Boss einsteigen kann.
Verdutzt schaut er mich an, sagt jedoch nichts, als ich mich auf die Rückbank setze.
Im Hotel angekommen erledige ich auch dort den Check in, während er es sich in der Lobby bequem macht.
Der große Eingangsbereich ist hell und freundlich und lädt mit vielen Sitzmöglichkeiten, einer Bar und einem leise vor sich hin plätscherndem Springbrunnen zum verweilen ein.
Mit einem schnellen Blick über die Schulter versichere ich mich, dass mein Chef auch alles hat was er braucht, damit ich nicht noch länger seine schlechte Laune ertragen muss.
Doch im Moment scheint er vollauf damit beschäftigt, den Goldfischen im Brunnen zuzusehen.
Ein belustigtes Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht, als ich ihn beobachte, wie er wie ein Kind den Finger ins Wasser steckt und glücklich vor sich hin grinst, als die kleinen, orangen Tierchen an seinem Finger knabbern.
Wie süß!
Kopfschüttelnd wende ich mich wieder der Empfangsdame zu, als ich an der Reihe bin.
"Herzlich Willkommen." grüßt sie mich lächelnd "Hatten sie eine gute Anreise?"
"Ja, Vielen Dank. Ich habe die Penthouse Suite reserviert. Auf den Namen Black." teile ich ihr kurzerhand mit, worauf hin sie große Augen macht und an mir vorbei schaut.
"Entschuldigen sie bitte, dass sie warten mussten Mrs. Black. Das hier ist ihre Schlüsselkarte und den Aufzug finden sie gleich dort hinten." zuvorkommend deutet sie in die angegebene Richtung und lächelt mich entschuldigend an.
"Wenn sie irgendwelche Wünsche haben, oder irgendetwas nicht nach ihren Vorstellungen ist, wenden sie sich bitte an mich." sagt sie hilfsbereit, doch da mein Chef, der genaugenommen auch ihr Chef ist gerade ungeduldig zu uns herüber schaut, nehme ich mir vor, sie später darauf hinzuweisen, dass mein Name nicht Black ist, das wäre ja noch schöner!
"Vielen Dank. Mrs. Groth." sage ich höflich und nehme die Karte entgegen, mit der ich zu dem Fischeschreck hinüber gehe.
"Hier Mr. Black. Ihre Schlüsselkarte. Das Zimmer befindet sich im obersten Stockwerk. Wir sehen uns dann Morgen. Soll ich um acht zu ihnen hoch kommen oder soll ich den Konferenzraum reservieren lassen?" frage ich reserviert.
Verdutzt schaut er mich an. "Wo wollen sie denn hin?" will er mit gerunzelter Stirn wissen, ohne auf meine Fragen einzugehen.
"Ich werde bei meinem Vater schlafen." teile ich ihm kurz mit, dabei ist es das letzte was ich möchte. Schon schlimm genug, dass ich den morgigen Tag dort verbringen muss, aber auch noch zwei Nächte, das ist wirklich ein bisschen viel auf einmal. Leider hat mein Vater darauf bestanden und weil er Geburtstag hat, konnte ich nicht nein sagen.
Na Prost Mahlzeit!
"Mrs. Stone, ich bin mit ihrem Handeln nicht einverstanden!" sagt er finster. "Wie sollen wir die Vorbereitungen erledigen, wenn sie nicht da sind!"
"Mr. Black." beginne ich respektvoll, aber meine Stimme ist fest und lässt keinerlei Wiederspruch zu. "Ich habe bereits seit mehr als vier Stunden Feierabend und eigentlich habe ich auch am Samstag frei! Also finden sie sich damit ab, dass sie den heutigen Abend ohne mich verbringen werden."
Mit gerunzelter Stirn schaut er mich an, doch da ich ziemlich schlechte Laune habe, kann mich das diesmal nicht erschrecken. Außerdem habe ich meinen Job ja eh schon verloren, also was soll er mir schon antun, außer dass er mich noch heute entlässt! Und das kann er ja nicht, weil er noch meine Hilfe braucht.
Mich sammelnd straffe ich die Schultern und richte mich zu meiner vollen Größe von etwas über eins sechzig auf und sehe ihm fest in die Augen. Darauf wartend, dass er mich hier vor versammelter Mannschaft zur Schnecke macht, aber er tut es nicht, nimmt mir lediglich die Karte aus der Hand und senkt den Blick.
"Passt morgen Früh halb neun?" fragt er höflich und sieht mich abwartend an. Skeptisch ziehe ich die Augenbrauen zusammen und nicke ihm bestätigend zu. Shit! Kann es noch schlimmer werden als wenn dieser Tyrann freundlich ist?! Worauf habe ich mich hier nur eingelassen?
"Kommen sie bitte nach oben. Ich denke wir werden den Konferenzraum nicht brauchen." sagt er abschließend, dann nickt er mir zu und wendet sich dem Fahrstuhl zu, doch bevor dieser in der Lobby ankommt wendet er sich noch einmal zu mir um. "Gute Nacht Miss Stone." verabschiedet er sich lächelnd und lässt mich, völlig von den Socken, stehen.
Ungläubig starre ich auf die geschlossenen Fahrstuhltüren und kann nicht glauben, was ich eben gehört habe.
Bitte?! Er hat tatsächlich BITTE! gesagt und mich gefragt, ob es mir passt? Seid wann interessiert es ihn denn, was ich will. Bisher war es ihm doch auch völlig schnuppe, was ich denke!
Verwirrt muss ich mich erst einmal auf die Couch setzten und den Schock verarbeiten, doch als ich mich soweit erholt habe, lasse ich mir von Mrs. Groth ein Taxi rufen.
Die Fahrt zu meinem Vater dauert etwa eine halbe Stunde, doch dann stehe ich mit meinem kleinen Koffer vor der imposanten Eingangstür.
Seufzend atme ich noch einmal durch, bevor ich mit zitternden Knien auf die Klingel drücke.
"Ja bitte? Sie wünschen?" fragt mich der älterer Herr, der mir die Tür öffnet.
"Ich möchte bitte zu Mr. Stone." melde ich meinen Besuch an.
"Und wen darf ich melden?" fragt er höflich und mustert mich wohlgefällig.
"Miss Emely Stone." seufze ich resigniert. Schon schlimm, wenn man in seinem eigenen Zuhause um Einlass bitten muss, aber na ja. Was habe ich denn erwartet? Ich war seit über vier Jahren nicht mehr hier. Und seit ich mit siebzehn ausgezogen bin auch nicht öfter als vielleicht ein zwei Mal im Jahr.
"Oh, Miss Stone. Tut mir leid. Bitte kommen sie doch herein. Der Herr erwartet sie bereits." einladend tritt der Butler beiseite und lässt mich in die große Halle.
"Wenn sie mir bitte folgen würden. Die Herrschaften befinden sich im Salon." verkündet er gestelzt.
Warum man das Wohnzimmer Salon nennen muss ist mir ein Rätsel, aber wenn ich daran denke, wie groß mein Wohnzimmer ist und wie groß, der sogenannte Salon, kann ich schon verstehen, warum man da einen Unterschied macht.
Mein kleiner Raum würde sicher fünf Mal in dieses Zimmer passen!
Gemächlichen Schrittes geleitet mich, der in schwarz gekleidete Mann, durch eine Tür zu unserer Rechten und kündet mein Kommen an.
"Miss Stone wäre jetzt da Mr. Stone."
"Dann bringen sie sie doch bitte rein, Gerhardt." höre ich die tiefe Stimme meines Vaters, doch auch die meiner Stiefmutter ist nicht zu überhören.
"Was will denn die hier!" kreischt sie los.
Na das kann ja heiter werden!
Entschuldigend blickt mich der Butler an und lässt mich vorbei in den Raum.
Glücklich lächelnd kommt mein Dad auf mich zu und breitet einladend die Arme aus.
"Emmy, mein Schatz, schön das du da bist."
"Hi Dad." glücklich lächelnd schmiege ich mich an ihn und lege die Arme um seine schmalen Hüften. "Gut siehst du aus." sage ich in normaler Lautstärke, doch dann füge ich resigniert flüsternd hinzu. "Du hast ihr nicht gesagt dass ich komme, oder?"
"Nein, den Stress wollte ich nicht die ganze Woche ertragen." gibt er ebenso leise flüsternd zurück.
Ergeben seufze ich auf, bevor ich ihn auf die Wange küsse und mich von ihm löse.
Ich weiß wirklich nicht, ob das die richtige Entscheidung von meinem Dad war, sie so vor vollendete Tatsachen zu stellen, denn wenn ich sie mir so anschaue steht sie kurz vor einem Ausbruch. Einem Wutausbruch!
Mit hochrotem Kopf, die Hände in die Hüften gestemmt schaut sie mich abwartend an, doch da ich sie schon seit meinem siebten Lebensjahr kenne, weiß ich was sie von mir erwartet.
"Guten Abend Mam." begrüße ich sie respektvoll. "Wie ist das werte befinden?"
"Tu nicht so als würd dich das Interessieren! Was willst du hier? Geld? Dann kannst du gleich wieder gehen!" fährt sie mich wütend an.
"Tut mir leid Ihnen Unannehmlichkeiten zu bereiten. Ich hatte nicht die Absicht um Ihre Unterstützung zu bitten. Aber wenn sie es in Betracht ziehen könnten, dass ich übers Wochenende hier verweilen dürfte, wäre ich ihnen sehr dankbar." Dumme Kuh! Nicht ich bin hier diejenige, die sich durchschnorrt, sondern sie, denn das Geld, womit all dies hier finanziert wird, kommt von meiner Mum. Meiner richtigen. Leider starb sie schon als ich fünf war. Und alles was ich von ihr habe ist mein Aussehen und das ist auch das, was mein Vater an mir liebt und meine Stiefmutter hasst.
Mein Vater hat sie vergöttert und war am Boden zerstört, als sie starb, aber er war mit mir einfach überfordert und hat deshalb schnell wieder geheiratet. Schade nur, dass es so eine Hexe sein musste!
So gerade ich kann stehe ich vor ihr und erwarte das Urteil, denn ich weiß, so sehr sich mein Vater auch wünscht, ich möge bleiben, so wenig Mitspracherecht hat er in dieser Angelegenheit.
Mit finsterem Blick mustert sie mich eingehend dann kneift sie missbilligend die Lippen zusammen und gibt ein abweisendes "Pfff!" von sich, bevor sie verneinend den Kopf schüttelt.
"Ausgeschlossen! Die Zimmer sind alle belegt." wehrt sie meine Bitte ab, was meinen Vater dazu veranlasst sich einzumischen.
"Aber das stimmt doch nicht, Liebling. Das kleine Zimmer unter dem Dach ist doch noch frei." gibt er zurückhaltend zu bedenken.
Wobei das "kleine Zimmer" auch immer noch größer ist als mein Wohnzimmer zu Hause und somit durchaus akzeptabel. Außerdem liebe ich dieses Zimmer, weil es eine riesige Fensterfront hat, vor der früher mal ein Sessel stand, in den ich mich immer gelümmelt habe um zu lesen oder verträumt aus dem Fenster zu schauen und den Blick über die umliegenden Häuser und Wiesen schweifen zu lassen.
"Nein! Das Zimmer ist vergeben. Patrizia kommt Morgen mit ihrem Mann und wird dort schlafen!" verkündet sie gehässig.
"Aber dann kann Emmy doch heute Nacht darin schlafen." versucht mein Vater seine Frau zu überzeugen, was ungefähr so gut funktioniert, wie bei mir, als ich meinen Boss gefragt habe, ob ich frei bekommen kann. Nämlich gar nicht!
"Ist schon gut Daddy. Ich kann auch im Hotel schlafen." gebe ich beinahe erleichtert zurück, denn dann muss ich mir das Gekeife von meiner Stiefmutter wenigstens nicht das ganze Wochenende anhören.
"Bist du sicher Schatz?" will er entschuldigend wissen, woraufhin ich nicke. "Aber morgen kommst du doch wieder ja? Zu meiner Geburtstagsparty?" fragt er unsicher, doch der Blick, den er Olivia zuwirft sagt alles. Wenn sie auch dagegen was sagt, gibt es Ärger.
Mit zusammengekniffenen Lippen und verschränkten Armen steht sie da und murrt leise vor sich hin, doch gottseidank kann ich nicht verstehen, was sie sagt. Das muss ich aber auch gar nicht um zu wissen, wie angenervt sie schon jetzt von mir ist.
"Ja, Paps." versichere ich ihm und schließe ihn erneut in die Arme.
"Und wehe du bist nicht pünktlich!" sagt Olivia bissig. "Um drei beginnt der Empfang! UND KEINE MINUTE SPÄTER! Und zieh dir etwas anständiges an. Das hier ist kein Kindergeburtstag!" meckert sie weiter, dabei schweift ihr Blick missbilligend über mein Kostüm.
Fast muss ich bei dem Anblick grinsen, denn den Blick kenne ich nur zu gut von meinem Lieblingstyrann.
"Ja Mam." versichere ich ihr lächelnd, dabei würde ich ihr am liebsten an die Gurgel springen und sie erwürgen.
Ob ich das überhaupt schaffe? Pünktlich von der Arbeit loszukommen? Pünktlich ist nicht gerade Mr. Blacks zweiter Vorname, dabei kenne ich nicht mal seinen ersten.
*
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro