Verloren in der Dunkelheit (1)
Mit einem leisen Stöhnen öffnete ich meine Augen. Es änderte sich nichts, ich konnte immer noch nicht sehen.
Dunkelheit umfing mich, wie ein gigantischer Leichensack.
Ein fieser Schmerz pochte unaufhörlich in meinen Hinterkopf.
Ich war ulkigerweise vollkommen ruhig.
Ich wusste nicht wo ich war, aber noch verstand ich die Tragweite dessen nicht und eine angenehme, entspannende Lehre füllte meinen Kopf.
Ich hatte keine Angst.
Langsam hob ich eine Hand von dem sandigen Boden, auf dem ich lag, und hielt sie mir vors Gesicht. Schemenhaft konnte ich dunkle Finger in weißen Handschuhen erkennen.
'Spitze', waberte durch meine Gedanken, 'Die Handschuhe sind aus Spitze. Spitze geht leicht kaputt.'
Erneut stöhnte ich und hob die zweite Hand. Mit zitternden Fingern zog ich erst einen, dann den anderen Handschuh aus.
Erschöpft blieb ich einen Moment lang liegen. Etwas hartes drückte schmerzlich in meinen Rücken.
Vorsichtig legte ich die Spitzenhandschuhe neben mir auf den Boden. Sie waren mir wichtig, das wusste ich, ich konnte mich nur nicht erinnern wieso. Schwer atmend rappelte ich mich in eine sitzende Position auf. Mein Kopf protestierte mit einem stechenden Schmerz. Stöhnend drückte ich mir eine kühle Hand auf die Stirn. Etwas rutschte meinen Rücken herunter und ein Gewicht drückte auf meine Schultern. Ich legte meine Hand auf die Stelle und spürte die Riemen eines Rucksacks.
Einer Intuition folgend, setzte ich das Gepäckstück ab, öffnete es und steckte meine Hand hinein. Meine tastenden Finger glitten über eine glatte Oberfläche. Mit einem Ruck zog ich den Gegenstand aus dem Rucksack.
Es war ein karierter Schreibblock. In der Drahtspirale, die oben die Blätter zusammenhielt, steckten ein Bleistift und ein Fineliner. Es war zu dunkel um die Farbe des Fineliners zu erkennen.
Wieso gab es hier nur kein Licht?
Und wieso war ich hier?
Und... wer war ich überhaupt?
Meine Hände wurden schweißig und eiskalt, mein Herz begann zu rasen.
Endlich hatte ich begriffen wie falsch diese Situation war.
Endlich realisierte mein Verstand, dass diese Leere, die ihn erfüllte, keineswegs, etwas Gutes sein konnte.
Ich erinnerte mich an überhaupt nichts!
Mein Herz donnerte in meiner Brust, wie der Drummer einer Metalband, der auf den epischen Höhepunkt des Stücks zuspielt.
Plötzlich schien ich nicht mehr genug Luft in meine Lungen saugen zu können.
Ich beugte mich nach forne und legte meine Hände an meinen Hals, riss an meinem Ausschnitt und versuchte mich von einem Druck, einem Gewicht zu befreien, das gar nicht da war.
Tränen brannten in meinen Augen.
Pfeifende Geräusche entwichen meinem Mund.
Mein Körper krampfte. Brennende Schmerzen machten sich in meinem Brustkorb bemerkbar.
Dann, plötzlich, erschien ein Name in meinen Gedanken.
Erik. Erik Rumpel.
Es war bestimmt nicht mein Name, da war ich mir sicher, aber, ähnlich wie es einige Momente zuvor mit den Spitzenhandschuhen gewesen war, so war ich mir sicher, dass dieser Name wichtig war.
Langsam beruhigte ich mich wieder.
Mit immer noch schwachen, zitternden Fingern hob ich die Handschuhe aus dem Sand und legte sie behutsam in den Rucksack.
Dann zog ich den Block zu mir, schlug eine beliebige Seite auf und schrieb den Namen Erik, in vollkommener Dunkelheit, ohne überhaupt erkennen zu können was ich schrieb, an den Rand.
Ich konnte nicht riskieren ihn noch einmal zu vergessen.
Ich verstaute den Block und die Stifte wieder im Rucksack, zog den Reißverschluss zu, was in der Dunkelheit Klang als würde ein grässliches Tier mit langen Krallen über eine Wand kratzen, setzte ihn mir auf die Schultern und stand auf.
Meine Kopfschmerzen wurden zu einem pochenden Inferno.
Stöhnend drückte ich mir die Hände ins Gesicht und stolperte einige Schritte nach vorn.
Meine Beine verhedderten sich in einem Stoff, doch ich schaffte es nicht zu fallen.
Ich war verwirrt.
Trug ich etwa ein Kleid? Ein Bodenlanges noch dazu?
Ein Ballkleid vielleicht. Aber wenn ich ein Ballkleid trug, wie war ich dann in dieses Loch gekommen?
Erneut begann mein Herz schneller zu schlagen, und die bloße Erinnerung an den Panikanfall von zuvor, trieb mir Tränen in die Augen.
'Erik.', dachte ich verzweifelt. Eeneut zeigt der Name wirkung und ich wurde ruhiger.
Dann erblickte ich etwas. Zuerst war ich mir nicht sicher was es war, dann klickte es.
Licht.
Ich sah eine kleine, kreisförmige Stelle des Sandes, die von sanftem Zwielicht erleuchtet wurde.
Ich lachte und stolperte darauf zu! Licht!
Licht war gut!
In dem Sandigen Kreis lagen zwei verstreute Gegenstände. Eine Taschenlampe, die ich sofort begeistert aufsammelte, und ein langer Stab.
Mit meinem Fuß, der glücklicherweise in einem festen Wanderschuh steckte, stupste ich den Stab an. Nichts passierte. Ich zwang mich nicht darüber nachzudenken, warum ich Wanderschuhe mit einem bodenlangen Kleid trug. Bestimmt gab es einen guten Grund dafür, doch darüber nachzudenken, würde bestimmt nur einen weiteren Panikanfall triggern.
Plötzlich glaubte ich etwas hinter mir zu hören.
Es klang wie ein Schnüffeln.
Ein sehr nasses Schnüffeln, fast schon ein Schniefen.
Es war beängstigend nah bei mir. Ich wirbelte mit der Taschenlampe in der Hand herum und leuchtete in die Dunkelheit.
Ich konnte nichts erkennen.
Langsam ging ich in die Hocke und legte meine freie Hand und den Metallstab.
Vielleicht konnte ich dieses Teil ja als Waffe einsetzen. Meine Finger legten sich um die kalte Röhre und ich zog.
Zum Vorschein kam ein Metalldetektor.
Verwirrt zug ich die Augenbrauen nach oben.
Mina, stand auf der Seite des Griffes. Mina Jade.
Das war mein Name.
Ich wusste es.
Hinter mir erklang das Schnüffeln erneut, bestimmt keine zehn Meter entfernt.
Ich ließ den Metalldetektor fallen und rannte los. Sand spritzte unter meinen Schuhen.
Das Schniefen kam hinter mir her aber mied das Licht.
Ich konnte es hören.
Ich konnte hören wie es Luft durch seine feuchte Nase zog und wie seine Hände und Füsse platschend und raschelnd auf den Sand auftraten.
Aber sehen konnte ich es nicht.
Die Dunkelheit legte sich wie ein Mantel um die schniefende Kreatur und verborg sie von meinen Augen.
Bestimmt war es ein Wolf, der in das Loch gefallen war und nun ausgehungert nach Nahrung lechzte, vielleicht war es aber auch etwas anderes, etwas, das schon sehr viel länger diesen unwirklichen dunklen Ort lebte. Etwas, das sich die Dunkelheit zu eigen gemacht hatte und sie nicht mehr fürchten musste.
Etwas, das mir an diesem schrecklichen Ort hoffnungslos überlegen war.
Das Licht der Taschenlampe huschte vor mir über den sandigen Boden. Nach links, nach rechts, nach oben, wo es sich in der Dunkelheit verlor.
Vor mir streifte der Lichtkegel eine Felswand.
Ich klemmte mir die Lampe zwischen die Zähne und krallte meine Finger in den Stein.
So schnell ich konnte begann ich die Wand nach oben zu klettern.
Das schniefende Geräusch kam mir nach.
Es konnte klettern.
Es war kein Wolf.
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