6. laufen
Die Männer erreichen den Parkplatz in der Gegend, die ihnen für einen Lauf empfohlen wurde. Sie sehen sich neugierig um und benutzen all ihre Sinne, um ihre Umgebung zu erkunden. Zum Glück hat sich das Wetter zum besseren gewandelt und die Sonne scheint, auch wenn sie schon tief steht. Der Platz liegt in einer natürlichen Bucht, eingerahmt von höheren Hügeln die zum Platz hin steil abfallen und außer der Zufahrt zur Straße hin ist nur noch ein kleiner Pfad offen, der in die angrenzende Wildnis führt.
"Dieser Parkplatz ist gut gewählt und kann nicht so einfach eingesehen werden. Man ist also beim Wandeln vor neugierigen Blicken beschützt." Felix ist beeindruckt und Conall stimmt ihm zu. "Und er ist leicht zu bewachen um die Wandler bei der Rückkehr ihres Laufes vor einem Hinterhalt zu beschützen." Er nickt in die Richtung, aus der er die Geräusche der positionierten Wachen gehört hat, und sein Partner sieht genauer hin und stimmt dann zu. "Wölfe." - "Natürlich, was sonst. Es sind zwei, nein drei."
Sie ziehen sich aus und legen ihre Kleidung in den Kofferraum. Dann starren sie sich beide eine Weile lächelnd an. "Wenn wir wieder im Wohnwagen sind will ich mehr von dir sehen und auch anfassen." Das Alpha-Wesen des kleineren Mannes bricht sich Bahn und er erhält dafür ein Zwinkern gepaart mit einem sanften Schmunzeln von dem so Beanspruchten. "Und ich will, dass du den Wohnwagen wie in einem Sturm zum wackeln bringst." Conalls Lust-Barometer stellt sich auf hoch und zeigt, wie sehr er sich darauf freut. Aber erst benötigt sein Wolf eine andere Form der Bewegung, weshalb er sich jetzt verwandelt. <<Auf gehts!>>
"Zu Schade, ich liebe diesen Anblick so sehr." Der andere Mann seufzt und erhält von seinem Puma zwar eine bedingungslose Zustimmung aber auch die Aufforderung, es ihm gleich zu tun. Doch Felix ist noch mit einer anderen Frage beschäftigt die ihn ablenkt. "Dir ist nach einem schnellen und weiten Lauf, oder?" Damit schürt er die Ungeduld des Wolfes nur um so mehr. <<Stimmt, und jetzt mach, damit wir los können,>> fordert er seinen Freund nachdrücklich auf und denkt bei sich: <Gott, er ist immer so langsam.>
In tierischer Form sind die Menschen ihren Biestern noch näher. In dieser Gestalt werden die zwei Hälften eines Wandlers eins und es ist kaum noch zu unterscheiden, wo das Denken des einen aufhört und der Instinkt des anderen beginnt. Allerdings können sie in dieser Form nicht sprechen, was die Kommunikation ohne Gedankenverbindung etwas erschwert und auf die Körper- und Laut-Sprache des jeweiligen Tieres reduziert. Zum Glück existiert zwischen dem Paar ein solcher Mind Link und er ist in dieser Form sogar noch stärker ausgeprägt, was es ihnen ermöglicht wie eine Einheit zu agieren wenn es nötig ist. Ein netter Nebeneffekt dabei ist die Tatsache, dass niemand sonst etwas davon mit bekommt. Aber natürlich kann jeder der beiden seine Gedanken auch für sich behalten und nicht mit dem Freund teilen.
Nachdem auch der Puma die Bildfläche betreten hat laufen die beiden befreit in die Wildnis hinein und genießen eine Weile nur die Möglichkeit sich körperlich zu betätigen und den Instinkten ihrer Tiere die Führung zu überlassen. Doch schon bald meldet sich der Puma zu Wort. <<Dir ist aber schon klar, dass du den meisten Weg alleine rennen darfst, oder?>> Mit einem schnauben bestätigt der Wolf das und deutet mit seinem Kopf in eine Richtung. <<Schon klar. Sieh mal da drüben. Der große Fels dort dürfte einen perfekten Aussichtspunkt für dich bieten. Du kannst mir von da aus zusehen.>> Die Begeisterung des schnurrenden Katers durchflutet auch den Wolf mit Glücksgefühlen. <<Ein sonniges Plätzchen um dir beim Laufen zuzusehen? Wunderbar, das gefällt mir.>>
Der Puma kann genauso schnell rennen wie der Wolf, doch dessen Ausdauer ermöglicht es ihm, über große Distanzen und lange Zeit ein anständiges Tempo bei zu behalten während der Puma den Sprint über Kurzstrecke bevorzugt und sich ansonsten lieber gemächlich vorwärts bewegt oder anschleicht, oder noch lieber, auf die Lauer legt und andere auf sich zukommen lässt. Im Ausgleich dafür besitzt er einen überragenden Sehsinn der nicht nur sehr weit reicht, so dass es ihm nicht schwer fällt, seinen Freund auch aus der Ferne zu beobachten. Auch die langsam einsetzende Dämmerung behindert ihn nicht im geringsten. <<Lauf los, kleiner Wolf, aber vergiss unsere Pläne nicht und spar dir ein bisschen Energie für später auf.>>
Als Wolf sind Conall und sein Tier eins und so kann er die Gefühle seines Biests für dieses fremde Mädchen besser erforschen. Er kann einfach nicht glauben, dass sie ihre Seelenverwandte sein soll. Er weiß, dass sein Tier das erkennen kann, aber sie ist rein menschlich und das Schicksal wird ihr als Begründung nicht ausreichen. In seinen Gedanken versunken prescht er an Bäumen vorbei und über kleinere Hügel durch das niedrige Gras. Felix weiß, dass sein Gefährte Zeit für sich selbst braucht und stört sich deshalb nicht dran, dass er im Moment seine Gedanken vor ihm verschlossen hält. Statt dessen lauscht er selbst in sich hinein und stellt erstaunt fest, wie fest er selbst (in Einheit mit dem Puma) von einer Triade mit dieser Frau überzeugt ist. Dabei sollte ihn das nicht überraschen denn Conall glücklich zu machen ist eins ihrer vordringlichsten Bedürfnisse und ein Leben zu zweit ist für den Wolf keine wirkliche Alternative, auch wenn dieser sich das fest eingeredet hat. Dieser Kompromiss, den sie beide machen müssen um zusammen zu sein, sind beide sehr bewusst eingegangen. Der Wolf bekommt kein großes Rudel und der Puma kann kein Einzelgänger sein. Eine Triage und vielleicht ein paar Kinder, so war der Plan sobald sie aus den Kinderschuhen heraus waren. Etwas anderes kam nicht in Frage denn voneinander zu lassen? Nein, niemals.
Plötzlich bemerkt der Puma eine Lichtreflexion von etwas metallischem im Gras, auf das der Wolf geradewegs zu läuft. <<Gefahr!>> Zeitgleich mit der Warnung erhält der Wolf ein Bild von dem, was der Puma entdeckt hat und reagiert augenblicklich darauf, als hätte er es selbst entdeckt. Jahrelanges Training hat sie gelehrt, den Blickwinkel des anderen auf die eigene Position umzudenken. Als ob er sich gerade für einen Richtungswechsel entschieden hätte dreht er ab und läuft in einem kleinen Bogen wieder auf den Weg und in die Richtung zurück aus der er gekommen ist. <<Wir werden beobachtet,>> erklärt er den Grund dafür. Der Puma hört jetzt auch die Geräusche, die der Wolf aufgefangen hat und schaut in die Richtung, auf die dessen Ohren dabei ausgerichtet sind. <<Lauf zurück zum Auto, aber komm so nah es geht bei mir vorbei.>>
Alle Sinne der beiden sind alarmiert und arbeiten hoch konzentriert. Menschliche Jäger versuchen Conall anzugreifen doch der ist viel zu schnell und benutzt die Umgebungsbedingungen so gut es geht um hinter Bäumen und Felsen zu verschwinden. Damit macht er es den Angreifern unmöglich, sicher auf ihn anzulegen und wie es aussieht sind es zumindest keine schießwütigen Hunde sondern tatsächlich Männer auf der Jagd, die ihre Anwesenheit nicht durch offensichtlich unmögliche Knallerei preisgeben wollen, weshalb kein einziger Schuss fällt.
<<Sie nennen mich ein Glückskind.>> Wie es aussieht haben sie den Puma noch nicht entdeckt und sie scheinen auch zu glauben, dass Felix weder die Falle noch sie bemerkt hat und nur zufällig kurz vorher abgedreht ist. Nicht unlogisch wenn man bedenkt, dass der Wolf weder gestockt noch anderweitig reagiert hat und stattdessen scheinbar sorglos weiter läuft. Die Jäger mögen einen Weg gefunden haben, sich dem Geruchssinn der Tiere zu entziehen aber dem herausragenden Gehör des Wolfes entgehen sie eben sowenig wie den gleichwertig gut funktionierenden Augen der Katze. <<Ich glaub sie haben aufgehört mir zu folgen, oder?>>
Der so Befragte lässt die Männer nicht aus den Augen während er besorgt darauf antwortet. <<Stimmt, aber lauf trotzdem weiter. Ich will nicht dass ihnen klar wird, dass du etwas bemerkt hast.>> Wieder sieht er etwas in der Sonne aufblitzen, dieses mal ist es die Reflexion in einem Fernglas. <<Sie beobachten dich immer noch. Lenke ihre Blicke nicht auf mich, geh direkt zum Auto.>> Die Männer zu sich führen zu lassen um sie hinterrücks anspringen zu können war eine gute Idee, jedoch nur ihre Blicke auf sich lenken und sie so wissen zu lassen was und wo er ist hingegen nicht.
Conall und sein Wolf haben kein Problem damit, den Befehlen des Pumas Folge zu leisten. Ihre starke Verbindung lässt sie wissen, welche Intention dahinter steckt und ihr Vertrauen in einander beruht auch auf jahrelanger Erfahrung. Er hat sich in vielen Bereichen die heimlichen Wege der Katze zu eigen gemacht und die beiden sind immer gut damit gefahren. Der Puma will stets so viele Geheimnisse wie möglich für sich behalten, denn er liebt es, den Überraschungseffekt auszunutzen und der Wolf hat erkannt, dass es von Vorteil ist, vom Gegner unterschätzt zu werden. Dass man seinem Alphatier ein solch geheimnistuerisches Verhalten nicht zutraut hilft ihnen zusätzlich, ebenso wie die Tatsache, dass außer ihnen eigentlich niemand weiß, dass sie einen Mind Link besitzen.
<<Ich bin am Auto und verwandle mich jetzt zurück um den Wachen zu berichten, was wir gesehen haben.>> Die Vorstellung, dass Conall jetzt wieder nackt auf dem Parkplatz steht, ist erregend, doch der Puma lässt sich in dieser gefährlichen Situation nicht ablenken. <<Ich bleibe hier um sicher zu gehen, dass sie mich nicht bemerken und um sie weiter im Auge zu behalten.>> Seinen Blick unverwandt auf die Gegner gerichtet beobachtet er sie dabei, wie sie wiederum dem Wolf hinterher starren der in dem Pfad zum Parkplatz verschwunden ist. Er ist ein geduldiger Jäger der seine Beute nur zu gerne eine Weile beobachtet, selbst wenn er wie jetzt ziemlich aufgebracht ist. Unablässig schaut er dabei zu, wie die Jäger noch eine Weile warten ob der Wolf wieder auftaucht und sich schließlich auf den Weg zurück zu dem Platz ihres Hinterhaltes machen.
<<Sie bedanken sich bei uns und sagen, dass diese Falle unbedingt zerstört werden muss.>> Diese Nachricht kommt von Conall in menschlicher Form, obwohl sein Freund ihn nicht sehen kann ist er fähig das zu unterscheiden. Denn in Wolfsform wird jedes Wort auch von den Gefühlen des Tieres begleitet, das er somit ebenfalls spüren kann. Eine Nachricht als aufrecht stehender Mann hingegen enthält nur die Worte und Emotionen seiner menschlichen Hälfte. <<Die Gruppe scheint zum anderen Ende der Wildnis unterwegs zu sein, denn da ist keinerlei Bewegung mehr um die Falle zu sehen, die sie liegen gelassen haben.>> Informiert der Beobachter jetzt den Informanten des Rudels. <<Aber du solltest sie warnen. Die haben jemanden erwartet und wer immer sich um die Falle kümmert sollte äußerst vorsichtig vorgehen und mit Widerstand rechnen.>>
<<Also wir?>> Diese Botschaft kommt schon wieder von dem Wolf. <<Conall!>> Sein genervter Ausruf verwandelt sich schnell zu einem ergebenen Gedanken, den er jedoch bei sich behält: <Ich hätte es wissen müssen, stimmts?> Er maunzt belustigt auf, ja, damit hätte der Wandler rechnen müssen.
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