58. Razzia
Beim geruchlosen Viertel angekommen springen die Männer mit Heya aus dem Auto und finden dort eine neue Front vor mit einer großen Anzahl von Wölfen auf der einen Seite und auf der anderen die Polizisten und Agenten die nervös nach ihren Waffen greifen. Conall stellt sich sofort zwischen die beiden Gruppen und spricht beruhigend auf die Mitglieder der Staatsmacht ein. "Keine Panik, die gehören zu Faols Rudel. Ich bin sicher sie sind nicht hier um Ärger zu machen." Tigran springt ihm sofort bei und kommandiert laut: "Er hat recht, Hände weg von den Waffen." Da er die Einsatzleitung hat und somit die Befehlsgewalt hat sein Wort Gewicht. Seine Teamkollegen reagieren sowieso sofort, da sie es nicht anders kennen und das bringt wiederum auch die Polizisten dazu, sich etwas zu entspannen, auch wenn sie mit der Bedrohung durch so viele wilde Raubtiere sichtlich überfordert sind. Erleichtert, dass es nicht schon vor dem Kampf mit dem eigentlichen Gegner zu einem Gemetzel unter Freunden kommt atmet Conall tief durch.
Langsam dreht er ihnen jetzt den Rücken zu um sich mit herausforderndem Blick dem Rudel zu stellen. "Ich habe doch recht, oder?" Heya beobachtet ihn zunächst entsetzt doch dann, nach einem kurzen Seitenblick auf Felix, dessen Augen unbesorgt und zufrieden funkeln, mit immer größerer Faszination. Diese Stärke, die er gerade zeigt, seine Selbstsicherheit, die ihn die Situation beherrschen lässt, es gefällt ihr.
"Hast du!" Ein einzelner Mann kommt hinter den Wölfen hervor und ist dabei anständig angezogen und absolut ruhig. Es sieht wirklich nicht so aus, als ob er einen eigenen Überfall plant, denn dafür würde auch er sich in einen Wolf wandeln. "Wir werden uns nicht an eurer Razzia beteiligen und euch auch nicht im Weg stehen. Wir sind nur hier um sicher zu stellen, dass keiner entkommt und uns um die Opfer zu kümmern, sofern unsere Hilfe benötigt wird."
Die Aura des Alphas ist selbst in menschlicher Form spürbar und macht deutlich, dass es dabei keinen Spielraum für Diskussionen gibt. Er hat es so entschieden und so wird es geschehen. Vor diesem Mann muss man Respekt haben und Heya ahnt, dass er ein großes Tier unter den Wandlern dieser Stadt ist - im wahrsten Sinne des Wortes. Mutig tritt sie vor, sieht ihm tief in die eisblauen Augen und beginnt zu reden, dabei kann sie nicht verhindern, dass sie erneut zu zittern anfängt. "Es tut mir so leid. Ich würde Euch niemals absichtlich schaden wollen, aber ich habe versagt und ihr musstet darunter leiden. Ich hab keine Ahnung, wie ich das jemals wieder gut machen soll."
Ihre Stimme bebt genauso stark wie ihr Körper, aber es ist ihr wichtig, die Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen oder besser gesagt, für ihre Untätigkeit. Sie bittet ganz bewusst nicht um Verzeihung oder Vergebung, oder ihn um eine Chance auf Wiedergutmachung, denn damit würde sie ihr Schuldanerkenntnis in ihren Augen nur schmälern. Sie will dass der Mann weiß, wie ernst es ihr ist. Ihre Männer ahnen das und halten sie deshalb nicht zurück, aber beide stellen sich an ihre Seite um sie zu unterstützen. Faol mustert sie erst ganz lange und ist sichtlich beeindruckt von ihr bevor seine Blicke zu Conall und zuletzt zu Felix wandern. Keiner der drei weicht seinem Blick aus um ihm zu zeigen, dass sie zu ihren Worten und an ihrer Seite stehen werden. Endlich nickt er ernst, aber nicht unfreundlich. "Stellt sicher, dass jeder das bekommt, was er verdient, nicht mehr und nicht weniger, und ich werde zufrieden sein."
<<Können wir nichts tun um sie vor einer Bestrafung zu bewahren?>> Der Beschützerinstinkt des Wolfes ist erwacht und die Vorstellung von Heya auf dem heißen Stuhl behagt ihm nicht, aber Felix ist in dieser Sache nicht bereit, einzulenken. <<Können wir nicht und wollen wir auch nicht. Schau sie doch nur an - sie fühlt sich jetzt schon viel schuldiger als sie wirklich ist.>> Und sein Partner stimmt ihm aus vollem Herzen zu, obwohl er die Bedürfnisse seines Wolfes nur zu gut nachvollziehen kann, da er sie zu einhundert Prozent teilt. <<Er hat recht, um sie von der Schuld zu befreien muss sie für das bestraft werden, was sie getan hat.>> Der Puma beginnt zu verstehen und erklärt sich schnurrend einverstanden. <<Es muss geschehen damit sie auch von der Schuld befreit werden kann, die gar nicht die ihre ist.>> Alle sind sich aber auch darüber einig, dass sie ihr beistehen werden.
Heya bekommt von diesem Austausch hinter ihrem Rücken nichts mit. Ihre Aufmerksamkeit ruht weiter auf Faol und Tränen fallen erneut als sie nickend ihre Zustimmung zeigt. Sie hätte nicht gedacht, dass ihr seine Bereitschaft ihr zu vergeben, so wichtig sein könnte, doch sie ist es. "Danke!" Die Nähe ihrer Männer hilft ihr zusätzlich dabei, sich wieder zu fangen. Jetzt geht es nicht um sie, sondern um die Opfer ihrer Versäumnisse und sie wird nicht eher ruhen, bis diese gerettet sind. Faol ist ob dieser schlichten jedoch vollkommen ausreichenden Reaktion einmal mehr von ihr beeindruckt und zeigt es mit einem weiteren, bestätigenden Nicken.
Tigran teilt jetzt die Anwesenden in Teams ein und sendet mit jeder Gruppe Polizisten ein bis zwei Agenten mit. Er selbst und 2 Polizisten bilden mit Heya und ihren Männern ein Team. Es gibt drei Eingänge in das Gebiet und die Gruppen verteilen sich gleichmäßig auf diese. Das Rudel wiederum bildet eine Kette aus Wölfen und kreist so das Gebiet außerhalb seiner Grenze ein. Dadurch entsteht ein engmaschiges Netz dem kein Flüchtender entkommen wird. Verbunden über Funk mittels Knöpfen im Ohr melden sich die Teams, sobald sie ihre Startpunkte erreicht haben und endlich gibt Tigran das Startsignal. "Auf gehts!"
Das ganze ist strategisch geplant, jedes Haus wird durchsucht während man sich von außen nach innen vorarbeitet und an einigen zentralen Kreuzwegen bleiben Wachen zurück um zu verhindern, dass bereits durchsuchte Gassen und Häuser erneut von Gegnern aufgesucht werden. Heya und ihr Team betreten das Gebiet mit einem weiteren Trupp über die Hauptzufahrtsstraße. Dabei werden sie von einem Wächter bemerkt, der sich daraufhin eilig in ein Haus zurück zieht. Kurz danach gehen alle Gestaltwandler in die Knie und greifen mit schmerzverzerrtem Gesicht nach ihren Köpfen. Aus dem Zentrum erklingen die Schmerzensschreie wilder Tiere und jagen den menschlichen Eindringlingen Schauer über den Rücken.
Heya versteht nicht sofort, was da gerade passiert doch ihre Männer erklären ihr unter Schmerzen, dass sie von einem hohen Ton malträtiert werden und deuten auf das Haus, in dem der Wächter gerade verschwunden ist. Sie begreift schnell und verschwendet keine Zeit mit tröstenden Worten. Stattdessen winkt sie sich zwei nicht betroffene Menschen heran, einen Polizisten und einen Agenten, und rennt auf das Haus zu auf das Felix gedeutet hat. Nach einem kurzen Blick der Männer auf Tigran, der sie mit zusammengebissenen Zähnen anknurrt sich zu beeilen, folgen die Auserwählten ihr zur Tür und betreten das Haus dann zuerst, gefolgt von Heya.
In den beiden Ermittlern heult der Wolf laut auf und auch der Puma schreit kläglich seinen Unmut heraus, denn ihnen gefällt nicht sie ohne Schutz in diese Gefahr laufen zu sehen aber sie können nichts anderes tun, als darauf zu warten, dass sie den Angriff auf ihren sensiblen Gehörsinn erfolgreich beendet, auch wenn sie die ganze Zeit mit aller Macht dagegen ankämpfen. "Was zur Hölle passiert hier?" Der Polizist, der Heya begleitet, versteht nicht, was vor sich geht, deshalb erklärt es ihm der Agent der anders als er seit Jahren mit Gestaltwandlern zusammen arbeitet und sich daher entsprechend auskennt. "Irgendetwas erzeugt einen Ton im Ultraschallbereich, der die Sinne der Biester attackiert und so die Menschen in den Wandlern dazu bringt sich so weit von ihrem Tier zu entfernen wie es eben geht, um den Schmerz zu minimieren. Das schwächt die Gestaltwandler enorm und verhindert, dass sie sich in ihre Tiergestalt wandeln können. Es bedroht außerdem das Band zwischen den beiden Hälften eines Hybriden."
Im Flur des Hauses, dass die Gruppe betreten hat, sind Schritte eines weglaufenden Mannes zu hören doch Heya lässt sich davon nicht täuschen. Sie erinnert sich an die kurze Zeitspanne zwischen dem Moment, als die Wache ins Haus ging und dem Beginn des Angriffs und deutet deshalb auf die erste Tür in der Nähe der Haustür. Ihre Begleiter nicken und versuchen, diese zu öffnen, doch sie ist abgeschlossen. Der Agent kniet sich sofort davor und holt Dietriche aus der Innentasche seiner Kampfweste. Sekunden später nickt er dem Polizisten hinter sich zu der seine Waffe in Anschlag bringt. Heya lehnt sich gegen die Wand neben der Tür und hält die Luft an. Mit einem leisen Klicken und einem kräftigen Stoß durch den Agenten öffnet sich die Tür.
Zwischen dem brutalen Geräusch in ihrem Kopf hören die Ermittler Schüsse aus dem Haus, in dem sich Heya gerade aufhält und beide Männer zucken zusammen und zwingen sich selbst zurück auf die Füße. Schritt für Schritt stolpern sie auf das Haus zu wie Zombies. Dann plötzlich verschwindet das Geräusch und während alle anderen Zeit brauchen, um sich zu sammeln, schütteln die beiden nur ihre Köpfe und rennen ohne zu zögern in das Gebäude, angetrieben von ihrer Sorge um die Gefährtin.
" Heya?" - " Wo bist du!" - "Geht es dir gut?" Laut und besorgt rufen sie nach ihr und erhalten umgehend Antwort. "Erster Raum rechts." Als die Jungs den Raum stürmen finden sie Heya kniend vor einem Feind vor, dabei dessen Schusswunde zu bandagieren. Aber sie verströmt nicht die Freundlichkeit eines Heilers, denn sie versorgt ihn nicht gerade sanft und schimpft wütend auf ihn ein. Ihrer bedrohlichen Befehlsgewalt beugen sich die Menschen im Raum instinktiv. "Wag es ja nicht zu sterben, das hast du nicht verdient. Du musst gegen den Anwalt und über mich aussagen und danach wirst du für alles was du getan hast bestraft, habe ich mich klar ausgedrückt?" Conalls fragende Blicke zu ihren Begleitern werden nur mit einem Achselzucken beantwortet, während der von Heya beschimpfte nur ergeben mit einem gemurmelten Jawoll, Sir antwortet.
<Sie könnte auch eine Luna sein. In ihr steckt eine Stärke die ich vorher nicht gesehen habe. Jetzt mag ich sie noch mehr.> Conall hat langsam ein Gefühl für die neue Gedankenverbindung entwickelt und erkennt daher, dass sein Wolf diesen Gedanken nur mit ihm und nicht mit seinem Partner teilt. Zu wissen, dass sein Wolf damit den Katzenwandler beschützen will, weil er genau weiß wie der über ein Leben in einem Wolfsrudel denkt, erwärmt sein Herz. Jetzt, wo er spüren kann, dass sein Wolf für den Partner die selbe Liebe empfindet wie er und auch, dass es dem Puma umgekehrt genauso geht, versteht er erst, was Zufriedenheit und Glück wirklich bedeutet. Heya sorgt nicht für eine Minderung dieser Gefühle, im Gegenteil. Da gibt es eine Lücke in die sie genau hinein passt.
<<Sie mag ja schwach aussehen und nicht gerne kämpfen, aber in ihr steckt eine Stärke die dafür sorgt, dass sie einem notwendigen Kampf nicht ausweichen würde. Ich denke ich mag sie.>> Erklärt der Puma jetzt und der Wolf stimmt ihm sofort zu. <<Sie ist ein bisschen wie eine Mischung aus uns beiden - ich mag sie auch.>> Und damit hat er vielleicht den Nagel auf den Kopf getroffen. Heya ist das perfekte Verbindungsstück zwischen den beiden Wandlern.
Sobald sie aufsteht sind ihre Männer bei ihr und ziehen sie in eine Umarmung, Conall von vorn und Felix von hinten. Heya kuschelt sich in diese Wärme und seufzt zufrieden. Als sie sich entspannt beruhigt das auch ihre Männer. "Ich schwöre, ich war nicht in Gefahr, ich habe an einem sicheren Platz gewartet bis die Situation unter Kontrolle war, dann habe ich nach dem Schalter gesucht um auszuschalten, was immer euch gequält hat." - "Gutes Mädchen!" Sie muss über die einstimmige Antwort der Jungs lachen und schaut ihnen dann in die leuchtenden Augen. "Haben eure Tiere gerade das selbe gesagt?" Felix lacht mit ihr und Conall nickt belustigt, was ihre Augen selbst ein wenig aufleuchten lässt. Dann reißen sie sich von einander los denn die sind noch nicht fertig mit der Razzia.
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