
7 | Ein neuer Fall
Ein paar Wochen später. Gebrauchtwarencenter Titus Jonas.
„Die Vasen müssen hierhin! Und der Schreibtisch..." Mathilda Jonas überlegte einen Moment und zeigte dann in eine andere Richtung. „Stell ihn da hinten zu den anderen Büromöbeln", meinte sie.
„Natürlich, Mrs Jonas", nickte Skinny und trug die Vasen zu einem Regal.
„Hey, du Faulpelz, kannst du mal mit anpacken?", rief er zu Justus hinüber, der gerade einen Schluck Wasser aus einer Plastikflasche trank. Es war unerträglich heiß an diesem Tag und Skinny fragte sich, ob es so schlau gewesen war, den Job bei dem Gebrauchtwarencenter anzunehmen. Auf der anderen Seite konnte er Justus so ein wenig herumscheuchen, was ihm ganz gut gefiel.
„Ich komme ja schon, du Ausbeuter", blökte Justus und griff an der gegenüberliegenden Seite den schweren Tisch. „Wohin?", fragte er. „Da lang", befahl Skinny und sie trugen den Tisch in die von Tante Matilda bestimmte Ecke.
Erschöpft wischte sich Skinny den Schweiß von der Stirn. „Deine Tante ist wirklich erbarmungslos, uns bei dieser Hitze schuften zu lassen", meinte Skinny und griff auf dem Weg zurück nun ebenfalls nach seiner Wasserflasche.
„Sie wird uns dafür nachher mit Kirschkuchen belohnen", versprach der erste Detektiv voller Vorfreude.
„Und womit wirst du mich nachher belohnen?", raunte Skinny plötzlich und drängte Justus in eine schattige Ecke in der Freiluftwerkstatt.
„Hast du denn noch nicht genug von mir?", grinste Justus, dem der gestrige Videoabend noch in den Gliedern steckte.
„Von wegen!", grinste Skinny und drückte Justus gegen die Wellblechtür von Tunnel 2. „Ich bin gerade erst dabei, mich an dich zu gewöhnen, Schnüffler!", grinste er und drückte Justus einen Kuss auf den Mund. Justus kicherte vergnügt.
„Pass auf, dass Tante Matilda dich nicht sieht. Ich kann nicht dafür garantieren, dass sie dich weiter hier arbeiten lässt, wenn sie sieht, wie du deine Zeit mit dem Neffen des Chefs verbringst."
„Oha", meinte Skinny, „bring mich nicht auf dumme Gedanken!" Justus lachte, dann griff er nach Skinnys Nacken und zog den Älteren bestimmt an sich. Ihre Münder vereinten sich und inzwischen konnte Justus sagen, dass ihm sowohl die zärtliche als auch die leidenschaftliche Seite ihrer Küsse gefiel. Nur waren mit zweiteren ungewollte Nebenwirkungen verbunden, die er, angesichts der Tatsache, dass Peter und Bob hierher unterwegs waren, doch gerne vermeiden wollte.
Eine Weile noch gab er sich der Illusion hin, dass sie noch Ewigkeiten einfach hier stehen und ungestört knutschen konnten, bis plötzlich ein bellendes Fellknäuel zwischen ihren Beinen tanzte.
„Buddy!", begrüßte Skinner den Hund atemlos und fuhr sich mit den Fingern durch die verwuschelten Haare. Auch Justus zog schnell sein Shirt wieder herunter, das Skinny im Eifer des Gefechtes hochgeschoben hatte. „Ich bin mal kurz weg", flüsterte Justus und stahl sich in den Tunnel, der in ihre Zentrale führte. Auf keinen Fall wollte er, dass Peter und Bob Skinny und ihn in Flagranti erwischten. Er wollte diese Seite ihrer Freundschaft noch ein wenig geheim halten. Nicht, weil er sich schämte. Dazu gab es keinen Grund. Es war eher so, dass er keine Lust darauf hatte, zu erklären, was das zwischen ihm und Skinny war.
Seitdem Skinny ausgezogen war und nun in Peters Segelboot im Hafen von Rocky Beach wohnte, trafen sie sich noch immer regelmäßig, um zu tüfteln, zu reden oder einfach nur nebeneinander auf dem Bett zu liegen und zu schweigen. Skinny saß dann meistens an seinem Handy und Justus las ein Buch. Oft hatte dann einer von ihnen irgendwann genug und begann den anderen zu küssen oder zu streicheln. Justus hatte eine Weile gebraucht, bis er sich daran gewöhnt hatte, doch dann hatte er auch selbst immer öfter die Initiative ergriffen. Und trotz des gelegentlichen Rummachens gab es auch Tage, an denen keiner so recht Lust auf den anderen hatte. Dann sahen sie sich nicht oder Skinny ging nach ein paar Stunden zu seinem Boot oder seinem Zweitjob als Aushilfe im Hafen nach. Und für sie beide war das in Ordnung.
Hätte er Bob davon erzählt, dass zwischen ihnen mehr war als bloße Freundschaft, hätte dieser vermutlich gesagt: „Wollt ihr nicht lieber eine richtige Beziehung haben? Hast du denn keine Angst, dass Skinny auch noch andere neben dir hat? Eine Beziehung wächst doch erst, wenn man eine tiefe Bindung aufgebaut hat."
Und Peter? Der würde trotz ihrer inzwischen gegenseitigen Akzeptanz nur ungläubig den Kopf schütteln und sagen: „Justus, wo hast du deine Würde gelassen. Skinny? Du hast jemanden besseren verdient!"
Mit diesen Gedanken stieg Justus über die Luke in den Wohnwagen ein und begab sich dann durch das kalte Tor wieder nach draußen. Seine Freunde waren schon auf dem Weg zur Veranda, wo seine Tante einen leckeren Kirschkuchen aufgetischt hatte. Skinnys Blick verfolgte ihn grinsend und auch Justus musste sich zusammennehmen, um sich nicht zu verraten. Bob hatte sowieso schon seit einiger Zeit dieses Schmunzeln auf den Lippen, wenn er Justus und Skinny zusammen sah. Ob er etwas ahnte?
„Hi Kollegen, gibt es was Neues bei euch?", fragte er interessiert, als er sich zu ihnen an den Tisch setzte.
„Allerdings", meinte Bob ernst. „Ich habe die Karte gefunden! Und ich frage mich, warum ihr uns nicht schon viel früher gesagt habt, dass ihr nicht vorhattet, sie an Inspektor Cotta auszuhändigen."
Justus starrte erst Bob an und dann Skinny. „Was meint Bob damit? Wie kommt er darauf, dass wir die Karte verstecken." Skinny sah Justus entschuldigend an.
„Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass sie noch hier ist. Im Krankenhaus sagtest du, dass sie verschwunden ist und da habe ich angenommen, dass Officer Johnson sie bei meiner Entführung entwendet hat. Ich habe gar nicht mehr daran gedacht, zu überprüfen, ob sie noch im Versteck ist."
„Du hattest sie versteckt? Wo denn?", fragte Justus.
Skinny grinste. „Das soll dir Bob lieber selbst erklären." Bob grinste nur und stellte die alles entscheidende Frage: „Was machen wir jetzt damit?"
Justus' Augen leuchteten.
„Wir werden sie natürlich nach Hinweisen auf ein Geheimnis untersuchen. Kollegen, ich brauche mal wieder einen neuen Fall!"
🏴☠️
Während Justus die Teller in die Küche räumte und Peter mit Buddy einen kleinen Spaziergang um den Schrottplatz machte, lehnte sich Skinny verschwörerisch zu Bob hinüber.
„Gehe ich recht in der Annahme, dass ihr eine neue Liebeshöhle gefunden habt und deshalb so lange nicht in der Zentrale wart?" Bob musste lachen.
„Du klingst ja fast schon wie Justus", stellte er amüsiert fest. „Und ja, wir waren seit Wochen nicht mehr dort. Jeffrey hat uns sein Geheimversteck überlassen, in dem wir sehr viel ungestörter sind als im Wohnwagen. Ich wollte eben nur kurz meine zweite Kamera aus der Dunkelkammer holen und dabei das alte Zeug mitnehmen. Da hatte ich plötzlich die Karte in der Hand."
„Lustiger Zufall", meinte Skinny grinsend. „Ich wollte heute Abend mal nachsehen, ob ihr dort noch ein paar Kondome deponiert habt. Vielleicht hätte ich mir eines geborgt."
Bob errötete leicht und sah sich dann nach seinen Freunden um. Doch die waren noch nicht zurück.
„Verrätst du mir, was das zwischen dir und Justus ist? Oder lässt du mich weiterhin im Dunkeln tappen?", fragte Bob mit gesenkter Stimme. Seit Wochen schon wartete er insgeheim darauf, dass Justus oder Skinny endlich zugeben würden, dass sie eine mehr als freundliche Beziehung pflegten. Doch beide hatten bisher kein Wort zu ihnen gesagt. Bis auf Skinnys gelegentliche kryptische Andeutungen blieb Bobs Vermutung eben, was sie war: Ungewiss.
„So neugierig, Andrews?" Skinny lächelte triumphiert. „Ich dachte ihr respektiert die Privatsphäre untereinander."
Bob schmunzelte. „Das stimmt schon. Ich bin aber auch Detektiv und von Natur aus sehr neugierig. Aber natürlich könnt ihr euer kleines Versteckspiel auch noch länger aufrechterhalten. Wenn euch das glücklich macht..."
Skinny schnaubte. „Das sagt der Richtige!" Bob runzelte die Stirn.
„Was meinst du?", fragte er verwundert.
Skinny lehnte sich selbstzufrieden in seinem Stuhl zurück. „Das muss ich dir doch nicht erklären, oder?", stichelte er.
Bob fühlte sich ertappt. „Wenn du darauf anspielst, dass wir uns in der Schule noch nicht geoutet haben, kann ich dir sagen, dass wir diese Entscheidung gemeinsam getroffen haben."
Skinny winkte ab. „Euer Bier", meinte er kühl. „Aber wenn du ernsthaft glaubst, dass sich das nach der Schulzeit ändern wird, bist du ziemlich naiv. Peter hat doch nur seine Karriere im Kopf. Und eine Liebesbeziehung zu einem Mann passt da sicher nicht in seine Pläne!"
Bob war vor den Kopf gestoßen. Wie konnte Skinny nur so etwas sagen? Er hatte doch keine Ahnung von seiner Beziehung mit Peter! „Du hast unrecht!", brummte er und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Wird sich zeigen", nuschelte Skinny und stand auf, um Justus entgegenzugehen, der gerade aus der Küche kam. Er trat vor den ersten Detektiv und nahm dessen Gesicht in seine Hände. „Du hast da was", grinste er und küsste Justus frech einen Kirschfleck von der Lippe.
Justus fühlte sich überrumpelt. „Was machst du denn?", flüsterte er aufgeregt. „Bob und Peter sind doch hier!"
„Na und?", grinste Skinny. „Bob ahnt es doch schon lange und Peter kann das ab. Sei nicht so schüchtern!"
Justus' Ohren liefen rot an, als er Bobs Blick vom Tisch her sah. Bob zog einen Mundwinkel hoch und reckte dann einen Daumen in die Höhe. Erleichtert über diese Geste fiel die Anspannung vom ersten Detektiv ab. Bob war also fein damit. Aber was war mit Peter? Wie würde er reagieren? Wo war er überhaupt?
„Was machen wir heute noch?", fragte Skinny als sie sich zu Bob an den Tisch setzen, auf dem ihre kalten Limonaden standen.
„Wie wäre es mit einer Abkühlung?", schlug Bob vor. „Wir wollten noch an den Strand fahren."
„Klingt vernünftig", meinte Skinny und trank seine Limonade aus. „Ich hole nur kurz unsere Badehosen."
Als er im Haus verschwunden war, ergriff Justus seine Chance, Bob über den Kuss von Skinny aufzuklären. „Wir sind kein Paar", behaarte er, Bobs skeptischen Blick wohl zur Kenntnis nehmend. „Wir verstehen uns einfach gut und ja, manchmal tauschen wir Berührungen aus. Aber es ist nicht so, wie bei Peter und dir!"
„Wie ist es denn bei Peter und mir?", fragte Bob amüsiert.
„Naja, du weißt schon", meinte Justus umständlich. „Ihr habt diese romantischen Gefühle füreinander. So weit sind Skinny und ich nicht und ich weiß auch nicht, ob das was für uns ist. So wie es ist, ist es gut!"
„Und ist es exklusiv?" Bobs Frage brachte Justus kurz aus dem Konzept. Darüber hatte er noch nicht nachgedacht. Für ihn selbst, war die Sache klar. Er hatte niemanden anderen neben Skinny. Aber sah Skinny das genauso?
„Es muss für euch passen!", meinte Bob, als er Peter mit Buddy durch das Tor kommen sah. „Das ist das Wichtigste! Der Rest geht uns nichts an."
„Was geht uns nichts an?", fragte Peter, als er an den Tisch trat.
„Du hörst schon die Widersprüchlichkeit, die in deinen Worten liegt, Zweiter?", fragte Justus amüsiert. Peter verdrehte die Augen.
„Und wieder einmal bin ich der letzte, der alles erfährt! Aber gut, es geht mich ja nichts an!" Peter verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. Justus seufzte, dann gab er sich einen Ruck. Er konnte ja Peter nicht als Einzigen im Ungewissen lassen.
„Bob hat gerade gesehen, wie Skinny mich geküsst hat. Und ja, wir haben das schon öfter getan. Wir sind Freunde, aber er ist nicht mein Freund und ich habe kein Interesse daran, diesen Status zu diskutieren. Und da er gerade kommt, erwarte ich von dir, dass du keinen blöden Spruch von dir gibst, alles klar, Peter?"
„Aye, Sir!" Peter war enttäuscht, dass Justus zu erwarten schien, dass er sich sofort verbal auf die Sache stürzen würde. Doch durch Bobs Andeutung vor einigen Wochen hatte er diese Option tatsächlich schon durchgespielt und war fein damit. Auch wenn er Skinny nicht leiden konnte, sie hatten sich doch auch irgendwie vertragen.
„Hab ich was verpasst?", fragte Skinny, als er mit der Schwimmtasche über dem Arm wieder am Tisch stand.
„Nur das Outing", grinste Bob und sah dann in die Runde. „Wollen wir dann los?"
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro