
66 | Tanz mit dem Teufel
TRIGGER: Gewalt
Wütend warf Skinner seine Bettwäsche auf das Sofa. Seine Tasche landete obenauf. „Ich muss das erstmal verdauen", äffte er. „Vielleicht kannst du einfach mal dein Gehirn ausschalten und genießen, Justus Jonas", blökte er.
Schwungvoll holte er seine Jeans aus der Tasche. Dabei fiel sein Handy auf den Boden und sein Shirt landete obenauf. Während Skinny in seine Jeans schlüpfte, entging ihm so der stille Alarm, der den unheimlichen Besucher ankündigte, der soeben hinter Skinny in den Tunnel vor der Zentrale geschlüpft war und nun vor der Tür des Wohnwagens stand.
Als Skinny das Klopfen hörte, stutzte er kurz. War Justus ihm vielleicht gefolgt und wollte sich nun bei ihm für den Rauswurf entschuldigen? Eilig zog er den Reißverschluss seiner Hose zu und öffnete die Tür.
Augenblicklich bereute er sein unvorsichtiges Verhalten, als eine dunkel gekleidete Gestalt mit schwarzer Teufelsmaske auf ihn zugestürmt kam und ihn überwältigte. Skinny riss noch die Hände nach oben, doch der Polizeistock raste mit voller Wucht auf seinen Kopf zu und traf, als Skinny versuchte auszuweichen, seine linke Schulter. Unter gewaltigen Schmerzen schrie Skinny auf und versuchte, sich in das Innere des Wohnwagens zu retten. Wenn er vielleicht die Luke zum Tunnel erreichen könnte...
Der zweite Hieb traf ihn von hinten am Rücken und Skinny fiel auf die Knie. Am Boden kriechend drehte er sich um. Die Gestalt stand nun mit abermals erhobenen Händen über ihm und sah ihn an. „Wer bist du und was willst du?", keuchte Skinny unter Schmerzen. Die Gestalt lachte tonlos. Sie würde ihm hierauf keine Antwort geben. Stattdessen kam sie auf Skinny zu und legte den Schlagstock an seine nackte Brust. Skinners Herz schlug wild, er wusste, dass er keine Chance hatte, zu entkommen. Seine Schulter war wahrscheinlich gebrochen oder zumindest stark geprellt.
„Was willst du?", fragte Skinner abermals. Seine Angst hatte Schweißperlen auf seine Stirn gemalt. Er ahnte, dass vermutlich die Polizistin hinter diesem Schläger stecken musste. Doch was wollte sie von ihm? Und wie weit würde sie gehen, um es zu bekommen? Er spürte den Stab auf seine Brust drücken und ließ sich von ihm zu Boden dirigieren. Dann setzte sich die vermummte Person auf seine Beine, so dass er sie nicht mehr bewegen konnte.
„Was willst du von mir?", schrie Skinny nun, das Gesicht voller Angst. Er befürchtete fast, die maskierte Person würde erneut zum Schlag ausholen, doch sie zog einen Lappen aus einer Halterung an ihrem Rücken hervor. Skinny ahnte fürchterliches. Er wollte nicht bewusstlos werden; wollte nicht hilflos sein. Nun wusste er auch, warum die Fremde eine Maske aufhatte. Sie war zu allem bereit und wollte nicht erkannt werden. Vielleicht war es ja auch Dr Franklin selbst! Deswegen sprach sie auch nicht!
„Bitte, du musst das nicht tun, ich komme freiwillig mit dir mit, wenn du das willst!", rief er in Verzweiflung. „Nur bitte keine Betäubung!" Abermals lachte die Fremde und beugte sich dann zu Skinny hinunter. Den Lappen presste sie dabei auf Skinners Gesicht. Skinny versuchte den Drang, nach Luft zu schnappen, so lange wie möglich zu unterdrücken und schlug mit seiner rechten Hand auf die Fremde ein. Ein hämisches Lachen ertönte, als Skinny unter seiner Peinigerin immer schwächer wurde. Stoßweise atmete er das betäubende Chloroform ein und begann müde zu werden. ‚Nicht schlafen!', dachte er noch, als ihm schon die Augen zufielen. Seine letzte Hoffnung war, dass ihn jemand retten kommen würde.
„Justus", nuschelte er, bevor er schließlich reglos am Boden liegen blieb.
Die dunkle Gestalt stieg von dem wie leblos daliegenden Körper herunter und reckte sich. Das war nicht ganz so verlaufen, wie sie es sich vorgestellt hatte, doch das machte der Gestalt nur wenig aus. Ihr Auftrag war es gewesen, Skinner irgendwie lebend nach Little Rampart zu bekommen. In welchem Zustand hatte ihre Auftraggeberin nicht gesagt. Und eine verletzte Schulter sollte sich eher noch positiv auf einen Gefangenen auswirken, verringerte es doch die Gefahr eines Fluchtversuches.
Eilig durchsuchte die Gestalt noch die Tasche, die auf dem Bett lag und kramte ein Shirt daraus hervor. Vielleicht war es besser, wenn Skinner nicht ganz unbekleidet vor ihre Auftraggeberin treten musste. Flüchtig ließ sie ihren Blick durch den Wohnwagen schweifen in der leisen Hoffnung, vielleicht auch noch diese Karte zu finden. Doch dieses Ziel war zweitrangig und als sie nach einer Minute nichts gefunden hatte, gab sie die Suche wieder auf.
Dann griff die Gestalt nach dem Körper des Kleinkriminellen und stemmte ihn auf ihre Schultern. „So mein Freund, wollen wir dich mal zur Frau Doktor bringen", kicherte sie über ihren Wortwitz. Langsam verließ sie mit Skinny den Wohnwagen.
Die schwarze Limousine, die sie vor dem Schrottplatz im Schatten der Umzäunung abgestellt hatte, besaß einen breiten Kofferraum. Ungeachtet Skinnys Verletzung ließ sie den Körper hineinfallen. Skinny stöhnte auf. Eilig schloss die Gestalt den Kofferraum, setzte sich ans Steuer und nahm die Maske ab. Bis Little Rampert war es nicht weit. Wenn sie sich beeilte, wäre sie noch vor dem Frühstück wieder zu Hause. Mit einem Lächeln im Gesicht, trat sie aufs Gaspedal.
Als Justus aus der Dusche kam, ging er sofort zum Fenster. Sein Blick wanderte zur Zentrale, in der Skinner vor circa zehn Minuten verschwunden war.
Er hatte nachgedacht. Über Skinners Angebot, ihn zu überraschen. Über die Tabletten. Und über das, was er mit ihm getan hatte. Für ihn getan hatte!
Bei der ersten Sache war sich Justus nicht sicher, wie er es einzuordnen hatte. Er hatte inzwischen so viel Zeit mit Skinner verbracht, dass er glaubte, Skinner wollte ihn etwas zurückgeben, ihm etwas zeigen, dass er selbst noch nicht kannte. Und ihn gleichzeitig aus seiner Komfortzone locken. Das hatte er definitiv geschafft!
Die Tabletten hatte Justus sich im Bad noch einmal genauer angesehen und bemerkt, dass seit gestern morgen tatsächlich nur zwei weitere fehlten. Skinner hatte also die Wahrheit gesagt und sie nicht überdosiert. Wenn seine Tante wach war, würde er sie fragen, was sie über die Tabletten wusste.
Und somit kann er zu der wichtigsten Frage: Warum hatte er das getan? Warum hatte er Justus so berührt? Was hatte er davon, dass er Justus befriedigt hatte? Macht vielleicht? Skinner hatte ziemlich lange mit ihm gespielt. Doch am Ende, hatte er alles getan, um Justus ein wahnsinnig tolles Gefühl zu bescheren.
Es war nicht so, dass der erste Detektiv zum ersten Mal einen Orgasmus erlebt hatte. Wie jeder junge Mann hatte auch er in mancher einsamen Nacht seinen Körper erkundet. Es war ihm aber weit weniger regelmäßig danach zumute sich selbst anzufassen, als er es bei seinen Freunden mitbekam. Sicherlich dachten viele seiner Bekannten, dass er überhaupt keine Ahnung von all diesen Dingen hatte. Die Wahrheit war, es war ihm einfach nicht so wichtig!
Justus fand viel mehr Befriedigung in einem guten Rätsel und einem spannenden Fall als in den Bewegungen seiner rechten Hand. Aber gestern... Gestern hatte zum ersten Mal jemand anderes als er selbst ihn berührt. Und ‚Gott', Skinny wusste genau, was er zu tun hatte! Es war sicher nicht das erste Mal gewesen, dass er seinen Mund so eingesetzt hatte. Was Justus erneut zu der Frage führte, warum Skinny so etwas tat. Was gab es ihm, Justus auf diese Weise zu verführen? Erwartete er nun eine Gegenleistung von ihm? War es das, was er wollte? Mal wieder befriedigt zu werden? Weil er schon so lange mit Justus eingesperrt war? Und würde Justus diesen Gefallen erwidern können? Fragen über Fragen, auf die Justus keine Antwort hatte.
Justus seufzte. Sein Blick fiel aus dem Fenster und auf das Oberlicht des Wohnwagens. Er stutze. Normalerweise war das Erste, was Skinny tat, das Fenster in der Decke zu öffnen, damit wenigstens etwas frische Luft in den Wohnwagen strömte. Doch obwohl er schon vor einiger Zeit rüber gegangen war, hatte er es noch nicht geöffnet.
Justus knetete seine Unterlippe, wie immer, wenn er angestrengt nachdachte. Der erste Gedanke, der ihm kam, war, dass Skinny abgehauen war. Zurück in seine Wohnung in Little Rampert. Doch das konnte er sich irgendwie nicht vorstellen. Auch wenn sie sich kurz gestritten hatten, so war der Schrottplatz noch immer das beste Versteck für Skinner.
Vielleicht war er allein zur Polizei gegangen, um die Karte zu übergeben. So oder so, Justus war sich sicher, dass er nicht im Wohnwagen war.
Ein kurzer Anruf konnte das klären. Justus griff nach seinem Handy und rief bei Skinny an. Es tutete. Dreimal. Fünfmal. Nach dem siebten Mal legte Justus auf, schlüpfte in eine Hose und warf sich ein Shirt über.
Noch bevor er die Zentrale betreten hatte, wusste er, dass etwas ganz gehörig nicht stimmte. Die Tür zum Wohnwagen stand offen und im Inneren herrschte Chaos. Skinnys Tasche war durchwühlt und sein Shirt lag auf dem Boden. Als Justus es aufhob, kam Skinnys Handy darunter zum Vorschein. Das Herz des ersten Detektivs raste, als ihm klar wurde, dass Skinny in Gefahr sein musste! Niemals hätte er sonst sein Handy zurückgelassen. Eilig wählte es Peters Nummer.
„Mensch Justus, weißt du eigentlich, wie früh es ist?", hörte er Peters verschlafene Stimme.
„Peter, ihr müsst sofort herkommen! Ich glaube, sie haben Skinny gefunden!"
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