Kapitel 11 - James
James konnte es nicht glauben. Ungläubig starrte er auf den Bildschirm. Er ritt seinen Drachen. Luis ritt seinen Drachen. Seinen. Mühelos, so wie es aussah.
Was zum...? Wie konnte er...?
Desire, wiederholte James in Gedanken. Etwas anderes konnte es nicht sein. So unplausibel die Erklärung auch war. Seine Kleine hatte ja Augen im Kopf. Sie wird Valerie doch wohl von einem wildfremden unterscheiden können.
Schwammig vernahm er noch Meiras neckende Stimme. Sie fand das Ganze auch noch lustig. Ohne sie zu beachten, ließ er sich in seinen Schatten fallen. Er empfing ihn wie einen alten Freund.
Einen Wimpernschlag, länger brauchte es nicht, da fand er sich auch schon neben Rhyllis in der Arena wieder. Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln, so gewohnt war sie sein plötzliches Erscheinen schon, auch wenn sich die Methode geändert hatte. Dann legte sie ihm eine Hand auf den Oberarm.
"Alles in Ordnung?", fragte sie. "Du warst nicht an deinem Tor. Angelina kocht förmlich über."
James Blick wanderte hinter sich. Nur für einen Moment. Und ja, Rhyllis hatte recht. Angelina, seine ach so tolle Mutter, beäugte ihn auf dieselbe Weise, wie sie es damals getan hatte. Damals, als er selbst mit dreizehn noch keinen Zauber auf die Reihe gekriegt hatte. Augenrollend wendete er seinen Blick ab.
"Luis hat den Schuldrachen gekapert", sagte James. "Er sollte jeden Moment eintreffen."
"Hab ich was verpasst? Oder glaubst du ernsthaft, dass er Mr. Raw-Raw wie ein Auto lenken kann?"
James faltete seine Hände übereinander, Handflächen zu einem Hohlraum gekrümmt. "Tu ich nicht." Damit blies er zwischen seine Daumen. Ein heller Klang, vogelähnlich, drang durch seine Finger in die Luft. Aus naher Ferne hallte ein antwortendes Brüllen. Gut. Sie hatte ihn also gehört. "Komm zu Herrchen", flüsterte er unter seinem Atem.
James musste sich nicht umsehen, um die Blicke zu spüren, die an ihm hafteten, um das schlecht verborgene Geflüster zu hören. Für jemanden, der neulich wortwörtlich in den Schatten verschwinden konnte, zog er wirklich viel zu viel Aufmerksamkeit auf sich. Anstelle eines frustrierten Seufzers loszuwerden, richtete er sich auf und stand wie die Königin, die Angelina gerne mal vorgab zu sein.
Dann endlich nahm der Wind zu. Er umfegte die Menge, zerzauste James Haar und drang unter seine Kleidung, als der Drache vor ihm landete. Hier ein dreifaches Hurra für den menschlichen Instinkt des Gruppenformens. Es wäre schwer, erklären zu gewesen, wieso ein paar Studenten mit den Fersen eines Drachen bekanntgemacht wurden.
Amüsiert schnaubte seine Große unter der Aufmerksamkeit der Frischlinge, ehe sie ihren Kopf zu ihm herabstreckte. Ihr Atem war heiß an seiner Kleidung und vertrieb die Kälte, die seine Haut befallen hatte.
James Hand wanderte hinauf zu ihren Schuppen. "Braves Mädchen", hauchte er. Er wollte weitersprechen. Die Frage 'Warum?' bereits auf der Spitze seiner Zunge. Doch dann glitt sein Blick an ihr vorbei, wie von Magneten gezogen, und traf Luis'.
Es war komisch. Definitiv nicht normal. James musste sich zusammenreißen, nicht die Miene zu verziehen. Diese Augen. Irgendwo hatte er sie doch schon einmal gesehen. Vielleicht war es aber auch einfach sein Blick. Blicke konnten sich ähneln.
Es war, als würde er versuchen, durch den dichtesten aller Nebel zu navigieren. Die Antwort so unglaublich nah und gleichzeitig unendlich weit entfernt.
James Hand fiel zurück an seine Seite. Der erste Schritt war bereits gesetzt, da drängte sich Angelina an ihm vorbei. Er tat sein Bestes, sie auszublenden. Innere Frieden oder wie auch immer die Phrase ging.
Der erste Blick zwischen Luis und ihr und das Motto war aus dem Fenster. Er müsste blind sein, um Luis' Gedanken nicht lesen zu können. Blind und blöd. Er konnte kaum glauben, dass James mit ihr verwandt war, dass - Zitat - die Frau vor ihm tatsächlich James' Mutter war. Ja, James konnte es die meiste Zeit selbst kaum glauben.
Sie sahen sich überhaupt nicht ähnlich.
Ihre Haare waren schwarz, seine blau. Sie war groß, er gut einen halben Kopf kleiner als Luis. Während ihre Haut durch beige Untertöne geprägt war, war seine blass genug, um sich selbst im Regen einen Sonnenbrand einzufangen. Sie - erneutes Zitat, zu einhundert Prozent nicht James' Worte - hatte definitiv die besseren Gene von den beiden erwischt.
James blies seinen Atem durch die Nase. Er sollte nichts sagen. Wäre keine gute Idee. Aber bitte, Luis musste damit aufhören. Jetzt. Sofort. Gleich am Besten. Er zuckte zusammen, als ihm ein weiterer Gedanke von Luis entgegenkam. Bitte, dachte sich James, hör auf an mich zu denken. Ich kann das so nicht ausblenden.
Ihre Augen insbesondere hatten es ihm angetan. Sie waren das Erste, was er an ihr bemerkt hatte. Ein elektrisches Blau, wie es sonst nur verweinte Augen erreichen konnte. James' braune, so dunkel sie auch waren, kamen dagegen einfach nicht an.
James konnte sich das Augenrollen nicht verkneifen. Nicht, das es irgendjemandem auffallen würde. Dann setzte Luis dem Ganzen noch die Krone auf.
Allzu alt durfte sie nicht sein, kaum älter als er selbst - sie musste ihn wohl jung bekommen haben.
Seine Hand wanderte auffordernd hinter sich. Rhyllis, wie der Engel, der sie war, nahm sie fest in ihren Griff.
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Luis war plötzlich wieder acht, Wangen rot unter dem Lob seiner Lehrerin, als Mrs. Monroe mit einem breiten Lächeln seine Hand schüttelte. James war anscheinend nicht nur stink reich - nein - obendrauf hatte er auch noch die perfekte Mutter. Ihre Stimme war sanft, als sie ihn begrüßte, melodisch. Zumindest wusste er jetzt, warum James so war wie er nunmal war. Sie hatte ihm vermutlich alles durchgehen lassen. Keine Spur von Druck auf seinen Schultern. Anders als seine Eltern, die ihre Erwartungen immer deutlich machten.
Aus dem Augenwinkel merkte er, wie James seine Finger um Rhyllis' wand. Die Knöchel weiß. Er blendete es aus.
"Miss Monroe, es ist ein Vergnügen, Sie kennenzulernen. Die Plakate werden Ihnen nicht gerecht."
Sie kicherte. Ihren Wangen färbten sich leicht rot unter seinen Worten.
"Angelina reicht vollkommen aus. Es ist immer wieder schön, einen Menschen in unseren Reihen aufzunehmen. Du hast dich hervorragend in den Tests geschlagen, dein Einfallsreichtum mit dem Drachen hat mir besonders gut gefallen. Mein Sohn selbst war gezwungen, diese spezielle Prüfung zu wiederholen. Für einen Adsueten dann so zu glänzen? Ich bin beeindruckt."
Luis konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. "Danke, aber es war wirklich nicht so eine große Sache. Das Terrain hat für sich gesprochen."
"Das hat es wohl", stimmte sie zu. "Sag, jemand so talentiertes wie du, welcher Zweig sagt dir am meisten zu? Du bist durch kein Tor geschritten."
"Kontrolle. Die Einzige der zwölf Halbgötter, die je etwas auf die Reihe gekriegt hat." Angelina nickte. Ihr Lächeln viel kurz von ihren Lippen herab, war jedoch so schnell und strahlend wieder da, dass Luis glatt meinte, es sich eingebildet zu haben.
"Mit Sicherheit die Lauteste im Vertreten ihrer Ansichten. So oder so, dein Wunsch wird dir gewährt, ich sehe keinen Grund, dich in einen anderen Zweig zu stecken. Du passt vielleicht sogar besser rein als mein Sohn und das sagt etwas aus." Auffordernd streckte sie ihre Hand leicht in seine Richtung. "Deinen Namen bitte noch. Nicht, das wir die falsche Person für den Drachenritt würdigen."
"Oh! Ähm-" Nicht einmal das 'L' schaffte es über seine Lippen. Seine Stimme versiegte, als James die Hand hob. Es war wie Magie. Nein - es war Magie. Luis spürte sie. Kaum merkbar aber da schlang sie sich um seinen Hals. Ein seichtes Kribbeln, mehr nicht, das jeden Ton verstummen ließ.
"Nicht", warnte James ihn. "She's a Fae." Luis verstand sofort. Wäre auch schlimm, wenn nicht. Jetzt, wo man es ihm gesagt hatte, konnte er es sehen. Ihre Gesichtszüge waren scharf und schmal, das Glitzern in ihren Augen zu schön, um von dieser Welt zu sein.
Angelinas Miene änderte sich schlagartig, ihr Lächeln wurde gefährlich. "Ich dachte, wir haben gesagt keine Widerrede."
Ihre Stimme nahm einen völlig anderen Tonfall an, als sie mit James sprach. Luis fiel es sofort auf. James hielt instinktiv inne, eine seltsame Distanz zwischen ihnen, die weder er noch seine Mutter zu überbrücken versuchten. Luis wusste mit einem Mal nicht mehr, was er mit seinen Händen anfangen sollte.
"Und ich dachte, wir hätten eine Vereinbarung", entgegnete James, die Augen markant auf Luis gerichtet.
"Daran hättest du früher denken sollen."
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James würde sie umbringen. Ernsthaft. Diesmal würde er es wirklich tun. Was dachte sie eigentlich, wer sie war? Zum Sklaventreiber werden, nur weil sie ihm eins auswischen wollte. Eine Sekunde später und sie hätte ihm seine Spielfigur geklaut. Nur weil er nicht an dem gottverdammten Tor Babysitter gespielt hatte? Weil sie ein neues Sexspielzeug wollte? Eines, das ein 'Nein' nicht kannte und mit dem sie gleichsam James übertrumpfen konnte? So wollte sie also spielen? Nun gut. Von ihm aus. Ihm würde es nicht die Finger verbrennen.
"Hätte ich?", entgegnete er mit einem süffisanten Lächeln. "Ach wirklich?" Seine Magie kräuselte sich langsam in seinen Adern, ein Schein in seinen Augen, der den ganzen Tag schon darauf wartete, zum Spielen herauszukommen. Es war köstlich. Er konnte Angelinas Furcht beinahe riechen. Auch wenn sie nur zum Messerschärfen gut war, einfältig und hochnäsig, ihre Instinkte waren nicht schlecht. Nur langsam. "Wie wärs damit: Either you shove that attitude up your ass and stop flirting with someone fourteen years your junior - streit es gar nicht ab, ich seh den Arsch von hier hinten wackeln - or we are going to go through the alphabeth starting with discorporation ending with you."
Daraufhin kam Rhyllis ihm ein Stück näher, auch der Drache weitete einen seiner Flügel und versperrte der Menge die Sicht. "Tesorino, stai facendo una scenata."
Sein Blick wandte sich dabei nicht von Angelina ab. Meins, schien seine Magie förmlich zu flüstern. Er hatte ihn hierher geholt, nicht sie. Luis war für James' Armee bestimmt so wie jeder andere Spion vor ihm. Nicht für sie. Für James.
"Ach, komm schon, Rhyllis. Lass mir den Spaß. Großmutter hier hat es nicht anders verdient." Angelina sog scharf den Atem ein.
"Großmutter? Großmutter?! James Monroe jetzt reiß dich gefälligst zusammen!"
Er räusperte sich. "Ü fünfzig Bitch." Und erneut krächzte es aus seine Kehle. Es schien als wollte er noch etwas hinzufügen, doch dazu kam er nicht.
Unerwartet schnellte James' Hand hinter seinen Kopf. In seiner Hand fing er nichts. Zumindest nichts, das man mit dem bloßen Auge erkennen konnte. Ein Funke Magie an seinen Fingern reichte jedoch aus, um das zu beheben. Ein Pfeil offenbarte sich in seiner Hand, ein kleiner Zettel um den Schaft gewunden.
Heißer Auftritt, Jamey. You can discorporate me any time of the day ;)
Techtelmechtel hinter Kontrolles Tor in fünf Minuten?
Ich würde ja sagen, bring die Fessel mit, aber du hast sie bestimmt sowieso schon dabei.
Es war so normal, so typisch Theo, dass James sich ein Lachen nicht verkneifen konnte. So hysterisch es auch klang. Mit einem Mal war der momentane Groll verschwunden. Als würde Theo tatsächlich hinter ihm stehen, sich nach vorne lehnen und ihm seine skandalöse Proposition ins Ohr flüstern. Da konnte James die kleine Morddrohung fast vergessen.
Ein Schein von etwas schlich sich hinter seine Augen, direkt an ihn gerichtet. Ein Gedanke so voll mit seinem Namen, dass er ihn unmöglich ignorieren konnte. Es war mehr Eindruck als sonst irgendwas. Flüchtige Bilder. Nichts Greifbares. Aber bei den Göttern, war es heiß.
Theo über ihm, unter ihm, James Rücken an der Säule seines eigenen Tors. Der Zug ihrer Münder und die Magie in jedem Sog ihres Atems. Ein verführerischer Hauch, wo nackte Haut auf Stein traf. Eine Hand in James' Ärmel, fordernd, bis nichts als silberne Perlen sie umgaben. Der Stich der Kette fast so heiß wie das Glühen ihrer Hände.
Jamey
Bei jedem anderen wäre James jetzt schon auf halbem Weg, um den Absender zu vernaschen. Die Götter wussten, es würde ihm guttun. Aber Theo? Nein. Das überschritt zu viele Grenzen.
Erst als Rhyllis ihm den Pfeil aus der Hand nahm, merkte er das Leuchten in seinen Augen, das die Welt in ein grelles Grau stürzte. James blinzelte. Es verschwand so schnell, wie es gekommen war.
"Ich kümmere mich darum", gestikulierte Rhyllis in Gebärdensprache. "Keine Ahnung, wie er reingekommen ist, aber raus kommt er gewiss nicht mehr. Ich geh durch ein anderes Tor. Vollidiot glaubt doch wirklich, dass wir keinen Überfall erkennen können. Du hältst hier die Stellung?" James sah sie mit leeren Augen an. "Die Zeremonie beginnt gleich", erläuterte sie stumm. "Deine Mutter sortiert ihn bestimmt in deinen Zweig. Wenn du eingreifen willst - du kannst ja schlecht an zwei Orten gleichzeitig sein."
James nickte. "Vervielfältigungszauber waren noch nie meine Stärke. Du kriegst das hin?"
"Für wen hältst du mich? Ich konnte euch beiden damals in den Arsch treten und ich kann es heute noch." Eindringlich hob sie eine Augenbraue. "Mit oder ohne Häkelnadeln."
James konnte nicht anders: Er brach in schallendes Gelächter aus. "Na gut", deutete er, "dann mal viel Spaß, du Weltraumtiger."
Erst nachdem sie hinter den Schwingen des Drachen verschwunden war, wandte er sich wieder Angelina zu. James räusperte sich. Jetzt nur ruhig bleiben.
"Wo war ich noch mal? Ach ja, Finger weg von meinen Figuren." Dann wandte er sich zu Luis. "Und du, sieben Grundregeln: Namen haben Macht, wenn sie ihn von selbst herausfindet - okay. Geben tust du ihn ihr aber nicht. Alles hat seinen Preis. Entschuldigung und Danke sind aus deinem Vokabular gestrichen. Such nach der Falle hinter jedem Wort. Lass dich nicht von falscher Sicherheit täuschen. Nimm kein Essen von ihr persönlich an und verbrenne jedes Geschenk. Und am aller wichtigsten: Schönheit ist ein Fluch, tu uns beiden einen Gefallen und fall nicht darauf rein. Verstanden?" James klatschte in die Hände, bevor Luid auch nur ansatzweise den Kopf Regen konnte. "Großartig!"
Eins sollte man über James wissen: Es gab weniges, das ihm nicht auffiel. Seine Sinne waren zur Perfektion geschult. Doch als er den beiden seinen Rücken zukehrte und wie Rhyllis unter dem Flügel des Drachen verschwand, merkte er nicht, wie Luis' Blick ihm folgte. Kalkulierend, ja, aber vor allem eins: Wissend.
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Kapitel 11 abgehackt! :D
Für alle Fans der Geschichte, ich habe eine spitzen Nachricht für euch. Updates finden ab jetzt Freitag und Dienstag statt! Ja, zweimal die Woche! Es hat sich unerwartet etwas an meinen Plänen geändert, sodass ich nun vielmehr Zeit zum Schreiben habe. ^^
Mit diesem Kapitel haben wir offiziell den ersten Akt passiert. Ab jetzt wird die Spannung rasant steigen und dabei hat Luis noch nicht einmal seine erste Stunde hinter sich.
Wen mögt ihr eigentlich mehr: James oder Luis? Oder bevorzugt ihr einen völlig anderen Charakter? Rhyllis, vielleicht? Oder jemand komplett anderen?
Wer hat eurer Meinung nach die besseren Eltern? James oder Luis?
Wie immer freue ich mich auf jeden Kommentar von euch. Theorien werden immer gern gelesen!

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