03
Kurz darauf saß ich neben Harry in einem der Klassenräume auf einem ziemlich unbequemen Hocker, der zu allem Überfluss auch noch wackelte, sodass ich befürchtete, innerhalb der nächsten drei Stunden mindesten zehn Mal auf dem Boden zu landen.
Vor mir stand eine Staffelei und daneben eine Palette mit den unterschiedlichsten Farbarten und Tönen, wovon ich wahrscheinlich höchstens Wassermalfarben und Acrylfarben kannte. Im Gegensatz zu Harry nämlich war ich alles andere als begabt und eigentlich nur hier, um Louis und Harry nicht allein zu lassen.
Die hingegen schienen mich in keinster Weise zu brauchen, da Louis wie ganz selbstverständlich Harry erklärte, wo er die einzelnen Pinsel und Stifte fand und in welchem Abstand zu ihm die Leinwand stand.
Inzwischen selbst ganz verzaubert, sah ich zu, wie Harry es zuließ, dass Louis behutsam seine Hand an seine Schulter legte, um ihm zu bedeuten, noch ein wenig nach vorne zu rutschen. Harry trug einen beruhigten Ausdruck in seinem Gesicht, den ich wirklich selten erlebte, weil es nicht oft vorkam, dass Harry sich komplett auf Menschen und ihre Hilfe einließ.
Entweder, weil er so zurecht kam, oder weil er es nicht wollte. Sogar mich schnauzte er ab und zu an, wenn ich ihn angeblich mal wieder wie ein rohes Ei behandelte.
Ich gab es ungern zu, aber ganz unrecht hatte er damit denn nicht, denn tatsächlich passierte es ab und zu, dass ich überfürsorglich reagierte - einfach, weil ich ihn so liebte und unter keinen Umständen wollte, dass ihm etwas zustieß, gerade wenn wir draußen unterwegs waren und er fast über rote Ampeln marschierte, wieder komplett in Gedanken versunken.
Jetzt jedoch schien es, als genieße er Louis' Aufmerksamkeit richtig, zumal dieser ihn bereits mit seinem Humor um den Finger wickelte. Ich hörte, wie er Harry äußerst detailiert das Aussehen der Kursleiterin beschrieb und dabei sagte: "Stell dir eine Angelina Jolie in alt, übergewichtig und nicht halb so schön vor."
Ich grinste, da er nicht so unrecht hatte: Mrs. Smith hatte zwar braune, lange Haare und große Augen, aber hatte tatsächlich einige Kilos zu viel auf den Rippen und die Falten in ihrem Gesicht verrieten, dass sie schon in fortgeschrittenem Alter war.
Noch ein paar Nachzügler huschten in den Raum zu den letzten freien Plätzen, dann klatschte sie in die Hände, damit ihr jegliche Aufmerksamkeit zuteil wurde. Sich räuspernd rückte sie die etwas unvorteilhafte Hornbrille, die auf ihrer Nase saß, zurecht, ehe sie sagte:
"Hallo Leute, ich bin Liza Smith, ihr dürft mich aber gerne Liza nennen. Ich werde euch die nächsten Wochen begleiten und als erstes möchte ich, dass ihr euren Sitznachbarn zeichnet. Wenn ihr euch kennt, nehmt bitte jemanden, den ihr noch nicht kennt."
"Oh, wie machen wir das dann?" Louis blickte ratlos in meine Richtung, woraufhin ich abwinkte. "Er kann das, vertrau ihm. Ich mach mit Zayn!" Ich deutete auf den Kerl neben mir, der auf seinem Namensschild Zayn stehen hatte und mich freundlich anlächelte.
Ich hörte noch mit einem Ohr, wie Harry Lou erklärte, dass er sein Gesicht ertasten müsste, um ein Potrait von ihm zu fertigen, dann wand ich mich Zayn zu.
"Hey", begrüßte er mich mit einer unglaublich ruhigen, tiefen Stimme. "Hey", erwiderte ich etwas schüchtern. "Du darfst von mir keine Kunstwerke erwarten, ich bin nicht so gut darin, andere zu zeichnen. Oder generell zu zeichnen."
Mir zuzwinkernd wehrte er ab: "Quatsch, du kriegst das hin. Außerdem bin ich auch nicht so gut." Grinsend zeigte ich auf das Bild, was er neben seinen Rucksack gestellt hatte. Es zeigte ein junges Mädchen, was eine gewisse Ähnlichkeit zu ihm hatte. "Das nennst du 'nicht so gut'? Gegen dich wird mein Portrait wie vom Müllcontainer aussehen!"
Peinlich berührt fuhr er sich durch seine schwarzen Haare. "Okay, ertappt. Doch du bist bestimmt genauso gut!"
Also machte ich mich daran, Zayn in die richtige Position zu bringen, damit ich ihn so gut wie möglich zeichnen konnte. Seine olivfarbene Haut schillerte im Schein der Sonne, der durch die offenen Fenster fiel und wenn immer er lächelte, blitzten seine strahlend weißen Zähne auf.
Ich war eine ganze Weile beschäftigt, bis Liza irgendwann von hinten an mich heran trat. "Ella, Harry ist dein Bruder, oder?" Sie nickte in dessen Richtung, weshalb ich meine Arbeit unterbrach und ebenfalls nickte.
"Er hat mir erklärt, wie er vor hat, das Gesicht seines Nachbarn zu zeichnen. Das ist genial!" Sie lächelte begeistert, danach lief sie wieder weiter. Ich drehte mich neugierigg um, um die beiden zu betrachten. Mit einer Hand berührte Harry jeden einzelnen Millimeter von Louis' Kopf, während seine andere Hand zeichnete. Zwischendurch legte er immer einen Zeigefinger an die Linie, die er zuletzt gezogen hatte, um den Faden nicht zu verlieren.
Liza hatte recht. Es war genial. Aber das Genialste war, dass Louis die Augen geschlossen hatte und sich unter Harrys Berührungen vollkommen zu entspannen schien.
Und plötzlich glaubte ich doch an Liebe auf den ersten Blick - oder auf das erste Ertasten.
meinungen? lieb euch. xxx
(keine sorge, ihr werdet noch mehr larry action bekommen.)
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