Kapitel 20
Sie hatte ihm versichert, dass sie weitergehen konnte, doch Draco hatte darauf bestanden, dass sie sich kurz hinsetzte, um sich auszuruhen und aufzuwärmen. Da es ohnehin schon fast dunkel war, hatten sie also beschlossen, ein Feuer zu machen und die Nacht im Schutz des Waldes zu verbringen, wo keine möglichen Todesser oder andere Anhänger D.s auf sie beide würde aufmerksam werden können oder sie womöglich sogar noch erkannten.
Obwohl sie sich bereits mehrmals bei ihm bedankt hatte, hatte Hermine immer noch das Gefühl etwas sagen zu müssen. Sie hielt diese Stille, die nur von dem Knistern der tanzenden Flammen über dem Holz unterbrochen wurde, nicht aus. Und allein durch ihren Blick auf seinem von Lichtspielen umgebenen Gesicht, wurde er nicht auf sie aufmerksam.
„Ich vergebe dir!", sprach sie also das aus, was ihr schon seit geraumer Zeit auf der Zunge lag.
Verwirrt richtete er nun endlich seinen Blick auf sie. „Wofür?", fragte er mit gerunzelter Stirn.
„Für alles!" Sie sah ihm fest in seine sturmgrauen Augen, doch er konnte nur ungläubig auflachen.
„Du willst mir für alles vergeben, was ich dir jemals angetan habe?"
Sie verstand seine Skepsis nicht. „Du hast mir das Leben gerettet, Draco!" Als wäre das allein nicht Grund genug!
„Das könnte auch aus reinem Eigennutz gewesen sein!" Wieso wies er sie nun wieder ab? Jetzt, nachdem er sich zuvor geöffnet hatte. Es machte keinen Sinn.
„Ich glaube dir nicht!" Ihre Stimme klang überzeugt.
„Selber Schuld!"
„Warum willst du nicht, dass ich dir vergebe?"
„Manchen Leuten kann einfach nicht vergeben werden!"
„Ach komm, glaubst du wirklich es gäbe nichts Schlimmeres als ein paar Beleidigungen an den Kopf geworfen zu bekommen?"
Verächtlich sah er sie an, sodass ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. „Es geht nicht nur um die Beleidigungen, Granger. Manche Leute verdienen so eine großzügige Geste nicht. Sie verdienen keine Liebe, keinen Respekt und keine Vergebung!"
Hermine war erstaunt, dass er daraus so eine große Sache machte. Doch augenblicklich kam ihr in den Sinn, dass er sich zuhause nie geliebt gefühlt haben kann und deshalb wollte sie in diesem Moment nur noch mehr jemand für ihn sein, der ihm diese Gefühle entgegenbringen konnte. Es war nur kein Wunder, dass er sie versuchte wegzustoßen, wenn er nie Menschen auf diese Art und Weise an sich rangelassen hat.
„Jeder verdient, dass man ihm vergibt. Und jeder verdient es geliebt zu werden!", versuchte sie ihm also klarzumachen. Doch schon wieder blockte er ab.
„Ich nicht!"
Es konnte nicht nur um ihre Schulstreitereien gehen. Und ja, im Krieg war er ein Todesser gewesen, aber er hat nie etwas derartig Schlimmes getan. Er wollte Dumbledore nicht töten, er hat Harry nicht an Voldemort verraten und er hat am Ende der dunklen Seite endgültig den Rücken gekehrt. Wovon also spricht er?
„Was kannst du schon wirklich Schlimmes getan haben?"
„Es geht nicht darum, was ich getan habe!", erhob er plötzlich seine Stimme. „Es geht darum-", doch er hielt inne. Ja, sag es mir, worum geht es? Doch als hätte er seine Meinung geändert und würde sie nun doch nicht aufklären wollen, fügte er stattdessen leiser hinzu: „Es geht darum wer ich bin!"
„Und wer bist du?", traute sie sich nachzufragen, obwohl seine Augen bereits einen gefährlich, glitzernen Ausdruck angenommen haben. Mit diesem stechenden Blick, bei welchem sich die kleinen Härchen in ihrem Nacken unverzüglich aufstellten, schaute er sie eindringlich an.
„Ich bin das schlimmste, was dir je hätte passieren können. Wie du es dir in deinen dunkelsten Albträumen nicht hättest ausmalen können!"
Angesichts der Tatsache, dass er ihre gerade das Leben gerettet hatte, war ihr nach Lachen zu Mute, doch sein immer noch todernster, eiserner Blick ließ das nicht zu. Auf einmal hatte sie das Gefühl, dass er ihr in Bezug auf seinen Auftrag hier etwas verschwiegen hatte, aber das war es doch worüber er gerade sprach, oder?
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„Ich habe zu viel Gutes in dir gesehen, als dass ich glauben könnte, dass du voll und ganz hinter ihm stehst." Natürlich wusste sie sofort wieder, worüber er sprach. Auch wenn sie den Teil, an den er eigentlich dachte, den zweiten Teil seiner Aufgabe, nicht kannte.
„Die Welt ist nicht nur schwarz und weiß, Hermine, es gibt nicht nur Gut und Böse!", begann er. Obwohl es vielleicht besser so wäre, dann würden nämlich nicht genau diese beiden Seiten gleichzeitig sein Innerstes bewohnen und drohen seine Seele zu zerreißen.
„Vielleicht hast du Recht und es ist nicht meine Schuld. Ich hatte nie die Wahl gehabt, das weiß ich jetzt selber. Und vielleicht, ganz vielleicht hast du sogar Recht, wenn du sagst ich hätte ein gutes Herz, aber sollte das tatsächlich der Fall sein, dann ist es noch viel schlimmer, dass ich trotz alle dem, dennoch böses getan habe!"
Dass die gute Seite in mir zu schwach war, gegen die böse anzukämpfen. „Dass ich trotz alle dem mich nicht dazu bekennen kann, weil ich einfach zu feige bin. Ich kann trotz alle dem den Todessern nicht den Rücken kehren und mich weigern weiter böses zu tun, weil ich einfach viel zu große Angst habe."
Todesangst. Wäre diese Todesangst nicht, hätte er sich schon längst dazu entschieden diesen verfluchten Auftrag einfach zu ignorieren. Aber so einfach war es nicht. Er brauchte einen Ausweg, der ihm garantierte, dass er nicht im Jenseits landen würde, sobald er sich widersetzte.
„Draco, es ist keine Schande, Angst zu haben. Jeder von uns hat sie und jeder von uns wurde ein Stück weit von ihr zerstört. Aber ich weiß, dass du stark genug bist – dass du mutig genug bist – dich dieser Angst zu stellen."
„Woher willst du das wissen?"
Er wusste doch selber noch nicht einmal, wozu er noch in der Lage war.
„Ich weiß es einfach! Bitte, glaube mir!"
Lange schaute er nur in ihre wunderschönen Rehaugen. Wie konnte man nach so vielen Grausamkeiten, die man gesehen und selber erlebt hatte, nur immer noch so viel Hoffnung versprühen.
„Das würde ich zu gerne!" Auch wenn es nur deinetwegen wäre...
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