Kapitel 52
Ich fing an zu zittern und drehte mich langsam, wie in Zeitlupe, zu dem groß gewachsenem Mann um. Er hatte mich gefunden. Er hatte mich dabei erwischt, wie ich seine Stalker-Fotos gesehen hatte. Das war mein sicherer Tod.
Sein Gesichtsausdruck war ruhig, beherscht, nur seine angespannte Körperhaltung verriet seine Wut. Ich beschloss, aufrecht stehend zu sterben, straffte die Schultern, hob das Kinn und wischte alle Anzeichen meiner Angst beiseite, zeigte nur noch Wut, als ich mit starker und trotziger Stimme antwortete:
"Schön ist etwas anderes, finden sie nicht?"
Er hob eine Augenbraue und zuckte mit den Schultern, gab sich lässig und entspannt, als er an der Wand lehnte, verwischte die Spuren seiner Wut. "Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Ich persönlich, finde diese Bilder sehr schön."
Ich schnaubte ungläubig. Er fand diese Bilder schön? Ich fand sie schockierend. "Wie kommen sie dazu, mich zu stalken?" "Stalken würde ich das nicht nennen. Ich habe ledeglich ein paar Fotos gemacht, mehr auch nicht."
"Das sind nicht nur irgendwelche Fotos", fing ich an, "das sind Fotos, die mich in intimen Momenten zeigen. Dieses Recht haben sie nicht, generell nicht, was Fotos von einer bestimmten Person angeht." Wieder zuckte er nur mit den Schultern und sah mich ausdruckslos an: "Das ist mir egal."
"Mir aber nicht!" Ein spöttisches Lächeln erschien auf seinen Lippen, als er hämisch zurückgab: "Und was willst du jetzt machen? Mich anzeigen?" Ich sah ihn finster an, gab aber keine Antwort.
"Dich geht es gar nichts an, warum ich diese Fotos gemacht habe.", sagte er und wollte weiter sprechen, doch ich unterbrach ihn: "Da bin ich anderer Meinung! Warum haben sie diese Fotos gemacht, stellen sie sich doch mal vor, sie würden auf diese Art und Weise gestalkt werden! Versetzen sie sich doch einmal in meine Lage!"
"Ich bin nicht sonderlich gut darin, die Perspektiven zu wechseln. Und überhaupt", zischte er mit bedrohlich leiser Stimme und kam mit langsamen Schritten auf mich zu, "ich sagte doch, dass dich das nichts angeht. Also frag besser nicht weiter, oder ich mache meine Drohung war." Ein paar Schritte vor mir blieb er stehen, während ich schwer schluckte.
Ich zweifelte nicht daran, dass er seine Drohung bewahrheiten würde, doch trotzdem konnte ich mir eine Bemerkung nicht verkneifen: "Und ich sagte doch, das mich das sehr wohl etwas angeht!" Da er nichts erwiederte, fuhr ich fort: "Warum haben sie diese verdammten Fotos gemacht?" wiederholte ich meine Frage erneut, diesmal mit mühsam unterdrückter Wut.
"Pass auf, was du sagst." Dünnes Eis, ganz dünnes Eis. Erneut schluckte ich und fasste all meinen Mut zu einer erneuten Erwiederung zusammen: "Wenn ich schon nicht erfahren kann, warum sie mich gestalkt haben, würde ich wenigstens gerne wissen wollen, wie sie sie gemacht haben."
Diesmal schnaubte er belustigt. "Ich dachte wirklich, du wärst klüger. Wenn du dir die Fotos genauer ansehen würdest, würdest du erkennen, von wo aus die Fotos gemacht wurden." Das stimmte wirklich, doch in meiner Panik hatte ich daran nicht gedacht.
"Da mögen sie Recht haben. Aber warum sagen sie nicht "ich", sie haben diese Fotos doch geschossen?" Jetzt war ich zu weit gegangen, eindeutig. Mein Entführer trat ein paar Schritte vor, so, dass zwischen uns nur ein paar Zentimeter Abstand blieb.
Innerlich verfluchte ich mich und meine Zunge. Warum hatte ich nicht den Mund halten können, warum? Das Leben hätte es mir zwar auch nicht gerettet, doch wenigstens verlängert. Auch, wenn ich mir vorgenommen hatte, dass es mir gleich sein sollte, ob ich starb oder nicht, wehrte sich ein Teil in mir dagegen. Dieser Teil wollte leben, eindeutig. Doch ich konnte ihm nicht nachkommen, dieser Wunsch würde ihm nicht erfüllt werden.
Ich stellte mich darauf ein, die nächste Stunde nicht mehr zu erleben, doch erhobenen Hauptes zu sterben. Also hob ich trotzig den Kopf und sah meinem Peiniger direkt in die zornig funkelnden Augen. Seine Stimme war kaum hörbar, bebte aber vor Zorn, als er antwortete:
"Du stellst eindeutig zu viele Fragen. Es tut mir leid, doch ich muss es tun. Du hast es nicht anders gewollt."
Bltzschnell zog er ein Messer aus seiner Tasche und hielt es mir gegen die Kehle.
Es war vorbei, ich war so gut wie tot.
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