Das Nachtlager
Gelangweilt blickte ich den Fluss entlang. Wir waren nun schon tagelang unterwegs und es war immer noch kein Ende in Sicht. Ich hätte mich nach einem besseren Schiff umsehen müssen. Die 'Stern von Ferdok' war nicht gerade Luxus und ich hatte mich nur für sie entschieden, weil Kapitän Albass eingewilligt hatte, mich kostenlos mitzunehmen, wenn ich ihm dafür meine Hilfe versprach. Natürlich hätte ich bezahlen können. An Geld mangelte es mir nicht, ich hatte genug aus Havena mitgenommen. Meine Eltern hatten es wahrscheinlich nicht mal bemerkt.
Doch ich war sehr geizig und versuchte fast immer mit Wortgewandheit eine Bezahlung zu umgehen, was mir mein gutes Aussehen auch noch erleichterte.
Wahrscheinlich würde man mich nun als arrogant oder hochnäsig bezeichnen, doch es war wahr. Nahezu jeder Mann, der mich erblickte war von mir gefesselt, was ich immer gut zu meinem Vorteil nutzen konnte. Trotzdem hatte ich noch nie jemanden an mich herangelassen. Ich war schließlich kein Straßenmädchen, wie sie am Ferdoker Hafen herumstanden und ihren Körper verkauften.
Ich hatte also den Kapitän betört und dieser hatte nun auch noch vergessen unsere Abmachung einzufordern. Glück für mich.
Dennoch war es nicht sehr aufregend Tag und Nacht auf diesem Schiff zu verweilen und Wolken oder Sterne zu zählen.
Die Besatzung des Schiffes bestand auch nur aus vier Mitgliedern. Zum einen wäre da der Kapitän, dann noch ein alter Kauz namens Piet und zwei Kinder mit den Namen Janah und Hein. Wobei Janah schon etwas herangewachsener war.
Außer mir und der Crew fuhren noch drei 'Handelsreisende', wie sie sich nannten, mit uns. Es waren zwei Menschen und ein Zwerg. Einer der Menschen war ein groß gewachsener Mann mit strohblondem Haar und breiten Schultern. Ich hätte ihn wahrscheinlich eher als Krieger eingestuft und nicht als Händler. Der andere Mann war etwas kleiner und jünger, aber wahrscheinlich dennoch älter als ich. Er hatte tiefschwarzes Haar und zugegeben wunderschöne Gesichtszüge. Mir war nicht bewusst gewesen, dass man als Mann so gut aussehen konnte. Der Zwerg war wohl am wenigsten bemerkenswert. Er ging mir vielleicht bis zum Bauch, wie für einen Zwerg üblich, trug einen langen weißen Bart und eine Glatze, was in Kombination ein wenig seltsam aussah, aber naja. Man merkt wohl, dass ich die drei schon eine Zeit lang beobachtet hatte, aber warum auch nicht? Diese Leute zu beobachten, war das einzige was den Aufenthalt hier erträglich machte. Denn jeder Blinde konnte sehen, dass sie etwas verbargen. Was aber wohl hauptsächlich an dem Zwerg lag, der ständig aufbrauste und dann von dem großen Blonden und dem süßen Dunkelhaarigen beruhigt werden musste.
Alle drei standen ständig abseits von den Anderen und diskutierten vor sich hin. Der einzige von ihnen der dabei immer wachsam war, war der Schwarzhaarige. Dieser schaute sich während ihrer Besprechungen stets um, ob jemand lauschte und unsere Blicke hatten sich schon mehrfach gekreuzt, wobei sein Blick bei mir des Öfteren tiefer gewandert war, was ich immer mit einem Grinsen quittiert hatte. Hey, welche Frau mochte es nicht, von einem hübschen Mann angeschaut zu werden?
"Hier werden wir heute unser Nachtlager aufschlagen!", riss mich die Stimme des Kapitäns aus meinen Gedanken. Das Schiff hatte an einer kleinen Insel angelegt und die Passagiere verließen nun so langsam das Schiff.
Wir legten heute aber sehr früh an, die Sonne war noch nicht mal untergegangen.
Ich setzte mich auf und ging nun ebenfalls an Land.
"Kapitän, wenn ihr mir die Frage gestattet, warum legen wir schon so früh an?", fragte ich Albass, der den Schiffsjungen gerade Anweisungen gab.
"Es wird vielleicht ein Sturm aufziehen und Piet will nicht den Zorn des Flussvaters spüren." Ich verkniff mir ein Augenverdrehen. Piet war sehr abergläubisch, was mitunter ganz schön auf die Nerven schlagen konnte.
"Wann werden wir Nadoret erreichen?", fragte ich noch. Wie lange musste ich es noch auf diesem Schiff aushalten?
"Wenn alles gut geht, könnt ihr morgen zur Mittagszeit von Bord gehen." Phex sei Dank!
"Ich danke euch vielmals. Wenn ihr mich entschuldigen würdet." Damit wollte ich mich abwenden, doch Albass fiel offenbar noch was ein.
"Einen Moment noch! Ihr hattet mir vor unserer Reise, doch Euere Hilfe zugesagt, wenn ich euch den Preis erlasse. Zu euerem Glück hatte ich es vergessen, doch nun könntet ihr euch nützlich machen." Verdammt! Aber immer noch besser als bezahlen.
"Aber natürlich. Wie kann ich euch behilflich sein?", fragte ich und klimperte mit den Wimpern. Der Kapitän wurde kurz rot und schüttelte dann kurz den Kopf um die Fassung wiederzukriegen. Wie ich es liebte, Männer zu verwirren, auch wenn dieser nicht der Hübscheste war.
"I-Ihr könntet Piet beim Aufbau des Nachtlagers zur Hand gehen.", meinte Albass etwas stotternd. Ich nickte lächelnd und ging zu dem Matrosen hinüber, der gerade Janah eine Standpauke hielt.
"Das war deine Aufgabe, Janah! Wie sollen wir denn ohne ein Feuer schlafen?!", rief er aus.
"Entschuldigt, wenn ich euch unterbreche, doch euer Kapitän sagte, ich solle euch bei dem Nachtlager helfen.", sagte ich möglichst höflich. Ich mochte diesen Kerlen irgendwie nicht.
"Ah ja. Ihr kommt genau richtig. Ihr könnt mit Janah hier Zunderschwamm für das Lagerfeuer besorgen.", sagte der Alte und warf dem Mädchen einen tadelnden Blick zu.
"Oh, muss das sein?", jammerte sie.
"Keine Widerrede!", Piet trat etwas näher zu mir, "Passt mir ja auf die Kleine auf. Bringt sie heil wieder.", flüsterte er. Wow, der Alte war besorgt? Was sollte uns hier schon begegnen? Trolle oder was?
"Und jetzt macht euch auf. Los!" Damit ging ich mit Janah in den anliegenden Wald.
"Und jetzt erzähl mir, was er dir zugeflüstert hat!", meinte Janah neugierig.
"Ich soll dich nicht mit gruseligen Grimassen erschrecken! Wuargh!" Ich imitierte einen Drachen und Janah prustete los.
"Mit dir wird's wirklich nicht langweilig! Dann lass uns mal suchen gehen!", sagte sie. Ich hatte mich auf dem Schiff schon öfters mit ihr unterhalten, wenn auch nur kurz. Ich mochte sie. Sie erinnerte mich ein wenig an mich selbst, wo ich noch kleiner war und immer Abenteuer erleben wollte.
Doch das blieb leider immer nur Fantasie, stattdessen musste ich mich in enge Korsetts zwängen und ein Lächeln aufsetzen, obwohl ich innerlich kochte.
So hatte ich auch unfreiwillig gelernt mich zu verstellen.
"Da sieh nur! Den Zunderschwamm schnappe ich mir und dann können wir gleich zurück!", rief Janah plötzlich und rannte vor zu einem Zunderschwamm, der an einem Baumstumpf hing.
Janah riss ihn ab und verzog gleich das Gesicht.
"Och nö! Der ist nass wie Koschtaler Kohlsuppe! Wenn alles hier von Efferds Segen erwischt wurde, dann finden wir nie trockenen Zunderschwamm.", jammerte sie. Da hatte sie recht. Vielleicht gab es hier irgendwo eine Höhle, wo es trocken geblieben war.
Mein Blick fiel auf eine große Turmruine, die neben uns stand. Perfekt.
"Dort drin ist es vielleicht trocken gebliebenen! Lass uns mal nachschauen.", meinte ich und zog Janah zur Tür.
"Ein Abenteuer! Wie aufregend!", rief Janah, als wir durch die Tür traten. Ich schmunzelte. Sie war wirklich noch sehr jung. Wir gingen eine steile Treppe hinab nach unten und ich stellte fest, dass ein riesiges Loch in der Wand war, welches offenbar in eine Höhle führte.
"Du? Ich bin mir, doch nicht mehr so sicher. Das ist ein Eingang in eine Höhle und in Piets Geschichten kommt immer nur einer wieder raus.", sagte Janah etwas verängstigt. Bei Phex! Der alte Kauz hatte sie ja schon mit seinem Aberglauben angesteckt!
"Keine Sorge! Ich bin schon aus ganz anderen Situationen wieder Heil herausgekommen! Uns wird nichts passieren!", beruhigte ich Janah grinsend. So eine Höhle war nichts gegen die gesamte Stadtwache die mich einmal durch Ferdok gejagt hatte. Zum Glück hatte ich eine Kapuze getragen.
"Wirklich? Okay... Ich will dir mal glauben. Geh du voran. Ich halte die den Rücken frei.", sagte Janah immer noch etwas unsicher. Ich trat durch das Loch und sah mich um. Hier gab es zwar Zunderschwamm, doch ich konnte sogar schon vom Weiten sehen, dass er durchnässt war. Ich ging etwas tiefer in die Höhle und bog um eine Ecke. Janah lief dicht hinter mir.
"Na? Ist doch gar kein Monster da, oder?", flüsterte sie und ich verkniff mir ein Augenverdrehen. Weil ja auch in jeder Höhle ein Monster hausen musste.
Die Höhle endete in einer Sackgasse, wo schon das Wasser des großen Flusses lag. Plötzlich hörte ich schrille Schreie und übergroße Fledermäuse flogen auf uns zu. Igitt.
"Iiieeehh! Fledermäuse! Hilf mir!", rief Janah aus und versteckte sich hinter mir. Das Mädchen hatte echt noch nichts von der Welt gesehen, wenn sie sich schon vor diesen kleinen Dingern fürchtete.
Ich zog meinen wunderschönen und sündhaft teuren Degen aus meinem Gürtel und stach die ersten Viecher nieder. Auch Janah hatte nun Mut gefasst und schlug mit einer Keule auf die Biester ein. Als alles erledigt war, sah sie mich schwer atmend an, während ich nicht im Mindesten aus der Puste geraten war. Sie sollte sich dringend mehr bewegen.
"Puh. Gut, dass du da warst, weil... sonst hätte mir das doch nie jemand geglaubt.", murmelte sie. Also lügen konnte sie überhaupt nicht, so viel stand fest. Ich beließ jedoch dabei und sah mich weiter in der Höhle um ohne die toten Tiere weiter zu beachten. Die meisten hätten sie wahrscheinlich ausgeweidet oder gehäutet um Zutaten für die Alchemie zu gewinnen, doch mit meinem Geld konnte ich auch alles in der Stadt kaufen ohne mir die Finger schmutzig zu machen. Warum seine Vorteile nicht nutzen, nicht wahr?
Ich entdeckte eine kleine Schale, die wie ein Nest aussah und griff danach.
"Hey! Das sieht mir aus wie ein Schrein des Flussvaters! Piet warnt mich jeden Tag ihn niemals zu erzürnen und das tun wir ganz sicher, wenn wir das Ding leeren!", sagte Janah ängstlich. So langsam nervte mich dieses Piet hier Piet da. Aber damit sie Ruhe gab, hörte ich auf sie und wandte mich ab.
"Okay, dann sollten wir es dabei belassen.", sagte ich und ging zu einem kleinen Boot, das am Flussrand lag und vor sich hin moderte.
Darin entdeckte ich tatsächlich Zunderschwamm! Und zwar trockenen.
"Hey, schau mal!", rief ich Janah zu, welche sogleich herbeikam.
"Hast du was gefunden? Zeig mal! Ja, der ist trocken! Jetzt können wir endlich aus dieser Höhle verschwinden!", sagte sie und schnappte sich den Zunderschwamm.
"Ja, wir waren lange genug hier. Lass uns gehen.", sagte ich und wir gingen Richtung Tür. Nicht, dass sich der modrige Gestank hier noch in meinen Haaren festsetzte. Das wäre nicht sehr vorteilhaft!
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