4.9 Welten - Darius
Er kam sich lächerlich vor, wie er jetzt prüfend in den Spiegel schaute, den Ayleen unsinnigerweise außen an dem Zirkuswagen der Tanzgruppe angebracht hatte. So unsinnig wohl aber auch nicht – er war schließlich gerade der Dummkopf, der das ungewohnte Bedürfnis gehabt hatte, noch einmal seine Aufmachung zu überprüfen. Nur weil er heute nicht nur seine Partnerin, sondern auch noch seinen Gast ausführte.
Da musste man sich doch etwas mehr in Schale werfen.
Das Problem an der ganzen Sache war nur, dass er eigentlich keine Ahnung hatte, was er noch mit sich hätte anstellen können. Er hatte sich ordentlich angezogen und seine Haare gekämmt, was allerdings nie besonders erfolgreich war – sie fielen letztendlich doch wild auf seinem Kopf herum. Vergeblich fuhr er sich noch einmal mit der Hand durch seine dunkle Mähne. Das einzige, was ihm dabei in den Sinn kam, war ein Haarschnitt.
‚Dämlich.'
Verärgert über sein Verhalten, machte er sich auf den Weg zu Anas Wohnwagen. Noch glaubte er nicht daran, dass die Mädchen bereits fertig waren, aber er war ja auch etwas früher als geplant losgegangen. Nach einem Blick auf seine Uhr stellte er fest, dass sie noch ganze zehn Minuten hatten, um den vereinbarten Termin einzuhalten.
Also verlangsamte er seine Schritte noch mehr und schlenderte nun ganz gemächlich durch die Reihen der verschiedenen Wohnwagen. Topfgeklapper und Gelächter war zu hören, doch keiner war an diesem Abend draußen. Darius konnte es ihnen nicht verübeln. Es sah nach Regen aus und würde diese Nacht wohl tatsächlich ein wenig kühler werden. Ein seltsamer Juni.
Trotz seines Trödelns war er immer noch ein paar Minuten zu früh an seinem Ziel. Seufzend klopfte er an der Tür. Sein verfrühtes Auftauchen würde seiner Partnerin zwar missfallen, aber immerhin war er nicht unpünktlich. Also hatte sie eigentlich keinen Grund zu meckern. Es waren doch nur kleine fünf Minuten.
Er klopfte also, wartete aber nicht erst auf das Herein seiner Partnerin. Wenn sie noch beschäftigt wäre, würde sie ihm auf keinen Fall antworten. Wie immer, wenn er Anas rote Hölle – wie er den roten Zirkuswagen scherzhaft nannte – betrat, erschlug ihn die Anzahl von Klamotten.
Er verstand bis heute nicht, wofür eine Frau – auch eine Artistin wie Ana es war – so viele Kostüme und Kleider benötigte. Dazu kam, dass Darius ohnehin das Gefühl hatte, dass seine Partnerin im Großen und Ganzen immer dieselben Klamotten trug. Aber selbstverständlich würde er sich hüten, ihr so etwas ins Gesicht zu sagen. Nicht einmal im Spaß würde er solche Dinge zu seiner aufbrausenden Freundin sagen – damit würde er sich nur sein eigenes Grab schaufeln.
Überraschenderweise waren die beiden jungen Frauen bereits fertig und Darius fielen bei dem Anblick fast seine Augen aus dem Kopf. Seine Partnerin trug ein enganliegendes, dunkelblaues Kleid, das sich toll an ihre Oberschenkel schmiegte. Es endete knapp über ihren Knien und dazu trug sie glitzernde Schuhe mit hohen Hacken. Ihr Haar trug sie offen, so wie Darius es gewohnt war. Ana trug ihre Haare nur dann zu einem festen, hohen Knoten gebunden, wenn sie mit dem Trapez flogen. Was Darius allerdings nicht gewohnt war, war der Anblick von Helena.
Nachdem er gedacht hatte, dass sie ihn auf keinen Fall mehr so aus der Fassung bringen konnte, wie heute Morgen, wurde er jetzt eines Besseren belehrt.
‚Verdammt, Ana!'
Die Tänzerin zeigte zwar nicht viel Haut wie es am heutigen Morgen der Fall gewesen war, doch die dunkelrote Korsage über dem schwarzen Seidenpulli und der hautengen, weißen Jeans stellte trotzdem eine gefährlich sinnliche Mischung dar.
Ana verstand ihr Handwerk.
Sein Kopf brauchte ein paar Sekunden, um zu realisieren, dass er viel zu sehr auf die Figur seines Gastes starrte. Allerdings war die Tänzerin mit ihren Blicken vorhin ja nicht viel besser gewesen. Trotzdem – er musste etwas sagen. Irgendetwas. Sein Unterleib dachte nämlich an ganz andere Sachen, wenn er seine Augen so weiter über die Korsage wandern ließ.
„Ihr – äh ... seht toll aus."
Darius lächelte die Mädchen beeindruckt an und hoffte, dass er sich nicht zu dämlich angehört hatte. Eigentlich hatte er gedacht, er wäre den Anblick schöner Frauen in reizvollen Kleidern bereits zu genüge aus dem Zirkus gewohnt.
Aber es war eben nicht Helena, an die er gewöhnt war.
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