
Rückkehr auf die Berserker Insel
Rowin:
Am nächsten Morgen standen wir in aller Frühe auf und aßen schnell etwas Fisch, bevor wir in Richtung Berserker Insel flogen. „Ich hätte nicht gedacht, dass der Rucksack einfach so verschwindet, wenn ich mich verwandle", sagte Heidrun lachend. Mit einem breiten Grinsen dachte ich an den Moment zurück, als Heidrun mir nicht glauben wollte, dass wir unser Gepäck nicht als Drachen in den Klauen tragen mussten. „Das ist eben das praktische an einem Seelenbund, alle Kleidungsstücke und Ausrüstungsgegenstände, die man vor der Verwandlung getragen hat, verschwinden bei dieser einfach, um bei der Rückverwandlung wieder aufzutauchen", gab ich zurück. „Allerdings, das ist wirklich ziemlich praktisch", stimmte Heidrun zu.
Kurz vor unserem Ziel fiel mir plötzlich etwas ein, woran ich eigentlich schon längst hätte denken sollen. „Warte mal Heidrun", verlangte ich und flog nur noch auf der Stelle. „Was ist denn Rowin?", fragte sie, „Wir sind doch gleich angekommen." „Ja, aber was machen wir dann?", stellte ich meine Gegenfrage, „Ich meine, wir können doch nicht einfach so auf der Insel landen und uns vor den Augen aller Einwohner zurückverwandeln." „Stimmt, darüber hatte ich überhaupt nicht nachgedacht", antwortete Heidrun. „Ich bis eben gerade auch nicht", gestand ich ihr, „aber ich denke es wäre das Beste, wenn du jetzt schon wieder deine Menschengestalt annimmst. Dann könntest du deinem Bruder die Situation in Ruhe erklären und das Gespräch vorher an einen Ort verlagern, an dem wir ungestört sind." „Vielleicht solltest du das lieber übernehmen, immerhin würde ich in meiner Gestalt als Klingenpeitschling wesentlich weniger Aufmerksamkeit erregen, als du in deiner als Nachtschatten", schlug Heidrun vor. „Ein berechtigter Einwand, aber dir wird Dagur die Geschichte eher glauben als mir", warf ich ein, „außerdem weiß ich nicht, wie er reagieren wird, wenn er mich so plötzlich wiedersieht. Nach meinem, für sie ungesehenen, Verschwinden, dürfte dein Bruder nicht so über meine Wiederkehr erfreut sein, als über deine. Daher fürchte ich, dass wir die Nachteile meiner Drachenform hinnehmen müssen."
Nickend akzeptierte Heidrun meinen Einwand und landete auf der nächsten Felsspitze, die aus dem Meer ragte. Dort verwandelte sie sich in einen Menschen zurück und machte etwas Platz, damit ich auch landen konnte. Sofort nachdem meine Pranken den Boden erreicht hatten, bückte ich mich etwas, um das Aufsteigen für Heidrun zu erleichtern. Vorsichtig setzte sie sich auf meinen Rücken und verschaffte sich einen sicheren Halt. „Kann losgehen", sagte sie dann und ich erhob mich ganz langsam in die Luft. Es dauerte lediglich fünf bis zehn Minuten, bis die Berserker Insel in Sicht kam und weitere zwei Minuten, bis uns zwei Drachen entgegenflogen. „Am besten du hörst jetzt auf mit Drachen zu reden Heidrun. Zumindest solange bis du den anderen die Situation erklärt hast", riet ich meiner Freundin. „Alles klar", gab sie zurück. Mittlerweile waren die beiden Drachen so nahe gekommen, dass ich erkennen konnte, welche es waren. Der eine war der Dreifachstachel Schnüffler, auf dessen Rücken natürlich Dagur saß, und der andere war Ohnezahn, selbstverständlich in Begleitung von Hicks.
Als der Nachtschatten erkannte, dass ich ein Artgenosse von ihm war, beschleunigte er um ein Vielfaches und war innerhalb weniger Sekunden bei mir. „Ich glaube es nicht ein anderer Nachtschatten!", rief Ohnezahn erfreut. „Halt, Ohnezahn!", antwortete ich schnell, „Wir können uns später gerne noch unterhalten, aber jetzt ist kein passender Zeitpunkt." Etwas perplex starrte mich der Nachtschatten an und fragte nur: „Warte, woher kennst du meinen Namen?" „Das erkläre ich dir später", gab ich zurück. Bevor der Drache noch etwas sagen konnte, kam ihm sein Reiter zuvor. „Heidrun, wo warst du die letzten Tage denn nur? Wir haben überall ihm Inselreich nach dir gesucht und wie hast du es geschafft den Nachtschatten zu zähmen?", fragte Hicks erstaunt. „Ja, was genau ist passiert Schwester?", wollte auch Dagur wissen, der mit Schnüffler nun ebenfalls angekommen war. „Das ist eine etwas längere Geschichte, könnten wir vielleicht vorher irgendwo landen, wo uns niemand stört?", erkundigte sich Heidrun. „Na gut, Astrid wartet noch bei den Ställen auf uns und kümmert sich um Sturmpfeil, die Arme hat sich beim letzten Flug einen Flügel verrenkt. Ich bin sicher, dass wir dort ungestört reden können", antwortete Hicks und war bereits in Richtungder Insel losgeflogen. Dagur hingegen wich mir nicht von der Seite und versuchte ein paar Sachen aus seiner Schwester herauszukitzeln, was diese jedoch abblockte.
Bald landeten wir vor dem Stallgebäude und die Drachenreiter stiegen vom Rücken ihrer geliebten Begleiter, auch Heidrun tat dies. „Da seid ihr ja wieder, was war denn mit diesem... Heidrun?", hörte ich plötzlich Astrids Stimme aus den Ställen. Kaum hatte die Drachenreiterin ihre Freundin erkannt, stürmte sie auf selbige zu und schloss sie in ihre Arme. „Wo hast du dich denn nur rumgetrieben, alte Freundin?", fragte Astrid. „Ja, was ist passiert seit dich dieser Nachtschatten entführt hat Heidrun?", fragte Hicks erneut. „Also, das ist so...", begann meine Freundin ihre Erzählung. Ich legte mich derweil auf den Boden und versuchte mich zu entspannen. Heidrun startete mit der Erklärung genau wie ich damals ganz am Anfang bei der Entstehung der Seelenkrieger und fasste die Geschichte meines Volkes kurz zusammen. Auch die Bedeutung meines Tattoos erwähnte sie kurz, damit alle die Zusammenhänge verstehen konnten. Während ich darauf wartete, dass ich auch endlich etwas sagen konnte, musste ich immer wieder die Annäherungsversuche von Ohnezahn abwehren. Zwar konnte der Nachtschatten nichts dafür, dass er wohl der letzte seiner Art war, aber ich war nun mal kein wirklicher Artgenosse von ihm, daher wollte ich ihm keine falsche Hoffnung machen. Allerdings war Feuerblitz dabei nicht gerade hilfreich, meinen Seelenbruder hatte es nämlich ziemlich hart getroffen, dass es im Seelenreich alle möglichen Drachenarten, aber keinen Nachtschatten, gab. Aus diesem Grund wollte er eigentlich nichts lieber, als ein wenig mit Ohnezahn zu spielen, aber er wusste natürlich auch, dass das nicht möglich war.
Schließlich kam Heidrun mit ihrer kleinen Geschichte an den Punkt, auf den ich schon die ganze Zeit gewartet hatte, der Punkt an dem sie erklärte, dass ich ein Seelenkrieger war. „Tja, und beim letzten Drachenangriff auf diese Insel habe ich zufällig beobachtet, wie Rowin mit einem fremden Mädchen geredet hat. Dabei hat sie sich schließlich in einen Klingenpeitschling und er sich in einen Nachtschatten, genauer gesagt den Nachtschatten vom ersten Angriff, verwandelt", schloss sie vorerst ihren Bericht. Augenblicklich fingen alle Anwesenden, außer Heidrun und mir, an zu lachen. „Menschen, die sich in Drachen verwandeln, das ist der beste Scherz, der dir je eingefallen ist Schwester", meinte Dagur, bebend vor Lachen. Ich hob den Kopf und warf Heidrun einen mitleidigen Blick zu. „Willst du es ihnen zeigen, oder soll ich?", fragte ich leicht genervt. „Mach du lieber", antwortete sie und erntete dafür ein paar verwirrte Blicke von den anderen. Sofort erhob ich mich und bevor auch nur einer der Anwesenden etwas sagen konnte, hatte ich schon begonnen mich zurück zu verwandeln. Kaum war ich damit fertig, blickte ich in Richtung unserer Freunde, die mich entgeistert anstarrten. „Also, glaubt ihr Heidrun vielleicht jetzt?", erkundigte ich mich sarkastisch. Es vergingen einige Minuten, bis Hicks als Erster seine Stimme wiederfand. „Du warst der Nachtschatten, aber wieso hast du Heidrun einfach so entführt?", fragte er. „Das wäre Teil Zwei unserer kleinen Geschichte.", erwiderte ich, „Hast du was dagegen, wenn ich jetzt übernehme, Heidrun?" „Nein, mach nur", lenkte sie ein.
„Gut, also ihr müsst wissen, dass die Seelenkrieger sehr empfindlich reagieren, wenn es darum geht, dass Menschen von ihrer Existenz wissen. Ich hatte Angst sie würden euch alle töten, wenn sie merken, dass ich es euch gesagt habe, deshalb habe ich mir auch diese Lüge mit dem Gedächtnisverlust ausgedacht. Als Heidrun mich auf dieser Klippe dann damit konfrontiert hat, dass sie von meinem Geheimnis weiß, habe ich etwas die Beherrschung verloren. Ein anderer Seelenkrieger hätte sie wohl auf der Stelle umgebracht, aber aus irgendeinem Grund konnte ich das einfach nicht, daher sah ich keine andere Möglichkeit, als sie zu entführen. Nachdem ich mir dann einen Ort gesucht hatte, wo ich in Ruhe mit Heidrun reden konnte, habe ich alle Karten auf den Tisch gelegt und ihr die Sache erklärt. Danach haben wir uns auf die Drachenklippe zurückgezogen, da sie davon überzeugt war, dass uns dort keiner suchen würde", erzählte ich. „Gut, das leuchtet mir ein und sie hatte recht", meinte Dagur, „Wir haben das ganze Inselreich abgesucht, aber die Drachenklippe haben wir ausgelassen, weil wir nie erwartet hätten, dass sich ein wilder Drache dort verstecken würde." „Eigentlich ein berechtigter Gedanke, nur hier eben nicht. Na ja, einen Tag nach unserer Ankunft kam jedenfalls Windfang zu uns...", wollte ich gerade weitererzählen als ich von Astrid unterbrochen wurde. „Dahin ist sie also verschwunden, wir hatten uns schon Sorgen gemacht, als sie in der Nacht nach eurem Verschwinden einfach losgeflogen und nicht mehr zurückgekommen ist. Wo ist Windfang denn eigentlich?", fragte sie.
„Nun ja, ich fürchte, ich kann euch in der Hinsicht nicht gerade beruhigen", erwiderte ich mit einem Seitenblick zu Heidrun, sie sah traurig zum Boden, „An dem Tag nach Windfangs Ankunft, wurden wir von wir von meiner alten Freundin Leyla und einigen anderen Seelenkriegern angegriffen. Ich habe alles getan, was ich konnte, aber letztendlich war ich nicht im Stande Windfang zu retten." „Sie ist...?", fragte Dagur schwach. „Leider ja", gab Heidrun zurück, „diese Leyla hätte mich fast umgebracht, aber Windfang ist sofort dazwischen gegangen. Unglücklicherweise hatte Leyla einen vergifteten Dolch, mit dem sie wohl Rowin betäuben wollte, und hat ihn in Windfangs Bein gerammt. Auf einen Seelenkrieger wirkt das Gift nur betäubend, aber auf einen Drachen tödlich, mein armes Mädchen hatte nicht die geringste Chance zu überleben. Das heißt von einer Mal abgesehen." Mit diesen Worten hob sie ihre rechte Hand und zeigte den Anderen ihre Tätowierung. Zum zweiten Mal an diesem Tag blieb unseren Gesprächspartnern nun der Mund offenstehen. „Du bist...", stammelte Dagur verdattert. „Eine Seelenkriegerin, genau wie Rowin, ja", beendete die Schwester des Berserker-Oberhauptes den Satz. „Das heißt, Windfang ist jetzt in dir?", fragte Astrid vorsichtig. „Ihre Seele, ja", gab Heidrun zurück.
„Da ist aber noch etwas, das ihr wissen solltet", übernahm ich wieder das Gespräch, „Der Seelenherr, also der Anführer meines Stammes, ist kein sehr großer Freund davon, wenn jemand aus seinem Volk viel Zeit in der Welt der Menschen verbringt. Aus diesem Grund hat er mehrmals seine Tochter Leyla geschickt, um mich nachhause zu bringen. Nachdem ich allerdings all ihre Aufforderungen ignoriert habe, ist er persönlich gekommen und hat gedroht das ganze Inselreich niederzubrennen, wenn ich nicht zurückkehre. Nur will ich auf keinen Fall zurück ins Seelenreich, wo mich, anders als hier, nie jemand so akzeptiert hat, wie ich wirklich bin, deshalb würde ich gerne hierbleiben. Das heißt, wenn ihr mich mit diesem Wissen noch hier wollt." „Natürlich kannst du hierbleiben", erwiderte Dagur sofort, „Hier auf dieser Insel ist jeder rechtschaffende Mensch, oder in deinem Fall Seelenkrieger, willkommen, egal woher er kommt, oder wer ihn verfolgt. Keine Sorge, wir werden dich nicht einfach so alleine lassen." Erleichtert lächelte ich, sie hielten zu mir, obwohl sie wussten, dass das gefährliche Konsequenzen haben könnte. So etwas nettes hatte noch nie jemand für mich getan, noch nie.
„Aber eine Sache hast du vergessen zu erwähnen", sagte Heidrun plötzlich. Während sie diese Worte sprach warf sie mir einen Blick zu in dem ich genau lesen konnte, was sie meinte und es gefiel mir nicht wirklich. Doch bevor ich etwas dazu sagen konnte, war sie schon zu mir hinübergetreten und hatte ihre Lippen sanft auf meine gelegt. Zunächst war es mir irgendwie ein wenig peinlich, dass wir gerade allen Anwesenden einfach so unsere Liebe zueinander gestanden, aber schon nach einer Sekunde war mir das egal und ich erwiderte den Kuss. Als wir uns schließlich wieder voneinander lösten, blickte ich zugegeben etwas verlegen zu Hicks und den anderen hinüber, die ungläubig zurückstarrten. „Wusste ich doch, dass er dir gefällt, Schwesterherz", sagte Dagur einfach in die Stille hinein. „Bruder!", gab Heidrun leicht wütend zurück. „Komm Dagur, lass die Beiden doch bei diesem Thema in Ruhe", riet Hicks. „Aber das war doch nur ein kleiner Spaß", rechtfertigte sich Heidruns Bruder. „Wirklich sehr lustig", murrte seine Schwester.
„Also, was genau wollen wir jetzt wegen den Seelenkriegern machen?", fragte ich, einerseits, um vom Thema abzulenken, und andererseits, weil es ja tatsächlich eine wichtige Frage war. „Ganz einfach, wir versetzen alle unsere Krieger in Alarmbereitschaft und verstärken bis zum nächsten Vollmond unsere Verteidigungslinien. Wenn die Seelenkrieger diese Insel wirklich angreifen wollen, werden sie eine gehörige Abreibung bekommen!", meinte Dagur selbstsicher. „Tut mir leid, falls ich deinem Selbstvertrauen schade, aber wir Seelenkrieger sind weitaus stärker und schneller, als normale Menschen. Deine Schwester hat das damals auf die harte Tour gelernt. Wenn ihr das wirklich durchziehen wollt, werdet ihr etwas Hilfe brauchen", erklärte ich so schonend wie möglich. „Kannst du uns denn helfen?", erkundigte sich Hicks. „Vielleicht, immerhin weiß ich genau, wie unsere Kämpfer denken und wie sie sich im Angriff, oder auch in der Verteidigung, verhalten. Wenn ich genau wüsste, welche Möglichkeiten ihr hier auf der Insel habt, könnte ich unter Umständen eine wirksame Verteidigungsstrategie entwickeln", dachte ich laut vor mich hin. „Gut, dann sollten wir so schnell wie nur möglich anfangen, an unserer Verteidigung zu arbeiten", schlug Astrid vor. „Einverstanden", stimmten Heidrun und ich gleichzeitig zu.
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