Ein schmerzhafter Bund
Rowin:
Am nächsten Morgen wurde ich einem lauten Freudenschrei geweckt. Etwas mürrisch streckte ich mich im Bett, eigentlich wollte ich noch nicht aufstehen, es war gerade so gemütlich, aber ich wusste auch genau, dass ich nicht mehr schlafen konnte. Daher stand ich auf und zog mir meine schwarze Lederkleidung an, noch immer musste ich darüber lächeln, dass ich ausgerechnet diese Kleidung getragen hatte, als mich Heidrun zur Rede gestellt hatte. Langsam öffnete ich die Tür und trat hinaus ins Freie, da ich bei Weitem noch nicht völlig wach war, stürzte ich mich kopfüber ins Meer und nahm im Fall meine Nachtschattenform an. Kaum war ich in das kalte Meereswasser eingetaucht, schwamm ich auch wieder Richtung Oberfläche und flog zurück auf den Steg. Nach diesem Bad, wenn man es denn so nennen wollte, machte ich mich auf den Weg ins Gemeinschaftshaus, wo Heidrun schon am Kochen war. „Guten Morgen", grüßte ich, „Wann bist du denn aufgestanden?" „Schon vor einer Weile", antwortete sie, während sie den Tisch noch schnell fertig eindeckte, „Ich hatte einen ziemlich bösen Albtraum, der mich kurz nach Sonnenaufgang aufgeweckt hat und danach konnte ich beim besten Willen nicht mehr einschlafen." „Geht es denn wieder?", fragte ich besorgt. „Ja, nur keine Sorge", erwiderte Heidrun, „ich habe die freie Zeit genutzt, um schon mal ein paar Yak-Koteletts zum Frühstück zu machen."
Kaum war sie mit dem Sprechen fertig, war der Tisch auch schon fertig gedeckt und sie setzte sich hin, ich folgte ihrem Beispiel und machte mich über die Koteletts her. „Also, wenn du mich fragst, bist du auch eine erstklassige Köchin, Heidrun. So leckeres Fleisch habe ich lange nicht mehr gegessen", lobte ich. „Danke", erwiderte sie, „aber dein Fisch von gestern war mindestens genauso gut." „Wo ist eigentlich Windfang?", fragte ich schließlich. „Die ist oben am Fluss und fängt einige Fische", antwortete sie. Mit vollem Mund nickte ich und machte mich weiter über das Fleisch her. Nachdem wir das Frühstück beendet hatten, traten wir nach draußen auf die Klippe oberhalb der Gebäude und blickten dem Horizont entgegen. Zwar stand die Sonne längst weit über dem Meer, aber dennoch war das Farbspiel wahrhaft malerisch. Irgendwann kam Windfang dazu und leistete uns etwas Gesellschaft, obwohl wir hier bestimmt schon eine Stunde lang standen, konnten wir uns einfach nicht sattsehen. Der Moment war einfach nur perfekt, doch bevor ich mir genauere Gedanken darüber machen konnte, erschienen fünf Drachen am Horizont.
„Sind das Hicks und die anderen?", fragte Heidrun mit zusammengekniffenen Augen. Ich blickte ebenfalls unseren Besuchern entgegen, doch was ich erkannte, trieb mir einen kalten Schauer über den Rücken. „Das sind nicht deine Freunde, das sind Leyla und einige ihrer Freunde", erwiderte ich dann und zog mein Schwert. Auch Heidrun zückte ihre Axt und klappte sie überraschend aus, sodass der Stiel doppelt so lang und an beiden Seiten eine Klinge hatte. Windfang nahm ebenfalls eine angriffslustige Stellung ein und gemeinsam wichen wir drei einige Schritte vom Rand der Klippe zurück, um besser mit einem Angriff umgehen zu können. Schließlich waren die Drachen so nah, dass ich erkennen konnte welche Arten es genau waren. Natürlich war an der Spitze ein Klingenpeitschling, Leyla, gefolgt von einem Riesenhaften Albtraum, Tödlichen Nadder, Feuerschweif und einem Skrill. Langsam kamen sie näher, setzten zum Landeanflug an und ließen sich genau vor uns auf der Klippe nieder.
Bevor einer von den fünf auch nur ein Wort sagen konnte ergriff ich die Initiative. „Verschwinde von hier Leyla! Wenn du kommst, um mich ins Seelenreich zu bringen, verschwendest du nur deine Zeit!", rief ich und Windfang untermalte es mit einem wütenden Knurren. Zornig blickte Leyla erst mich, dann Heidrun an und verwandelte sich in einen Menschen. „Du hast IHR von uns erzählt?!", fragte sie und spuckte das ‚ihr' schon fast aus, „Du weißt doch, was das für sie bedeutet, oder?" „Ich weiß wie du es dir vorstellst", antwortete ich kühl. Immer noch zornig blickte Leyla Heidrun an, bevor sie fragte: „Du magst sie und nur ihretwegen wolltest du nicht nachhause kommen? Ist doch so, oder?" Noch während sie diese Worte aussprach biss ich mir auf die Lippen, was Leyla wohl schon als Antwort reichte. „Na schön", meinte sie erschreckend ruhig, „wenn sie der Grund ist, aus dem du nicht zurückwillst, dann werden wir sie eben aus dem Weg räumen. SCHNAPPT SIE EUCH!"
Heidrun:
Kaum hatte diese Leyla ihren Begleitern den Befehl gegeben, verwandelten sich der Nadder, sowie der Skrill in Menschen und zückten ihre Waffen. Ersterer hielt eine lange Lanze in den Händen und Letzter zog zwei kurze, aber trotzdem gefährlich wirkende Schwert aus den an seinem Rücken befestigten Halterungen. Die anderen beiden Drachen stürzten sich währenddessen unter Knurren und Fauchen auf Windfang, die sofort zurückschlug. Lange konnte ich mir allerdings nicht Sorgen um meine Freundin machen, da der Kerl mit der Lanze zielstrebig auf mich zukam. Rowin stellte sich inzwischen ganz allein dem Mann mit den Schwertern und seiner alten Freundin Leyla. Entschlossen meinen Kampf so schnell wie möglich zu beenden, um danach Rowin zu helfen, stürmte ich mit erhobener Axt auf meinen Gegner zu. Dieser wehrte meinen Angriff jedoch ganz locker mit seiner Waffe ab und schlug mir danach den Stiel der Lanze ins Gesicht. Leicht benommen taumelte ich zurück und erinnerte mich erst jetzt an Rowins gestrige Warnung, dass selbst stark geschwächte Seelenkrieger einen normalen Menschen fast mühelos überwältigen konnten. Daher ging ich die ganze Sache diesmal etwas vorsichtiger und defensiver an, statt gleich anzugreifen, wartete ich auf den ersten Zug meines Gegners.
Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und Stärke stach der Seelenkrieger nach mir und hätte mich fast getroffen. Knurrend setzte mein Kontrahent seine Angriffe fort und ich musste mich anstrengen allen Schlägen auszuweichen, oder sie zu parieren. Schließlich kam der Moment, wo ich nicht mehr länger hinterherkam, was der Seelenkrieger ohne zu zögern ausnutzte und mich auf den Boden warf. Bevor ich richtig reagieren konnte stand er über mir und hielt mir die Spitze seiner Waffe unter die Nase. „Wie enttäuschend, ich hatte auf eine echte Herausforderung gehofft", höhnte er, „Dann werde ich dich mal von deinem Leid befreien." Ich dachte schon, nun wäre es um mich geschehen, als plötzlich die Klinge von Rowins Schwert aus der Brust meines Gegners ragte. „Nicht, wenn ich dich vorher von deinem befreie!", meinte Rowin, der hinter dem Lanzenträger stand, mit dunkler Stimme. Sofort fiel mir auf, dass seine Augen in einem hellen Rot leuchteten, genauso wie seine Tätowierung. Im Moment war Rowin wirklich ein gruseliger Anblick, die hellrote Farbe in seinen Augen schluckte alle Teile des selbigen, Iris und Pupille gleichermaßen. Bevor ich mich danach erkundigen konnte, verschwand der Spuk auch schon wieder und mein Freund streckte mir die Hand entgegen. Etwas verunsichert nahm ich sie und ließ mir von ihm beim Aufstehen helfen, sofort warnten mich meine Kriegerinnen-Instinkte vor Leyla und ihrem Schwerter-Freund.
Doch als ich zu ihnen sah, stellte ich fest, dass Letztere regungslos am Boden lag und Leyla sich über ihn kniete. Mit einem düsteren Blick in den Augen sah sie schließlich zu Rowin hinüber und sagte finster: „Welch ein rührendes Bild, der große Nachtschattenkrieger eilt zur Rettung seiner Liebsten!" Scharf atmete Rowin ein, packte den Griff seiner Waffe fester und blickte kurz aus den Augenwinkeln zu mir, dann lächelte er schmal und richtete seinen Blick wieder nach vorne. „Ja und jetzt verschwinde endlich", forderte er. Warte, hatte er gerade gesagt, dass er mich liebt? Bevor ich mir weitere Gedanken darüber machen konnte, hob Leyla eines der Schwerter ihres gefallenen Freundes auf und erhob sich wieder. „Das kann ich leider nicht, mein Freund", erwiderte sie dabei. Mit einem Kampfschrei stürmten die beiden aufeinander zu und lieferten sich einen hitzigen Schwertkampf mit Schlägen, die schneller waren als alle, die ich bisher gesehen hatte.
Zwar brannte es mir unter den Nägeln, meinem Freund zu helfen, aber dennoch hielt ich mich zurück, da ich genau wusste, dass ich mit Leyla nicht mithalten konnte. So sah ich dabei zu, wie die beiden ihre Schwerter durch die Luft schwangen, das Duell verlief bis jetzt ziemlich ausgeglichen, keiner von ihnen konnte sich einen Vorteil verschaffen. Doch schließlich packte Rowin das rechte Handgelenk von Leyla, um ihr Schwert aus dem Kampf zu nehmen und schlug dann schnell zweimal gegen die Klinge von Leylas linkem Kurzschwert. Einmal nahe der Spitze und einmal nahe dem Griff, wodurch Leyla gezwungen war, ihre Waffe fallenzulassen. Gleich darauf rammte Rowin ihr den Griff seines eigenen Schwertes gegen das Kinn und ließ ihr Handgelenk los, was Leyla ein gutes Stück zurückschleuderte. Ich dachte schon jetzt wäre der Kampf entschieden, doch ich wurde eines Besseren belehrt, als sich plötzlich ein Seelenkrieger, der eine Streitaxt auf dem Rücken trug, gegen Rowin warf und ihn gut fünf Meter weit wegschleuderte. Dabei verlor er dummerweise sein Schwert, weshalb er sich nicht richtig dagegen wehren konnte, dass der neue Gegner seinen linken Arm packte und festhielt. Zu allem Überfluss kam auch noch ein weiterer Seelenkrieger, mit einem auf dem Rücken festgeschnallten Hammer, hinzu und packte Rowins rechten Arm.
„Lasst mich los!", schrie mein Freund wütend, doch genau das taten die Beiden natürlich nicht. Erschrocken sah ich in dorthin, wo Windfang vorhin noch mit den beiden anderen Seelenkriegern in Drachenform gekämpft hatte und musste feststellen, dass mein Drache verwundet am Boden lag. Ein Lachen erklang aus Leylas Richtung, als sie sich das Kinn rieb. „Sieht so als wären es nur noch du und ich meine Liebe", stellte sie fest. „Rühr sie nicht an!", verlangte Rowin wütend. „Ruhe!", blaffte einer seiner Bewacher. Leyla beachtete den Kommentar ihres ehemaligen Freundes gar nicht und steckte ihr Breitschwert betont langsam wieder ein, was mich überraschte. „Wie wäre es mit einer kleinen Lektion im waffenlosen Nahkampf?", fragte sie hämisch. Wütend stürmte ich auf Leyla zu und griff sie mit meiner Doppelaxt an, dabei hatte ich ihre körperliche Überlegenheit völlig vergessen. Blitzschnell wich sie aus und versetzte mir einige gezielte, kraftvolle Schläge, was mich zwang meine Axt loszulassen. Geschickt fing Leyla die Waffe auf und trat mich zurück, gerade so konnte ich mich auf den Füßen halten, musste aber erstmal Luft holen. „Was für eine eindrucksvolle Konstruktion", bemerkte sie, während sie meine Axt bewunderte, „Ich hasse es, wenn ihr Menschen glaubt, mit euren ach so schlauen Erfindungen mit uns Seelenkriegern mithalten zu können." Nach diesen Worten warf sie meine geliebte Waffe einfach weg und stürzte sich wieder auf mich.
Tapfer versuchte ich standzuhalten, doch Leylas Schläge trafen gezielt genau die Stellen, wo es am Meisten wehtat. Schließlich trat sie mir kräftig in die Magengrube, was mich erneut zurückschleuderte, nur dass ich mich dieses Mal nicht auf den Beinen halten konnte. „Letztendlich sind alle eure tollen Spielereien nur Schrott, der ein bisschen aufpoliert wurde", spottete Leyla und zog ihr Schwert. Unter Schmerzen sah ich meine Axt in der Nähe liegen, griff danach und versuchte damit Leylas Schwertstreich abzuwehren. Zu meinem großen Entsetzen schnitt die Klinge des Schwertes einfach durch den Stiel meiner Waffe, genau dort wo das Scharnier saß, welches die beiden einzelnen Stücke verband. Völlig perplex starrte ich auf meine kaputte Waffe, als mir Leyla plötzlich einen Kinnhaken versetzte, der mich noch weiter nach hinten schleuderte. „Aber am Ende bleibt Schrott nun einmal Schrott!", setzte sie ihre Beleidigung fort. „Also dann, beenden wir das", verkündete Leyla und hob ihre Waffe. „Nein!", schrie Rowin verzweifelt, doch er konnte sich nicht losreißen.
Zum zweiten Mal heute war davon überzeugt, dass es um mich geschehen war, doch im letzten Moment, kam mir Windfang zu Hilfe. Wütend rang meine Süße Leyla zu Boden, wobei diese ihr Schwert verlor. Zornig schnappte Windfang nach Leyla, die einen kleinen Dolch von ihrem Gürtel zog und ihn ins Bein meiner Freundin rammte. Augenblicklich weiteten sich Windfangs Augen und sie brach unter einem lauten Stöhnen in sich zusammen, Leyla konnte gerade noch rechtzeitig zur Seite springen. Ihr Gesicht wirkte erschrocken, anscheinend war sie selbst entsetzt über ihre Tat. „NEIN!", schrie ich aus Leibeskräften, konnte mich jedoch nicht aufrichten.
Rowin:
Heidruns Schrei ging mir durch Mark und Bein, während ich dabei zusah, wie Windfang zusammenbrach. Bevor ich wirklich begreifen konnte, was mit mir passierte, fühlte ich meine Tätowierung glühend heiß brennen und gleichzeitig legte sich ein roter Schein über meinen Blick. In diesem Moment verspürte ich nur noch ein einziges Gefühl, Wut. Diese Wut verlieh mir ungeahnte Kräfte, die ich intuitiv nutzte, um mich von meinen beiden Angreifern loszureißen und sie an ihren Kehlen zu packen. Trotz meiner verstärkten Muskeln hätte ich die Beiden eigentlich nicht so leicht anheben können, wie ich es jetzt tat. Gleichzeitig drückte ich meine Finger so fest zusammen, wie ich konnte, bis ich schließlich Knochen knacken hörte und die Beiden einfach erschlafften. Immer noch wütend fiel mein Blick auf Leyla, die mich mit offenem Mund anstarrte. Irgendwie trieb mich ihr Entsetzen nur noch weiter an, meine Fähigkeiten zur Schau zu stellen. Also warf ich den Kopf in den Nacken und brüllte aus voller Kehle, jedoch war es nicht das Brüllen meiner normalen Stimme, sondern der Schrei eines Nachtschattens. Zwar verstand ich nicht, wie das möglich sein konnte, aber darüber dachte ich gerade nicht wirklich nach.
Das Entsetzen in Leylas Gesicht wurde noch größer und sie machte erschrocken einige Schritte zurück, wobei sie über ihr eigenes Schwert stolperte und fast hinfiel. „Der Nachtschatten ist erwacht!", murmelte sie entsetzt. Danach schnappte sie sich ihre Waffe, rannte in Richtung der Klippe, stürzte sich hinunter und schien sich wohl wieder in einen Klingenpeitschling zu verwandeln. Voller Zorn schnappte ich mir die Lanze von einem ihrer Freunde, rannte zur Klippe und warf die Waffe auf Leyla, auch dabei wand ich viel mehr Kraft auf, als ich eigentlich hatte. Ein lauter Schrei verließ Leylas Kehle, als die Lanze sich in die Wade ihres rechten Hinterbeins bohrte. Zufrieden lächelte ich, diese Wunde würde sie hoffentlich daran erinnern mich und Heidrun in Ruhe zu lassen. Eine Sekunde später hörte mein Tattoo auf zu brennen und auch der rötliche Schimmer vor meinen Augen verschwand. Augenblicklich spürte ich eine Welle der Erschöpfung über mich hereinbrechen, wegen der ich fast umgefallen wäre. Sofort erinnerte ich mich jedoch an Windfangs Verletzung, weshalb ich mich umdrehte und zu ihr trat. Heidrun hatte sich trotz ihrer Tracht Prügel ebenfalls wieder aufgerichtet und war zu Windfang getreten.
„Bitte, du musst ihr helfen!", flehte Heidrun. Ich nickte, zog schnell den Dolch aus der Wunde und roch vorsichtig daran, da er vermutlich vergiftet war. Meine Vermutung bestätigte sich, als mir ein stechender Gestank in die Nase stieg. „Schwarzer Oleander!", rief ich und warf die Waffe weg. „Schwarzer Oleander? Davon habe ich noch nie gehört", bemerkte Heidrun. „Das liegt daran, dass diese Blume nur in den dunkelsten Höhlen des Seelenreichs wächst", erwiderte ich, „Ein Tropfen ist giftig genug, um einen Seelenkrieger stundenlang außer Gefecht zu setzen, oder einen Drachen innerhalb von wenigen Minuten..." Ich brachte es nicht übers Herz meinen Satz zu beenden, doch Heidrun wusste, was ich sagen wollte, denn sie blickte mich entgeistert an. „Gibt es ein Gegenmittel?", fragte die Berserkerin schwach. „Nein, das gibt es nicht", antwortete ich kraftlos. „Nein, nein!", schrie Heidrun und umarmte den Kopf ihres Drachens, Tränen liefen über ihre Wangen. „Es tut mir so leid", stammelte ich verzweifelt, „Das ist alles meine Schuld! Wäre ich einfach von eurer Insel geflohen, als es mir besser ging, wäre das alles nicht passiert. Ich bin einfach nur ein Problem, völlig egal wo ich hingehe!"
Während ich diese Worte schrie, schlug ich meine rechte Faust mehrmals auf den Boden, dabei schlug ich mir die Knöchel auf, doch das fühlte ich kaum. Zumindest dachte ich das, aber plötzlich fuhr ein stechender Schmerz durch meinen Arm, der meine Verzweiflung schlagartig in Wut verwandelte. Wut darüber, dass ich die Macht besaß meine Feinde zu besiegen, aber nicht die meine Freunde zu retten. Erneut begann mein Tattoo heiß zu brennen und der rötliche Schleier legte sich auch wieder über meine Sicht. In diesem Moment spürte ich die Seele von Feuerblitz neben mir, der das Geschehen und meinen Körper zu kontrollieren schien. „Wir sind nicht das Problem!", sagte ich laut mit dunkler Stimme, „Wir beide sind die Lösung!" Schnell drehte ich meinen Kopf zu Heidrun herüber, die mich erstaunt ansah. „Heidrun, ich kann Windfang vielleicht noch retten, aber das geht nur, wenn du mir hilfst und auch nur, wenn du mir vertraust", erklärte ich. „Ich würde dir mit meinem Leben vertrauen", erwiderte die Drachenreiterin. „Gut", gab ich zurück und legte meine Hände auf Windfangs Hals, dabei konzentrierte ich mich fest auf den Geist des Klingenpeitschlings.
Schon nach kurzer Zeit verlor ich jedes Gefühl für meinen Körper und befand mich schnell im Innersten von Windfangs Seele. „Was tust du hier?", hörte ich Windfang in meinen Gedanken fragen, „Du kannst mich nicht mehr retten." „Das ist nur teilweise richtig. Stimmt zwar, dass dein Körper nicht mehr zu retten ist, aber mein Freund Feuerblitz und ich haben einen Weg gefunden, wenigstens deinen Geist zu retten. Das Ganze ist jedoch nicht ganz ungefährlich", erklärte ich. „Nun ja, ich denke schlimmer kann es für mich sowieso nicht mehr werden, also versuchen wir es", merkte Windfang an und fragte kurz darauf noch, „Wenn es nicht funktioniert, würdest du Heidrun dann vielleicht etwas von mir sagen? Sag ihr bitte, dass sie die beste Freundin war, die ich je hatte, einverstanden?" „Keine Sorge, wenn alles funktioniert, wirst du ihr das selbst sagen können, aber ja ich werde es tun", antwortete ich. Sofort danach fing ich ganz vorsichtig an Windfangs Geist aus ihrem sterbenden Körper heraus in meinen eigenen zu ziehen. Das war alles andere als einfach, einerseits musste ich mich beeilen, um fertig zu sein, bevor ihr Köper starb, doch andererseits durfte ich auch nicht zu schnell machen, da ich sonst ihrer Seele schaden könnte. Schließlich gelang mir das Kunststück, was ich auch sofort merkte.
An meinem linken Unterarm erschien ein weiteres Tattoo, was mit dem auf meinem rechten Arm völlig identisch war, abgesehen von der Tatsache, dass dort wo der Nachtschatten sein sollte, hier ein Klingenpeitschling abgebildet war. Allerdings schmerzten diese Bilder höllisch, es fühlte sich an als würde man mir ein glühendes Stück Eisen auf die Haut drücken. Ich biss die Zähne zusammen und ließ den Schmerz über mich ergehen, gequält streckte ich meinen linken Arm nach Heidrun aus. „Nimm... meine... Hand!", bat ich sie.
Heidrun:
Erschrocken und voller Sorge sah ich Rowin an, der sich vor Schmerzen umherwand. Kaum hatte er mich aufgefordert seine Hand zu nehmen, kam ich seiner Bitte auch schon nach. „Keine Sorge Rowin, ich bin hier", erwiderte ich und nahm seine linke Hand in meine rechte. Meine Finger hatten sich gerade erst um seine geschlossen, als ich fühlte wie etwas an meinem Geist zupfte und zerrte. Erst hatte ich Angst davor und versuchte mich dagegen zu wehren, doch da sagte Rowin auch schon: „Heidrun bitte, du musst mir vertrauen!" „Also gut", lenkte ich ein und ließ von meinen Widerstand ab. Kurze Zeit später verschwamm das Sichtfeld vor meinen Augen und das Gefühl für meinen Körper verschwand völlig. Ich wusste nicht, wo ich mich gerade befand, doch fühlte die Anwesenheit einer anderen Person, welche starke Schmerzen hatte. „Ich befinde mich in Rowins Geist!", wurde es mir plötzlich klar. Bevor ich mir weitere Gedanken darüber machen konnte, spürte ich noch einen anderen Geist, der meinen zu streifen schien, er fühlte sich merkwürdig vertraut an.
„Windfang?", fragte ich mich in Gedanken. „Heidrun?", hörte ich eine fremde Stimme in meinem Kopf. „Heidrun!", schrie die Stimme plötzlich voller Freude und schon umfing mich die Seele meines Klingenpeitschlings. Während sich unsere Seelen irgendwie aneinanderklammerten und die jeweils andere nicht mehr loslassen wollten, fühlte ich, wie sich die Grenzen zwischen uns auflösten. Unsere Seelen schienen miteinander zu verschmelzen und ich verlor kurzzeitig sogar die Übersicht darüber, wer eigentlich wer war. Währenddessen zog sich Rowins Seele immer mehr von uns zurück und drängte mich schließlich dazu in meinen eigenen Körper zurückzukehren. Dabei vergaß ich völlig, dass Windfang und ich noch so eng miteinander verbunden waren und als ich es dann bemerkte, befanden wir uns schon beide in meinem Körper.
Kaum konnte ich endlich wieder durch meine Augen sehen, fiel ich vor Erschöpfung fast um, genau wie Rowin, dessen Augen wieder normal aussahen. Als er sich endlich wieder aufrichtete, war ich noch völlig kraftlos, doch wenigstens tat mein Körper nicht mehr weh, eigentlich seltsam, nachdem Leyla mich dermaßen verprügelt hatte. „Geht es dir gut?", fragte Rowin nach einer Weile. „Ja, mir geht es gut. Sogar ziemlich gut, wenn ich so darüber nachdenke", meinte ich und streckte meinen Körper. Dabei fiel mein Blick zufällig auf meinen rechten Handrücken und ich riss entsetzt die Augen auf. Dort auf meiner Haut prangte dasselbe Klingenpeitschling-Zeichen, wie bei Leyla. Ich wollte Rowin gerade fragen, was hier los ist, als sich das Tattoo plötzlich ganz allein erweiterte, bis es genauso aussah wie eines der Seelenkrieger. „Was hast du getan Rowin?", fragte ich schockiert. „Was ich tun musste, um Windfang zu retten. Ich habe ihre Seele durch mich hindurch in deinen Geist geleitet, womit du nun genauso bist, wie ich. Ab jetzt bist du eine Seelenkriegerin Heidrun", erklärte er und mein Atem setzte kurz aus. Ungläubig starrte ich auf die Tätowierung und versuchte die richtigen Worte zu finden.
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