Kapitel 3
Donnerschlacht
Ich erwachte durch einen Vogel der ein Lied über meinem Kopf in den Baumwipfeln anstimmte. Mein Kopf schmerzte bei dem, in meinen Ohren, unerträglich lautem Gezwitscher. Als ich versuchte mich aufzurichten wurde mir schwindelig und ich ließ mich wieder auf das Polster sinken.
Was bei den Valar hatte Gandalf mit mir gemacht? Als ich an den gestrigen Abend und dessen Enthüllungen dachte wurden meine Kopfschmerzen schlimmer. Doch etwas wurde mir auch klar. Gandalf hatte Recht gehabt. Ich war nicht immer Liluith aus dem Waldlandreich gewesen. Da waren Bilder. Erinnerungen, die nicht dazu passten. Die meisten Erinnerungen waren noch unscharf, doch ein Gesicht war klar.
Ein kleines Mädchen mit freudig strahlenden braunen Augen und einem breiten Grinsen im Gesicht. Sie rannte auf einer Blumenwiese umher und rief nach mir.
"Komm Mama, komm. Da ist ein Schmetterling!" In meiner Brust machte sich ein warmes Gefühl breit und auch ich musste grinsen.
Doch dann stürmten aus dem angrenzenden Wald Orks und rannten auf das kleine Mädchen zu. Sie gaben ein Grunzen von sich, bevor einer der Orks das Mädchen packte und sie mit einem groben Schlag auf den Kopf außer Gefecht setzte. So schnell wie sie gekommen waren, waren sie auch wieder verschwunden und mit ihnen mein kleines Mädchen. Kida. Tauchte der Name in meinem Kopf auf und eine einzelne Träne ran meine Wange herunter. Der Schmerz war unfassbar und ein stummer Schrei entwich mir. Ich war so machtlos, so schutzlos, so unfassbar hilflos.
Ein Rascheln ließ mich hochschrecken. Für einen Moment wusste ich nicht wo ich war und fühlte mich unfähig meinen Körper zu bewegen. Bruchtal. Ich bin im Garten, von Celebrían, fiel mir siedent heiß ein.
Mit geschlossenen Augen, um den Schwindel zu vermeiden setzte ich mich langsam auf.
Leise Schritte waren hinter mir zu hören. Die Person ging langsam, doch dann knackte ein Ast laut unter seinem Fuß.
Ruckartig drehte ich mich um und sah direkt in Kilis braune Augen. Diese Augen. Solche Augen hatte Kida auch gehabt. Die Trauer brach mit diesem Gedanken aus mir heraus und ich musste mich mit den Armen an den Kanten der Bank abstützen um nicht auf die Knie zu fallen. Tränen flossen meine Wangen hinunter und erneut spürte ich die Hilflosigkeit.
Kili setzte sich neben mich und legte unbeholfen einen Arm um meine Schulter.
"Schhhh, alles ist gut. Was ist denn los?", versuchte er mich zu beruhigen. Mit Erfolg wie ich erstaunt feststellen musste. Ruhig beantwortete ich also seine Frage, konnte aber meine Tränen nicht stoppen.
"Eine Erinnerung aus der Vergangenheit. Der Todestag meiner Tochter."
"Ihr hattet eine Tochter?", fragte Kili. Ich nickte.
"Wir wollen Aufbrechen, soll ich dir von Onkel Thorin sagen, aber wenn du lieber zum Grab deiner Tochter möchtest, kann ich das verstehen und werde es Onkel ausrichten."
Ein freudenloses Lachen entwich mir.
"Kili, du musst wissen sie ist schon seit einer sehr langen Zeit tot. Sie starb bei einem Ork Angriff vor vielen Jahren. Es gibt kein Grab und nichts was mich mit ihr verbinden würde. Ich... ich muss mich nur ein wenig sammeln. Ich habe sehr lange nicht an sie denken können." In Kilis Augen sah ich Verständnis, was mich verwunderte.
"Würdest du mir eine Frage beantworten?", fragte ich ihn, um mich von meinen düsteren Gedanken abzulenken.
"Natürlich. Was willst du wissen?" Seine Offenheit erstaunte mich noch mehr.
"Dein Onkel hegt einen großen Hass gegen uns Elben und ich bin mir ziemlich sicher, dass er dabei nicht der einzige ist. Ich habe dich gestern beim Essen gesehen. Wie kommt es, dass du weder mir, noch den anderen Elben hier in Bruchtal auch nur ein unfreundliches Wort entgegenbringst?"
Kili seufzte schwer.
"Weißt du, ich finde es traurig wie mein Onkel jeden von sich stößt und jedem misstraut, der kein Zwerg ist. Ich verstehe seinen Hass, er hat mir alles oft genug erzählt, aber ich bin nicht bereit mich davon einschränken zu lassen. Ein Elbenkönig repräsentiert nicht alle Elben die es gibt und ebenso steht nicht ein Zwergenkönig für all seine Männer."
"Weise gesprochen für jemanden in deinem Alter. Ich danke dir, dass du Verständnis hast. Nun lass uns gehen, ich bin sicher dein Onkel wartet nicht gern.", sagte ich, stand auf und ging mit Kill zusammen zur Eingangshalle.
"Hast du jetzt doch entschieden mich mitzunehmen?", fragte ich Thorin als ich mit Kili auf die Gruppe traf.
"Gandalf wird dich wohl nicht umsonst ausgewählt haben. Aber glaub ja nicht, dass wir dir so einfach vertrauen werden. Und jetzt kommt, wir müssen los bevor die Elben merken, dass wir weg sind."
Da schlenderten auf einmal die Zwillinge zu uns herüber.
"Das haben wir schon gemerkt, aber wir sind ja mit ihr befreundet." Elrohir deutete auf mich.
"Und außerdem muss unser Vater ja nicht alles wissen.", ergänzte Elladan.
"Aber unsere Schwester wollte, dass Liluith das hier bekommt" Er hielt eine wunderschöne, filigrane Kette mit einem silbernen Anhänger in Form eines Blattes, an dessen Spitze eine kleine Perle hing.
"Sie meinte die Kette würde dir mit deinen Erinnerungen helfen. Was auch immer das heißen soll." Elrohir zuckte mit den Schultern, während sein Bruder mir die Kette um den Hals band. Die Perle wurde daraufhin grün und Elladan sah sie erstaunt an.
"Damit hätte ich nicht gerechnet."
Thorin seufzte.
"Wars das dann, wir wollen wirklich los und wenn Ihr nicht langsam kommst, lassen wir Euch doch noch hier."
Ich nickte und nahm die zwei Brüder noch einmal in den Arm.
"Bedankt euch bei Arwen von mir und drückt sie einmal fest."
"Machen wir. Ach ja, unsere Großmutter ist vorhin angekommen und ist total begeistert von unseren neuen Frisuren."
"Sag ich doch.", erwiderte ich noch ein letztes Mal schelmisch, bevor ich schnell den Zwergen hinterherlief bevor sie auf dem Pass in die Nebelberge verschwanden.
Dort liefen wir eine ganze Weile und nichts geschah. Irgendwann ließ sich der Hobbit zurückfallen und begann mit mir zu reden.
"Guten Tag Mylady, findet Ihr die Berge ebenso schön wie ich?"
"Du kannst mich ruhig Liluith nennen, ich bin keine Lady, sondern nur eine einfache Elbin aus dem Waldlandreich." Während ich darüber nachdachte, ob ich das weiterhin behaupten könnte, wo ich nun wusste wer mein Vater war, stellte sich der Hobbit auch vor.
"Nun gut. Ich bin Bilbo Beutlin aus dem Auenland, genauer gesagt aus Beutelsend unterm Bühl. Aber du kannst mich gerne Bilbo nennen." Er reichte mir die Hand und schloss so unsere Vorstellung ab.
"Weißt du, eigentlich ist es bei uns eher ungewöhnlich, dass man auf ein Abenteuer geht." Das Wort Abenteuer betonte er ganz besonders. "Wir Hobbits sind ein sesshaftes Volk. Wir lieben unsere Bücher und unser Essen und sitzen abends in unseren Gärten und rauchen eine gute Pfeife. Deshalb war ich auch ganz erstaunt, als eines Tages Gandalf bei mir vor der Tür stand und meinte ich würde in ein Abenteuer ziehen. Du musst wissen, wir Beutlins sind eine hoch angesehene Familie und sind niemals mit so etwas kauzigem wie einem Abenteuer in Verbindung gebracht worden. Naja, bis auf mein Großonkel der Bullenrassler Tuk. Es wird behauptet, das er ganze vier Fuß und fünf Zoll maß und auf einem richtigen Pferd reiten konnte. Er hat unser Volk im Grünfeld in die Schlacht gegen die Orks geführt und dem Anführer mit einer Keule den Kopf abgeschlagen, der dann in ein Kaninchenbau viel. Daraufhin sei das Golf spielen erfunden worden."
Ich musste lachen als ich das hörte.
"Na dann bist du ja eine richtige Kuriosität wenn du wieder nach Hause kommst."
Verlegen lächelte der kleine Mann mich an.
"Eigentlich wollte ich gar nicht mitkommen. Als ich den Vertrag gelesen habe bin ich sogar umgekippt. Aber als sie alle wieder aus meinem Haus heraus waren fühlte es sich falsch an sie alle im Stich zu lassen. Sie brauchen wohl dringend einen Meisterdieb um irgendetwas aus einem Berg in dem ein Drache haust zu holen. Und weil ich, zumindest behaupte ich das von mir, ein gutherziger und hilfsbereiter Hobbit bin, dachte ich mir, Bilbo, du kannst diese Zwerge nicht ohne ihren Meisterdieb in diesen Berg lassen. Wenn sie gefressen werden, wirst du dir ewig die Schuld geben. Und dann bin ich losgezogen und ihnen hinterhergerannt."
Jetzt sah man in den Augen des Hobbits auch einen gewissen Stolz aufblitzen. Einer der Zwerge, der vor uns lief drehte sich um als Bilbo geendet hatte.
"Ich bin Bofur, zu Ihren Diensten.", erklärte der Zwerg. Ich nickte ihm grinsend zu, während ich mich immer noch über die ausführlichen Schilderungen des Hobbits amüsierte.
"Der kleine Held hier hat uns alle auch schon davor gerettet von Trollen gefressen zu werden." Bilbo errötete.
"Das war doch nichts besonderes, das hätte jeder so gemacht."
"Ja vielleicht Bilbo, aber kaum einer unter uns wäre auf die Idee gekommen die Trolle so lange hinzuhalten bis die Sonne aufgeht.", sagte ein anderer Zwerg mit einem langen weißen Gabelbart.
"Danke Balin, das ist nett von dir."
"Ich bin nur ehrlich mein Freund... "
Der Rest von Balins Satz ging in einem gewaltigen Donnergrollen unter.
Ich hatte gar nicht gemerkt wie es angefangen hatte zu regnen und war nun ziemlich nass. Schnell setzte ich mir die Kapuze meines Umhanges auf, um es nicht noch schlimmer zu machen.
Nach einigen weiteren Donnerschlägen wurde uns allerdings klar, dass es sich nicht um ein Gewitter handelte.
"Das ist eine Donnerschlacht!" , brüllte Balin gegen das gewaltige Donnern der aufeinandertreffenden Steine und den immer stärker werdenden Regen an. Als nächstes spürte ich nur, wie der Stein unter uns zu wackeln begann. Schnell wurde uns allen klar, dass wir wirklich mitten im Kampf der Giganten gelandet waren. Genauer gesagt auf einer der beiden Parteien.
Dann kam ein riesiger Felsbrocken genau auf uns zugeflogen und riss den Giganten damit von den Füßen.
Erschrocken mussten wir mit ansehen wie Kili, Bilbo und einige andere Zwerge, deren Namen ich allerdings noch nicht kannte auf dem Knie des Riesens auf die Felswand schlugen. Thorin und alle anderen schrien erschrocken auf und wollten sofort losstürmen, doch eine weitere Steinlawine kam über uns herunter. Sobald wir konnten rannten wir um die Kurve und sahen dort alle mehr oder weniger unverletzt liegen. Alle bis auf einen.
"Wo ist der Hobbit? Wo ist Bilbo?", fragte ich als ich in die unbekannten Gesichter blickte. Der kleine Kerl war mir im Laufe des Tages ganz schön ans Herz gewachsen und jetzt schien er verschwunden. Dann hörte ich ein leises Aufstöhnen und sah am Abgrund herunter. Dort hing Bilbo und war kurz davor abzustürzen.
"Kann man dir helfen?", fragte ich um ihn vom nahenden Tod abzulenken.
"Ich falle hier gleich runter, also wäre ich dir sehr verbunden liebe Liluith, wenn du mich sofort hier hoch holen könntest!" Zum Schluss hin wurde Bilbo immer hysterischer.
Nun wurden auch die Zwerge auf ihn aufmerksam und versuchten ihn irgendwie aus seiner misslichen Lage zu befreien, wodurch er nur noch weiter abrutschte. Da schwang Thorin sich an einem Arm an der Steilwand herunter und packte den Hobbit am Kragen. So drückte er ihn nach oben und mit Hilfe seiner Kumpanen gelangte er selbst auch wieder nach oben.
"Wir hätten beinahe unseren Meisterdieb verloren.", kommentierte einer der Zwerge, ich musste unbedingt ihre Namen herausfinden, das Geschehen.
"Er ist verloren, seit er sein Haus verlassen hat. Er hätte niemals mitkommen sollen. Er ist keiner von uns.", erwiderte Thorin wütend bevor er einen gewissen Dwalin zu sich rief und weiterstapfte als wäre nichts passiert.
Bilbo blickte mich traurig an.
"Was habe ich ihm getan?"
Ich legte ihm aufmunternd eine Hand auf die Schulter und merkte wie er zitterte.
"Nichts Bilbo, du kannst nichts dafür, dass er ein solcher Dickkopf ist. Ich schätze er mag einfach keine fremden Völker oder Neuankömmlinge. Mach dir keinen Kopf, er wird schon noch lernen dich wertzuschätzen." Bilbo nickte.
"Da wirst du wohl recht haben." Schließlich gingen wir weiter als sich alle wieder sortiert und ihr Sachen zusammengerauft hatten, die bei dem Sturz beinahe die Klippe hinabgestürzt oder anderweitig verloren gegangen waren.
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