Kapitel 22
Die Schlinge zieht sich zu
Immer näher rückten die Orks und kesselten unsere Ameen im Tal vor dem Berg ein. Sollten wir sie nicht schlagen können, würde dies in einem Blutbad enden.
Die Zwerge formierten sich neu und zogen dann in einer geschlossenen Linie an die Front. Thranduil zeigte keine Regung.
"Werden die Elben nicht kämpfen?" Bilbo sah mich verunsichert an.
"Wir müssen, sonst werden wir hier alle sterben."
Erschrocken zog der kleine Mann die Luft ein.
"Thranduil. Du kannst dich nicht abwenden. Dieser Kampf muss sein. Sonst werden nicht nur die Zwerge heute hier ihren Untergang finden."
Die Angst in seinen Augen war nur kurz zu erkennen, als er von den Orks zu mir blickte, doch sie war deutlich da.
"Wir können nicht gewinnen.", stellte er fest.
"Nicht wenn wir es gar nicht erst versuchen. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass ich gegen die Macht eines Drachen bestehen könnte, doch habe ich es getan. Also zeig du nun dieser Übermacht, wozu wir Elben eigentlich fähig sind.", redete ich auf ihn ein.
Die Angst wandelte sich in grimmige Entschlossenheit.
"A Eruchîn, ú-dano i faelas a hyn an uben tanatha le faelas! Tangado a chadad!"* Rief er den Soldaten zu und die Elben sammelten sich ebenso kampfbereit wie zuvor die Zwerge.
Kurz bevor das Meer der Orks auf die inzwischen entstandene Mauer der Zwerge brandete, schickte Thranduil seine Krieger mit einem erneuten Ruf los.
Mit der katzenhaften Eleganz, die nur den Elben eigen war, sprangen sie über die Köpfe der Zwerge hinweg und stürzten sich in den Kampf vor ihnen.
Als die Zwerge dies realisiert hatten, hoben auch sie ihre Schilde und taten es ihnen gleich.
"Liluith, du hast den Befehl über die Bogenschützen, ich vertraue auf dich.", bestimmte Thranduil.
"Gib den Soldaten Deckung."
Ich nickte entschlossen und wollte mich auf den Weg machen.
"Warte!"
Er zog mich noch einmal an sich und küsste mich.
"Komm zu mir zurück, versprich es."
"Natürlich, werde ich das. Pass du aber auch auf dich auf.", erwiderte ich liebevoll und gab meinem Pferd ein Zeichen zum wenden.
"Alle Bogenschützen kommen mit mir!", rief ich den Elben zu und wir liefen ein Stück zurück, um keinen unserer Verbündeten zu treffen.
"Wieso wirst du nicht einfach wieder zum Drachen und tötest sie alle?", fragte da Bilbo. Erschrocken drehte ich mich zu ihm um. Ich hatte ganz vergessen, dass der Hobbit noch immer mit auf meinem Pferd saß.
"Wie kommst du darauf?", stellte ich ihm eine Gegenfrage.
"Nun, du sagtest gerade etwas mit Drachen zu Thranduil."
Ich seufzte, wenn es doch nur so einfach wäre.
"Ich bin zu schwer verletzt worden. Es wären unfassbare Qualen für mich, diese Gestalt anzunehmen." Offenbarte ich Bilbo mein Problem. "Dennoch werde ich nicht tatenlos hier herumsitzen."
Ich zog einen Pfeil aus meinem Köcher und spannte meinen Bogen. Die versammelten Soldaten taten es mir, wie zuvor bei dem Disput mit Thorin, gleich. Ich erhob meine Stimme erneut.
"Hado i philinn!"
Ein Surren, wie von tausenden Bienen ertönte, als die Pfeile über uns hinwegsausten. In der Ferne vielen die Orks den tödlichen Geschossen Reihe um Reihe zum Opfer. Immer wieder schossen wir und trafen.
"Ich werde zu Gandalf gehen.", beschloss der Hobbit und kletterte vom Pferd. Ich unterbrach mein Feuer und reichte ihm meine Hand.
"Ich wünsche dir alles Glück der Welt. Auf das unsere Wege sich nach dem heutigen Tag erneut kreuzen mögen."
"Wir werden gewinnen, so wie du gegen Smaug gewonnen hast.", sagte er zuversichtlich, bevor er davonlief. Ich atmete schwer ein.
Den Drachen besiegt hatte ich, doch das auch nicht ohne große Hilfe. Unsere derzeitige Situation schrie förmlich nach Hilfe, doch ich vermutet, es würde wohl kaum jemand kommen.
Die Orks waren währenddessen weiter vorgerückt. Trotz unseres Pfeilhagels hatten sie es geschafft, die vordersten Stellungen zu durchbrechen.
"Zieht eure Schwerter!", rief ich. Mein eigenes Schwert hatte ich schon seit vielen Jahren, weshalb mir die angenehme Schwere der Klinge ein sicheres Gefühl gab.
Von dem Berg ertönte in diesem Moment erneut ein Horn. Die Orks, die bisher als Reserve zurückgeblieben waren, stürmten nun auf die Stadt zu und auch einige Trolle traten aus den Höhlen der Werwürmer hervor. Sie hatten große hölzerne Gerüste auf ihre grauen Rücken gebunden und Goblins spannten riesige Steine in Schlaufen. Das ganz sah aus wie bewegliche Katapulte, die schnell ihre Position wechseln könnten.
Weiter konnte ich das Spektakel allerdings nicht betrachten, da die Orks nun auch uns erreichten. Ich trieb mein Pferd zur Eile an und galoppierte durch das gegnerische Heer. Dabei ließ ich immer wieder mein Schwert herunterfahren und köpfte dutzende der Kreaturen.
In einer ruhigen Minute sah ich zu Stadt und entdeckte die Menschen, die sich gefolgt von Bilbo und Gandalf in die Mauern der ehemaligen Festungsstadt begaben. Hinter mir hörte ich ein Krachen, was mich dazu brachte, meine Aufmerksamkeit wieder meinem eigenen Kampf zu widmen.
"Du wolltest dein Versprechen, doch nicht etwa brechen?" Ein Ork mit abgebrochener Gläfe fiel gerade durch einen Schwertstreich Thranduils.
"Muss ich die ganze Zeit darauf achten, dass du nicht hinterrücks getroffen wirst?", fragte er belustigt.
Ich jedoch zog schnell einen Dolch aus meinem Stiefel und warf ihn knapp an Thranduil vorbei. Ein Ork mit der selben Waffe fiel tot zu Boden.
"Und du? Kannst du nicht besser auf dich Acht geben?"
Ich grinste ihn an und tötete weiter ein paar Orks.
"Wir müssen in die Stadt. Wenn sie die nicht halten können, sind die Menschen verloren. Der Berg kann sich selbst verteidigen, doch die Frauen und Kinder können es nicht."
"Reite und nimm einige Soldaten mit. Wir werden euch Deckung geben.", stimmte er mir zu.
Ich rief einige der kämpfenden Männer und Frauen zu mir und stürmte zur Stadt. Auf meinem Pferd fiel es mir leichter eine Schneise in die gegnerischen Reihen zu schlagen, weshalb ich die Führung übernahm.
Über eine steinerne Brücke gelangten wir wieder in die Stadt und fanden Chaos vor. Überall lagen sowohl tote Orks, als auch Elben und Menschen. Einige wenige schafften es noch sich auf den Beinen zu halten und den Orks die Stirn zu bieten.
"Helft ihnen und passt auf, dass nicht noch mehr Orks die Stadt durch das Tor betreten.", befahl ich einigen meiner Männer. Dann schwang ich mich von meinem Pferd und ließ es laufen.
"Der Rest folgt mir. Wir müssen sehen, wie viele wir noch retten können."
Zusammen stürmten wir in die Ruinen, in der Hoffnung, noch jemanden zu finden, den es zu retten gab.
Die anderen Soldaten hatte ich schon lange aus den Augen verloren, als ich das nächste Mal eine Chance zum durchatmen hatte. Meine Arme schmerzten und jeder Atemzug brannte in meiner Lunge.
In der Stadt befanden sich weit mehr Orks als es sich von außen annehmen ließ. Eine kleine Anzahl der Männer aus Esgaroth hatten es geschafft einige Stellungen zu befestigen und die Frauen und Kinder in Sicherheit zu bringen. Dennoch waren sie sehr geschwächt und konnten nicht viel länger Stand halten.
Ich stand gerade auf einer der Mauern Thals und betrachtet den Berg.
All diese Sorgen wegen eines großen Haufens Steine.
Da ertönte ein lautes Horn aus besagtem Berg. Die Zwerge auf dem Schlachtfeld davor hatten sich fast bis an die Mauern zurückgezogen. Sie standen Wort wörtlich mit dem Rücken zur Wand und hatten keinen Ausweg mehr.
Thranduil hatte nur kurz nach mir die Stadt betreten und fast alle Elben dorthin zurückgezogen. Damit waren es nur noch die Zwerge, die sich den Orks in den Weg stellten und ihren König verteidigten.
Das Horn verklang und eine Sekunde später brach eine überdimensionale goldene Golke aus dem Tor. Das brachte die Orks für einen Moment aus der Fassung und sie blieben abwartend stehen.
Ich musste grinsen.
Diese 13 Zwerge schafften es einen Auftritt zu inszenieren, der 13.000 ihrer Art vermuten ließ.
Die Glocke schwang zurück und über die Brücke aus Mauersteine stürmten die 13 wütenden Zwerge mit lautem Kampfgeschrei.
An ihrer Spitze Thorin.
Nicht länger in langem Gewand und ohne Krone war er der Zwerg, zu dem man aufschauen konnte. Der Mann, bei dem alle Zwerge wussten, dass er ihr König war.
"Für den König! Für den König!", schall der Ruf der Zwerge über die gesamte Ebene und folgten Thorin in die Schlacht.
"Die Zwerge. Sie ziehen in den Kampf.", hörte ich eine Stimme und wand mich mit gezücktem Schwert erschrocken herum.
"An der Seite ihres Königs."
Ich ließ das Schwert wieder sinken.
"Ihr hattet recht Gandalf. Diese Hobbits vermögen es wirklich, sich an fast jeden unbemerkt heranzuschleichen."
"Liluith."
Ich neigte leicht den Kopf.
"Du bist noch am leben.", bemerkte Bilbo.
"Ich hatte befürchtet, du wärst in der Schlacht gefallen."
"So leicht ist sie nicht kleinzukriegen."
Ich lachte.
"Unterschätze niemals eine kampfbereite Elbin."
Ich griff mein Schwert fester. Auch wenn ich schon ziemlich erschöpft war, wollte ich nicht hier oben verweilen. Zu groß war der Ansturm auf die wehrlosen Menschen Esgaroths.
"Kommt, wir müssen die tapferen Krieger dort unten unterstützen. Die Orks werden und werden nicht weniger."
Auch Gandalf erhob sein Schwert und folgte mir.
Kaum waren wir wieder am Boden angekommen, empfingen uns auch schon die ersten Orks.
Ich konnte ich gerade so unter einem heransausenden Morgenstern wegducken, der mich zu erschlagen drohte. In einer fließenden Bewegung riss ich mein Schwert aus der geduckten Position hoch und schlug dadurch dem Schwinger der Waffe den Arm ab.
Ich kämpfte mich durch die Orks immer gefolgt von Gandalf und Bilbo. Immer wieder wurden wir beinahe von den Orks überrannt, doch konnten uns im letzten Moment durch eine geschickte Finte retten.
Schlussendlich verlor ich die beiden dann doch aus den Augen und fand sie erst wieder, als ich Legolas und Tauriel auf einem weißen Pferd heranpreschen sah.
"Legolas!", rief ich ihm erfreut entgegen.
"Schön dich zu sehen." Er schloss mich in eine Umarmung.
"Es gibt schlechte Nachrichten. Es gibt eine zweite Armee. Bolg führt eine Armee von Gundabadorks. Sie haben ihr Ziel fast erreicht."
"Gundabadorks?", murmelte Gandalf fast nicht hörbar durch den andauernden Kampflärm. "Das war ihr Plan. Die ganze Zeit über. Azog schwächt unsere Kräfte und dann schlägt Bolg aus dem Norden zu."
"Der Norden. Wo ist der Norden genau?", verzweifelt drehte Bilbo sich im Kreis.
"Am Rabenberg.", erklärte ich ihm.
"Rabenberg?", bestürzt drehte er sich in die genannte Richtung.
"Aber Thorin ist dort oben. Und Fili und Kili. Sie sind alle dort."
"Wir müssen Thranduil finden. Er kann einen Trupp zum Rabenberg schicken.", brachte ich den Vorschlag ein, dem, wie es aussah, niemand widersprach.
Gandalf zog seinen ohnehin schon völlig verdeckten Umhang ein wenig hoch und lief dann so schnell er konnte, in die Richtung in der er den Elbenkönig vermutete.
Und siehe da, er fand ihn. Zauberhafte Intuition nannte ich sowas.
Niemand hätte wohl so schnell jemanden in einer solch unübersichtlichen Lage gefunden.
"Mein König, Ihr müsst einen Trupp zum Rabenberg schicken. Die Zwerge werden überrannt. Thorin muss gewarnt werden.", fasste er die Situation so knapp zusammen, wie er nur konnte.
"Wenn ihr wollt, dann warnt ihn. Aber ich habe genug Elbenblut zur Verteidigung dieses verfluchten Landes vergossen. Nichts hier ist von Bedeutung für mich und doch habe ich mich entschieden den Zwergen zu helfen. Meint Ihr nicht, dass es genügt?" Er schritt an Gandalf vorbei und widmete sich seinen eigenen Plänen.
"Thranduil!", rief er ihm nach.
"Er wird seine Meinung nicht ändern. Es war nicht leicht ihn dazu zu bringen, überhaupt etwas für die Menschen oder die Zwerge hier zu tun. Und er tat es auch nur mir zur Liebe. Doch diese Zwerge bedeuten ihm rein gar nichts und selbst mein Flehen könnte ihn nicht dazu überreden noch länger hier zu verweilen."
"Das hatte ich befürchtet." Gandalf sah geschlagen zu Boden.
"Ich gehe.", beschloss da Bilbo allen zur Verwunderung.
"Sei nicht albern. Das schaffst du nicht.", widersprach Gandalf ihm.
"Warum nicht?" Bilbo schien sich seiner Sache mehr als nur sicher.
"Weil sie dich sehen werden und dich töten."
"Ich werde ihn begleiten.", setzte ich mich für den Plan des Hobbits ein.
"Ich werde ihn beschützen und er kann Thorin die Nachricht überbringen."
Gandalf schnaubte unzufrieden, stimmte aber zu.
"Dann geht, aber seid wachsam und tut nichts dummes. Das würde ich mir nie verzeihen."
*Kinder Erus, gewährt ihnen keine Gnade, denn euch wird niemand Gnade gewähren! Macht euch bereit zum Kämpfen!
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