Kapitel 13
Die Fassreiter vom Erebor
Als ich die Kerker erreichte war Legolas bereits mit Tauriel und einigen anderen Soldaten bis hinab in den Weinkeller gestiegen und hatte eben jenen als ihren Fluchtweg erkannt. Also liefen wir, so schnell wir konnten die Stufen wieder hinauf und zum Flusstor, dass den Weg auf dem Wasser nach Esgaroth ermöglichte.
Während die anderen auf direkten Weg aus dem Schloss stürmten lief ich noch einige Treppen weiter nach oben, um einen besseren Überblick zu erhalten.
Oben angekommen entdeckte ich die Zwerge in leeren Weinfässern den Fluss hinabtreiben.
Schnell gab ich einer Wache das Zeichen und er blies das Horn, welches das Schließen des Tores befahl.
Die Wache am Tor zog den Hebel und die Gitter schlossen sich, doch kurz danach wurde eben jene Wache von einem Pfeil durchbohrt und sackte leblos zu Boden.
"Orks!", rief ich Legolas und Tauriel zu, die gerade aus dem Schlosstor heraustraten und sich suchend umblickten.
Die Kreaturen Mordors betraten keine Minute später das offene Gelände, dass den Fluss an dieser Stelle umgab und stürzten sich auf die Elben.
So schnell ich konnte, zog ich Pfeil und Bogen und gab Legolas und Tauriel Rückendeckung.
Die Zwerge indes versuchten das Tor wieder zu öffnen und Kili kletterte aus seinem Fass auf die nun unbewachte Tormauer. Doch kaum war er einige Schritte gegangen wurde auch er von einem Pfeil ins Bein getroffen. Dennoch kämpfte er sich die letzten zwei Stufen hoch und zog an dem Hebel. Dadurch öffnete sich das Tor wieder und die Fässer konnten den Fluss passieren.
Von meiner erhöhten Position aus sah ich die Orks, die sich im verborgenen am Rande des nachfolgenden Flussufers befanden und entschloss mich kurzerhand den Zwergen im Fluss zu folgen.
Ich nahm meinen Bogen, mit dem ich kurz zuvor noch auf die Orks geschossen hatte, hing ihn mir um die Schulter und nahm Anlauf.
Noch ehe der Wachposten neben mir reagieren konnte, stieß ich mich dann von der Kante ab und sprang in das kalte Flusswasser. Für eine Sekunde waren meine Gliedmaßen wie gelähmt, doch der Drang nach Luft, brachte mich schließlich wieder in Bewegung.
Mit einigen kräftigen Schwimmzügen war ich wieder an der Oberfläche und schwamm den Fässern nach. Dabei kam mir die starke Strömung zu gute, die mich wie von alleine den Fluss hinunter zog.
Schon kurze Zeit später hatte ich die Fässer erreicht und hielt mich am nächstbesten fest. Zu meinem Glück das von Balin, der mich zwar erst misstrauisch musterte, aber nichts sagte, als ich ihm einen meiner Dolche in die Hand drückte.
Die Strömung wurde jetzt immer stärker und wir fielen einige kleine Wasserfälle herunter, während wir weiterhin von Orks angegriffen wurden.
Ein Mal sah ich Legolas, der auf dem Kopf von Dwalin balancierte, doch ich verlor ihn schon bald wieder aus dem Blick.
Irgendwann wurde der Beschuss weniger und auch der Fluss schien sich zu beruhigen, denn wir wurden langsamer und konnten ans Ufer steuern.
Völlig durchnässt schleppte ich mich aus dem Wasser und zog Balin ans Ufer, da er mit seiner schweren Kleidung zu kämpfen hatte. Er sah mich dankbar an, wich dann aber einen Schritt zurück.
Der Grund wurde mir schnell klar, als ich mich umdrehte und in Thorins mehr als wütendes Gesicht blickte.
"Was will die Hure des Waldlandkobolds hier?", fragte er abschätzig und schien mir dabei auch unterschwellig zu drohen.
"Hatte ich dir nicht ausdrücklich klar gemacht, was ich von deiner Anwesenheit in dieser Gemeinschaft halte?"
Ich stemmte die Hände in die Hüften.
"Und hatte ich dir nicht gesagt, dass ich nichts von dem haben will, was für euch so kostbar ist? Ich will Rache und die lasse ich mir nicht von so einem mickrigen Zwerg wie dir nehmen. Finde dich damit ab und lass mich in Frieden. Wir teilen den selben Weg und das selbe Ziel, also müsst ihr wohl oder übel mit meiner Anwesenheit klar kommen."
Thorin schnaubte wütend.
"Und wie willst du ganz allein Rache üben?"
"Ich werde meinem Bruder natürlich nicht in dieser Gestalt gegenübertreten. Dass ich so keine Chance habe ist mir klar. Aber wer sagt, dass ich es so tun muss." Ich griff an meine Kette und dachte an die menschliche Gestalt, die ich bei Thranduil angenommen hatte. Dann blickte ich wieder zu Thorin und den anderen, da ich währenddessen die Augen geschlossen hatte.
"Denkt ihr, ich sei so einfältig und würde glauben ich könnte es mit einem Drachen aufnehmen, wenn ich keine Waffe gegen ihn besitze?" Ich blickte in lauter fassungslose Gesichter. Balin war der erste, der das Wort ergriff.
"Ihr seid eine Hautwechslerin wie Beorn."
"Etwas ähnliches, Herr Balin..."
Unterbrochen wurde ich durch einen Pfeil der knapp an meinem Ohr vorbeizischte. Sofort griff Kili nach einem Stein, der ihm fast im selben Moment wieder aus der Hand geschossen wurde und auch in dem Stock den Dwalin gegriffen hatte, steckte kurz darauf ein Pfeil.
Langsam drehte ich mich um und sah einen Mann in verschlissener brauner Kleidung mit einem Langbogen in der Hand. Als ich ihm genauer ins Gesicht sah stockte ich.
"Girion? Wie ist das möglich?" Der Mann sah aus wie mein alter Freund Girion in jungen Jahren. Auch er war bei dem Feuersturm von Smaug gestorben, so dachte ich zumindest. Er ließ den Bogen sinken.
"Nein, mein Name ist Bard. Girion war mein Urgroßvater. Wie könnt Ihr ihn kennen?", fragte er verwundert.
"Das ist eine lange Geschichte und dies kein Ort dafür.", erwiderte ich und machte eine verwerfende Handbewegung. Bard nickte.
"Warum reist Ihr mit einer Gruppe Zwerge... Darf ich Euren Namen erfahren?" Ich lächelte leicht.
"Ihr könnt mich Lilu nennen, wie es all meine Freunde tun. Warum ich mit diesen Männern reise ist eine weitaus interessantere Frage, doch befürchte ich, sie nicht ganz beantworten zu können ohne mir den Missmut der Ihren einzuziehen. Also lasst mich es mich einfach sagen, wir teilen ein Stück weit den gleichen Weg."
Thorin hinter mir schnaubte ungeduldig und drängte sich durch seine Kumpanen zu mir nach vorn.
"Könnt ihr uns über den See bringen?", brummte er.
"Ich könnte durchaus, doch ich kenne diese Fässer," er strich über eine beschädigte Stelle an einem der Fässer, "Was habt ihr mit dem Elbenkönig zu schaffen?"
Nun schritt Balin ein, was mir für uns alle am sinnvollsten erschien.
"Wir sind Zwerge aus den blauen Bergen und wollen unsere Verwandten im Norden besuchen. Wir würden euch gut bezahlen, Ihr habt bestimmt ein paar hungrige Mäuler zu stopfen, wie viele Kinder habt Ihr?"
"Drei.", erwiderte Bard knapp angebunden.
"Und Eure Frau ist bestimmt eine Schönheit.", setzte Balin nach um ihm zu schmeicheln, doch Bards Mundwinkel sanken nach unten.
"Sie ist tot."
Während er mit uns sprach, hatte er die Fässer auf seinen Kahn geräumt und wollte nun ablegen.
"Wenn ihr nach Esgaroth wollt, braucht ihr keinen Kahnfahrer, ihr braucht einen Schmuggler."
Darin sah Balin seine letzte Chance den Mann zu überzeugen.
"Und dem zahlen wir das doppelte..."
Bard hielt inne und schüttelte dann den Kopf.
"Das werde ich bestimmt bereuen.", flüsterte er leise.
"Nun denn, kommt, ich bringe euch nach Esgaroth." Er ging zur Seite und wir konnten das Boot betreten.
Eine Weile fuhren wir schweigend durch den Nebel, der aufgezogen war, als wir das Ufer außer Sicht verloren hatten. Einzig die Zwerge machen einige Geräusche während sie ihr letztes Geld für Bard zusammensammelten.
"Wie viel soll ich Euch bezahlen? Ihr nanntet den Zwergen Euren Preis, doch weiß ich nicht, was Ihr von mir verlangt.", brach ich irgendwann das bedrückende Schweigen.
"Ihr könnt mir erzählen woher ihr meinen Urgroßvater kennt. Erzählt mir, wer er war. Ich weiß viel zu wenig über meine Familie."
Ich brachte ein schiefes Lächeln heraus und fuhr mir verlegen durch die schulterlangen blonden Haare.
"Ihr müsst wissen, ich bin ein wenig älter als mein Aussehen vermuten ließ. Euer Urgroßvater Girion war mir immer ein guter Freund wenn ich nach Thal ging. Mein König sendete mich oft zum Erebor um Geschäfte mit den Zwergen zu machen und dabei hielt ich immer in Thal, um ihn zu besuchen.
Er war ein wahrlich großer König.
Gutherzig und Freundlich.
Er hatte immer ein offenes Ohr für die Leiden seines Volkes und seine Türen standen stets allen Gästen offen.
Ich erinnere mich, als ich einmal zu Besuch kam, stand eine Gruppe erschöpfter und verletzter Männer und Frauen vor seinen Toren. Die Wache am Tor ließ mich passieren, doch diesen Leuten wollte er keinen Einlass in die Stadt gewähren. Also erzählte ich Girion davon, als er mich fragte wie meine Reise verlaufen sei und als ich mich Abends zu ihm an den Tisch begab saßen dort all die Männer und Frauen in frischer Kleidung und mit versorgten Wunden. Ihnen wurde das herrlichste Mahl aufgetragen und er behandelte sie wie Könige. Wir erfuhren, dass man ihr Dorf angegriffen und gebrandschatzt hatte und als ich am nächsten Morgen zu Erebor aufbrach, ritt eine Gruppe Soldaten mit einigen Handwerkern und den Leuten vom vorherigen Abend los, um ihr Dorf neu aufzubauen.
Damals dachte ich, dass ich wohl nie einem gerechteren König begegnen würde, dass es niemals einen Mann geben würde, der ihm das Wasser reichen könnte. Und dann kam das Feuer und raubte alles was er und auch ich jemals an dieser Stadt geliebt hatten. Genau wie sein Leben. Ich hätte mir niemals träumen lassen, dass seine Frau und sein Sohn damals entkommen konnten. Ich dachte seine Familie und sein Erbe wären für immer verloren gegangen."
Traurig wandte ich mich von Bard ab, nur um in die gespannten Gesichter der Zwerge zu blicken, die meiner Geschichte aufmerksam gefolgt zu sein schienen. Also stand ich auf und ging zum Bug des Schiffes und sah in den weißen Nebel, der alle Geräusche verschluckte.
"Wer ist sie wirklich?", hörte ich Bard fragen.
"Wir wissen es nicht, auch uns gibt sie immer neue Rätsel.", antwortete Bilbo
"Sie ist die wundersamste Frau der ich je begegnet bin. Sie sieht so jung und unschuldig aus, doch scheint ihr Geist schon so viel mehr durchlebt zu haben.", sagte Bard bewundernd.
"Lasst Euch von der Hexe nicht verzaubern.", meckerte Thorin missmutig
"Wie meint Ihr das?", fragte Bard jetzt auch etwas empört.
"Er meint," ich drehte mich um und sprach ein bisschen lauter, "dass er mir kein Vertrauen schenkt und ich daher auch das Eure nicht verdient habe. Er will damit sagen, dass ich ein verräterisches Weib mit tausenden Geheimnissen bin, die nach dem Zwergengold trachtet und alle hier hinterrücks ermorden würde, wenn ich die Gelegenheit dazu bekäme. Oder nicht? So denkt Ihr doch von mir." Angesprochener schien keine Notwendigkeit darin zu sehen mir zu antworten und drehte sich mal wieder einfach weg.
"In die Fässer mit euch.", befahl Bard auf einmal den Zwergen, die dem Ganzen mehr oder weniger begeistert folge leisteten. Wir hielten an einem Pier und Bard gab einem Mann einige der Zwergenmünzen, woraufhin er die Fässer mit Fisch auffüllte.
Den Valar sei Dank gab es aber nur 14 Fässer, sodass ich wieder bei Bard am Steuer Platz nehmen konnte.
Wir fuhren noch eine Weile und man hörte immer wieder dumpfe Flüche aus den Fässern, als sich vor uns aus dem Nebeln die Seestadt erhob. Je näher wir kamen, desto mehr Silhouetten hoben sich von der weißen Nebelfront ab und bald konnte man die ganze Stadt erkennen.
"Jetzt seid still, sonst werden wir noch auffallen.", bemerkte Bard und einen Moment später verstummten die Flüche der Zwerge. Keinen Moment zu spät, denn vor uns tauchte das Tor auf.
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