Kapitel 10
Alec:
„Was zum Teufel ist das?"
Die Tür wurde aufgerissen und knallte gegen die Wand.
„Passt du bitte auf, wir sind hier nur zu Besuch", murmelte ich und rieb mir über die Augen.
„Du beschmutzt unser Ansehen. Wer zum Teufel ist dieses Mädchen? Und wie kommst du nur darauf sie in der Öffentlichkeit zu küssen? Alec, du hast einen Titel. Ein Junggeselle ist ein Mann, der alleine ist, der keine Frauen mitten auf der Straße küsst", wütete meine Mutter. Ich machte den Mund auf, aber sie hob die Hand. „Oder Strand. Das ist mir schnuppe. Sieh dir an, was sie schreiben! Schon seit Wochen machst du so einen Mist." Langsam setzte ich mich im Bett auf und lehnte mich an die Wand. Sie schmiss mir die heutige Zeitung auf den Schoß, stöckelte dann in ihren Pumps zum Fenster und riss die Vorhänge auf. Ich kniff die Augen zusammen und stöhnte.
„Muss das sein?"
„Ließ es!" Wieder ein Stöhnen von mir. Also nahm ich mir die Zeitung und schon auf der Titelseite prangte das Bild von mir und Dejna, wie wir uns küssten. Meine eine Hand auf ihrer Hüfte, ihre Hände in meinem Haar. Das Foto war von der Seite aufgenommen. Dejna hatte an dem Tag eine Hotpan, ein Top und einen Bolero getragen und auch wenn es total einfach war, sah sie darin unglaublich aus. „Du sollst den Artikel lesen und nicht das Mädel anschmachten!", schallte meine Mutter.
„Manchmal frage ich mich wirklich, warum ich dich mitnehme."
„Weil du mich liebst. Jetzt ließ schon."
„Ist da etwa jemand verliebt? Vor ein paar Tagen meinte unser gut aussehenster Junggeselle der Welt, dass für ihn nur die Arbeit zähle, nur was macht er mit der süßen Brünette in seinen Armen? Nach Arbeit sieht es nicht aus. Ist der Junggeselle Alec Jacobs etwa in Gefahr, seinen Titel zu verlieren?", las ich vor. „Ist das wirklich nötig?"
„Ja. Ließ weiter." Sie stand vor dem Fenster und pflechtete ihre blonden langen Haare erneut.
„Die fünf Jahre jüngere Dejna Collins, Leadsängerin der Band Hits, sieht auch nicht danach aus, als wenn sie arbeiten würde. Wir sagen nur ein angenehmes zusammen arbeiten, der beiden. Nicht, dass sie nur die Konzerthallen gegen eine bestimmte Leistung bekommen." Ist das deren Ernst?
„Sie unterstellen dir, dass du mit dieser Kleinen schläfst, als wenn du ein Zuhälter wärst, der so etwas machen muss, um seine Geschäfte am Laufen zu halten", regte meine Mutter sich weiter auf.
Das Klopfen an der Tür rettete mich. Jamie kam langsam herein und lächelte mich aufmunternd an.
„Rette mich", bat ich ihn und stand auf.
„Alec, das verbiete ich mir." Ich verdrehte die Augen und ging ins Bad. Jamie folgte mir.
„Das Meeting um eins wurde verschoben", erzählte Jamie mir.
„Sag mir nicht, dass er abgesagt hat, wegen dem Zeitungsartikel." Jamie schwieg. „Spucks schon aus."
„Doch, genau deswegen. Hör zu, Alec, ich weiß nicht was dich da getrieben hat und es geht mich auch nichts an, aber die Presse nimmt dich richtig ins Boxhorn."
„Ja, ich hab es gelesen. Hat er das Meeting ganz gestrichen oder wirklich nur verschoben?"
„Verschoben. Sein Sekretär meinte, dass er nicht in dein Krieg mit der Presse hinein gezogen werden will." Ich nickte. Kann ich verstehen.
„Dann kannst du ja doch mit mir Essen gehen", rief meine Mutter.
„Ich muss erst mit Dejna reden", sagte ich leise zu Jamie.
„Du hast ihre Nummer." Ich funkelte ihn an und er verschwand schnell aus dem Bad. Eine kleine Rauchwolke stieg aus meiner Nase empor. Das gestaltete sich schwieriger als gedacht.
Ich machte mich schnell fertig und zog mich dann an. Den Anzug ließ ich heute liegen. Ich hatte echt keine Lust auf dieses Teil. Also zog ich einfach eine lässige Short und ein Shirt an.
„Wo willst du hin?", fragte Mom und torckelte mir ins Vorzimmer hinterher.
„Ich muss das klar stellen gehen."
„Alec, du bist ein Drache, du musst nichts klarstellen. Dafür hast du Leute, wie Jamie. Nichts böses gegen den süßen Kerl, aber lass ihn das erledigen."
„Nein, ich muss das mit Dejna alleine klären, Mutter." Ich drehte mich zu ihr um und küsste sie auf die Wange. „Ich beeile mich." Sie legte mir eine Hand auf die Wange und schüttelte den Kopf.
„Du bist wie dein Vater, wenn er nur noch hier wäre. Alec, mach Schluss mit der Kleinen, sie gehört nicht in unsere Welt." Ich nickte nur und war dann aus der Suite.
In der Lobby grüßten mich alle möglichen Angestellten. Ich nickte nur und verließ das Hotel. Ich lief schnell Zufuß. Dejnas Hotel war nicht weit von meinem entfernt.
Innerhalb von zehn Minuten war ich an ihrem Hotel, wo sich die Paparazzi schon stapelten. Na super.
Der erste Reporter drehte sich schon nach mir um. Und sobald er meinen Namen ausgesprochen hatte, war es auch zu spät.
„Mr. Jacobs!", rief er und alle drehten sich um. Ein Blitzhagel regnete auf mich herab. Es hilft ja alles nichts. Ich lief einfach schnell weiter und ins Hotel. In Windeseile lief ich zum Aufzug. Gerade so schaffte ich es noch hinein und zu meinem Glück war ich nicht alleine.
„Schöner Zeitungsartikel", brummte McKnight neben mir. Ich seufzte.
„Das hab ich mir nicht ausgedacht",meinte ich nur.
„Wollen Sie ihre Karriere ruinieren?"
„Das ist das letzte was ich will." Ich sah Bastian an, der mich schon die ganze zeit taxierte. „Ich bin genauso angeschwärzt worden."
„Ja, das habe ich überlesen." Klar doch.
Die Aufzugtüren glitten auf und wir gingen zusammen zu Dejnas Hotelzimmer.
„Wenn Sie ihr wehtun, dann tue ich Ihnen weh", drohte er mir und ging eine Tür weiter. Ich seufzte und klopfte vorsichtig an. Aus dem inneren kam nur ein Herein und ich trat ein. Dejna stand mit dem Rücken zu mir am Fenster. Sie war barfuß und hatte ein weißes wunderschönes Sommerkleid an, ihre braunen Haare flossen nur so an ihrem Rücken herab. Sie sah aus, wie ein Engel. Sie blieb noch ein paar Sekunden so stehen, bis ich die Türe zugemacht hatte. Dann drehte sie sich um und sah mich an.
„Das mit dem Artikel tut mir leid", fing ich an. Wie sollte ich ihr denn erklären, dass ich ja auch nichts damit zutun hatte?
„Du kannst da auch nichts für", seufzte sie nur, umfasste ihre Haare und band sie zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen.
„Stimmt schon, aber ich hätte ..."
„Mich nicht küssen dürfen?", unterbrach sie mich. Oh doch, küssen wollte ich sie immer noch. Sie hatte so süß geschmeckt, wie Honig.
„Nein, das meinte ich nicht."
„Was dann?"
„Ich hätte dich nicht in der Öffentlichkeit küssen sollen. Es war dumm von mir."
„Also willst du dich so nicht mit mir zeigen?"
„Nein, das ist es auch nicht. Dejna, du weißt genau, was mein „Titel" ist. Die Presse dreht immer durch, wenn ich mit einer Frau gesehen werden." Super, Alec, das hört sich echt gut an, mach weiter so.
„Ja, weiß ich." Super, komm streng dein Hirn an, Alec. „Und jetzt? Basti ist total ausgeflippt."
„Ja, kann ich mir vorstellen. Ich glaube, er ist generell nicht gut auf mich zu sprechen."
„Nein, nicht wirklich", seufzte sie und kam auf mich zu. „Was ist das jetzt zwischen uns? Wenn ich deinen Titel als Junggeselle zerstöre, dann sollten wir aufhören uns zu treffen."
„Dieser Titel ist doch der größte Mist überhaupt. Ich weiß nicht, wie es weiter gehen soll, Dejna. Ich weiß nur, wenn wir Freunde sein sollten, werde ich immer mehr von dir wollen."
„Mehr?", flüsterte sie und blieb vor mir stehen. Ich schluckte hart, als mir ihr Duft in die Nase stieg. Sie roch wunderbar nach Yasmin. Und am liebsten hätte ich sie gepackt und sie wieder geküsst, nur um sie wieder zu schmecken. „Was meinst du mit mehr, Alec?" Sofort stellten sich meine Nackenhaare auf. Sie sprach meinen Namen immer aus, als wäre es etwas verbotenes, was man nicht laut sagen durfte. Sie machte mich verrückt.
„Mehr von dir", hörte ich mich flüstern und dann lag sie schon wieder in meinen Armen, meine Lippen auf ihren. Dejna stöhnte leicht unter meinen Lippen und umschlang meinen Hals. Sie erwiderte meinen harten Kuss und drückte ihren dünnen und schmächtigen Körper an meinen. Sie hatte so viel abgenommen, seit den letzten Tagen, dass ich richtig Angst hatte, sie anzufassen. Aber ich konnte nicht anders, als meine Hand wieder auf ihre Hüfte zu legen und sie noch ein bisschen mehr an mich zu drücken. Ich musste sie spüren, es war ein Bedürfnis, was ich stillen musste. Sie in meinen Armen zu halten, fühlte sich einfach richtig an.
Als wir uns lösten, hatte sie immer noch die Augen geschlossen. Aber als sie sie öffnete sah ich in dunkelgrüne Augen, die endlos schienen. Diesmal ließ ich sie nicht sofort los. Dejna hob die Hand und legte sie mir auf die Wange.
„Was machst du mit mir?", hauchte sie. Ich lachte auf und schüttelt den Kopf.
„Was tust du mit mir?"
Es war gerade so normal, als mein Handy in meiner Hosentasche klingelte.
„Verdammt", knurrte ich, ließ Dejna los und holte mein Handy raus. Jamie.
„Geh ran, ist okay." Ich nickte dankend und ging zum Fenster.
„Was gibt es Jamie?", fragte ich, nachdem ich den Anruf entgegen genommen hatte.
„Mr. Mao, will sich doch mit dir treffen. In einer Stunde. Und Matt hat angerufen, du sollst ihn schnell zurück rufen. Soll ich Mr. Mao zusagen?"
Ich kniff mir mit Daumen und Zeigefinger in den Nasenrücken und drehte mich zu Dejna um. Sie stand immer noch da, wo ich sie los gelassen hatte. Ihre Hand war hoch zu ihrer Lippe gewandert, die sie jetzt nach zeichnete. Automatisch leckte ich mir über die Lippe. Verdammt, ich wollte hier bei ihr bleiben, mit ihr dieses Drama klären. Nur wie sollte ich etwas klären, was ich noch nicht mal in Worte fassen konnte? „Alec?"
„Ja, sag zu und das mit Matt klär ich gleich", knurrte ich ins Handy und legte auf. Dann drehte ich mich zu Dejna um, diese lächelte mich an.
„Du musst wieder los, oder?", fragte sie leicht enttäuscht.
„Leider. Können wir später reden und dann wirklich.Ich muss morgen zwar in Paris sein, aber Jamie kann dich abholen, wenn du das willst."
„Noch ein Date?"
„Wenn du noch eins mit mir möchtest, gerne." Sie biss sich auf die Lippe.
„Ich weiß nicht, Alec." Ich lächelte, nahm vorsichtig ihre Hand und küsste ihren Handrücken.
„Du hast meine Nummer", flüsterte ich an ihrer Hand. Dann beugte ich mich wieder hoch und ging zur Türe. Ich wusste, dass sie mich bestrafen wollte und mich erst mal zappeln lassen wollte. Ich würde warten.
Innerhalb von zehn Minuten war ich wieder in meiner Suite, um mich umzuziehen. Die Paparazzi hatte ich ausgeblendet, auch als sie mir gefolgt waren. Ich hatte ihnen nichts zu sagen und wenn sie lieber Sachen schrieben, wo sie keine Beweise hatten, dann konnte sie auch schreiben, dass ich vor einer Katze davon laufe. Hauptsache sie hatten eine gute Story.
„Alec, was ist mit dem Essen?", meinte meine Mutter, als ich herein kam.
„Mao will mich jetzt doch sehen, ich muss dahin. Können wir das verschieben?" Sie seufzte.
„Okay. Wie lief es bei der Kleinen?"
„Nenn sie bitte nicht so." Mutter saß mal wieder auf dem Sofa im Wohnzimmer der Suite und flechtete sich die blonden Haare. Mittlerweile reichten ihr ihre Haare bis zum Steißbein, aber schneiden lassen, wollte sie sie nicht.
„Wie soll ich sie denn sonst nennen? Deine Bettgeschichte?" Ich verdrehte die Augen und holte einen der vielen Anzüge aus meinem Schrank. Schwarz und Hauptsache von einem Designer. Dieser war mal wieder von Armani. Eigentlich war es mir egal, was ich trug, aber wenn man einen anständigen Anzug haben wollte, musst man ihn Maßschneidern lassen oder einen Designerfummel tragen.
In Rekordzeit hatte ich mich angezogen und machte gerade den Knopf meines
Sakkos zu, als Jamie auch schon ins Zimmer kam. Er grinste mich an.
„In den Dingern siehst du echt scharf aus", grinste er.
„Danke."
„Was ist mit Dejna?"
„Weiß ich noch nicht wirklich. Wir müssen immer noch reden und irgendwie kommt immer etwas dazwischen."
„Du magst sie wirklich."
„Was nicht sein sollte", ertönte die melodische Stimme meiner Mutter. „Alec, du darfst deine Zeit nicht noch länger mit den Falschen verschwenden, du musst dir endlich eine Gefährtin nehmen."
„Mutter, wenn mein Leben davon abhängen würde, dann wäre ich, nur damit du endlich glücklich bist, verheiratet und hätte Kinder. Ich brauche kein Blut zum überleben wie Vampire." Ich lächelte sie an und gab ihr einen Kuss auf die Stirn, als ich an ihr vorbei ging. „Jamie, können wir?" Er nickte und ging aus der Suite. „Mach dir einen schönen Tag, bitte." Sie seufzte.
„Ja, okay."
„Bis nachher."
Vor dem Hotel lauerten schon wieder die Paparazzi, aber ich stieg einfach in die Limousine ein und fuhr mir durchs Gesicht.
„Du hast dich verliebt", trällerte Jamie von vorne. Ich verdrehte die Augen. „Du küsst sie bei jeder Gelegenheit und ich wette, ihr habt noch nicht geredet, weil du wieder deine Hände nicht bei dir lassen konntest."
„Was soll ich denn bitte deiner Meinung nach tuen? Sie ist einfach ..."
„Wunderschön? Süß? Lustig? Atemberaubend? Wundervoll?" Ich funkelte Jamie durch den Rückspiegel an. „Sag schon ja."
„Ja", brummte ich. Jamie grinste vor sich her und ich seufzte.
„Ich glaub es nicht, er wird erwachsen", sagte Jamie theatralisch.
„Also das ging jetzt zu weit." Er lachte und zwinkerte mir zu. Oh man. Ob das gut geht?
Mao war schon eine halbe Stunde weg, aber ich saß immer noch in dem Restaurant in dem wir uns getroffen hatten und trank ein Glas Wein. Mein erstes wohl bemerkt. Es war ein erstklassiger Chardonnay, aber irgendwie hatte ich noch keinen Schluck genommen. Ich hielt das Glas in der Hand und schwenkte den Weißwein hin und her.
Ich dachte an Dejna. War es klug so mit ihr umzugehen? Ich könnte nie ehrlich zu ihr sein, nicht was mich betrifft. Sie denkt ich sei 29 Jahre alt und ein Mensch. Ja, ein Mensch mit einem Knall, weil ich an „Übernatürliches" glaubte. Das hatte ich wirklich super hinbekommen. Hätte ich mich vor sie stellen sollen und sagen sollen: Mein Name ist Alec Jacobs, ach und übrigens ich bin ein Werdrache und 550 Jahre alt, schön dich kennen zu lernen. Super Gesprächsstoff. Sie wäre schreiend vor mir weggelaufen ... oder hätte mich ausgelacht. Das zweite wäre wohl wahrscheinlicher.
Aber sie war auch nicht eine der Frauen, mit denen ich sonst zu tun hatte. Sie war anders. Ich wollte sie kennenlernen, sie besser kennen wie sonst irgendjemanden. Ich wollte mit ihr gegen den Krebs kämpfen, wenn er wieder kam. Und doch konnte ich nicht. Eine Zukunft gab es nicht. Ich müsste sie nach ungefähr vierzig Jahren verlassen, weil sie einfach weiter altern würde und ich so bleiben würde, wie ich war. Egal, wie ich es mir ausmalte, es würde nicht passen. Ich würde sie immer anlügen.
Ich sah runter auf meine Hand und auf die Manschettenknöpfe. Mein Familienwappen. Mein Urururgroßvater hatte das Wappen vor tausenden von Jahren selber entworfen. Er hatte seine Frau über alles geliebt. Die zwei Drachen die sich ansahen, sollten sie darstellen und ihre ewige Liebe zueinander. Mutter versuchte mich schon seit ein paar Hundert Jahren dazu zu bringen, zu heiraten. Sie wollte nicht, dass ich alleine blieb und doch war ihr mein Titel als gut aussehender Junggeselle heilig.
„Sir, schmeckt Ihnen der Wein nicht?", riss mich ein junger Mann aus den Gedanken. Ich sah erst ihn und dann das Weinglas in meiner Hand an.
„Nein, nein, der Wein ist perfekt. Ähm, könnte ich die Rechnung haben?" Der junge Mann nickte und lief mit schnellen Schritten davon. Ich sah ihm hinterher und seufzte. Dann trank ich einen Schluck und stellte das Glas wieder auf den Tisch.
Nachdem ich gezahlt hatte, stand ich auf und ging hinaus. Jamie hatte ich weggeschickt. Ich brauchte was Zeit für mich und was passte besser, als ein Spaziergang zurück zum Hotel?
Ich ließ mir Zeit und schlenderte durch die Straßen. Vielleicht war es doch besser, wenn Dejna sich nicht mehr bei mir meldete. Das war für uns beide am Besten, aber eigentlich wollte ich das nicht. Oder sollte ich es einfach wagen und es versuchen? Versuchen zu hoffen, dass sie nie heraus findet, wer ich wirklich bin? Es zu riskieren, dass sie mich danach vielleicht für immer hasst? Oder ihr diese Gelegenheit schon früher geben?
Mein Handy vibrierte in meiner Sakkotasche und riss mich so aus meinen Überlegungen.
Jamie.
„Was ist denn jetzt schon wieder los?", fragte ich.
„Alec, du musst sofort kommen. Jamie hatte einen Autounfall!", schluchzte die Stimme meiner Mutter.
„Was? Wo seid ihr?"
„Im Krankenhaus."
„Ich bin sofort da", beruhigte ich sie. Ich legte auf und winkte mir ein Taxi heran. Der Fahrer schaute erst perplex, aber als ich ihn anschrie, er sollte zum Krankenhaus fahren, machte er weiter.
Keine zwanzig Minuten später war ich im Krankenhaus und ließ mich zu meiner Mutter führen, die in einem Wartesaal hin her lief.
„Alec!", rief sie aus und kam auf mich zu. Ich nahm sie in den Arm und flüsterte ihr beruhigende Worte ins Ohr.
„Alles okay. Weißt du was passiert ist?" Sie schüttelte den Kopf.
„Sie haben nur angerufen, dass Jamie im Krankenhaus ist." Ich nickte und drückte sie noch mal.
„Es wird alles gut." Sie nickte und krallte sich in mein Hemd.
Wir warteten jetzt schon zwei Stunden und nichts passierte. Es kam kein Arzt, um uns schlechte geschweige denn gute Nachrichten zu berichten. Mom konnte nicht still sitzen und lief im Warteraum hin und her. Ich saß auf einem der ungemütlichen Stühlen und stütze mich auf meinen Knien ab.
„Mr. Jacobs?", ertönte eine tiefe Stimme und Mom und ich sahen zu dem Mann, der auf uns zu trat. Es war ein Polizist, also setzte Mom ihren Lauf fort. Ich stand auf und ging zu dem Officer.
„Ja?"
„Kann ich Ihnen ein paar Fragen stellen?"
„Über den Unfall?" Er nickte und wir setzten uns in eine Ecke. „Was ist überhaupt passiert?"
„Man hat Mr. Taylor von allen Seiten bedrängt, sodass er ausweichen musste, gegen die Leitplanke geschleudert wurde und mit der Limousine ins Schleudern geriet. Die Angreifer sind wohl noch weiter auf das Auto zugefahren, damit es sich ein paar mal überschlägt." Ich schluckte und fuhr mir durchs Gesicht.
„Aber warum?" Der Oficer holte aus einer Mappe ein Bild raus und reichte es mir. Es war das Bild der Limousine, die wieder auf den Rädern stand. Auf der Frontscheibe stand mit roter Farbe: Wir bekommen dich noch, Alec Jacobs.
„Was ist das?", fragte meine Mutter und stand schon hinter mir, bevor ich das Foto verstecken konnte. Sie holte tief Luft und hielt sich die Hand vor den Mund.
„Wir gehen davon aus, dass Sie eigentlich das Ziel dieser Truppe waren", erklärte der Polizist sachte.
„Alec", hauchte Mutter. Ich nahm ihre Hand und drückte sie.
„Alles okay", sagte ich ruhig. „Würdest du noch mal nach Jamie fragen gehen?"
„Aber ..."
„Bitte", unterbrach ich sie. Sie nickte und verschwand aus dem Warteraum. „Hat man gesehen, wer es war?" Der Polizist schüttelte den Kopf.
„Die Leute die wir gefragt haben, sagten, dass alle Masken auf hatten." Ich nickte und sah mir noch mal das Bild an. „Mr. Jacobs, wir würden Ihnen gerne einen Sicherheitstrup zur Seite stellen."
„Nein, nein, nicht nötig. Sie haben schon genug zu tun. Ich werde mich darum kümmern."
„Aber Sie haben keine Ahnung, wer es auf Sie abgesehen haben könnte, oder?", fragte mich der Oficer höflich. Ich schüttelte den Kopf. Keinen der für euch Menschen keine Gefahr wäre.
Meine Mutter kam wieder und der Oficer verabschiedete sich. Sie schaute sich nach dem Polizisten um und wartete, bis er weg war, bevor sie etwas sagte.
„Meinst du, das es jemand von uns gewesen ist?"
„Ich weiß es nicht, Mutter, aber irgendwas läuft hier."
Schon seit Wochen passierten unseres Gleichen solche Unfälle ... mit Toten. Der Rat würde erst in ein paar Tagen eine Versammlung haben, zu der ich auch eingeladen war. Es war ein Risiko sich zu treffen, denn der Rat bestand aus dem Angesehensten Männern und Frauen einer Spezies. Es war einfach Gefährlich für sie in so einer Zeit zusammen zu treffen und zu diskutieren, aber es musste sein.
„Wenn dein Vater noch hier wäre, dann wäre es nie so weit gekommen." Ich verdrehte die Augen und lehnte mich auf dem Stuhl zurück. „Und wenn du nicht abgelehnt hättest, dann hätten wir ..."
„Ich war zu jung, als Dad starb und um ehrlich zu sein, ich will mit dem ganzen nichts zu tun haben."
„Du könntest etwas ändern, Alec." Ich schüttelte den Kopf und fuhr mir durchs Gesicht. „Dein Onkel hätte nie in den Rat gehen sollen, du weißt ganz genau, dass du, als Nachfolger deines Vaters, hättest gehen müssen."
„Und doch sitzt Bec jetzt auf dem Stuhl, auf dem Vater gesessen hat. Mom, ich war 50 Jahre alt, als Dad starb, ich war nicht reif genug, um im Rat zu agieren. Wenn es wirklich so sein sollte, dass ich die Drachen vertreten soll, dann erst wenn Bec tot ist." Mom fluchte leise und fing wieder an, herum zu laufen. Ich schloss die Augen und kniff mir in den Nasenrücken.
Verdammt, Jamie. Ich hoffe, dass er es schafft.
Plötzlich klingelte mein Handy. Ich zuckte zusammen und auch Mom drehte sich zu mir um. Ich holte das Handy raus und sah auf den Display. Dejna.
„Wer ist das?", fragte Mom mich. Ich seufzte und schüttelte den Kopf.
„Hey", meldete ich mich.
„Huch, du hast aber lange gebraucht. Ist irgendwas passiert?", ertönte Dejnas sanfte Stimme. Ich schloss die Augen und saugte ihre Stimme in mich auf. „Ich hab schon fünf Mal versucht dich an zu rufen, aber es ging immer nur die Mailbox dran."
„Ich bin im Krankenhaus, hier hab ich nicht wirklich Empfang. Was ist den los?"
„Du bist im Krankenhaus?", fragte sie etwas lauter. „Was ist passiert? Geht es dir gut?" Ich musste lächeln. Sie machte sich also Sorgen um mich. Wie süß.
„Mir geht es gut. Jamie hatte einen Autounfall." Sie zog scharf die Luft ein.
„Geht es ihm gut?"
„Wissen wir noch nicht, er ist noch im OP."
„Brauchst du Unterstützung? Soll ich vorbei kommen?" Ich hörte, wie sie von irgendwas auf stand und hastig zur Tür lief.
„Nein, brauchst du nicht. Bleib wo du bist, okay?" Sie blieb stehen.
„Ist denn jemand bei dir?" Ich sah zu meiner Mutter, die immer noch wie eine Verrückte hin und her lief.
„Ja, ich bin nicht alleine."
„Mir gefällt das nicht, Alec. Dir hätte auch etwas passieren können. Weißt du schon, wie es passiert ist? Du sahst doch nicht in dem Auto drin, oder? Sonst wärst du jetzt auch im Krankenhaus. Was ist wenn du eigentlich das Ziel ... oh mein Gott."
„D, mir geht es gut, okay. Alles ist gut und Jamie wird das auch packen."
„Ich möchte gerne zu dir kommen." Wieder sah ich zu meiner Mutter, die jetzt stehen geblieben war, als ich Dejnas Spitznamen ausgesprochen hatte. Perfekt.
„Ja, okay."
„Ich beeile mich", damit legte sie auf und auch ich beendete den Anruf.
„Wer war das?", fragte Mom. Wieder ein Mal kniff ich mir in den Nasenrücken und lehnte mich wieder zurück. „Alec!"
„Das war Dejna."
„Die Kleine von heute Morgen?" Ich nickte nur. Ich hatte jetzt wirklich keinen Nerv, mich mit ihr zu streiten. Vor allem um ein Thema, was sie eigentlich gar nichts an ging. Es war doch wohl meine Sache, mit wem ich mich traf oder mit wem ich was anfing.
Zehn Minuten später erschien Dejna in ihrem weißen Sommerkleid. Sie suchte mit ihren dunkelgrünen Augen nach mir und als sie mich fand kam sie sofort angelaufen. Sie hatte richtige Sorgenfalten auf ihrer Stirn. Ich stand auf und wäre beinahe umgekippt, als sie auf mich zugesteuert kam und mich umklammerte. Ich war total überrascht. Sie hatte kein Wort gesagt, war nur schnur stracks auf mich zu gekommen und hatte ihre Arme um mich geschlungen. Ihren Kopf vergrub sie an meiner Brust. Ich sah auf sie herunter und legte auch meine Arme um sie.
„Schon was neues von Jamie?", fragte sie leise und sah zu mir auf.
„Nein, noch nicht." Mom räusperte sich und Dejna ließ mich sofort los. Ich konnte nur die Augen verdrehen. „Mom, das ist Dejna. Dejna, das ist meine Mutter Jillian", machte ich die beiden bekannt. Mom musterte Dejna von Kopf bis Fuß.
„Hallo", sagte sie dann nur.
„Hallo, schön Sie kennen zu lernen", lächelte Dejna und streckte meiner Mutter die Hand entgegen. Diese nahm die Geste aber nicht an.
„Ignorier sie einfach", meinte ich zu Dejna und schüttelte den Kopf. Mutter drehte sich nur wieder um und sah aus dem Fenster. Dejna nickte nur und wir setzten uns hin.
„Was genau ist denn passiert?", fragte sie und sah mich besorgt an.
„Er wurde von der Straße gedrängt. Er wird schon wieder okay werden." Sie nickte und legte eine Hand auf meine, die auf meinem Knie lag. Es waren diese kleinen Gesten, die einfach gut taten. Ich sah erst zu unseren Händen und dann in ihr Gesicht. Ihre dunkelgrünen Augen studierten mein Gesicht, aber das war mir gerade egal. Ich wollte gerade anfangen, mir noch mal ihr wunderschönes Gesicht an zu sehen, als ein Arzt den Warteraum trat.
„Mr. Jacobs?" Wir standen auf und ich nickte dem Arzt zu.
„Wie geht es Jamie?"
„Er ist außer Gefahr. Er wird jetzt in ein Zimmer gebracht."
„Ist er wach?", wollte Mutter sofort wissen. Der Arzt nickte.
„Sie können zu ihm." Mom nickte erleichtert und lief sofort los. Ich bedankte mich bei dem Arzt und folgte mit Dejna meiner Mutter. Sie war auch nicht mehr so angespannt.
Jamie hatte ein Einzelzimmer und als wir eintraten sah er sofort zu mir.
„Alec", hauchte er und streckte seine Hand nach mir aus. Ich nahm sie an und drückte seine Hand fest.
„Was machst du auch für Sachen?", fragte ich ihn. Er grinste nur.
„Ich bin nur so froh, dass du nicht in dem Auto saßt", flüsterte er. Ich nickte und machte den Blick auf Dejna frei.
„Wir reden nachher." Er nickte und lächelte Dejna an. Sie kam sofort zu uns und nahm Jamies Hand. Sie plapperte sofort los, dass sie sich Sorgen gemacht hatte. Ich ging ein bisschen zur Seite und war einfach erleichtert, dass diese Idioten Jamie nicht noch mehr angetan hatten.
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