Kapitel 29
„Hi, ich bin Juna!“
Sie schenkt mir ein Lächeln. Ihre langen braunen Haare, die sie zu einem lockeren Pferdeschwanz an ihrem Rücken baumeln lässt, passt sehr gut zu ihrer leicht gebräunten Haut. Genauso wie ihre goldbraunen Augen perfekt von ihren schwarzen Klamotten zum Strahlen gebracht werden.
Warum redet so ein Mädchen überhaupt mit mir? Sie wäre doch bestimmt die perfekte Freundin für Victoria gewesen. Sieht gut aus und wäre zusammen mit Victoria bestimmt das beliebteste Mädchen aus der Schule. Aber auch Victoria hat mich irgendwie gemocht. Sie wollte mit mir befreundet sein … wenn das, was in dem Tagebuch stand, keine Lüge ist. Aber warum sollte sie ihr Tagebuch anlügen? Ich glaube, es wäre jetzt einfach besser, wenn ich gehe …
„Es tut mir sehr leid, aber ich gehe dann wieder!“, ich wende mich von ihr ab, aber werde von ihrer Stimme gestoppt.
„Nein, bitte, geh nicht! Ich kenne hier gar keinen und mein Vater redet gerade mit dem Bürgermeister, aber mir kommt der vor, als wäre er eine falsche Schlange, die langsam um dich schlängelt, um dich dann in dem richtigen Moment zu erwürgen.“
„Da hast du gar nicht so Unrecht“, flüstere ich. Aber er ist viel mehr als nur eine Schlange, er ist ein Monster! So eines wie aus den gruseligsten Horrorfilmen.
Sie blickt mich verwirrt an und fragt: „Also habe ich gar nicht Unrecht?“
Ich lache kurz auf und antworte: „Das kann ich dir mal ein anderes Mal erzählen. Aber wo kommst du eigentlich her?“
Ihr Blick wird kurz trüb, aber dann setzt sie wieder ein Lächeln auf, das jedoch sehr gebrochen aussieht. „Wollen wir uns vielleicht irgendwo hinsetzen und dann können wir reden?“
Ich nicke und wir entscheiden, ein Stückchen von der Versammlung wegzugehen und setzten uns auf eine Bank an der Straße.
Auf so einer Bank habe ich auch gesessen, als ich die ersten Tagebucheinträge von Victoria gelesen. Aber es war nicht so hell, wie jetzt im Sonnenlicht, sondern im Licht einer Laterne. Und dir ganze Zeit habe ich mich beobachtet gefühlt.
„Also ich bin vor Ewigkeiten mit meinen Eltern auf eine Weltreise gegangen. Der Unterricht hat mir meine Mutter gegeben. Als dann vor kurzem meine Mutter bei einem Autounfall gestorben ist, haben wir entschieden, die Weltreise so zu stoppen und sind in die Heimatstadt meines Vaters gezogen. Und zwar genau hierhin. Wir haben gehört, dass hier ein Drache gelebt hat und alles zerstört hat, aber dass dieser nicht mehr aufgetaucht wäre. Darum haben wir entschieden, dass wir trotzdem hier herziehen.“
Sie macht eine kurze Pause und kratzt sich am Nacken.
„Aber ich bin ganz ehrlich! Ich habe das mit dem Drachen erst gar nicht geglaubt, bis ich dann mehrere Artikel gefunden habe, in denen es auch Bilder von dem Drachen gab, und dann war mir klar, dass das echt ist. Wer hätte gedacht, dass es Drachen nicht nur in Büchern wie Fourth Wing oder so gibt.“
Ich seufze und frage unüberlegt: „Und lass mich raten. Bei 90 % des Artikels handelt es sich von einer Verschwörungstheorie, dass ich etwas mit dem Drachen zu tun habe.“
Sie wird rot und meint dann kleinlaut: „Ich will dir ehrlich sein. Ja, waren es.“
Angepisst stehe ich auf und verabschiede mich mit einem patzigen: „Gut, dann wäre das ja geklärt!“
Sie springt ebenfalls auf und versucht nach meiner Hand zu greifen, greift stattdessen aber nur ins Leere.
„Bitte Juna! Warte doch! Das eben war wirklich keine Absicht, also, dass du in mich hinein läufst.“
Ich weiß gar nicht, warum ich auf einmal so ausraste, aber ich kann mich nicht mehr stoppen.
„Aha? Und jetzt ist es auch noch meine Schuld? Du bist diejenige gewesen, die im Weg gestanden hat!“
„Bitte Juna …“
„Geh sich zu deiner Mutter heulen!“, und zu spät realisiere ich, was gerade aus meinem Mund kam. Das hätte ich nicht sagen dürfen. Juna, das war sehr dumm!
Sofort verstummt sie und ich sehe, wie Ihre Augen glasig werden. Ich mache einen Schritt auf sie zu, aber sie weicht nach hinten aus.
„Liv … es tut mir so leid! Das hätte ich nicht sagen dürfen!“
Eine Träne kullert über ihr Gesicht und sie antwortet bissig: „Nenn mich nicht, Liv! So dürfen mich nur meine Freunde nennen!“
„Olivia bitte …“, versuche ich sie zu beruhigen, aber sie lässt sich nicht mehr stoppen.
„Ach warte! Ich habe ja gar keine Freunde! Und ich habe noch gehofft, dass wir beide uns gut verstehen, aber das ist ganz sicher nicht der Fall. Du bist genauso wie dieser Bürgermeister!“
Ich spüre, wie sehr sie von Wut kocht, aber ich spüre nicht mehr diese Wut wie vorher, sondern nur Leere. Warum muss ich mir eigentlich mein ganzes Leben zerstören?
„Nein … Bitte Olivia! Ich bin keine falsche Schlange, das ist der Bürgermeister! Ich habe seinetwegen eine sehr wichtige Person verloren!“
„Ach, schon für dich! Wenigstens hast du noch eine Mutter!“
„Ich habe doch auch eine Person verloren!“
„Ach ja und wenn? Eine Freundin?“
„Einen Freund! Denn einzigen, den ich je in meinem Leben hatte. Ich weiß auch nicht, warum wir waren.“
„Ach, ist ja toll für dich, dass du Freunde hattest.“
„ICH HABE ONYX VERLOREN! DEN DRACHEN!“
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Öhm, ja! Also, dass das so eskaliert ist, war eigentlich gar nicht der Plan... Egal, was sagt ihr? Und wie findet ihr Olivia?
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