Kapitel 28
Was für eine Lüge. Und dann schafft er es auch noch, die Lüge, ohne irgendwelche Schwierigkeiten zu erzählen. Oh, wie sehr ich diesen Mann hasse! Irgendwann wird er seine gerechte Strafe dafür bekommen. Eigentlich ist es mir egal, wie er stirbt, aber am liebsten wäre es mir durch meine Hände.
„Irgendwie kann ich mir gar nicht vorstellen, dass er den Drachen umgebracht hat“, höre ich die Stimme meiner Mutter, die in Richtung Cole flüstert.
Wenn du nur wüsstest, wie richtig du liegst Mom.
Im Augenwinkel beobachte ich, wie Cole nur langsam, mit dem Kopfschütteln und seinen Kopf schräg legt. Aber wer hätte es sonst sein sollen? Und warum sollte er uns anlügen?
Es scheinen noch mehr Menschen an der Aussage des Bürgermeisters zu zweifeln, darum rufen einige laut: „Und was ist dann mit der Leiche passiert?“ Andere brüllen: „Wir wollen den Leichnam sehen!“
Meine Aufmerksamkeit wandert wieder zu Mr. Moore, der nur langsam nickt und dann mit einem fast schon echt aussehenden Lächeln antwortet: „Ich würde euch gerne die Leiche zeigen, jedoch geht das nicht. Als ich ihn getötet habe, hat er sich aufgelöst. Das Einzige, was übrig geblieben ist-“ Er unterbricht seine Rede und nickt einem Mann in der Menge zu, der daraufhin mit einem Beutel zum Bürgermeister geht, um ihm dieses zu überreichen.
Mein Herz stockt, als ich sehe, was dieser dann aus der Tüte holt. Erst zieht er den grauen Pullover und dann eine blaue Jeans hervor. Beide sind bedeckt mit riesigen Blutflecken, und auf der linken Seite ist ein Loch und der größte und dunkelste Blutfleck.
Das sind die Klamotten, die Onyx an seinem Todestag trug. Die letzten Sachen, die von ihm übrig geblieben sind. Irgendwie verspüre ich das Verlangen, als würden mir diese Sachen gehören. Als hätte ich die Berechtigung, die Sachen am mich zu nehmen.
„Das sind die Sachen, die er trug, als er durch meinen Händen den Tod fand.“ Ein breites Lächeln breitet sich auf seinen Lippen aus und schenkt mir eine Gänsehaut. Warum merkt denn keiner, wie falsch dieser Mann ist?
„Und wenn ihr mir nicht glaubt, überlegt mal, warum der Drache unsere Stadt nicht angegriffen hat?“, meint er laut.
Der Drache hat unsere Stadt nicht mehr angegriffen, weil er es nicht wollte. Er wollte keine Menschen mehr umbringen. Er wollte doch nur friedlich Leben.
„Warum haben sie unsere Stadt nicht evakuiert?“, fragt einer der Menschen laut und löst damit eine Unruhe aus.
Der Bürgermeister nickt und antwortet: „Ich wollte euch nicht evakuieren, weil meine Frau gesagt hat, es wäre dumm. Warum sollte man die Menschen von einer Gegen zu der anderen Gegen treiben, wenn die Menschen doch eh alle sterben würden. Das sagte sie zu mir.“
„Wo sie gerade ihr Frau erwähnen, wo ist sie?“
„Ich habe mich von ihr scheiden lassen. Nach dem Tod von Victoria, habe ich erfahren, dass sie gar nicht meine biologische Tochter ist. Sie lebt ab sofort nicht mehr in unserer Stadt.“
Ein erstauntes Raunen geht durch die Menge, aber ich muss bei dem Namen Victoria wieder an den Tod denken. Sie ist so grausam gestorben. Was ist, wenn ich Onyx nicht vertraut hätte. Victoria wäre nicht gestorben, dann würde ich nicht von Alpträumen geplagt werden. Er wäre nie gestorben … es ist alles meine Schuld.
„Wir wollen uns aber nicht zu lange an diesem Thema aufhängen, denn ich kann euch etwas Großartiges ankündigen!“ Er nickt und die Klamotten werden von einem Mann wieder verstaut.
„Da unsere wunderschöne Schule zerstört wurde, konnten viele Kinder ihren Unterricht nicht fortsetzen, aber das können wir nun endlich ändern. Alle, die noch keinen Abschluss haben, werden automatisch in die Schule in unserer Nachbarstadt Jerok gehen. Alle Schüler, die dabei waren, einen höheren Abschluss zu machen, soll auch die Möglichkeit gegeben werden, diesen fortzuführen!“
Er nickt dieses Mal einer Mädchengruppe zu, die daraufhin aufsteht und sich neben den Bürgermeister stellt. „Das sind ein paar Schüler aus der Schule“, meint und deutet auf die Mädchen. „Das sind Lilly, Anni, Rebecca, Renée, Jasmin, Zoe und Jette!“ Die Mädchen nicken verlegen und eine winkt sogar kurz.
„Die wirken mir aber sympathisch“, flüstert meine Mutter.
Ich nicke nur schulterzuckend und betrachte dann meine Nägel und lausche den weiteren Worten des Bürgermeisters. „Bei Fragen meldet euch gerne bei den Mädels.“
Soll ich meinen Abschluss fort setzten, aber wofür? Warum habe ich eigentlich nicht schon mit der Schule aufgehört, als ich konnte? Das ist doch dumm. Ich brauche das doch gar nicht.
„Und hast du vor, auf die Schule zu gehen?“, fragt Cole.
Ich seufze und meine: „Ich weiß es noch nicht.“ Ich stehe auf und füge hinzu: „Aber ich werde jetzt mit den Mädchen sprechen.“ Meine Mutter und Cole nicken und ich gehe in Richtung der Mädchen. Es sind bisher kaum Menschen zu ihnen gegangen, um ihnen Fragen zu stellen, darum stehen sie ein bisschen ratlos herum.
„Hi, ich bin Juna und würde euch gerne ein paar Fragen stellen“, meine ich lächelnd.
Eines der Mädchen, das, wenn ich richtig liege, Zoe heißt, hebt unschuldig ihre Arme. „Ich bin für den Mord nicht verantwortlich, aber frag mal Lilly“, und deutet auf ein braun haariges Mädchen. Verwirrt blickt diese Zoe an und ein Mädchen mit schulterlangen blonden Haaren blickt beschämt runter.
Ein verwirrendes „Äh“ von mir lässt ein Mädchen mit blonden Haaren den Kopfschütteln. „Ich entschuldige mich für meine Freunde und für die Begrüßung. "Hi, ich bin Jette“, meint sie.
„Dann stell mal deine Fragen“, fügt ein anderes Mädchen ebenfalls mit schulterlangen blonden Haaren hinzu. Wenn ich es richtig in Erinnerungen habe, heißt sie Renée.
„Joar, also wie ist es so auf eurer Schule?“, frage ich unbeholfen.
Ein braunhaariges Mädchen, welches mir bisher noch nicht aufgefallen ist, antwortet lachend: „Wie auf jeder anderen Schule. Da gibt es Hausaufgaben, blöde Lehrer, die uns versuchen zu erklären, dass ein Würfel acht Seiten hat und Jungs, die irgendwie alle beschissen aussehen.“
„Da würde Marie dir aber nicht zustimmen“, flüstert Lilly und grinst. „Und das sagt die, die auf-“, bevor Zoe denn Satz beenden kann, unterbricht das Mädchen, das zu vor noch beschämt zum Boden geguckt hat, die beiden und sagt: „Könnt ihr mal ein bisschen ernster bleiben!“
Die Mädchen nicken.
Die Mädchen sind ja wirklich nett, aber ein bisschen merkwürdig. Langsam nicke ich und meine ehrlich: „Ich habe eigentlich gar keine Lust, auf eure Schule zu gehen!“
Verwirrt blicken die Mädchen mich an und das Mädchen, das sich mir als Jette vorgestellt hat, ergreift das Wort. „Aber warum stellst du uns dann Fragen über unsere Schule?“
„Ich weiß es doch auch nicht.“ Langsam nicke ich und sage dann noch: „Aber ich geh dann jetzt wieder. Tschüss!“
Die Mädchen verabschieden sich ebenfalls und ich drehe mich um. Ich habe wirklich keine Lust, auf diese Schule zu gehen. Irgendwie ist das doch dumm. Ich wäre nur wieder eine Außenseiterin, ohne Freunde, und wie soll ich mich auf die Schule konzentrieren, wenn mich der Tod von Onyx nicht gehen lässt?
In meinen Gedanken versunken laufe ich direkt in ein Mädchen und wir fallen zusammen auf den Boden. Erschrocken richte ich mich sofort auf und helfe dem Mädchen hoch.
„Es tut mir so leid!“
„Keine Sorge, ich bin Olivia aber nen mich doch bitte Liv!“
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