Kapitel 27
Onyx …
Jedes Mal, wenn ich an diesen Namen denke, fühlt es sich so an, als würde mein Herz in tausend Teile zerreißen. Obwohl es das eigentlich nicht mehr kann, denn es liegt doch schon zerbrochen irgendwo anders, aber nicht in meiner Nähe. Ich nicht nur mein Herz und Onyx verloren, ich habe alles verloren.
Ich nehme mir meine Bürste und beginne langsam, meine Haare durchzukämmen. Als ich heute Morgen aufgewacht bin, waren diese komplett durcheinander, was aber bestimmt an dem Albtraum lag, den ich diese Nacht hatte. Ich habe mal wieder von Onyx geträumt. Wie ich langsam das Messer in seiner Brust versenke. Ganz langsam und viel zu einfach.
Meine Haare wollen trotz der Bürste immer noch nicht ruhig sein, darum binde ich sie zu einem kleinen Dutt.
Seitdem das Draconia vor meinen Augen verbrannt ist, sind drei Tage vergangen. Und vor zwei Tagen hat der Bürgermeister wieder eine Rede angekündigt. Ich bin mir sehr sicher, dass er ankündigen will, dass Onyx tot ist. Bestimmt wird er sagen, dass er ihn umgebracht hat. Natürlich mit seinen eigenen Händen, denn er würde niemals ein 17-jähriges Mädchen sowas lassen machen. Nein, niemals!
Wenn er nur wüsste, wie sehr ich ihn verabscheue! Könnte ich in die Zeit zurückreisen, würde ich ihm das Messer in die Brust rammen. Immer wieder würde ich es tun. Und auch wenn er reglos auf den Boden lege, ich würde nicht aufhören. Niemals! Nicht nach all dem, was er mir angetan hat! Der Einzige, der mich aufhalten könnte, ist nun tot.
Das Leben war so einfach. Damals dachte ich immer, das Leben ist ein Albtraum, aber ich merke jetzt, wie toll das Leben damals doch war. Ich war nicht schuld an dem Tod eines Mädchens, welches mit ihrem Leben nicht klarkam oder keinen Menschen umgebracht hatte. Keinen Menschen umgebracht, der mir so unfassbar viel bedeutet.
Spüren Serienkiller eigentlich auch diese Lehre, nachdem sie einen Menschen umgebracht haben. Töten sie Menschen vielleicht nur, weil sie diese Leere lieben?
„Ach Juna, hör doch endlich auf, dir darüber den Kopf zu zerbrechen. Onyx ist tot! Und du kannst daran nichts mehr ändern! Seh es endlich ein! Du hast Onyx etwas versprochen, also halt dich verdammt nochmal endlich daran!“, brülle ich mein Spiegelbild an. Dieses antwortet jedoch nicht.
Ich suche nach meinem Handy und drücke auf Play, um direkt die Stimme von Taylor Swift zu hören. Manchmal brauche ich einfach Reputation.
Das Album endet mit dem letzten Song, und ich stehe fertig unten in der Küche und trinke ein Glas Wasser.
„Ich frage mich, was der Bürgermeister will?“, überlegt meine Mutter laut und bindet sich währenddessen ihre blonden Haare zu einem Pferdeschwanz.
Cole schüttelt mit dem Kopf und meint: „Ich wüsste es auch gerne, aber das werden wir gleich erfahren.“
Er wird euch sagen, dass der Drache tot ist, auch wenn dieser Drache es nicht verdient hat. Aber das würde eh keinen interessieren! Hauptsache, der Drache ist tot!
Sein Blick wandert zu mir. „Was ist eigentlich mit deinem Freund? Wie hieß der noch gleich? Damian?“
Meine Mutter stimmt ihm zu und fügt hinzu: „Stimmt. Du bist mit ihm doch das letzte Mal zu der Rede gegangen. Du warst jeden Tag mit ihm unterwegs, aber jetzt nicht mehr. Habt ihr euch gestritten? Dabei hat er mir doch so einen netten Eindruck gegeben.“
Ich wünschte, ich könnte euch die Wahrheit sagen. „Er ist umgezogen und davon hat er mir nichts erzählt. Nach unserem letzten Treffen hat er mir eine Nachricht geschrieben, dass dies unser letztes Treffen wäre, da er jetzt wegziehen würde. Und seitdem habe ich nichts mehr von ihm gehört.“
„Was ein Arsch“, murmelt Cole leise, während meine Mutter kopfschüttelnd den Kopf senkt. Dann legt sie mir ihren Arm auf die Schulter und sagt mit einer einfühlsamen Stimme: „Irgendwann wirst du den richtigen finden!“
Nein, Mom, der Richtige ist gestorben, durch meine Hände.
Ich setzte ein gebrochenes Lächeln auf und hoffe, dass sie die Maske nicht erkennen.
„Dann wollen wir aber mal los“, denkt Cole laut und klatscht in die Hände.
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Am Rathaus angekommen, gehen wir diesmal nicht in das große Gebäude, sondern auf die große Wiese hinter dem Gebäude. Dort haben sich schon einige Menschen angefunden. Einige unterhalten sich, während andere sich einen Platz suchen und wieder andere, die einfach nur ratlos herumstehen. Unter den Menschen kann ich den Bürgermeister und seine Frau nicht finden. Ob er sich schon von ihr getrennt hat?
Die Stühle sind in mehreren Reihen vor einem Tisch, auf dem ein Mikrofon liegt, aufgereiht. An der Seite stehen Tische mit Thermokannen und mehreren Tassen.
Zusammen mit Cole und meiner Mutter gehen wir ruhig zu den Getränken und füllen unsere Gläser mit Kaffe und Tee. Ich entdecke noch einen Cookie-Teller und nehme mir schnell einen. Ganz schnell, mit zwei oder drei Bissen, ist dieser in meinem Bauch verschwunden und genauso schnell haben wir uns Plätze gesucht, die relativ weit hinten sind, aber man trotzdem noch einen guten Blick zum Tisch, an dem später der Bürgermeister stehen wird, hat.
Es dauert eine Weile, bis auch die anderen mit Gesprächen enden und sich einen Platz suchen. Als dann endlich keiner mehr steht, entdecke ich endlich den Bürgermeister, der zu dem Tisch mit dem Mikrofon eilt.
Er nimmt dieses und räuspert sich.
„Liebe Bürger, durch diesem schrecklichen Drachen sind so viele Menschen gestorben, obwohl sie es gar nicht verdient haben. Ich möchte sie jetzt alle bitten, mit mir eine Minute zu schweigen und an all die Menschen, die grausam einen Tod fanden, zu gedenken.“
Alle verstummen. Selbst die kleinen Kinder, die vorher noch laut gelacht haben, sind jetzt ganz leise.
Es sind so viele Menschen durch seine Klauen gestorben. So viele Menschen starben einen grausamen Tod. Nein, Juna, denk dran, es waren die wütenden Seelen, die ihm dazu gebracht haben. Es war nicht seine Schuld.
„Vielen Dank. Es haben so viele Menschen ihr Leben verloren, aber bisher kann ich euch noch keine genaue Zahl nennen, da immer noch einige Menschen nicht identifiziert wurden. Wir werden euch niemals vergessen, aber ich kann euch heute etwas Großartiges erzählen!“
Sein Blick wandert durch die Menge und bleibt bei mir für eine kurze Sekunde hängen, aber sodass es niemand bemerken würde, dabei ist es doch so auffällig.
„Der Drache ist tot!“
Auch wenn es vorhin noch sehr leise war, schreien jetzt alle auf. Einige schlagen ihre Hände vor ihren Mund, während einige aufspringen. Ich sitze nur ganz ruhig inmitten des Chaos.
„Wie ist er gestorben?“, brüllt einer der Menschen in das Chaos.
„Wo ist der Leichnam?“, fragt ein anderer.
Der Bürgermeister klopft auf das Mikrofon und ergreift das Wort. „Ich bitte euch erstmal alle, dich wieder zu beruhigen und setzt euch bitte wieder hin. Dann beantwortete ich eure Fragen.“
Tatsächlich hat er es geschafft, dass sich alle wieder hinsetzten und ruhig werden.
„Also. Wir haben herausgefunden, dass sich der Drache in einen Menschen verwandeln kann. Und so konnten wir ihn umbringen. Wir haben ihn mit einem Messer umgebracht.“
Ein Mann, der schon einige Jahre auf der Erde verbracht hat, will wissen: „Wer war es!“
Der Bürgermeister lächelte und ich bin mir sehr sicher, dass dieses Lächeln mir gewidmet ist. „Ich war es“, meint er, ohne eine Emotion.
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