Kapitel 26
Das rot weiße Zirkuszelt ragt vor uns hoch in den Himmel. Die Fläche ist von Zäunen umrahmt, aber damit dies nicht ganz so schlimm auszieht, haben sie Luftballone um die weißen Pfosten gebunden. Diese strahlen in allen Farben des Regenbogens und lassen kleine Kinder lachend auf sie deuten.
Eltern halten die Hände ihrer Kinder oder Popcorn. Ein paar halten auch die Schnur eines Luftballons, während die Kinder klatschend vor einem Clown stehen, der gerade versucht, drei Bälle zu jonglieren.
Hier haben sich die verschiedensten Menschen zusammen gefunden und alle freuen sich darauf, endlich in das noch geschlossene Zirkuszelt zu laufen, um sich dann auf Holzbänke zu setzen und um dann auf die Aufführung zu warten.
Ein paar Jungs, die mindestens vier Jahre jünger als ich sind, stehen bei dem Verkaufsstand und kaufen sich Getränke. Eine andere Gruppe Mädchen steht nicht allzu weit weg von den Jungs und schaut oft zu ihnen rüber, um dann zu lachen und um dann irgendetwas auf ihrem Handy zu schreiben.
Auf einmal höre ich laute Schreie und ich sehe einen erwachsenen Mann, der gerade mit seinem Kind streitet. Es sieht so aus, als wollte das Kind einen Luftballon, aber der Vater hat nein gesagt. Kurz spiele ich mit dem Gedanken, dem Kind einfach einen Luftballon zu kaufen, jedoch entscheide ich mich dagegen. Kinder müssen lernen, dass man nicht alles im Leben erreichen kann.
Mein Blick wandert wieder zu der Jungengruppe, die nun zu der Mädchengruppe gegangen ist. Der braun haarige Junge überreicht dem blonden Mädchen eine Tüte mit Popcorn und schenkt ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Ein Mädchen, welches ihr Handy in der Hand hält, bekommt diesen Kuss mit und schaut schnell wieder auf ihr Handy, aber auch durch diese Ferne kann ich sehen, wie sie ihre Lippen verzieht. Das Mädchen schaut erst nach einer Minute wieder hoch und schaut den braunhaarigen Jungen sehnsüchtig an, dieser hat aber nur Augen für das blonde Mädchen. Dieses holt ihr Handy aus ihrer Tasche und macht ein Selfie von ihr und dem Jungen. Dann winkt sie dem anderen Mädchen zu sich und macht ebenfalls ein Foto. Auch das Mädchen versucht so zu lachen, wie ihre Freundin, aber es sieht eher wie ein gebrochenes Lächeln aus.
Jeder Mensch erkennt, dass dieses Mädchen in den Jungen verliebt ist, aber dieser schon eine Freundin hat. Sie hat keine Chance.
„Hey Juna, das Zelt wird geöffnet", höre ich Onyx freudige Stimme rechts neben mir. Wir haben heute beschlossen, in eine Nachbarstadt zu fahren, um in den Zirkus zu gehen, der nur noch heute da ist.
Ich blicke rüber zu dem Zelt und sehe, dass sich die Menschenmengen in das Zelt drücken, um ja einen guten Platz zu bekommen. Ein Vater nimmt sein Kind auf den Arm und rennt dabei fast ein Kind um. Das kleine Kind fängt an zu weinen und die Mutter des Kleinen brüllt dem Vater irgendwelche Beleidigung hinterher, dieser dreht sich aber nicht um. Kopfschüttelnd betrachte ich das Spektakel.
„Gut, ich war auch der Meinung, noch zu warten, bis alle drinnen sind!", meint Onyx wieder neben mir und lehnt sich gegen den Zaun.
Seufzend lehne ich mich ebenfalls gegen den Zaun und denke laut nach: „Warum sind die Menschen so gemein? Das ist doch nur ein Zirkus und trotzdem laufen sie kleine Kinder um, um einen guten Platz zu bekommen. Das ist doch krank! Oder man wird seine Liebe nie bekommen, weil sie schon vergeben ist. Das ist doch ungerecht! Die Welt ist so ungerecht!"
Ich höre rechts von mir ein zustimmendes Ächzen und nach einer Weile antwortet er: „Die Welt ist ungerecht und kein Mensch wird sich davor schützen können! Man kann sich zwar einreden, dass dies nicht stimmt, aber genau diese Menschen wissen es am besten!"
Ich habe mich heute ausgeruht, denn mehr hätte ich nicht geschafft. Heute habe ich nur in meinem Bett gelegen und an Onyx gedacht. An all die schönen Momente, die wir erlebt haben! Ich habe noch ein bisschen versucht zu lesen, um mich einfach abzulenken, aber das hat nicht wirklich geklappt. Irgendwann hat sich auch noch Leana zu mir gesellt. Meine Mum hatte mir noch heute Morgen eine Schale mit Müsli gemacht und mir hochgebracht, und das ist das Einzige, was ich heute gegessen habe. Darum richte ich mich jetzt langsam aus meinem Bett auf.
Wirklichen Hunger habe ich eigentlich auch nicht, aber es ist schon Abend. Bevor ich runtergehe, schnappe ich mir noch schnell mein Handy und das Tagebuch von Victoria, welches ich bisher nur unter meinem Kissen versteckt habe. Mit den Sachen laufe ich runter in die Küche und lege das Buch und mein Handy erstmal auf den Tisch.
In der Küche nehme ich mir eine Scheibe Weißbrot und wähle eine Avocado. Mit einem Messer teile ich sie in zwei und entferne den Kern aus der Avocado. Ich löffle die Frucht aus der Schale und verteile sie auf meinem Brot. Ich wähle ein Gewürz und streue es auf das Brot. Mit dem Teller und einem Glas Wasser setzte ich mich an den Tisch und beiße in das Brot, was echt gut schmeckt.
Nach dem Bissen nehme ich mir das Notizbuch und schlage es auf und blättere ein paar Seiten und bleibe beim Datum 5.5.2024 stehen, denn dort steht mein Name in Großbuchstaben. Was war an dem Tag nochmal? Ich weiß es nicht mehr, aber es war in dem Zeitraum, als Onyx die Schule zerstört hat.
Liebes Tagebuch,
heute war so eine Veranstaltung, auf der mein Vater erzählt hat, dass der Drache die Schule zerstört hat und was jetzt noch alles ansteht. Er hat mich gezwungen, Juna in die Putzkammer zu bringen und dort einzusperren. Warum sollte ich das bitte machen? Juna hat niemandem etwas getan! Immer wieder zwingt er mich, dass wenn ich sie sehe, dass ich sie mobben soll. Warum? Was hat sie ihm getan? Ich hätte sie so gerne als Freundin. Sie ist so nett, aber ich weiß, dass sie mich hasst. JUNA, ES TUT MIR SO UNFASSBAR LEID!
Victoria mochte mich ... Ihr Vater hat sie gezwungen, mir das alles anzutun! Oh Victoria, es tut mir so leid! Ich wäre gerne deine Freundin gewesen. Wie konnte dein Vater dir das alles nur antun? Und warum ich? Hatte ihr Vater gewusst, dass ich eine besondere Bindung zu Onyx haben werde, aber wie? Victoria hatte mich gemobbt, bevor Onyx in der Stadt war. Was weiß der Bürgermeister, was wir nicht wissen?
Ich nehme einen Schluck aus meinem Glas und beiße wieder in mein Brot, während ich das Tagebuch wieder schließe.
Was ist eigentlich mit dieser Webseite passiert? Ich habe mal einen Link vor Ewigkeiten bekommen, der zu einer Webseite geführt hat, auf der die verschiedensten Gerüchte kursieren, dass ich der Drache wäre.
Ich schnappe mir mein Handy und suche nach dem Link und finde ihn nach einer gefühlten Ewigkeit. Aber als ich auf den Link tippe, steht dort, dass diese Webseite nicht mehr existiert.
Interessant! Warum ist die Webseite auf einmal nicht mehr verfügbar? Es ist schon klar, dass sie gelöscht wurde, aber warum und wer hat diese Webseite erstellt? Ich werde das wohl niemals erfahren.
Langsam esse ich auf und trinke dGlasass aus. Als ich damit fertig war, gehe ich wieder hoch und lege mich ins Bett. Ich lasse mich mit ausgestreckten Armen auf mein Bett fallen und meine Gedanken wandern wieder zu Onyx.
Sein Tod war kein normaler Tod. Spürt jedes Lebewesen, wenn eine Lebewesen-Art ausstirbt? Aber dann hätte meine Mutter sich doch was hätte anmerken lassen müssen, hat sie aber nicht. Oder spüren das vielleicht nur Elindral und Aurelionis. Das sind die Namen, die in dem Tagebuch von Victoria standen. Sie haben den Drachen damals geholfen, in den dunklen Zeiten.
Juna Elindral oder Juna Aurelionis? Es klingt so merkwürdig, diese Namen zu benutzen, aber ich weiß, dass ich mit irgendeinen der Namen in Verbindung stehe, aber mit welchem?
Und was sind diese Drachenseelen? Ich kann mich noch erinnern, dass bei dem Namen Calenthia stand. Sind das vielleicht alte Drachen, die es geschafft haben, wieder aufzustehen? Das könnte gut sein, denn auch Onyx hat es geschafft, aus der Totenwelt heraus mit mir Kontakt aufnehmen zu können. Sind diese Drachenseelen in Menschen gedrungen und haben sich dann den Namen Calenthia gefunden? Das werde ich nie erfahren, obwohl?
Ich richte mich wieder langsam auf und mein Blick landet auf meinem Schrank, in dem unter Socken das Draconia versteckt liegt. In dem Buch werden die Antworten stehen, das weiß ich. Ich öffne denn Schrank und krame das Buch hervor.
Ob der Bürgermeister das Buch früher gehört hat, denn woher soll er bitte das alles wissen? Diese ganzen Informationen werden wohl nicht einfach so im Internet stehen. Kann es vielleicht sogar sein, dass er ein Calenthia ist? Aber dann würden Drachenseelen böse sein. Dass er ein Elindral oder Aurelionis ist, kann ich mir nicht vorstellen, denn diese haben schließlich den Drachen geholfen und nicht andere angestiftet, die Drachen zu töten. Vielleicht gehört er ja auch noch zu einer komplett anderen Familie, die gar nicht genannt ist. Wie auch immer! Ich werde die Antworten im Draconia finden.
Das Buch landet mit einem Plumpsen auf meinem Bett.
Die Antworten werde ich in diesem Buch finden! Mit diesem Lösungsansatz öffne ich das Buch, aber aus meinen Lippen kommt nur ein Lauter, als das Buch vor mir mit einem lauten Knall in die Luft fliegt und Flammen fängt.
Ich kann nichts tun, als das Buch direkt vor meinen Augen verbrennt. Mit offenem Mund sehe ich, wie die Flammen auf einmal loslassen und mit einem lauten Knall wieder verschwinden. Als der Knall noch in meinen Ohren nachhallte, zerfiel das Buch zu einem Haufen Asche. Die Asche rieselt ohne ein Geräusch auf meine Decke. Es sieht so aus, als würde diese Asche nicht rieseln, sondern eher auf mein Bett regnen. So komisch es auch klingen mag. Ein Stück Papier landet seelenruhig auf dem Aschehaufen.
Vorsichtig nehme ich den Zettel und sehe, dass auf dem Zettel etwas steht. Als ich ihn langsam lesen will, sehe ich etwas im Augenwinkel. Mein Blick wandert zur Seite und ich sehe, dass Leana zum Bett kommt. Mit einem Ruck springt sie hoch aufs Bett und setzt sich neben den Aschehaufen, ohne ihn zu berühren.
„Stehst du mit den Drachen in Verbindung?", frage ich sie leise, aber ich weiß selber nicht, warum ich das gefragt habe. Warum sollte sie mit den Drachen in Verbindung stehen? Aber trotzdem erwarte ich schon fast eine Antwort, aber anstatt eine Antwort zu bekommen, legt sie nur den Kopf schief.
„Ich weiß auch nicht, warum ich das gefragt habe", murmle ich leise und streiche ihr über ihren Kopf.
„Ich lese dir jetzt einfach den Zettel vor, wenn du es aber nicht möchtest, dann geh einfach." Anstatt zu gehen, rollt sie sich langsam zusammen, jedoch liegt ihr Blick weiterhin auf mir.
Ich grinse. „Na gut!" Mein Blick wandert zum Zettel und ich beginne leise zu lesen: „Wenn der letzte Drache auf dieser Welt gestorben ist, ist einerseits die Prophezeiung ein getreten und diese Worte werden nicht mehr gebraucht. Aber eine Sache gibt es noch zu sagen, denn die Prophezeiung war nicht vollständig. Aus den Tiefen der vergessenen Zeit wird der letzte Drache emporsteigen, um das Schicksal der Menschenwelt zu besiegeln. Er wird die Schatten seiner Ahnen rufen und die Menschheit bis auf den letzten Atemzug auslöschen. Wenn der letzte Mensch gefallen ist, wird der Drache beginnen, die uralten Drachengeister zurück auf die Erde zu führen. Aber es gibt eine Hoffnung für die Welt, wenn sie das Mädchen finden, welches eine Bindung zu dem Drachen verspürt, kann das Schicksal der Welt gerettet werden. Jedoch wird dieses Mädchen mehr verlieren, als nur einen guten Freund."
Ich bin das Mädchen, stelle ich stumm fest. Warum wurde die Prophezeiung nicht schon direkt vollständig aufgeschrieben?
Mit einem unguten Gefühl drehe ich den Zettel um und sehe, dass dort weitere Worte stehen.
„Mädchen, du hast es geschafft, den Drachen zu stoppen und ich kann dir sagen, dass die ganz dir dankt! Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast und wie hoch der Preis war, aber du hast die Welt gerettet und dafür danke ich dir!"
Eine Träne rollt über meine Wange, dicht gefolgt von einer weiteren. Bevor ich richtig in Tränen ausbrechen kann, spüre ich, wie Leana sich an mein Bein schmiegt. Ich lasse den Zettel fallen und hebe Leana hoch, um sie an mich zu drücken.
Der Preis, den ich aufbringen musste, war viel zu hoch. Ich habe meinen besten und einzigen Freund verloren. Und dann wird mir eins klar. Ich habe ihn geliebt! Ich habe Gefühle für Onyx entwickelt und dann habe ich ihn umgebracht.
„Versprich es mir!"
Ja, Onyx, ich habe es dir versprochen!
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