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Kapitel 6: Zerstörung

Astrid

Versuche niemals, eine Horde Wikinger, die gerade eine herbe Niederlage erlitten habe, fünf Tage lang in einem einzigen Raum unterzubringen. Keiner wird auf dich hören, keiner wird einem Streit aus dem Weg gehen und ganz bestimmt wird keiner dir für deine Bemühungen, wenigstens ein Minimum an Ordnung aufrechtzuerhalten, danken. Und ich weiß, wovon ich rede.

Es war der Morgen des sechsten Tages, seit die Drachenjäger ganz Berk zerstört hatten und schon drehten alle am Rad. Alle paar Minuten kriegten sich ein paar Wikinger in die Haare, sodass es andauernd zu Prügeleien kam (meistens war Kotzbakke daran beteiligt), die ganze Zeit beschwerte sich jemand über mangelnden Platz oder schnarchende Schlafnachbarn oder was auch immer, Pütz hatte ein halbes Fass Wein leergetrunken (na gut ein kleines Fass, aber trotzdem) und grölte jetzt pausenlos unanständige Lieder und Gothi hatte zehn Eimer Sand mitten in die Halle gekippt, den sie nun unablässig vollkritzelte, und zog jedem eins mit ihrem Stock über, der es wagte, den Sand auch nur zu berühren.

Aber am schlimmsten von allen war Haudrauf. Kein Wunder, schließlich war sein Dorf komplett zerstört, viele der Bewohner verletzt, einige tot, sein bester Freund lag seit Tagen ohne ein Lebenszeichen von sich zu geben im Koma und sein Sohn befand sich immer noch in Feindeshand. Das waren die Gründe, warum er ununterbrochen hin und her tigerte, jeden anfaulte, der versuchte, mit ihm zu reden, der ihn irgendwie störte oder ihm einfach nur im Weg stand. Im Grunde maulte er also alle an.

Deswegen hatte ich jetzt auch vorübergehend die Pflichten des Oberhauptes übernommen. Was stand jetzt auf dem Plan? ach ja, richtig, die Aufgabenverteilung. "Alle mal herhören", setzte ich an. Keiner beachtete mich. Im Gegenteil, es wurde sogar noch lauter. Daraufhin donnerte ich mit der Faust auf den Tisch. "Alle mal herhören!" Schlagartig wurde es still.

"So, seid ihr endlich so weit? Gut, dann können wir die Aufgaben verteilen. Dagur, wie steht es mit den davongelaufenen Drachen?" 

"Den größten Teil haben wir, aber ein paar verstecken sich noch in den Bergen", erstattete er Bericht. 

"Gut, dann schnapp dir fünf Leute und fang sie ein. Fischbein kümmert sich danach um sie. Irgendwelche Freiwillige, die ihm helfen wollen?" Drei jüngere Wikinger meldeten sich. 

"Okay, dann wäre das geklärt. Aber wir brauchen dringend Vorräte. Alle, die ein Boot haben, gehen fischen. Mulch, du hast das Kommando. Ach ja, und pass bitte auf Pütz auf. Sven, hol die restlichen Schafe. Wer würde sich um die Yaks kümmern?" Zu meiner großen Überraschung meldeten sich die Zwillinge. 

"Na gut, aber stellt keinen Blödsinn an." 

"Wir doch nicht!", riefen sie grinsend im Chor. Hm, warum glaubte ich ihnen wohl nicht? Allerdings brauchten wir jede Hilfe, die wir kriegen konnten, und dass die Zwillinge sich freiwillig zur Arbeit zur Verfügung stellten, war selten genug. 

"Gustav, du passt auf, dass nichts von den Vorräten abhandenkommt. Das ist eine sehr wichtige Aufgabe", schärfte ich ihm ein. Eigentlich war das nicht zwingend notwendig, aber ein unbeschäftigter Gustav richtete nur Chaos an. Was blieb überhaupt noch übrig?

"Rotzbakke, könntest du mit Hakenzahn auf Patrouille fliegen? Wenn du etwas siehst, und sei es nur ein einzelnes Ruderboot, holst du mich sofort. Keine Alleingänge, verstanden?", befahl ich, "Wer von euch anderen eine Ahnung vom Heilen hat, hilft Gothi bei den Verletzten. Der Rest von euch baut mit Kotzbakke die Hütten auf. Ich laufe hin und her und sehe mir an, was noch getan werden muss", schloss ich meine Ansprache. 

Puh, das war ganz schön anstrengend. Wie schafften Haudrauf und Hicks es immer, die Leute zu motivieren? Bei mir schienen alle unzufrieden, außerdem hagelte es nur so an Beschwerden. Dagur meinte, seine Leute seinen unfähig, die hingegen behaupteten, er bringe sie in unnötige Gefahren. Gustav wollte eine heldenhaftere Aufgabe und Mulch hatte es satt, den "Babysitter" für Pütz zu spielen. Die Beschwerden abweisend, durchquerte ich die Halle, gefolgt von allen anderen und öffnete die Tür.

Im ersten Moment dachte ich, ich sehe nicht richtig. Das konnte nicht sein, das war unmöglich! Vor mir, auf den Stufen der großen Halle, lag Hicks, friedlich schlafend. Nur war das noch nicht einmal das Merkwürdigste. Jemand hatte ihn in eine Decke gewickelt und die gleiche Person hatte an ihr einen Zettel befestigt, auf dem stand: Ihr solltet besser auf ihn aufpassen.

Wer konnte das bloß gewesen sein? Egal, er musste unbedingt ins Warme. Ich versuchte, ihn hochzuheben, aber er war zu schwer, sodass er halb auf dem Boden schleifte. Wann war er eigentlich so gewachsen? Ein paar Schritte kam ich voran, bis Haudrauf ihn mir sanft aus den Armen nahm. Da die gaffende Menge keine Anstalten machte, beiseite zu treten, brachte er sie mit einem "Worauf wartet ihr, geht an die Arbeit!" dazu. Wir Drachenreiter folgten ihm, ebenso Dagur.

Als wir durch die große Halle schritten, folgten uns alle Blicke. Verständlich, schließlich gaben wir bestimmt ein merkwürdiges Bild ab: An der Spitze der Häuptling, der seinen bewusstlosen und eigentlich verschwundenen Sohn trug, hinter ihm die fünf bekanntesten Jugendlichen von Berk zusammen mit einem ehemaligen Feind und um sie alle herum waberte eine trübe Wolke aus Besorgnis.

"Fast wie bei einem Trauermarsch", schoss es mir durch den Kopf. Im selben Moment erstarrte ich. So etwas durfte ich nicht denken. Hicks ging es gut, ganz bestimmt. Er würde wieder aufwachen und nachdem Berk aufgebaut war, würden wir wieder auf die Drachenklippe zurückkehren und wie vorher leben.

Das Problem war nur, dass ich meinen Worten selber keinen Glauben schenkte. Wie konnte ich sicher sein, dass die Drachenjäger ihm nichts angetan hatten? Wie sollten wir wieder auf der Klippe leben können, wenn dort alles zerstört war? Wie sollten wir überhaupt je in Frieden leben könne, solange Viggo noch da draußen war? Die Gefahr war noch lange nicht vorüber, im Gegenteil, sie hatte gerade erst angefangen.

Nach einer schier ewigen Weile erreichten wir das Krankenlager. Dort angekommen, bettete Haudrauf seinen Sohn behutsam auf einen Deckenstapel, während Fischbein Gothi herbeiholte. "Was ist mit ihm?", erkundigte sich Haudrauf besorgt. Als Antwort kritzelte die Heilerin ein unleserliches Zeichen, das wohl "Nahrungsmangel" bedeutete, in den Sand und zog Hicks' Hemd aus.

Ach du meine Güte. Er war klapperdürr und sein Oberkörper war ein einziger Bluterguss, der in allen möglichen Blau- und Grüntönen schillerte. Wer auch immer das getan hatte, dem würde ich es heimzahlen und zwar so, dass er danach aus Knien um sein Leben bettelte. Haudrauf und Dagur schienen Ähnliches zu denken, Fischbein hatte den Kopf abgewandt, Rotzbakke war bleich wie Schnee und sogar die Zwillinge hielten ausnahmsweise die Klappe. Gothi hingegen blieb völlig unberührt und strich nur mit ihren knochigen Fingern über seine Brust.

"Dagegen kann ich nicht machen", las Fischbein, "Genauso wenig wie gegen den Bruch." Die hatten ihm etwas gebrochen? Okay, jetzt reichte es. In mir stieg das dringende Bedürfnis hoch, jemandem ordentlich wehzutun, vorzugsweise Viggo und Reiker.

"Haltet mich fest, sonst schlag ich alles kurz und klein. Oder besser, bringt mich zu den Drachenjägern. Das werden sie büßen", knurrte ich.

"Das waren sie nicht", schrieb Gothi. 

"Sowas kannst du doch nicht wissen", widersprach Dagur. Der Blick, mit dem die alte Dame ihn daraufhin durchbohrte, ließ sogar das mächtige Stammesoberhaupt der Berserker zusammenschrumpfen. Tja, mit Gothi legte man sich besser nicht an. Gerade malte sie seelenruhig einige Zeichen, die Fischbein offenkundig stutzig werden ließen.

"Sie sagt, der Bruch ist mindestens fünf Monate alt." Fünf Monate! Wie war das möglich? Hicks hatte sich nur ein Mal etwas gebrochen und das war mehrere Jahre hier. Normalerweise würde ich denken, sie hätte sich geirrt, aber es gab weit und breit keine Heilerin, die ihr das Wasser reichen konnte. Gothi irrte sich nie, das war schon beinahe ein Naturgesetz. Trotzdem ergab es keinen Sinn. Na ja, Hicks würde es mir einfach erklären, wenn er aufwachte.

Doch als Gothi ihn auf den Bauch drehte, verflog mein gesamtes positive Denken. Ich hatte zwar gesehen, wie Reiker ihn mit dem Dolch getroffen hatte, aber nie im Leben wäre ich auf die Idee gekommen, dass dieser vergiftet sein könnte. Leider ließ die grünliche Färbung rund um die Einstichstelle keine Zweifel übrig.

In diesem Moment merkte ich, das ich völlig falsch gelegen hatte. Hass war nicht dieses glühend heiße Pulsieren, das dich dazu brachte, vorschnell zu handeln. Hass war eine leere Kälte, die deine Seele zu Eis gefrieren ließ. Mit einem Mal war es, als hätte jemand mein gesamtes Blut durch flüssigen Stahl ersetzt. Ich würde diesen Feigling Reiker finden und zur Strecke bringen, das schwor ich bei allem, was mir heilig war. Wenn Hicks sterben würde, dann...

Wenn Hicks sterben würde... Erst in diesem Moment ging mir auf, was das bedeutete. Genauso heftig, wie der Hass mich vorhin überwältigt hatte, wurde er nun von einer Angst verdrängt, die stärker war als alles, was ich bis dahin je erlebt hatte. Jetzt war mir klar, wie er sich damals gefühlt haben musste, als ich am Leiden Odins erkrankt gewesen war, nur konnte ich nichts dagegen tun. Alles, was mir übrigblieb, war abzuwarten und zu hoffen, dass Gothi ein Gegengift fand.

"Du kannst ihn doch heilen, oder?" Ich war mir nicht sicher, ob ich die Antwort wirklich hören wollte. Was, wenn es kein Gegengift gab? Was, wenn wir es nicht rechtzeitig besorgen konnten? Was, wenn es bereits zu spät war? Immerhin sah Hicks gar nicht gut aus.

Sein Gesicht war aschgrau mit einem fahlen, ungesunden Grünstich, die Wangen eingefallen. Wenn seine Augenlider nicht geflattert hätten, hätte ich ihn bereits für tot gehalten. Nein, nein, nein, er war nicht tot und würde es auch nicht sein! So durfte ich gar nicht erst denken. Gothi würde ihn schon wieder auf die Beine bringen. Nur warum hatte sie noch nicht auf meine Frage geantwortet? Hieß das etwa - 

Auf einmal setzte Hicks sich abrupt auf. Dass er aufgewacht war, sollte zwar eigentlich gut sein, aber das hier bot noch mal eine neue Dimension des Schreckens. Die weit aufgerissenen Augen spiegelten ein namenloses Grauen wieder, Schweißperlen rollten auf seiner Stirn herab und er atmete rasselnd, so als ob er zehn Kilometer gerannt wäre. Verzweifelt klammerte er sich an der Bettkante fest. Außerdem stieß er gequält zusammenhanglose Worte aus: 

"Heidrun! Dämmerung. Muscheln. Drache. Schiff. Explosion! GROBIAN!" Dann schloss sich seine Hand schraubzwingenfest um meinen Arm. Alles in allem war es so ziemlich das Gruseligste, was ich je erlebt hatte und ich hatte schon einiges mit angesehen. Was sollte das wohl bedeuten? Falls hier eine Logik dahintersteckte, dann war sie ziemlich tief vergraben. Außer für die Zwillinge natürlich. Unlogik war deren Spezialgebiet. Deswegen wunderte es mich auch nicht, dass sie sofort eine Theorie parat hatten:

"Es ist ganz klar, was er uns damit mitteilen will. Also: Heidrun war in der Dämmerung auf einem Schiff aus Muscheln unterwegs. Dann ist ein Drache gekommen, hat das Schiff in die Luft gejagt, die Muscheln mit seinen Stacheln aufgespießt und daraus eine Skulptur von Grobian gebaut."

Meinte Taffnuss das ernst? Wahrscheinlich schon, schließlich gab er sonst auch zu allem seinen sinnfreien Senf dazu. Und natürlich machte Raffnuss da mit, war ja klar gewesen.

"Nein, nein, nein, mein lieber Bruder, so geht das nicht. Was ist das denn für eine Geschichte? Wo war Hicks da? Und warum sollte ein Drache eine Skulptur von Grobian bauen? Du musst noch einiges lernen, Bruderherz. Denn was er uns in Wirklichkeit sagen wollte, war das hier: Grobian hat sich auf einen explodierenden Stachel gesetzt. Hicks wollte mit einem Schiff Hilfe holen, aber ein Drache mit Muschelpanzerung hat ihn in seine Höhle verschleppt, wo auch Heidrun war. Dort hat er die beiden gefressen."

Ernsthaft jetzt? Manchmal fragte ich mich, wer von den beiden am dämlichsten war. Jedenfalls teilten sie sich ein so großes Maß an Idiotie, dass es für ein ganzes Dorf reichte. Wie viel Dummheit konnte eigentlich in ein einzelnes Gehirn reinpassen? Na ja, die Zwillinge waren eben die Zwillinge, die konnte man einfach nicht verstehen.

"Auch du bist noch lange keine Expertin für Romane, Schwesterchen. Der Drache kann Hicks gar nicht gefressen haben, sonst wäre er jetzt nicht hier. Was ich eher denke, ist..."

Einen Moment lang starrten sich die beiden Dummschwätzer vom Dienst gegenseitig an, danach fuhren sie wie aus einem Munde fort:

"Hicks hatte ein Date mit Heidrun in der Dämmerung. Sie wollten auf ihren Drachen zurück nach Hause fliegen, wurden aber von Grobian angegriffen, der sie von einem Schiff aus mit drachenfressenden Muscheln und explodierenden Stacheln abgeschossen hat."

Zornfunkelnd fixierte ich sie. "Hicks hatte kein Date mit Heidrun! Und es gibt keine drachenfressenden Muscheln."

"Da ist wohl jemand eifersüchtig", flötete Raffnuss. Oh Mann, ich könnte diese dumme Kuh erwürgen. Ich war nicht eifersüchtig, da gab es nichts, um eifersüchtig zu sein. Hicks und ich waren nur Freunde und jeder, der etwas anderes behauptete, redete Stuss. Auf keinen Fall war ich eifersüchtig! Warum kümmerte es mich, was diese Schwachköpfe sagte? Einfach ignorieren, das war die beste Möglichkeit, um mit ihnen umzugehen. 

Diese kleine Stimme in meinem Kopf jedoch wollte sich  partout nicht überhören lassen. Du bist ja doch eifersüchtig. Sonst würdest du nicht so reagieren. Gib es zu, du magst ihn. Mehr als das, du liebst ihn. Ist es nicht so?

Abweisend schnaubte ich. Es gab jetzt wichtigeres zu tun, als die absurden Theorien gewisser Leute. Hicks zum Beispiel. Erneut wandte ich mich Gothi zu und wiederholte meine Frage von vorhin:

"Bitte sag mir, dass du ihn heilen kannst. Du hast doch sicher ein Gegengift, oder?"

Eine unangenehme Stille senkte sich über uns. Zu Salzsäulen erstarrt warteten wir auf ihre Antwort. Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ die Heilerin ihren Stock in den Sand hinunter. Langsam formten sich dort einige verschlungene Linien. Fischbein, der einzige, der sie lesen konnte, musterte sie wie einen Haufen giftiger Schlangen.

"Sie kennt das Gift nicht."

Es dauerte einen Moment, bis die volle Bedeutung des Satzes zu mir durchsickerte. Sie kannte das Gift nicht? Aber das hieß ja... Mit der Brutalität der unbestechlichen Logik donnerte die Erkenntnis auf mich herein. Ohne zu wissen, was das für ein Gift war, konnten wir kein Gegengift entwickeln und ohne ein Gegengift würde Hicks...

Ruhig bleiben. Ich würde nicht weinen. Ich würde nicht in Panik verfallen. Nicht vor allen anderen. Eine Hofferson weinte nicht, egal was geschah. Ruhig bleiben. 

In dem Moment begann Hicks unkontrolliert um sich zu schlagen und zu schreien. Aber nicht irgendwie zu schreien, dieser Schrei kam aus den Abgründen der Todesangst. 

"Nein! Astrid, nicht! Astrid! Bitte bleib bei mir! Bleib bei mir!

Das war der Moment, in dem ich meine ganze Selbstbeherrschung über Bord warf und den Tränen freien Lauf ließ. Es war mir egal, was die anderen über mich dachten. Es war mir egal, was sie über meine Gefühle für ihn vermuteten. Es war mir egal, dass Hoffersons keine Schwäche zeigten. Es war mir auch egal, dass weinen nicht half. Eigentlich war mir alles egal.

Einzig Hicks zählte noch. Während meine Tränen zu Boden tropften, setzte ich mich an seine Seite und ergriff seine Hand. Schweißnass und kraftlos lag sie in meiner. Wo war die ganze Lebendigkeit hin, die er sonst immer verbreitete? Weg, und in Kürze würde auch der Rest verschwunden sein.

Wieder bäumte er sich auf und schrie. Sein Schrei ging mir durch Mark und Bein und zerstörte alle Hoffnung, die ich vielleicht noch gehegt hatte.

"Astrid! Bleib bei mir! Bitte geh nicht! Lass mich nicht allein!"

"Ich gehe nicht weg. Ich gehe nicht weg, hörst du? Ich bleibe bei dir, ich lasse dich nicht im Stich, versprochen!", schluchzte ich.

Warum hatte das nur passieren müssen? Reiker wäre doch nie im Stande gewesen, so ein Gift zu entwickeln. Aber das musste er ja gar nicht. Was, wenn Viggo es ihm vorher gegeben hatte? Was, wenn das alles zu seinem Plan gehörte? Was, wenn er ihn sogar absichtlich freigelassen hatte, um uns alle zu zermürben?

Falls das stimmte, dann hatte er es geschafft. Ich konnte nicht mehr weiterkämpfen. Alles, was ich noch wollte, war bei Hicks zu bleiben.

Kühle, schuppige Haut strich an meinem Arm vorbei. Ohnezahn. Aufmunternd stupste er seinen Freund mit der Schnauze an. Keine Reaktion. Abermals versetzte ihm der Drache einen sanften Stoß, diesmal ein bisschen energischer. Als er sich nicht rührte, musterte er mich von der Seite und gurrte fragend. Ich schüttelte den Kopf.

"Es tut mir leid, Ohnezahn", flüsterte ich heiser, "Es tut mir so leid." Genauso zärtlich wie er es vorhin bei seinem Freund gemacht hatte, rieb er nun seinen Kopf an meiner Wange. Sachte drückte er mein Kinn nach oben, so als wollte er mich dazu ermutigen, nicht aufzugeben.

"Er hat Recht. Noch ist nichts verloren." Haudrauf. Ein Teil von mir war dankbar für diesen Trost, ein anderer fragte sich, wie er so ruhig bleiben konnte. Trotz alldem war er immer noch ein Fels in der Brandung, der eine unerschütterliche geistige Stärke ausstrahlte.

"Gothi wird das Gegengift finden und wir alle werden ihr dabei helfen, es herzustellen. Wir werden ihn retten, vertrau mir." Fischbein. Seine Stimme war voller Zuversicht, dabei wusste ich genau, wie viel Kraft es ihn kostete.

"Glaub mir, mein Hicks-Bruder lässt sich nicht so leicht unterkriegen." Dagur. Nie hätte ich gedacht, dass dieser schräge Berserker mit der irren Lache sich einmal so um mich kümmern würde, aber ich war froh darüber.

"Ja, wer soll uns denn sonst anmeckern, wenn wir mal wieder etwas angestellt haben?" Die Zwillinge. Sogar jetzt musste ich über sie schmunzeln. Ja, sie waren Knallköpfe und ziemlich nervig, aber wenn es darauf ankam, waren sie doch für einen da.

"Komm schon, sonst gibst du auch nicht so schnell auf." Rotzbakke. Mal wieder zeigte sich, dass er nicht so gleichgültig war wie er immer vorgab. Und er hatte Recht. Sie alle hatten Recht. 

Ein wenig beschämt wischte ich die Tränen ab und stand auf. Um mich herum bildeten meine Freunde einen geschlossenen Kreis. Sie waren für mich da. Sie vertrauten mir. Wir waren ein Team und das hieß, dass wir einander nicht im Stich ließen. 

Aber jemand musste die Führung übernehmen. Jemand, der sich nicht wie Haudrauf um die Belange des Dorfes kümmern musste. Jemand wie ich. Denn ich würde nicht zulassen, dass Hicks starb. Niemals. Außerdem musste es noch irgendwer den Drachenjägern heimzahlen. Vorzugsweise ich selber. Also musste ich mich verdammt noch mal zusammenreißen.

"Fischbein, Dagur, ihr schaut die Drachenaugennotizen durch. Vielleicht findet ihr ja etwas darüber. Raff, du leitest Dagurs Team, Taff kann dann Fischbeins Aufgabe übernehmen. Rotzbakke, deine Aufgabe bleibt die gleiche."

"Nicht, dass ich mich davor drücken will, aber Hakenzahn hat sich davongemacht." Oh Mann. Ein Mal mit Profis arbeiten.

"Schön, dann tausche halt mit Dagur. Ich bleibe hier und helfe Gothi."

Zwei Stunden später war noch nicht wirklich viel passiert. Wir hatten Hicks etwas zu essen gegeben, was ihn deutlich gesünder aussehen ließ, aber das Gift wurde immer schlimmer. Vorhin hatte er beinahe Gothi erwürgt. Dabei hatte er irgendetwas von "Viggo" und "Ohnezahn nicht töten" gestammelt. Wahrscheinlich verursachte dieses Gift auch noch Halluzinationen.

Deswegen befand ich mich gerade auf dem Weg zu Fischbein. Vielleicht half uns das ja endlich. Laut pochte ich an die Haustür der Ingermans. Sofort flog sie auf, wobei sie mich fast umriss. Der Verantwortliche war natürlich kein Geringerer als Rotzbakke.

"Astrid, endlich! Du hast keine Ahnung, wie langweilig mir ist!" 

"Rotzbakke, lass mich durch. Ich muss dringend zu Fischbein." Widerwillig machte er Platz. Na endlich. So schnell ich konnte, stürmte ich die Treppe zu seinem Zimmer hoch.

"Fischbein! Ich hab noch einen Hinweis!", rief ich aufgeregt.

"Astrid! Bei Thor, du hast mich erschreckt. Noch ein Symptom? Das ist gut, ich habe nämlich immer noch nichts gefunden. Aber sag, was ist denn mit ihm?", erkundigte er sich.

"Er hat Halluzinationen. Außerdem scheint sein Orientierungssinn komplett hinüber, er ist vorhin mehrmals gegen eine Wand gelaufen und er hat versucht, Gothi zu erwürgen", beschrieb ich die letzten Stunden, während er die Zettel durchblätterte.

"Das ist ganz schön merkwürdig. Die Symptome in Kombination passen nämlich zu keinem bekannten Gift." Was sollte das heißen? Ein Gift, das es nicht gab? Oder hatte Viggo ein neues Gift entwickelt? Dann stand es nämlich schlecht.

Plötzlich fuhr ein Windstoß durch das Fenster und wirbelte die Notizen durcheinander. Ich bückte mich, um sie aufzuheben. Dabei sprang mir einer besonders ins Auge.

"Fischbein, sieh nur! Hier passen alle Symptome! Aggressivität, Orientierungslosigkeit, Halluzinationen, Kraftlosigkeit, Verwirrung, grüne Färbung bei hoher Konzentration, alles drauf. Es ist Drachenwurz!" Völlig elektrisiert sprang ich auf. Wir hatten die Lösung! Alles würde gut werden. Doch Fischbein machte mien Euphorie zunichte:

"Das wirkt aber nur bei Drachen." Oh. Er hatte Recht. Dann hieß es von vorne anfangen. Nur wie viel Zeit blieb uns noch? Nicht einmal darauf hatten wir eine Antwort.

"Außer... Ist das überhaupt möglich? Theoretisch schon, aber ich wüsste nicht, was sie verwendet haben können", überlegte Fischbein.

"Was? Was haben sie verwendet?", fragte ich ungeduldig.

"Einen Transmitter, etwas, das es auch für Menschen wirksam macht. Ja, das würde zu Viggo passen.Ich weiß zwar nicht, welchen er verwendet hat, aber das macht nichts, jetzt wissen wir, wonach wir suchen müssen! Wir brauchen einfach ein Gegenmittel für Drachenwurz. Ich bin mir sicher, ich habe das Rezept noch hier rumliegen."

War das wirklich möglich? Gab es Hoffnung? Die Antwort war ja. Wir würden ihn retten, dessen war ich mir sicher. Es gab keinen anderen Weg.

So, da bin ich wieder mit einem neuen Kapitel. Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat, aber ich habe nächste Woche eine Theateraufführung und jede Menge Arbeiten. Ich hoffe, dass es euch gefallen hat. Fällt jemandem ein passender Titel für das Kapitel ein? Wenn ja, dann schreibt ihn einfach in die Kommentare, genauso wie Verbesserungsvorschläge, Anregungen usw. Bis bald,

Eure Elementara



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