Kapitel 27: Nie mehr
Astrid
Ich spürte, wie die Lebenskraft aus meinem Körper wich. Immer weiter trat alles um mich herum in den Hintergrund, immer weiter senkte sich der dunkle Mantel des Todes über mich. Das einzige, was mich bei Bewusstsein hielt, war mein eiserner Wille. Ich würde nicht sterben, bevor ich Hicks nicht gesagt hatte, dass ich ihn liebte. Ich würde nicht sterben. Ich würde. Nicht. Sterben. Doch es war ein Kampf, den ich nicht gewinnen konnte. Egal, wie sehr ich mich anstrengte, mir blieb höchstens noch eine Minute.
Eine letzte Minute mit Hicks. So wenig Zeit. Aber genug Zeit, um wenigstens einen meiner Vorsätze zu erfüllen. Und so sagte ich es, sagte Hicks, wie sehr ich ihn liebte. Tränen tropften auf mich herunter, tausend Küsse, die wir uns nie würden geben können. Denn auch er liebte mich. Wir hatten es einander nie gesagt und jetzt war es zu spät. Viel zu spät. So viel verlorene Zeit. Mit aller Kraft, die mir noch blieb, flüsterte ich:
"Ich wusste es."
Dann gab ich meinen Widerstand auf. Ein schwarzer Nebel breitete sich vom Rand meines Blickfeldes aus, bis er es vollständig füllte. Ich schwebte im Nichts, in einem schwarzen Nichts, ahnungslos, willenlos. Doch das Nichts war nicht undurchdringlich, ein lila Lichtstrahl tastete sich vor, brachte das Nichts zum Schmelzen. Mit der Wärme eines prasselnden Kaminfeuers berührte er mich, ließ mich leuchten in all der Dunkelheit. Dabei war es gar keine finstere Leere, bloß ein schwarzer Nebel, der sich stetig verflüchtigte.
Von einem unbändigen Lebenswillen getrieben, schnappte ich nach Luft, sog so viel wie möglich in mich hinein. Blitzartig tragen alle Eindrücke wieder auf mich ein. Der harte, staubige Boden, auf dem ich lag. Der Geruch von Blut. Das Geräusch meines Atems. Das Bild eines toten Nachtschattens, das sich unauslöschlich in meine Netzhäute einbrannte.
Was war geschehen? Hicks hatte doch nicht etwa Ohnezahn getötet, oder? Bitte nicht! Das hatte ich nicht verdient, mal ganz abgesehen davon, dass so eine Tat Hicks' Herz gebrochen haben musste. Wo war er überhaupt? Schwankend wie ein Baum im Sturm richtete ich mich auf, wobei ich es vermied, den Nachtschatten anzufassen.
Wer auch immer er war, Ohnezahn war es nicht, denn der stand immer noch auf dem Podest, auf dem er in die Arena gebracht worden war und brüllte sich die Seele aus dem Leib. Unsicher taumelte ich auf ihn zu, meine Beine zitterten unkontrolliert.
"Schh, ist alles gut. Ich hole dich hier raus und dann hauen wir mit Hicks und den anderen von hier ab."
Woher kamen diese beruhigenden Worte? Ich wusste doch nicht einmal, was passiert war, wie konnte ich dann Ohnezahn trösten? Er hegte den gleichen Gedanken, denn nach einem sonderbaren Blick brüllte er weiter. Ich war eben nicht Hicks, er hätte ihn sicherlich beruhigen können. Bloß wo war er?
Das letzte, woran ich mich erinnern konnte, war, dass er mich im Arm gehalten hatte. Und dann... Nichts, Schwärze, bis auf einen violetten Lichtstrahl. Hatte er meine Wunde geheilt, so wie Viggo es von dem Kristall behauptet hatte? Behutsam vergrößerte ich den Riss in meiner Hose. Unversehrte Haut blitzte darunter auf. Nur eine leichte Rötung wies auf die Verletzung hin, die mich so nahe an den Tod gebracht hatte.
Ein Schauer durchfuhr mich. Wie war das möglich? Hicks musste den Nachtschatten getötet haben. Aber woher kam er? Und wo war Hicks? Mit brechender Stimme rief ich nach ihm. Keine Antwort.
Ein lila Funkeln erregte meine Aufmerksamkeit. Halb verscharrt im Sand lag ein geschliffener Kristall, nicht größer als mein Daumennagel. Mit steifen Fingern hob ich ihn auf. Dieses Ding hatte mein Leben gerettet - und barg die tote Seele eines Anderen.
Die letzte Ehre erweisend kniete ich mich vor den Nachtschatten hin. Sein Leben war genommen worden, um meines zu retten. Ein Regen aus Schuldgefühlen prasselte auf mich ein. So ein stolzer Drache, so klein im Tod.
Kaum hatte ich mich hingekniet, begann sich der Körper an manchen Stellen zu verformen. Beine wurden länger und schmaler, Flügel und Schwanz verkürzten sich, der Kopf schrumpfte und wurde runder, überall zogen sich Schuppen zurück. Immer schneller ging die Verwandlung vonstatten und immer mehr waren meine Glieder wie gelähmt. Nach zwei fürchterlichen Minuten war es vorbei.
Vor mir lag die Leiche eines Menschen.
Vor mir lag Hicks, wie eine achtlos weggeworfene Puppe.
In diesem Moment zerbrach etwas in mir. Klirrend zersprang mein Herz in tausend Stücke. Jede Faser schrie vor Schmerz über diesen unvorstellbaren Verlust. Dumpf nahm ich wahr, wie ich zu Boden sackte, direkt neben Hicks' toten Körper.
Nie mehr würde ich ihn sehen können, mit ihm lachen, mir meine Zukunft mit ihm ausmalen. Nie mehr würde er über die Zwillinge den Kopf schütteln, genial-verrückte Sachen erfinden, strahlend vor Glück mit Ohnezahn Ausflüge machen. Nie mehr würde er halsbrecherische Unternehmungen wagen, bei jedem neuen Drachen vor Begeisterung ausrasten. Nie mehr würde er mich anblicken. besorgt, aber vertrauensvoll; unsicher, aber voller Liebe.
Er war weg und würde nie mehr zurückkommen.
Er war weg und ich war noch hier.
Er war weg, hatte sein Leben für das meine gegeben.
Er war weg und es war meine Schuld.
Ich wurde von tausend Wirbelstürmen gleichzeitig durch die Luft geschleudert, ertrank in tausend Seen, stürzte in tausend Vulkane. Tausend Tode starb ich innerhalb von einem Augenblick, vielleicht war es auch eine Stunde oder sogar ein Jahr, ich hätte es nicht sagen können. Und doch blieb ich am Leben während Hicks tot war, tot, tot, tot!
Wie konnte das sein? Es musste sich um einen Irrtum handeln, einen Fehler der Götter. Doch die Götter irrten nicht. Es war Viggos Schuld, weil er Hicks vor diese unmenschliche Entscheidung gestellt hatte, es war Romis Schuld, weil sie seinen Zorn verursacht hatte. Es war Ohnezahns schuld, weil Hicks es nicht übers Herz gebracht hatte, ihn zu töten, genauso wie es meine Schuld war, weil Hicks mich nicht hatte sterben lassen können. Es war die Schuld des Jägers, weil er den entscheidenden Hieb ausgeführt hatte und es war Hicks' Schuld, weil er so verflucht edel war.
Ich wusste, ich dachte Blödsinn, vielleicht war ich auch verrückt geworden. Es spielte sowieso keine Rolle. Nur Hicks zählte und er war weg. Er war tot, verdammt noch mal!
Am Rande meines Bewusstseins hörte ich einen Knall, wie von einer Explosion. Ob das der klang einer Welt war, die gerade in ihre Einzelteile zerbarst? Denn so fühlte sich alles an. Das konnte doch nicht wahr sein, all das ergab doch überhaupt keinen Sinn. Fast schon komisch, das Ganze! Hysterisch lachte ich auf und als ich einmal angefangen hatte, konnte ich nicht mehr aufhören. Nach einiger Zeit verebbte es und wurde ersetzt durch haltloses Schluchzen. So mussten mich meine Freunde gefunden haben. Die draufgängerische, tapfere Astrid, jetzt nur noch ein einziges Nervenbündel.
Entsetzte Schreie drangen zu mir durch und dann packte mich jemand unter den Armen. Dieselbe Person stützte mich auch, als meine Beine mich nicht tragen wollten. Halb besinnungslos stolperte ich mit der Gruppe mit. Niemand hielt uns auf, zumindest wurde mir das später erzählt. In meinen Armen trug ich Hicks' Leichnam, niemandem hatte ich ihn anvertrauen wollen. Meine Tränen benetzten sein Gesicht, das starr gen Himmel schaute. Kein Fünkchen Leben mehr in seinen Augen, nichts von der Person, die ich so sehr liebte. All das hatte sich in dem Kristall gesammelt, der gegen die Innenfläche meiner Hand drückte. Wie konnte es sein, dass alles verschwand, wenn man beides trennte, Seele und Körper? Wenn man sie nur wieder zusammenfügen könnte! Aber das war unmöglich.
Auch auf dem Rückflug ließ ich ihn nicht los, während ich steif auf Sturmpfeils Rücken saß. Die kleinste Windböe hätte mich herunterwehen können, so wenig Kraft besaß ich noch. Es hätte mir nichts ausgemacht.
Die ganzen zwei Stunden bis zur Drachenbasis weinte ich. Als wir dort ankamen, war kein Tropfen Wasser mehr in mir übrig. Wie eine vertrocknete Blume war ich innerlich tot. Kein Gefühl, kein Gedanke, nichts. Auch meine Freunde trugen kein bisschen Energie mehr in sich, so sehr hatten sie geweint.
Fischbeins Gesicht glänzte vor vergossenen Tränen. Rotzbacke schniefte und schluchzte, ohne sich darum zu kümmern, dass er normalerweise nie zugeben würde, geweint zu haben. Raffs Wangen waren von silbrigen Sturzbächen überzogen, die sie unablässig mit ihren Zöpfen abtrocknete und Taff heulte immer wieder blitzartig auf. Romis Augen waren gerötet, ihr Gesicht eine Maske des Grauens. Selbst die Drachen waren heiser, sie hatten sich die Kehlen wund gebrüllt über den Verlust dieses wunderbaren Jungens.
Immer war er für alle eingestanden, hatte sich in die größten Gefahren begeben, am meisten durchgemacht und wofür? Erneut begann ich, unkontrolliert zu zittern und ich verfluchte die Götter, für das, was sie getan hatten. Sollten sie mich doch holen! Alles, was ich wollte, war dass Hicks noch lebte, doch ausgerechnet dieser Wunsch blieb mir verwehrt. Ich hätte alles auf der Welt dafür eingetauscht, alles getan. Doch niemand erschien, um mir zu sagen, dass ich ihn retten konnte, und das Universum drehte sich mit unerbittlicher Gleichgültigkeit weiter. Warum? Warum gerade er? Warum nicht Viggo oder Romi oder ich? Alle hätten es mehr verdient, aber so etwas wir Gerechtigkeit schien es nicht zu geben. Sonst wäre Hicks noch am Leben.
Mitfühlend stupste Sturmpfeil mich in die Seite und als ich nicht reagierte, zog sie mich kurzerhand mit ihrem Schwanz auf die Beine. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich zu Boden gesunken war. Mich sachte stützend brachte sie mich zu meiner Hütte, wo ich mich direkt unter meiner Bettdecke verkroch. Die Welt aussperren, alles vergessen. Mich an Sturmpfeil kuscheln und von ihrem heißen, rhythmischen Atem einlullen lassen.
Ich öffnete die Tür zur Schmiede. Hitze wallte mir entgegen. Vor mir stand Hicks, völlig vertieft in seine Schmiedearbeit, ein eisernes Modell einer Arena, darin zwei Menschen und ein Drache aus Silber.
Dieses Bild ... das kannte ich! Es zeigte ... es zeigte ... Es zeigte die Zukunft!
Die Szene verschwamm vor meinen Augen.
Ich stürzte durch eine schwarze Leere. Tief unter mir funkelte ein silberner Stern.
"Gefällt es dir?", ertönte plötzlich Hicks' Stimme, "Ich nenne es 'Verrat'."
Der Stern entpuppte sich als sein Modell der Arena. Ich wollte protestieren, ihm sagen, dass ich ihn niemals verraten würde, doch ich stürzte in eine der Figuren, in die, die mich darstellte. Alles Silber wich aus dem Standbild und die Szene erwachte zum Leben.
Ich lag blutend in Hicks' Armen. Ein ums andere Mal flüsterte er: "Ich liebe dich!" Kraftlos führte ich eine Flasche an seine Lippen. Dann rammte ich ihm sein Schwert in die Brust. Geschockt rief er:
"Du hast mich verraten! Du hast mich umgebracht!"
Ein Schrei gellte in meinen Ohren. Was war passiert? Wer hatte geschrieen? Ich lauschte nach einem weiteren Schrei, doch keiner kam. Erst nach einiger Zeit ging mir auf, dass es wohl ich gewesen war, die geschrieen hatte. Immer noch ging mein Atem schwer und ein namenloser Schrecken lähmte meine Glieder. Was hatte mich so in Angst versetzt? Ich musste eingeschlafen sein, denn ich hatte geträumt. Ich hatte geträumt, ich hätte Hicks umgebracht.
Schmerzhaft zog sich meine Brust zusammen. Ich hatte ihn zwar nicht getötet, aber dennoch war er tot. Er war tot und würde nie mehr zurückkommen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich an die Decke, kraftlos, antriebslos. Ein paar Augenblicke und die gesamte Welt hatte ihre Bedeutung verloren. Was kümmerte es mich noch, was in ihr geschah? Von mir aus konnte sie untergehen. Dann wäre ich wenigstens mit Hicks vereint.
Seufzend drehte ich mich in dem kalten Bett herum, zog die Decke bis ans Kinn, nur um sie im nächsten Moment zerknüllt wegzuwerfen. Halbherzig schlug ich gegen die Wand, dann stärker, bis ich meine gesamte Trauer und Wut in die Hiebe legte. Unablässig krachten meine Fäuste gegen das Holz, jeder Schlag begleitet von einem inneren Urschrei. Warum? Warum? Warum er? Warum nicht ich?
"Astrid? Astrid!"
Zitternd wandte ich mich zur Tür. Blut sickerte aus meinen offenen Knöcheln. Ich musste ein furchtbares Bild abgegeben haben für Haudrauf, der in sich zusammengesunken im Türrahmen stand, das Gesicht zerfurcht vor Kummer. Er schien um Jahre gealtert. Die anderen mussten ihm erzählt haben, was vorgefallen war. Ich erwartete einen Ansturm von Vorwürfen, Schuldzuweisungen, doch stattdessen ließ er sich neben mich auf das bedrohlich ächzende Bett fallen.
"Ein Held, bis zum Schluss."
Dann verfielen wir für lange Zeit in ein bedrücktes Schweigen, während wir unseren Gedanken über Hicks nachhingen. Die Trauer, die uns verband, war jenseits aller Worte. Es dauerte, bis ich endlich genug Mut zusammengekratzt hatte, um nach draußen zu gehen. Von wo, wusste ich nicht.
Draußen brannte die Sonne weiter als wäre nichts geschehen. Als wäre die Welt noch in Ordnung, Hicks noch am Leben. Am liebsten hätte ich mich wieder in meinem Zimmer verkrochen, doch ich konnte nicht ewig die Augen vor dem verschließen, was passiert war und in meinem Kummer zerfließen. Doch allein schon der kurze Weg zum Clubhaus erwies sich als schwerer als gedacht. Jeder Schritt erforderte mehr Kraft als ich eigentlich aufbringen konnte, wollte doch alles in mir zu Boden sinken. Aber ich wollte nicht vor Haudrauf zusammenbrechen, schließlich tat er es auch nicht, obwohl sein Verlust mindestens genauso groß wie der meine war. Möglicherweise dachte er auch nur gleich wie ich und wir stützten uns so gegenseitig durch unsere Anwesenheit.
Alles hier erinnerte mich an Hicks, an jedem Fleckchen klebte eine Erinnerung. Und mit einem Mal prasselten lauter Bilder auf mich ein. Erstickt schrie ich auf. Vor mir stand Hicks, blickte liebevoll in meine Seele, unsere Hände streiften sich. Doch dann verblasste er wieder, ließ mich alleine auf dem Steg stehen, denn er war nur ein Produkt meines Unterbewusstseins. Er war nicht wirklich. Er war nicht hier. Er würde es nie mehr sein, nie mehr meine Hand so nehmen wie gerade eben.
"Geh weiter, Astrid", flüsterte eine Stimme in mir. Hicks' Stimme.
Würde das von nun an nie mehr aufhören? Würde ich ihn immer vor mir sehen, ihn immer hören? Würde ich immer an ihn erinnert werden, sein Geist mich ewig verfolgen?
"Geh weiter, Astrid. Bitte. Geh weiter, ich weiß, dass du das kannst."
Konnte ich das? Wäre es nicht einfacher, für alle Zeit hier stehen zu bleiben?
"Komm schon. Nur ein Schritt. Danach lasse ich dich in Ruhe."
Na schön. Ein Schritt. Unsicher hob ich meinen Fuß an und setzte ihn vor den anderen. Genauso plötzlich wie sie gekommen war, verschwand die Starre wieder. Es konnte nicht mehr als eine Sekunde vergangen sein, denn Haudrauf zeigte sich nicht im geringsten erstaunt über mein abruptes Stehenbleiben.
Zögerlich drückte ich die Klinke des Clubhauses runter. An der Außenwand befanden sich noch Reste der Verriegelung, die wir für die Verhandlung gebaut hatten. Überbleibsel einer vergangenen Zeit, eines vergangenen Lebens. Denn eins stand fest, ich würde nie mehr dieselbe Astrid sein können. Bloß wer war ich dann?
Ich öffnete endgültig die Tür. Fünf Blicke blieben an mir hängen. Ohne jemanden anzusehen schritt ich wie von jemandem gesteuert durch die Hütte und ließ mich auf meinem Platz nieder. Neben mir ein leerer Hocker. Schmerzhaft krampfte sich alles in mir zusammen. Auf diesem Stuhl würde nie wieder jemand sitzen, nie wieder mit uns reden, lachen, Dinge besprechen.
Stumm begannen wir, mechanisch die fade Suppe zu löffeln, ein jeder dumpf in seine Schüssel starrend. Ich jedoch rührte nichts an. Wie konnte ich essen, wenn Hicks tot war? Wie konnte ich weiterleben? Es hieß, Zeit heilte alle Wunden, doch diese Wunde konnte nicht geheilt werden.
"Wir müssen ihn bestatten", warf Rotzbacke in den Raum. Sechs Paar Augen durchbohrten ihn.
"Ich meine ... Er braucht eine anständige Bestattung. Wir können ihn nicht einfach so liegen lassen, das hat ... das hätte er nicht verdient."
Qualvoll verzog er das Gesicht unter dem erdrückenden Klang seiner Worte. Mit einer Bestattung gab man alle Hoffnungen auf, die Person wiederzusehen. Man zog einen Schlussstrich unter das Leben der Person, es bedeutete, endgültig mit ihm abzuschließen. Und dafür war ich noch nicht bereit. Allein die Götter wussten, ob ich jemals an diesen Punkt gelangen würde.
Nach dem Essen, von dem ich nur einen einzigen Löffel zu mir genommen hatte, bat ich Fischbein, mich zu Hicks zu führen. Ein letztes Mal wollte ich ihn sehen, ihn berühren, bevor er für immer aus meinem Leben verschwunden sein würde. Vielleicht konnte das den nagenden Schmerz in meinem Inneren ein wenig lindern, die Leere davon abhalten, mich vollends zu verschlingen. Wobei das wahrscheinlich nie mehr gelingen würde.
Draußen wehte ein schaler Wind. Leichter Nieselregen machte die Holzbretter glitschig und ließ meine Kleider an der Haut festkleben. Wortlos führte Fischbein mich zu Hicks' Hütte. Würde das ewig so weitergehen? Würden wir unser ganzes Leben lang nebeneinander her schweigen, bis auch der letzte von uns einging, wie eine Topfpflanze, der man zu wenig Wasser gegeben hatte? Das hätte Hicks sicher nicht gewollt. Aber was sollte man tun, wenn alle Worte unter einer Lawine aus Kummer verschüttet worden waren? Was sollte man tun, wenn die ganze Welt ihren Sinn verlor? Nur zu gerne hätte ich die leblose Stille, die uns im Griff hielt, durchbrochen, doch ich konnte es nicht.
Ich konnte es nicht.
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