Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

Kapitel 16: Endlich

Astrid

Ich konnte nicht schlafen. Natürlich nicht. In den letzten Wochen war Schlaf für mich zu einem Fremdwort geworden, so als wolle mein Körper den Überschuss der Zeit davor ausgleichen. Lediglich eine seltsame Starre hatte meine Glieder befallen und fesselte mich an den Boden. Vielleicht hätte ich mich von ihr lösen können, wenn ich gewollt hätte. Doch ich wagte nicht zu offenbaren, dass ich die ganze Zeit wach gewesen war, jedes einzelne Wort der geflüsterten Unterhaltungen gehört hatte. Schäbig wäre ich mir vorgekommen, von ihren Reaktionen ganz zu schweigen. Also lauschte ich weiterhin in die Dunkelheit, hangelte mich an den Worten entlang, klaubte einzelne Satzfetzen auf, deren Bedeutung immer mehr aus ihnen heraussickerte, bis sie nur noch leere Hüllen waren. Sinnlos aneinandergereihte Töne, die genau dadurch ihre betörende Wirkung entfalteten. 

"Astrid."

Jemand rüttelte meine Schulter.

"Du bist dran."

Schlagartig fielen die Bänder von mir ab, das Blei in meinen Adern begann zu brodeln, zu dampfen. Ich stemmte mich hoch und nickte dem herzhaft gähnenden Rotzbacke zu.

"Leg dich hin, ich mach das schon."

Auch er nickte, ernsthafter als ich es ihm jemals zugetraut hätte, angelte sich ein letztes Stück Käse und streckte sich auf dem Boden aus.

"Astrid?"

"Hm?"

"Ich..." Er biss auf seine Unterlippe. "Ach, vergiss es." Dann stopfte er sich den Käse in den Mund und rollte auf die andere Seite.

Wahrscheinlich hätte ich etwas erwidern sollen, aber ich wusste nicht, was. Also nuschelte ich lediglich ein "Gute Nacht". Innerhalb weniger Minuten schnaufte er gleichmäßig und tief. Zwei-, dreimal vergewisserte ich mich, dass sowohl er als auch alle anderen schliefen, dann rückte ich näher an Liska heran.

"Du brauchst Informationen."

"Und ich habe sie", hing unüberhörbar im Raum.

"Ich wusste gar nicht, dass ich es mit einer Rebellin zu tun habe."

"Mir geht es bloß um meine Rache."

"Rache? Und weswegen?"

Ihr Tonfall sagte deutlich, dass es sie nicht kümmerte. 

"Sie ist schuld am Tod von Hicks."

"Und das ist ...?"

Desinteresse waberte durch den Raum. Gab es etwas, das diese Frau nicht kalt ließ? Wahrscheinlich nicht. Dennoch redete ich weiter, quetschte die Wörter durch meine Lippen.

"Er war mein ..."

Mein was? Was war er für mich gewesen? Mein Freund bestimmt nicht, das hatte meine Feigheit verhindert. Aber auch nicht nur ein  Freund. Dazu war das Band zwischen uns zu tief. Gewesen. Zu tief gewesen. Wie anders hätte es sein können, hätte ich nur ein einziges verfluchtes Mal den Mut aufgebracht, ihm meine Gefühle zu gestehen! Dumm und feige war ich gewesen, hatte damit gerechnet, noch ein ganzes Leben lang Zeit dafür zu haben. Doch die Zeit kannte keine Wünsche und ich hatte hunderte Gelegenheiten verpasst, hunderte entscheidende Momente verstreichen lassen. 

"Alles klar bei dir?"

Mein Kopf ruckte zu Liska hin, fand dort einen sonderbaren Ausdruck vor. Hatte sie Bauchschmerzen? Kopfweh? Dann jedoch ging mir auf, dass es sich um Mitleid handeln musste, merkwürdig deplatziert in ihrem unbarmherzigen Gesicht.

"Mädchen?"

"Alles gut."

"Natürlich. Deswegen siehst du auch aus, als hättest du einen Teller Nägel verschluckt."

Konnte sie nicht einfach verschwinden? Jede ihre Äußerungen befeuerte weiter den Kampf zwischen meinem Rachedurst und dem Teil, der sie mit einem saftigen Tritt in den Hintern von der Insel jagen wollte.

"Hast du eine Ahnung, wie es mir geht? Nein! Niemand tut das. Also halt gefälligst die Klappe!"

Ihre Augenbraue wanderte ein Stück nach oben auf dieser unnahbaren Maske.

"Du bist also der einzige Mensch auf dieser Welt der eine geliebte Person nicht rächen konnte? Glaub mir, ich verstehe dich besser als du denkst."

Ich war mir nicht sicher, worüber ich mich mehr wundern sollte: dass diese abweisende, gefühllose Frau mal geliebt haben sollte oder dass sie nicht in der Lage gewesen war, es dem Mörder dieser Person heimzuzahlen. 

"Du sagtest, du hast Informationen."

Sie machte dicht. Natürlich machte sie das. 

"Was willst du wissen?"

"Alles."

Ich schloss die Augen, schmeckte die bittere Süße der Rache auf meiner Zunge. Sprach.

"Sie ist achtzehn Jahre alt. Lange, braune Haare in zwei Zöpfen, die nach unten hin heller werden - oder nein, sie hat sie abgeschnitten, glaube ich. Blaugraue Augen. Trägt immer einen Gürtel mit einem komischen Symbol darauf."

Mit einem Stück Kohle zeichnete ich die Umrisse auf den Boden. Wachsam folgten Liskas Augen meinen Bewegungen. Im flackernden Licht des Kamins schien das Zeichen beinahe aus sich selbst heraus zu leuchten. Draußen heulte der Wind, jagte um die große Halle, pfiff durch den Kamin. Schlagartig sank die Helligkeit im Raum, der Luftzug drückte das Feuer nach unten. Das diffuse Dämmerlicht ließ Liskas Gesicht wie einen Totenschädel aussehen.

"Eigentlich wirkt sie ganz unschuldig, aber man kann ihr kein Stückchen über den Weg trauen."

"Du hast einen ganz schönen Hass auf sie."

Liskas Stimme schien von überall und nirgends zu kommen. Gleichgültig und kalt, eine weitere Windböe, die einen packte, wenn man es am wenigsten erwartete. 

"Sie ist eine Verräterin."

Von meinen Zähnen ging ein schmerzhaftes Ziehen aus, ich hatte gar nicht bemerkt, wie fest ich sie aufeinander presste.

"Ein scheinheiliges Luder, das nur an sich selbst denkt. Sie ist bei Drachenjägern aufgewachsen. Im Sommer hat sie dann so getan, als wolle sie sich uns anschließen."

Verächtlich schnaubte ich. Wie dumm hatten wir sein können, darauf reinzufallen? Schon die Prügelei zwischen uns beiden hätte uns ein deutliches Zeichen sein müssen. Nicht zu vergessen dass sie vom hinterhältigsten Mann dieser Welt aufgezogen worden war. So dumm waren wir gewesen, so naiv, hatten uns blindlings auf die Schlachtbank führen lassen. 

"Sie hat uns verraten und deswegen -" Meine Stimme machte krächzend Halt, als weigere sie sich, die nächsten Wörter auszusprechen. Doch ich zwang mich dazu, zwang mich, die furchtbare Realität  auszusprechen. "Deswegen ist Hicks gestorben."

Gestorben. Wie konnte ein einfaches Wort, eine so simple Anhäufung von Lauten so tief schneiden - auch nach über drei Monaten noch? Aber wahrscheinlich hätten nicht einmal drei Jahrhunderte gereicht, um dieses Messer abstumpfen zu lassen.

"Danach ist sie abgehauen."

Wie konnte ich so ungerührt weiterreden, wenn alles in mir sich danach sehnte, in Tränen auszubrechen und haltlos zu schreien, an meinen Haaren zu zerren und mit den Fäusten auf den Boden zu trommeln? In meinem Hals schwoll ein unnachgiebiger Kloß an und drückte ihn auseinander. Weder atmen noch schlucken funktionierte richtig, mir war schleierhaft, wie ich überhaupt sprechen konnte.

"Hat auch ihre Leute im Stich gelassen. Irgendwie ist sie zu Heidrun und Dagur gekommen - die Berserkeroberhäupter."

Liska ruckte mit dem Kopf, ihr Gesicht wie aus Stein gemeißelt.

"Die haben sie zu uns mitgenommen. Es gab eine Prügelei - deswegen sind alle so komisch drauf."

"Das weiß ich längst", fuhr sie mir über den Mund, "Wie kann ich sie finden? Erzähl mir etwas Nützliches! Du sagtest, du kennst sie, was ist mit ihrem Charakter?"

Eine Aufzählung an Schimpfwörtern hätte es wohl am besten getan, aber ich riss mich zusammen. 

"Sie wirkt nett und harmlos, jünger als sie ist. Kein Wunder, wer so verwöhnt aufwächst."

"Verwöhnt?"

Thor, gab es einen Ort, an dem man diesen unbarmherzigen Blicken entkommen konnte? Wahrscheinlich brauchte sie nicht mal Messer für ihre Arbeit - ein solcher Blick reichte, um jedem das Herz vor Angst stehen zu lassen. 

"Sie stammt aus einer reichen Drachenjägerfamilie. Drecksschweine, allesamt."

Ich spuckte aus, doch der ranzige Geschmack der Erinnerung blieb hängen. Eine Sekunde lang blitzte in Liskas gleichgültiger Maske Missbilligung, ja, Verstimmung auf. Dass jemand wie sie sich an ein bisschen Spucke störte ... Nun gut, egal.

Oder überhaupt nicht egal, denn Fischbein begann, sich zu regen und zu stöhnen. Ich hatte ihn doch nicht etwa getroffen, oder?

"Alles gut, schlaf weiter", murmelte ich ihm zu, "Alles in O-"

Zu spät.

Der Ausdruck von Verrat in seinem runden, liebenswürdigen Gesicht schmerzte schlimmer als ein Brandpfeil. 

"Astrid! A-aber Haudrauf hat gesagt -"

"Mir egal, was Haudrauf gesagt hat."

Oh, ich konnte mich selbst nicht ausstehen in diesem Moment. Am liebsten hätte ich meinen Mund mit Harz zugeklebt, doch es war keines da und so konnte ich mein Gift nicht zurückhalten.

"Sie ist gefährlich!"

Noch immer kam seine Stimme kaum über ein Flüstern heraus.

"Ich werd' auch gefährlich, wenn du nicht die Klappe hälst!"

Am liebsten hätte ich mir selbst eine gescheuert. Niemand hatte meine Schnippigkeit verdient und am allerwenigsten der immer sanfte, ohnehin schon am Boden zerstörte Fischbein. Doch was sonst sagen, was sonst tun? Wut war der einzige Panzer, der die wehleidige Tränensuppe in meinem Inneren zusammenhielt. Auch wenn sie sich gegen jene richtete, die am wenigsten dafür konnten, ich brauchte sie noch. Sie war das Einzige, was mich vor einem Zusammenbruch bewahrte, ich musste mich weiterhin an ihr festhalten.

Leichter gesagt als getan, wenn Fischbein seine Unterlippe knetete und meinem Blick auswich.

"Schlaf jetzt weiter", versuchte ich, ihn zu beschwichtigen, "Du hast deine Schicht schon hinter dir."

Er kniff die Augen zusammen.

"D-du machst aber nichts Dummes?"

"Natürlich nicht."

Viel zu leicht ging diese Lüge über die Lippen. Viel zu schwach meldete sich das schlechte Gewissen. Es sollte mir eine Warnung sein, das wusste ich, doch das bisschen Bedauern verblasste angesichts der Erleichterung über sein "Gute Nacht".

Er glaubte mir kein Wort, das las ich aus der steilen Falte zwischen seinen Augenbrauen. Doch er legte sich wieder hin und schon bald mischte sich seinen Atemzügen ein leichtes Brummeln dazu. Liska, die die ganze Szene mit zusammengekniffenen Augenbrauen betrachtet hatte, öffnete den Mund.

"Spar dir deine Kommentare", würgte ich sie ab, "Willst du etwas über Romi hören oder nicht?"

"Aber natürlich."

"Gut. Du musst wissen, dass sie recht intelligent ist, sonst hätte sie uns nicht alle an der Nase herumgeführt, aber irgendwie ziellos. Jedenfalls hat sie so getan."

Eine besonders heftige Windböe ließ die Tür in ihren Angeln klappern. Die Härchen auf meinen Oberarmen stellten sich auf. Draußen jaulte der Wind einen Trauermarsch, begleitet vom Gesang der Schrecklichen Schrecken. Die wenigen Kerzen flackerten, abermals wurden die Flammen im Kamin nach unten gedrückt. Das Prasseln von Hagel mischte sich dazu. 

"Und du? Was ist mit dir?"

Auf einmal kam mir die unheimliche Atmosphäre ganz passend vor. Denn Liska versteifte ihren Blick auf mich. Ohne die geringste körperliche Regung, sah mich einfach an mit ihren Habichtsaugen, das reglose Gesicht im Wechselspiel der Flammen beleuchtet. Wie eine wächserne Puppe sah sie aus, eine Puppe der Hel mit ihrem geteilten Gesicht - eine Hälfte lebendig, die andere tot und vernarbt. Nagelte mich fest. Durchleuchtete mich bis auf den Grund meiner Seele. Ich wäre nicht überrascht gewesen, hätte sie in diesem Moment offenbart, dass sie ein höheres Wesen wäre. 

"Neugier ist gefährlich, meine Liebe."

Die Gänsehaut wanderte weiter. Fuhr den Rücken hinunter, legte ihre klammen Hände um meinen Rumpf. Meine Finger fuhren über den Boden, auf der Suche nach Schutz. Doch da war nichts, nur ausgetretene Holzdielen.  

"Keine Entgegnung?"

Verzweifelt tastete meine Zunge nach Wörtern, fand nur Stille. Stille und Angst und darunter verborgen eine Murmel aus Wut. Die Angst hatte ihr Feuer erstickt, zu einem Glimmen gedämmt, doch sie konnte sie auch wieder entfachen. Und die Wut kam, mein mächtigster Schutzschild, zuverlässig wie immer. 

"Oh doch, die habe ich, Frau Ich-schaue-böse-und-alle-zittern-vor-mir! Denn mir jagst du keine Angst ein mit deinem bedrohlichen Gehabe! Du willst Informationen von mir? Dann hör auf, so herablassend und ... unheimlich! ICH BIN NÄMLICH DIEJENIGE, DIE IHR DORF HINTERGEHT, UM DIR ZU HELFEN! ICH, hörst du? Und du kannst -"

Donnern unterbrach mich, ich zuckte zusammen. 

"Angst bei Gewitter? Hätte ich nicht gedacht."

Ich hatte keine Angst bei Gewitter! Und schreckhaft war ich schon zweimal nicht! Diese Giftnudel konnte mich mal mit ihren ständigen Spötteleien. Auch wenn sie richtig beobachtet hatte. Zusammengezuckt war ich - doch wieso? Erst als sich alle anderen verschlafen regten, geweckt entweder von meinem Wutausbruch oder dem Dröhnen, ging mir auf, dass es sich nicht um Donner gehandelt hatte. 

Da war etwas Schweres, etwas Großes zu Boden gekracht.

"Kommt mit", zischte ich und stupste Rotzbacke mit dem Fuß an, "Da ist jemand."

Ein verstörter Ausdruck trat in sein Gesicht, augenblicklich befand er sich auf den Füßen. Fischbein knetete seine Finger, aber Raff verzog den Mund zu einem grimmigen Lächeln und langte nach ihrem Speer. Taff jedoch wedelte mit den Händen, nur um sich auf sie zu setzen und sie gleich danach wieder hervorzuholen.

"Ohne mich, meine Freunde. Ich würde gerne mitkommen, doch ich habe noch ... äh ... einen Helm zu polieren."

Auf besagtem Helm tanzten unsere Spiegelbilder, zwar verzerrt von der Wölbung, doch gestochen scharf. 

"Seit wann drückst du dich vor einem Kampf?"

"Ich drücke mich nicht!"

Fünf Paar hochgezogene Augenbrauen.

"Vielleicht ein bisschen?"

"Sag nicht, du hast Angst."

"Ich habe keine Angst!"

"Aber?"

"Aber ... na ja ... bei einem Kampf, da verletzt man Leute. Oder tötet sie."

Sein entschuldigendes Lächeln verkam zu einer Grimasse. Taff hatte Angst, jemanden zu töten? Verständlich, in gewisser Weise, doch wir durften nicht länger warten. Die verantwortliche Person konnte schon längst über alle Berge sein. Knapp nickte ich ihm zu, dann drehte ich mich um.  Auch ohne Erklärung folgten sie mir zur Tür, Raffnuss und Rotzbacke und Fischbein und Liska als Nachhut. Taff winkte uns halbherzig zu. 

Hintereinander schlichen wir durch die Gassen. Totenstille, bis auf das gelegentliche Schuhu einer Eule und das Knistern des Schnees. Haarsträhnen verdeckten meine Sicht, der Wind wehte sie in meine Augen. Ich strich sie beiseite. Die offenen Schwielen brannten dort, wo die Axt gegen sie drückte. Wäre es hell gewesen, hätte ich sehen können, wie sich die rostbraunen Flecken auf dem Griff weiter ausbreiteten. Der Geruch von Dung blies von den Weiden herüber, augenblicklich ging der Atem der anderen flacher. 

Alles ganz normal. Kein Krachen, kein Donnern; nur wir, das Scharren von Ratten und ein gedämpfter Streit in einem der Häuser. Eine Nacht wie jede andere. Abgesehen davon, dass es in Berk kaum noch Ratten gab, seit die Drachen sie jagten. Und dass keine Ratte es geschafft hätte, etwas zu bewegen, das sich nach Felsbrocken anhörte. 

Ich beschleunigte meinen Schritt, lief, rannte in Richtung der Geräusche. Ob die anderen mir folgte, wusste ich nicht, doch egal, ich brauchte keine Hilfe. Die offenen Blasen spürte ich nicht mehr, so fest hatten sich meine Finger um die Axt gekrallt. Mein Bauch rumorte hoffnungsvoll, in meinen Adern pulsierte das Blut im Takt der Schritte. Vor mir öffnete sich die schmale Gasse zu einem unheilvoll vertrauten Platz. Einen Platz, den ich in den letzten Wochen immer wieder aufgesucht hatte, denn hier stand Hicks' Statue. 

Bloß dass da keine Statue mehr war. 

Trümmer im Schnee, das war alles, was von ihm geblieben war. Ein gespaltener Brustkorb, ein Kopf, an dem die Nase fehlte, ein Bein in drei Stücken, etwas Geröll und Steinstaub. Mehr nicht. Davor kauerte eine schmächtige Gestalt, tastete in den Bruchstücken nach etwas. 

"Noch nicht genug Schaden angerichtet, Grimborn? Reicht dir wohl nicht, Hicks umzubringen, du musst auch noch sein Andenken vernichten, nicht wahr?"

Der Wind riss die Worte aus meinem Mund und trug sie zu ihr rüber. Langsam hob sie den Kopf. Dunkel wie es war, konnte ich ihren Gesichtsausdruck nicht erkennen, doch ich wusste schon, was ich dort vorfinden würde.

"Ich wollte das nicht, sie ist einfach umgekippt und ..."

Ihre Stimme erstarb. Wie jung und unschuldig sie doch klang. Ein kleines Mädchen, das aus Versehen einen kostbaren Gegenstand kaputtgemacht hatte. Dummerweise wusste ich um ihre Schauspielkünste.

"Du solltest auf die Bühne gehen. Da ist dein Talent wesentlich besser aufgehoben als hier."

"Du musst mir glauben! Ich wollte doch ni-"

"Was hast du hier zu suchen? Hm?"

Sie antwortete nicht. Doch zwischen ihren Fingern blitzte es verräterisch auf. Violett war das Funkeln, violett wie der anbrechende Morgen. Violett wie Hicks' Kristall. 

Im gleichen Moment blitzte es auch in mir, doch mein Funken war zornrot. In Sekundenschnelle hatte er einen Flächenbrand entfacht, mächtig und zerstörerisch, der mein ganzes Inneres in Brand steckte und sämtliche Hemmungen durchschmorte. Ich brüllte, kehlig und so laut wie noch nie. Dann nahm ich Bewegung wahr, ich preschte auf sie zu, die Axt eine Verlängerung meines Armes, das Werkzeug meines Hasses und dieses Werkzeug sehnte sich danach, zu verletzen, zu töten, niederzumetzeln. Doch dieser Feigling von Grimborn nahm Reißaus und ich musste ihr hinterherjagen. Leute steckten Köpfe aus ihren Fenstern, aufgeschreckt von meinem Gebrüll, beobachteten wie Liska und ich Romi durch die Gassen von Berk hetzten. Bald hatte ich sie, ich war schneller, kannte mich besser aus. Schon schrumpfte ihr Vorsprung, panisch drehte sie sich nach mir um, ein Fehler, ein Fehler, der mich in Reichweite brachte und gleich -

Etwas knallte gegen meine Schläfe, schlug mich zu Boden. Erst als die weißen Blitzchen verblasst waren, ging mir auf, was geschehen war. Liska hatte ein Wurfmesser hervorgezogen und mich dabei mit dem Ellenbogen gestoßen, doch das Messer hatte sein Ziel nicht gefunden und Romi war im Gewirr der Gassen entschwunden. Ich rappelte mich auf, hastete hinterher, ohne zu wissen, ob es die richtige Richtung war. Keine Minute später zerschnitten Flügelschläge die Nachtluft und ein schwarzer Schemen sauste davon.

Sie war entkommen. 

Sie war entkommen und hatte den Kristall mit Hicks' Seele gestohlen.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro