
Kapitel 9.
Rie POS:
Ein Mal in jeder Generation, wurde eine Zeremonie abgehalten, um das Mädchen zu suchen, das dazu bestimmt war Prinzessin des Klans zu werden.
Und genau heute war dieser große Tag.
Der ganze Klan war im Tempel versammelt und wartete angespannt darauf, dass das Drachenherz aus der Drachenquelle geholt wurde, in der es ruhte.
Es wurde gehofft, dass es bei einem Mädchen reagiert, denn dass dies das letzte Mal passierte, war schon einige Generationen her.
Die letzte Prinzessin war Baba-chi's Großmutter.
Ich wusste von ihr, was die Aufgaben der Prinzessin waren und hatte absolut keine Lust dazu, zudem war ich erst knapp Hundert, also etwa elf Jahre alt, in Menschenjahren.
Tsuki war um die Zweihundertdreizig, circa vierzehn und Lúcca um die Dreihundert, etwa sechzehn.
Da standen wir nun, alle Mädchen des Klans in Reih und Glied in der Vorhalle und warteten darauf, dass es losging.
Tsuki stand neben mir und war mindestens genau so nervös wie ich, denn sie wollte nämlich unbedingt Heilerin werden, das hatte sie schon oft erzählt und als Licht und Wasserdrache, hatte sie auch die besten Voraussetzungen dazu.
Scherzhaft meinte sie immer, dass wenn ich Prinzessin werden würde, sie meine Wächterin wird um mich zu unterstützen. Sie, Koga und Lúcca kugelten sich schon allein bei dem Gedanken.
Ich fand den Scherz nicht so lustig.
Vor uns standen die Ältesten des Klans, wie immer die Ruhe selbst. Lúcca stand daneben, er war das zukünftige Oberhaupt und sollte eigentlich Ruhe und Würde ausstrahlen, doch er zappelte und hampelte herum.
Einer der Ältesten funkelte ihn böse an und er wurde immer kleiner.
Tsuki und ich sahen dies und mussten anfangen zu kichern, woraufhin Lúcca uns böse ansah, doch ich streckte ihm nur die Zunge raus.
Bevor er jedoch irgendetwas tun konnte, kam Baba-chi, die damals noch Oberhaupt war, in einer langen, weißen mit goldenen Ornamenten bestickten Robe gekleidet und einem dunklen Holzkästchen in der Hand, aus dem Tempelinneren.
Ich wusste wie sehr sie diese Robe hasste und fing an zu kichern.
Sie blieb vor uns Mädchen stehen und erhob feierlich die Stimme. „Meine lieben Freunde. Heute am Tag der Sonnentag und Nacht Gleiche ist es wieder so weit. In stiller Demut erbitten wir den Segen der Götter und die Gunst des Schicksals." Sie hob das Kästchen in die Höhe. „In diesem Kästchen befindet sich der 'Drachenherzkristall', der Schatz unseres Klans. Er reagiert nur auf die wahre Prinzessin. Auf die Eine, die dazu bestimmt ist den Bund mit ihm einzugehen und sich somit in den Kreis der Ahnen begibt. Vielleicht ist es ja eine von euch." sagte sie und ein Raunen ging durch die Menge.
Sie ließ ihren Blick über die Reihen wandern, es waren ungefähr zwanzig Mädchen, in unterschiedlichem Alter, die vor ihr standen und sie ehrfürchtig ansahen.
Bei Tsuki und mir hielt sie kurz inne und lächelte. „Nun denn. Lasst uns beginnen." sagte sie und öffnete das Kästchen.
Zuerst passierte nichts, doch dann erhob sich, wie durch Geisterhand ganz langsam ein ungeschliffener weißer Kristall aus dem Kästchen.
Er sah aus als wäre er gerade eben erst aus dem Berg geschlagen worden. Noch völlig unförmig und doch schien in seinem Inneren etwas zu leuchten.
Immer höher stieg er, bis er etwa einen halben Meter über dem Kästchen schweben blieb.
Alle Anwesenden starrten wie gebannt auf das schimmernde, etwa faust großeEtwas.
Doch wieder passierte eine ganze Weile nichts und man konnte in den Gesichtern der Erwachsenen deutlich die Enttäuschung sehen, als plötzlich doch Leben in ihn kam.
Baba-chi hatte mir mal erzählt, dass der Kristall je nach Person, die er sich aussucht, seine Form und Farbe änderte.
Und genau das passierte gerade.
Der Stein zerfloss regelrecht, bis eine weiße wasserartige Maße in der Luft schwebte, die sich zu bewegen schien. Als würde sie kochen, bewegte sich die Flüssigkeit hin und her, bis sie schlussendlich die Form eines Sterns annahm.
Dann, als würde jemand Farbe in Wasser schütten, veränderte sich die Farbe von milchig weiß zu einem klaren Dunkelblau, so blau wie der tiefste Ozean.
Auf einmal, schoss der Stern in die Höhe und fing dabei so hell an zu leuchten, dass man die Form kaum noch erkennen konnte.
Kurz bevor er in die Decke einschlug, flog er einen Bogen und steuerte geradewegs auf uns zu.
Es sah aus wie eine Sternschnuppe, die vom Himmel fällt.
Direkt vor mir bremste er scharf ab, blieb auf Brusthöhe stehen und die Farbe veränderte sich noch mal ein klein wenig, in dem tiefen Blau entfachte eine kleine orange rot Flamme, die gleich darauf wie eingefroren wirkte.
Dann flog er ganz langsam in mich hinein und ein warmes sehr angenehmes Gefühl durchflutete mich, als wäre ein Teil von mir, der verloren war zurückgekehrt.
Als das Spektakel vorüber war, stand ich wie versteinert da, auch die anderen starrten mich einfach nur mit weit aufgerissenen Augen an.
Mir jedoch schoss in diesem Moment nur ein Gedanken durch den Kopf.
'Nein! Nein, ich will nicht!'
Ich bekam fürchterliche Angst, drehte mich um und lief so schnell ich konnte davon.
Immer weiter lief ich den Berg hinauf, bis zu einem versteckten Felsvorsprung.
Es war mein Lieblingsplatz, hier kam ich immer her, wenn es mir nicht gut ging und ich allein sein wollte.
Verzweifelt setzte ich mich auf den rauen Steinboden, zog die Knie an, umschlang sie mit den Armen, legte den Kopf darauf und fing bitterlich an zu weinen.
Tsuki hat mir später mal erzählt, dass Lúcca der Erste war, der reagiert hatte und mir nachgelaufen sei, denn er wusste genau wo er mich finden konnte. Baba-chi hatte die anderen zurückgehalten und so tauchte er kurze Zeit später allein bei mir auf.
„Hey Zwerg! Was machst du denn hier?" fragte er und grinste dabei breit.
Wütend funkelte ich ihn, mit Tränen in den Augen an. „Das geht dich überhaupt nichts an! Und du sollst mich nicht Zwerg nennen! Dämliche Luftschlange!" fauchte ich.
Sein Lächeln wurde weicher und er setzte sich neben mich. „Stimmt, ab sofort sollte ich dich wohl besser 'Prinzessin' nennen." lachte er.
Bei diesem Wort zuckte ich zusammen, er merkte es, doch ging nicht darauf ein und redete weiter. „Wobei ich zugeben muss, dass das überhaupt nicht zu dir passt." stichelte er und sah mich aus dem Augenwinkel heraus an.
Ich hatte den Kopf wieder auf die Knie gelegt und schwieg.
Er rückte näher heran und stupste meine Schulter mit seiner an. „Hey, komm schon. Was ist los? Warum bist du abgehauen?"
Erst sagte ich nichts und er ließ mir die Zeit meine Gedanken in Worte zu fassen, dann sagte ich mit zitternder Stimme. „Ich...ich wollte nie Prinzessin sein...Die ganzen Pflichten, Aufgaben, die Verantwortung...und das...das..."
„Das was?" hackte er neugierig nach.
Ich schluckte schwer. „ Das 'Band des Schicksals', das jede Prinzessin früher oder später mit einem Drachen eingehen muss..." sagte ich verzweifelt.
Er nickte. „Ah, ich verstehe."
Abrupt riss ich den Kopf hoch und schrie ihn noch wütender als zuvor an. „Nichts verstehst du! Den Klan repräsentieren, ihn mit Verwalten und das Gleichgewicht bewahren, nicht zu vergessen muss ich den Wächtern helfen die Quelle am sprudeln zu halten. Das alles ist schon wahnsinnig viel und ich weiß nicht ob ich das schaffe. Aber irgendwann muss ich mein Herz mit einem mir vielleicht völlig unbekannten Drachen teilen, mit ihm leben und kämpfen um den Klan zu beschützen. Ich habe schreckliche Angst davor, mich dabei selbst zu verlieren! Und was wenn dieser Drache unseren Klan nicht beschützen will? Ich will nicht den Rest meines Lebens mit jemandem verbringen, der meine Familie nicht achtet oder mich alleine lässt. Du weißt, hat das Drachenherz erst einmal reagiert, gibt es kein zurück mehr." Ich weinte, schluchzte und zitterte am ganzen Körper.
Da spürte ich auf einmal eine vertraute und angenehme Wärme.
Lúcca hatte seinen Arm um mich gelegt und zu sich gezogen, sodass sein Kopf auf meinem lag.
Er umarmte mich ganz fest, ich hörte den gleichmäßigen Rhythmus seines Herzschlages und es beruhigte mich ein wenig.
Sanft redete er auf mich ein. „Rie, ich verspreche dir hier und heute, dass egal was auch passiert und mit wem du dich auch verbinden musst, ich immer an deiner Seite sein werde! Ich werde immer auf dich aufpassen und dich beschützen, egal wo du sein wirst! Denn du bist meine Prinzessin, mein Stern!"
Als er das sagte, schlug mein Herz mit einem mal schneller und ein warmes Gefühl breitete sich in mir aus.
Plötzlich spürte ich wie sich das Drachenherz in mir regte und löste mich schnell aus Lúcca's Umarmung, der mich nur verwundert anschaute.
Der sternförmige Kristall erschien vor uns und verwandelte sich wieder in seine wasserartige Form. Ein kleines Stück davon löste sich und wurde in Gestalt eines kleinen buntschillernden Sterns wieder fest.
Sofort kehrte der Hauptteil des Kristall's in seine ursprüngliche Sternform zurück und verschwand wieder in meiner Brust.
Der kleine in allen Regenbogenfarben funkelnde Stern jedoch, steuerte nun auf Lúcca's Brustkorb zu und mit einem letzten hellen Leuchten, verschmolz er mit ihm.
Augenblicklich konnte ich Lúcca spüren, es war wieder dieses Gefühl, als wäre ein verlorener Teil meines Herzens zurückgekehrt, nur dieses Mal spürte ich die Präsenz und den Herzschlag von Lúcca noch dazu.
Dieser schaute immer noch völlig entgeistert auf seine Brust, dann schaute er mich an. Doch ich schaute ebenso ratlos zurück.
„Was ist da eben passiert?" fragte ich ihn nach einer Weile.
Er blinzelte. „Nun, ich glaube, das 'mit einem fremden Drachen verbinden', hat sich gerade erledigt..." antwortete er mir ruhig und gefasst.
„WAAAS?!" schrie ich und sprang auf. „Soll das heißen wir sind jetzt...wir sind..." Ich konnte es nicht aussprechen.
Er stand auf, stellte sich vor mich und hob mein Kinn mit zwei Fingern an, sodass ich ihn ansehen musste. „Ist das denn so schlimm?" fragte er und schaute mir tief in die Augen, dann sank er auf ein Knie, nahm feierlich meine Hand, senkte den Kopf und schloss die Augen.
„Ich, Lúcca Invictus Spes Shuraiya, zukünftiges Oberhaupt des Shuraiya Klans, gelobe hiermit, dich, meine Prinzessin, meine Partnerin, meine Herrin, mit meinem Leben und meiner Seele zu beschützen. Dir stets treu und ergeben zur Seite zu stehen und dich niemals zu verlassen, bis in den Tod und darüber hinaus." sagte er, gab mir einen Handkuss und schaute erwartungsvoll zu mir auf.
Erst sah ich ihn verwirrt an und wusste nicht was ich tun sollte. Da sammelten sich auf einmal Wörter in meinem Kopf, wie flüchtige Gedanken flogen sie mir zu und doch war es als ob ich sie schon immer kannte. Als wären sie die einzige Wahrheit, die nur darauf gewartet hatte ausgesprochen zu werden.
So schloss ich ebenfalls die Augen und ließ den Wörtern ihren Lauf.
„Auch ich, Rie Ferus Salamandra Shuraiya, Prinzessin des Shuraiya Klans, gelobe hiermit, dir, meinem Oberhaupt, meinem Partner, meinem Herrn, stets mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, dich vor Unheil zu bewahren und an deiner Seite zu bleiben, bis in den Tod und darüber hinaus." sagte ich, dann öffnete ich langsam die Augen und wir sahen uns an.
Er stand wieder auf, gab mir einen Kuss auf die Stirn und grinste er mich breit an. „Wollen wir zurück und es den anderen erzählen? Ich wette, Ba-chan und Tsuki fallen in Ohnmacht."
Ich musste lachen. „Ja, das ist gut möglich."
So liefen wir zurück und erzählten was passierte war.
Und so wie wir es vorausgesagt hatten, fielen Baba-chi und Tsuki fast in Ohnmacht.
Na ja, immerhin.
Baba-chi vor Entsetzen, das es Lúcca war und Tsuki vor Glück, weil es Lúcca war, hatte sie doch schon immer versucht uns zu verkuppeln, zu meinem Leidwesen.
Mir war das alles sehr unangenehm und ich hatte Angst, was die Zeit wohl noch bringen mochte, doch Lúcca hielt die ganze Zeit über meine Hand, ganz fest und ließ sie niemals los.
Erzähler POS:
Diese alte Erinnerung schoss Rie durch den Kopf, als sie geistesabwesend den Anhänger betrachtete.
„Rie nee-sama, alles in Ordnung?" fragte Rai und sah sie besorgt an.
Damit riss er sie endgültig aus ihren Gedanken und holte sie in die Gegenwart zurück.
Rie sah ihn verwundert an, hatte sie doch gar nicht bemerkt, dass sie angefangen hatte zu weinen.
Eine einzelne Träne lief ihr ganz langsam die Wange hinunter.
Koga trat an ihre Seite, lächelte warm und wischte sie weg. „Es wird alles gut. Ich verspreche es dir." sagte er zuversichtlich.
Lächelnd sah sie ihn an. „Ja, ich danke dir, euch allen." Dann wandte sie sich wieder Rai und Rei zu. „Danke für dieses wunderschöne Geschenk, ich werde es in Ehren halten." sagte sie und diebei den strahlten, als sie sich die Kette um den Hals legte und sie in den Arm nahm. „Passt mir hier gut auf alle auf. Verstanden?" sagte sie und löste die Umarmung.
Die Zwillinge grinsten sie breit an. „Jawohl!" riefen die beiden im Chor und salutierten.
Rie nickte ihnen noch mal zu, auch Koga gab seinen Jungs letzte Anweisungen und dann wandten sich Tsuki, Koga und Rie Múriel zu, die zwischenzeitlich ein Tor für sie geöffnet hatte.
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