7: Feuer auf meiner Haut
In der Hoffnung, dass die Wächter verschwunden sind, reiße ich die Lider auf. Ein Meer aus Flammen umgibt mich. Dicke Rauchwolken ziehen in die Nacht auf und tauchen den Waldboden in ein Nebelmeer. Doch aufs Neue schälen sich dunkle Gestalten, die ihren Umhang vor das Gesicht halten, aus der Umgebung. Ein paar einzelne Wächter krümmen sich schreiend auf dem Boden oder versuchen Flammen auf ihren Körpern zu erlösen. Zu wenige.
Jemand packt meinen Arm. Reißt mich aus der Trance und ich schreie. Doch bevor der Schrei ganz aus meine Kehle bricht, wird mir eine Hand über Mund und Nase gedrückt. Verbietet mir den Atem und zerrt an meinem Bewusstsein. Ich verliere es beinah, als ein dunkler Schatten über unsere Köpfe zieht. Lautes Gebrüll bringt die Erde zum Beben und die Wächter heben erschrocken ihre Schwerter in den Himmel. Als das Tier auf sie rast, funkeln goldene Augen durch den Nebel.
Der Mann lässt von mir ab und ich stürze kraftlos auf die verbrannte Erde.
Nicht weit von mir setzt die Kreatur auf. Es ist kleiner, als es in der Luft den Anschein gemacht hat. Eine Erschütterung, bringt den Boden zum Beben. Ein lautes Brüllen bricht erneut durch die Nacht, das mein Trommelfell zerreißen sollte, doch es tut es nicht.
Und dann verstehe ich es. Ihn. Die goldenen Augen von zuvor.
Schwarz schimmernde Schuppen, die das noch immer lodernde Feuer einfangen. Riesige Flügel, die den Rauch verjagen und die Flammen mit Luft füttern, die ihm nichts antut. Stacheln auf dem Rücken. Kräftige Beine. Ein Drache.
Kleiner, als ich es mir vorgestellt habe. Er überragt die Wächter nur knapp zwei Köpfe, was einige der Männer zu amüsieren scheint. Aber es ist ein Drache. Eine fast ausgestorbene Kreatur, die seit Jahre niemand mehr gesehen hat.
„Ein Jungtier", schreit jemand amüsiert.
Das Nachtmonster schnappt nach den Männern, die für ihren stämmigen Körperbau, sehr leichtfüßig ausweichen. Andere schlagen auf das Tier ein.
Als der Drache sein Maul öffnet, geht ein heißerer Laut von ihm aus. Die Luft scheint einen Wimpernschlag kühler zu werden und ich halte den Atem. Das Gelächter stirbt. Die Männer ziehen ihren Mantel vors Gesicht und ducken sich. Doch nichts passiert. Kein Feuer bricht aus der Kehle des Drachens - was die restlichen Männer zum Lachen bringt.
Sie schlagen ihre Umhänge nach hinten und stürmen auf den Drachen zu. Das schuppige Tier brüllt auf, als einer der Männer ein Schwert in seine Seite rammt. Ein Schrei entweicht auch mir und das Tier wendet sich zu mir. Dunkle Flüssigkeit sickert aus seiner Seite. Doch mein Blick wird von den goldenen Augen gefangen genommen, die mir in die Seele blicken zu scheinen. Legt erneut den Frieden, die Geborgenheit und die Ruhe von zuvor in mich.
Als ein weiterer Hieb das Jungtier erwischt und es zusammen zuckt, wird die Verbindung gekappt. Ein Schmerzlaut, der mein Herz zerreißt, bricht aus dem Drachen. Ein dritter Hieb. Dann ein vierter. Strauchelnd versucht das Tier zu weichen. Doch es sind zu viele Wächter. Sie kesseln ihn ein, wie mich zuvor. Er bekommt einen Schlag auf die Schnauze und öffnet das Maul - doch kein Feuer. Sie werden ihn töten!
„Hört auf!", schreie ich, ohne nachzudenken. Erinnere so die Wächter an meine Anwesenheit. Wieso fliegt der Drache nicht weg? Wieso bringt er sich nicht in Sicherheit?
Wieso tue ich es nicht?
Ein weiterer Schwertstoß lässt das Tier aufbrüllen und ich sammle genug Kraft um mich aufzurappeln. Mit ausgestreckten Armen renne ich auf das Tier zu. Er hat eine Chance. Meine ist klein. Aber er kann es schaffen.
„Verschwinde! Flüchte! Flieg!", schreie ich verzweifelt. Als er den Kopf zu mir wendet, ändere ich meine Richtung und flüchte in den Wald.
Tatsächlich spannt das Tier seine Flügel und mit einem kräftigen Schlag erhebt es sich in die Luft. Außer Reichweite der Wächter.
Im nächsten Wimpernschlag verschwindet er in der Schwärze und ich selbst im Wald.
Bevor ich ganz im Schatten abtauche, packt jemand mein Haar und reißt mich von den Beinen. Schleift mich zurück auf die Lichtung, wo im nächsten Wimpernschlag Fäuste auf mich donnern. Mir die Luft aus den Lungen pressen und den Inhalt aus meinem Magen. Blut strömt aus meiner Nase. Schmerz explodiert in jedem Winkel meines Körpers und ein Pochen übernimmt meinen Kopf. Gekrümmt sacke ich zusammen und es folgen Tritte. Feiglinge! Zehn Mann auf ein Mädchen!
„Das reicht!", herrscht eine tiefe Stimme. Ein letzter Schlag erwischt mich an der Schläfe und dann lassen sie von mir ab.
Das Rauschen in meinen Ohren ist so laut, dass ich höre, wie sie sich unterhalten, aber die Worte dringen nicht vor.
Dunkle Schatten tanzen vor meinem Blick, sodass ich nur Silhouetten ausmachen kann, aber keine Gesichter erkenne.
Der Schmerz zerrt so stark an mir, dass ich keinen anderen Gedanken fassen kann, aber das Bewusstsein nicht verliere.
Ich werde auf die Beine gezerrt, unter den Armen gehalten, da ich selbst nicht die Kraft habe mich aufrecht zu halten. Schwindel überfällt mich. Bringt alles zum Kreisen. Mein Kopf fällt schlaff auf die Brust, die sich kaum heben kann. Meine Atmung eine Mischung aus Röcheln, Keuchen und Pfeifen. Während das Blut und der Speichel aus meinem geöffneten Mund tropfen.
Mein Kopf wird an den Haaren nach oben gerissen. Ein Keuchen entweicht meinen bebenden Körper, das weiter Schmerzwellen durch meine Nervenbahnen schickt. Sterne gesellen sich zu den schwarzen Schatten in meiner Sicht. Diese Schmerzen überlebe ich nicht. Warum kann ich nicht einfach das Bewusstsein verlieren?
„Nicht so grob!", schimpft derselbe Mann, der die Schläge hat verstummen lassen. Eine überraschend angenehme Stimme, die ebenso von einer angenehme Aura umspielt wird.
Meine Sicht ist zu verschwommen und die Nacht zu finster, um mehr als Flecken in dem Gesicht zu sehen. Doch die stechend blauen Augen schimmern mir entgegen, als flackert ein Licht hinter ihnen.
Der Fremde legt den Kopf schief, mustert mich. Ob neugierig, belustigt, verärgert oder lüstern wie Riker kann ich nicht sagen. Die Blitze und Schatten lösen sich zu einem Nebel über meiner Sicht auf und der Griff, der Dunkelheit wird fordernder. Meiner Erlösung so nah und doch so weit entfernt.
Ich bewege meine Lippen, um etwas zu sagen. Doch meine Stimme ist so schwach, wie mein Körper und eine Träne löst sich als einziger Akt der Verzweiflung. Wieso? Warum ich? Was treibt die Männer seit all den Jahren an?
Der Fremde mit den blauen Augen hebt seine Hand und ich wappne mich für einen Schlag. Einen finalen Hieb, bevor mich die Dunkelheit empfängt. Die verlockende Finsternis.
Doch nichts der Gleichen passiert. Beinah fürsorglich und sanft streift er mir die Strähnen aus dem Gesicht. Nimmt etwas des Nebels. Aber meine Lider werden schwerer, sodass ich ihn nur noch durch schmale Schlitze sehen kann, die selbst das Blau verschwimmen lassen.
Ich spüre seine Finger, die meinen Nacken entlang streifen. Sachte. Beinah eine Liebkosung meiner Haut. Als drohe sie zu brechen, wenn er mehr Kraft darauf ausübt.
Die Berührung löst ein ungewolltes Kribbeln auf meiner Haut aus, das über meinen Körper zieht und sich bei einem Fremden nicht so anfühlen sollte. Aber ich habe nicht die Kraft, es zu bekämpfen. Nehme es hin, wie meine Niederlage. Schachmatt. Dieses Mal endgültig.
Es ist jedoch etwas anderes, das mich, trotz der drohenden Bewusstlosigkeit, scharf die Luft einziehen lässt. Seine Haut .... Normalerweise ist die Berührung einer anderen Person körperlich kalt. Als haben sie die Hände zu lange in den Schnee gesteckt und mich dann berührt. Nur Keir gelingt es innerlich ein Feuer in mir zu wecken. Aber der Fremde vor mir malt es auf meine Haut. Zieht mit seinen Fingern eine Spur darüber. Und es fühlt sich gut an. Beruhigend. Richtig. Vertraut.
Seine Finger wandern hin zu meinem Schlüsselbein, wo er vorsichtig den Stoff beiseiteschiebt und das Mal ummalt, das sich nur wenige Zentimeter darunter versteckt. Es wird von einem ebenso berauschenden Brennen übernommen.
Ich stöhne leise, als mein angehaltenen Atem freilassen wird. Wer ist der Fremde? Was tut er mit mir?
Der Unbekannte mit den blauen Augen sagt etwas, das ich nicht verstehen kann. Doch er wirkt zufrieden. Dann werde ich der Berührung entzogen und mit ihr flieht mein Bewusstsein.
Mit der Gewissheit, es könnte mein letztes Mal sein, stürze ich in die Dunkelheit.
***Wenn Euch die Geschichte gefällt nehmt Euch doch die Zeit und schmückt den Nachthimmel mit ein paar Sternchen. Lasst gerne auch ein Kommentar da, wenn ich etwas verbessern kann. Habt einen schönen Tag***
Wortzahl: 1324 (11529)
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro