Kapitel 15: Familie
Bakugous PoV
Die Heimleiterin starrte mich an und zog die Augenbrauen ein wenig zusammen, ehe sie sich faste und etwas steif den Kopf neigte. „Drachentöter Bakugou. Was für ein Zufall."
Auch das kleine Mädchen starrte mich an und als sie mich erkannte, verengten sich ihre Augen zu Schlitzen. Ich hatte bei unserem ersten Aufeinandertreffen keinen sonderlich guten Eindruck hinterlassen. Damals hatte ich ihr mehr oder weniger versprochen, Red zu fangen und umzubringen. Ich biss mir auf die Zunge, um nicht zu fluchen. Verdammt, was musste sie nur von mir denken?
Ich räusperte mich, als ich die letzten Meter überwand. „Es ... überrascht mich euch hier anzutreffen.", sagte ich zögernd, in dem Bemühen zumindest jetzt einen guten Eindruck zu machen. Aber was sollte ich sagen? Ich spürte deutlich, dass sie mich wegen meiner Tätigkeit als Drachentöter verurteilten, auch wenn sie klug genug waren, es nicht auszusprechen.
„Nach der Tragödie mit dem Halbdrachen waren wir im Dorf nicht mehr sonderlich angesehen.", sagte sie steif. „Wir sind daher hierhergezogen."
„Huh? Wieso seid ihr nicht zum Orden gegangen?", platzte es aus mir heraus.
Sie starrte mich an. „Wie bitte?", fragte sie. Ihr Blick war auf einmal sehr wachsam geworden.
Ich atmete tief durch und schloss kurz die Augen. „Es hat sich viel seit unserer letzten Begegnung verändert. Ich glaube wir sollten uns mal unterhalten. Vielleicht irgendwo, wo es nicht so verdammt voll ist.", sagte ich.
Miss Crownway nickte und fasste nach der Hand des kleinen Mädchens. Diese entzog sich ihr jedoch sofort wieder. „Ich bin schon groß! Ich kann alleine laufen!", schmollte sie.
Die Heimleiterin seufzte und ließ ihr ihren Willen. Gemeinsam schlängelten wir uns durch die Menschenmenge, wobei ich schnell zu meinem Pferd herüberging, um es abzubinden. Ich spürte Miss Crownways Blick und sah, dass sie das unauffällige braune Pferd stirnrunzelnd musterte.
Schließlich führte sie uns zu einem unscheinbaren kleinen Häuschen am Rande des Dorfes. Die Heimleiterin bedeutete mir mein Pferd vor der Tür anzubinden, während sie die Tür öffnete, um das Mädchen schon einmal hereinzulassen. Wie geheißen, band ich das Pferd an und sorgte dafür, dass es ein wenig grasen konnte. Dann folgte ich den anderen zur Tür.
Wortlos bedeutete mir die Heimleiterin mich an den Küchentisch zu setzten. Das Mädchen setzte sich mir gegenüber, wobei sie mit ihren kurzen Beinen baumelte. Miss Crownway stellte sich hinter sie und verschränkte die Arme. Die Anspannung war beinahe mit Händen zu greifen.
Die Heimleiterin seufzte. „In Ordnung, hier sind wir ungestört. Was weißt du über den Orden? Ich habe gesehen, dass du keines der königlichen Schlachtrösser mehr reitest und man hat einige Gerüchte über dich gehört. Ich bin niemand, die solchem Geschwätz große Beachtung schenkt. Aber ich kann nicht leugnen, dass ich mir meine Gedanken mache."
Ich fuhr mir etwas gereizt durch meine blonden Haare. Verdammt wie sollte ich anfangen? Das war schwerer als gedacht... Dann seuftzte ich geschlagen, bevor ich die ersten Worte über die Lippen brachte. „Zuallererst das Wichtigste: Red geht es gut."
Sie sahen mich mit einem großen Fragezeichen im Gesicht an.
„Ähm. Ich meine Eijirou. Kirishima geht es gut."
„Wo ist Eiji?", fragte das Mädchen mich auf einmal mit leuchtenden Augen.
„Wir waren noch bis gestern morgen zusammen. Aber inzwischen müsste er im Drachenreich sein.", sagte ich.
„Du und er wart gemeinsam unterwegs?", fragte Miss Crownway argwöhnisch. „Tut mir leid, aber das kann ich kaum glauben. Wieso solltet ihr gemeinsame Sache machen?"
Ich seufzte erneut und öffnete den Verschluss meines Umhangs, sodass ich das Fell ein wenig zur Seite ziehen konnte. Ich drehte mich ein wenig, sodass die Heimleiterin Reds Markierung sehen konnte. Sie war vom Orden, auch wenn sie ihm seit Ewigkeiten nicht mehr direkt diente. Trotzdem ging ich davon aus, dass sie wusste, was ein solches Mal bedeutete. Es erklärte mehr als tausend Worte.
Miss Crownways Augen weiteten sich, als sie es verstand. „Ihr seid Gefährten?", flüsterte sie und der Blick, den sie mir zuwarf wurde auf einmal ganz weich. Ohne ihren strengen Gesichtsausdruck wirkte sie wie ein anderer Mensch.
„Ja, schon seit gut drei Jahren.", erwiderte ich. „Ich habe Red alles zu verdanken. Mein Leben und noch so vieles mehr." Meine Stimme wurde leiser.
Und nun begann ich Schritt für Schritt zu erzählen, was sich seit Reds Flucht aus Nirakawa alles zugetragen hatte. Wie wir uns das erste Mal begegnet waren, wie er mich bei meinem Sturz von der Steilküste gerettet hatte. Ich erzählte von unserer Zeit in Ariko. Wie wir schließlich gemeinsam geflohen waren und letztendlich, wie er mich auf dem Schlachtfeld durch seine Heilung vor dem sicheren Tode bewahrt hatte.
„Er ist mit mir in die Berge geflohen, wo wir von Miss Farney gefunden wurden.", sagte ich schließlich und sah in ihre leuchtenden Gesichter. „Wir haben uns dort ein Zuhause aufgebaut und Red hat Unterricht vom Orden erhalten. Vor wenigen Tagen sind wir zu unserer ersten Mission aufgebrochen. Doch es ist nicht so gelaufen, wie wir es vorhergesehen hatten und wir mussten uns trennen."
Einen Moment Stille herrschte, als ich geendet hatte. „Dir liegt sehr viel an ihm.", sagte Miss Crownway schließlich lächelnd. Ich nickte ernst. „Es schön zu hören, dass Eijirou es die letzten Jahre gut hatte. Ich habe viel an ihn gedacht und immer gehofft, dass er den Schergen des Königs irgendwie entkommen ist. Er war schon immer ein guter Junge." Bei ihren letzten Worten bildete ich mir ein, dass sie Tränen in den Augen hatte.
Ich wusste nicht genau was ich darauf erwidern sollte. Ich wusste, dass sie für Red den Großteil seines Lebens eine wichtige Bezugsperson war, dennoch kannte ich sie nicht wirklich. Aber, dass sie sich so viele Sorgen um Red machte, machte sie mir sympathisch. Ich räusperte mich. „Und wie ist es euch ergangen?"
Miss Crownway seufzte erneut und fuhr sich durch ihre Haare, wodurch sich einige der grauen Strähnen aus ihrem strengen Dutt lösten. „Wie ich bereits vorhin sagte, waren unser Waisenhaus seit dieser Sache nicht mehr besonders gut angesehen. Ich habe nach und nach die Kinder vermittelt.", ihr Blick schweifte herunter zu dem Mädchen, die bei ihren Worten die Stirn in Falten gelegt hatte. „Bei Tomoko allerdings hatten wir so unsere Probleme."
„Pff.", machte das Mädchen nur und sah weg.
„Jedem, der sich für sie interessierte hat sie erzählt, was für ein guter Mensch Eijirou ist und das Halbdrachen nichts sind, wovor man Angst haben sollte. Die Leute waren davon gelinde gesagt schockiert.", erklärte die Heimleiterin und strich mit einem kleinen Lächeln über die langen schwarzen Haare des Mädchens.
Ich lachte kurz auf und Tomoko warf mir ein kleines verschmitztes Grinsen zu. Wow, cooles Mädchen. Ich beugte mich ein wenig vor. „Weißt du was Tomoko?", fragte ich sie mit einem ebenso verschmitzen Grinsen.
Sie hob fragend die Augenbrauen. „Red hat auf unserem Nachttisch noch immer deinen Stein liegen. Du weißt schon. Der Stein, mit den roten Kristallen im Inneren." Ich lehnte mich wieder zurück. „Er hat auch oft an euch beide gedacht."
Die beiden lächelten mich an. Es war erstaunlich. Selbst wenn Red nicht da war, schaffte er es die verschiedensten Menschen zusammenzubringen.
„Wie geht es für dich weiter?", fragte Miss Crownway schließlich.
„Ich muss zur Hauptstadt. Und was ist mit euch?"
Die ehemalige Heimleiterin lächelte sanft. „Ich glaube es ist an der Zeit, dass ich wieder den Orden aufsuche." Sie blickte kurz zu dem schwarzhaarigen Mädchen herunter. „Und ich glaube Tomoko würde die Umgebung auch guttun."
Dann klatschte sie in die Hände. „So! Aber jetzt mache ich uns erst einmal etwas zu essen. Es ist schon Abend und weit würdest du heute sowieso nicht mehr kommen. Diese Nacht kannst du hier verbringen."
Ich widersprach ihr nicht und konnte nicht anders als zu lächeln. Ich wusste nicht woran es lag, dass ich mich so unfassbar wohl fühlte. Schließlich tat ich mich normalerweise schwer damit Menschen zu vertrauen, dennoch fühlte ich mich so ruhig und entspannt wie selten. Doch dann wurde mir schlagartig bewusst, was dies für ein schmerzhaft vertrautes Gefühl war. Es war das Gefühl eine Familie zu haben. Als ich Miss Crownway Reds Markierung gezeigt hatte, war es in einer Sekunde auf die andere geschehen. Sie hatte mich in diesem Moment als ein Teil ihrer Familie akzeptiert. Wärme flutete mein Herz als ich den schmalen Rücken der strengen Frau betrachtete.
Familie. Wir waren Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten und trotzdem durch ein magisches Band miteinander verbunden.
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