Kapitel 4
Die Dämmerung brach gerade an, als sie aufwachte. Beas Augen öffneten sich, doch sie musste mehrmals blinzeln, bis sich ihr Blickfeld schärfte und sie trotz der Dunkelheit etwas erkennen konnte.
Sie lag auf einem Bett, das zugegebenermaßen ziemlich bequem war. Aber das hielt sie nicht davon ab, sich vorsichtig aufzusetzen und die Beine über die Bettkante baumeln zu lassen, bis sie festen Boden unter den Füßen hatte.
Trotz Kreislaufproblemen und einem generellen Unwohlsein wusste Bea noch genau, was passiert war und wo sie war, konnte sie sich auch schon denken. "Diese Idioten...", schnaufte sie mies gelaunt.
Camp Half-Blood war der letze Ort, an dem sie sei wollte. Okay, vielleicht der zweitletzte, wenn man den Tartarus mit in die Wertung nahm.
Ihr Blick schweifte durch den Raum, bis er bei einer Person hängen blieb, die in dem Bett neben ihr lag und leise schnarchte. Wenn das ihr Aufpasser war, hatten sie wirklich eine schlechte Wahl getroffen.
Bei genauerem Hinschauen erkannte sie, dass es sich um einen Jungen mit blonden Haaren handelte. Also wahrscheinlich Will. Schließlich war er der Sohn von Apollo und besaß somit ein Talent zur Heilung. Neben seinem Bett lehnte ein Bogen und ein Köcher voller Pfeile. Die Halbgötter schienen Bea noch nicht ganz zu vertrauen.
Die Nacht hatte sie ausgelaugt - wie diese Schwachköpfe auf die Idee kamen ihr Ambrosia zu geben, verstand sie immer noch nicht -, aber immerhin tat ihre Wunde nicht mehr ganz so stark weh. Wie und ob ihre Wunde verheilt war, wusste sie nicht und wollte es auch erstmal nicht herausfinden, da der angelegte Verband einen guten Job leistete und sie die Arbeit nicht zerstören wollte.
Aber das Ambrosia schien das Gift des Alphas gestoppt zu haben. Das es sich bei Thomas um einen Alpha handelte war ihr schon lange bewusst und sie hatte nur zu gerne dafür gesorgt, dass er im Tartarus landete.
Nach einem letzten tiefen Atemzug, stemmte sich Bea auf die Beine. Ein paar Sekunden lang sah sie Sterne, aber schließlich fühlte sie sich in der Lage, den Raum zu verlassen.
Die aufgehende Sonne spendete ihr etwas Licht und wies ihr den Weg nach draußen. Vor ihr erstreckte sich Camp Half-Blood. Sie ist zwar noch nie hier gewesen, aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie nicht wusste, wie man sich hier zurechtfand.
Sie entdeckte die Hütten - mittlerweile waren es weit mehr als 12 -, den Speisepavillon, die Trainingsarena, das Amphitheater, die Schmiede und noch einiges mehr. Wie zum Beispiel die Ställe der Pegasi.
Abgesehen von der schönen Bauweise des Gebäudes erregten die Ställe größere Aufmerksamkeit, da sie ihr Weg hier raus waren. Nachdem sie unfreiwillig im Camp gelandet war, würde sie bestimmt nicht zu Fuß zurücklaufen.
Sie betrat die Ställe und erblickte mehrere Boxen, die hintereinander aufgereiht waren. Die Tore standen offen, da es den Pegasi jederzeit erlaubt war, sich frei zu bewegen. Aber in der Nacht zogen sich immer ein paar hierher zurück.
Bea schritt den Gang entlang und lugte in jede Box hinein, auf der Suche nach einem Pegasus, das nicht mehr am Schlafen war. Kurz bevor sie aufgeben wollte, erblickte sie es.
Ein schwarzer wunderschöner Hengst, muskulös, stark und genau das, was sie jetzt brauchte. "Hallo, mein Schöner", sprach Bea sanft und näherte sich dem Rappen langsam.
Als Reaktion schnaubte der Hengst - das Kompliment schien ihm zu gefallen - und musterte die Unbekannte neugierig. Das war schon mal ein guter Anfang.
"Wie heißt du denn?", fragte Bea freundlich nach. Pegasi waren freie, wilde Tiere. Da konnte man sich nicht einfach auf ihren Rücken schmeißen und los reiten. Also hieß es erstmal Smalltalk zu betreiben und herauszufinden, womit man die Zielperson bestechen konnte.
"Traduci." Dieses simple Wort reichte aus, um die Kommunikation zwischen Pferd und Mensch zu ermöglichen. Normalerweise würde sie von Müdigkeit überrollt werden, aber dieser Zauber war so simpel, dass sie fast keine Auswirkungen spürte.
Uuund noch ein Halbblut, das denkt, ich könnte reden. Ist es denn so schwer zu verstehen, dass Pegasi kein Englisch sprechen können?, ertönte es in Beas Kopf.
"Ich bin kein Halbblut", sagte sie und beobachte amüsiert, wie der Hengst sie verwundert anstarrte, als sie auf seine Aussage antwortete.
Du verstehst mich? Wie kann das sein?, perplex starrte der Rappe das wundersame Mädchen an. Du kannst keins von Poseidons Kindern sein, das hätte Percy mir schon längst erzählt. Vielleicht bist du eine Hexe!
"Stopp!", unterbrach Bea ihren Gesprächspartner, der immer verwirrter wurde. "Ich bin Bea und du?"
Es dauerte einen Moment, bevor das Pegasus seinen Namen verriet. "Blackjack also", murmelte Bea, "was hältst du von einem kleinen gemeinsamen Ausflug?"
Ein Ausflug? Wie spannend, ich war schon lange nicht mehr unterwegs. Seit der Krieg vorbei ist, braucht Percy meine Hilfe nicht mehr. Und Donuts hab ich auch keine mehr bekommen. Gibst du mir Donuts, Hexe? Hast du Donuts dabei?, Blackjack schritt näher zum Mädchen heran und beschnupperte sie.
"Du willst also Donuts?", fragte Bea interessiert und drückte seine Schnauze sanft von ihr weg. "Ich kann dir Donuts besorgen, so viele wie du willst!" Bea bezweifelte zwar, dass Donuts sonderlich gesund für ein Pegasus waren, aber sie würde Blackjack nicht widersprechen.
So viele wie ich will?, fragte Blackjack ganz aufgeregt. Ich will zehn. Obwohl, wieso nicht gleich zwanzig, oder doch dreißig? Wie lange halten sich Donuts eigentlich, Hexe?
"Die Anzahl von Donuts können wir doch auch während des Flugs klären, oder nicht? Je eher wir starten, desto schneller bekommst du deine Donuts!", Bea grinste Blackjack an.
So langsam mussten die beiden mal starten, da draußen die ersten Halbgötter herumliefen. Wenn jemand sie entdeckte, würden Fragen gestellt werden. Fragen, die sie nicht gebrauchen konnte.
Auf geht's!, stimmte Blackjack aufgeregt zu und trabte aus der Box heraus.
"Wo ist sie?"
Bea erstarrte. Scheinbar war aufgefallen, dass sie nicht mehr auf der Krankenstation lag und schlief.
"Du solltest doch aufpassen! Wie konntest du sie nur entwischen lassen, Liam?" Das war Percy und er klang nicht sonderlich erfreut. Scheinbar wurde der Apollo-Sohn gerade ordentlich zusammengeschissen, da er eingeschlafen war.
Worüber reden die da, Hexe?, Blackjack schien verwundert zu sein, dass draußen so ein Chaos herrschte. Und sein Boss schien gar nicht erfreut.
"Ach, das ist unwichtig, Blackjack!", Bea probierte möglichst locker zu klingen und kleisterte sich ein Lächeln ins Gesicht. "Denk an deine Donuts!"
"Blackjack?", rief Percy verwundert, welcher wohl gehört haben musste, wie sich sein Pegasus mit Bea unterhielt.
"Komm schon, Blackjack", sagte Bea ermutigend und schwang sich auf den Rücken des Pferdes. "Bring mich zum Central Park, in Ordnung?"
In diesem Moment stürmten die Halbgötter in die Ställe mit Percy an der Spitze. "Sie klaut mein Pegasus!", stellte er verdattert fest und brauchte einen Moment, um zu realisieren, was hier gerade passierte. "Runter von Blackjack!"
"Hey, hey, hey", erwiderte Bea beschwichtigend und hob abwehrend die Hände. "Ich würde Blackjack nie klauen, wir wollen nur einen kleinen Ausflug machen. Stimmt's, Blackjack?"
Sie hat Recht, Boss. Ich bekomme endlich wieder Donuts! Die Hexe hat gesagt, ich kriege so viele wie ich will!
"Ihr könnt miteinander reden?", fragte Percy bestürzt und wurde immer verwirrter. Nur Kinder des Poseidon konnten mit Pegasi und Pferden reden. Bedeutete das also, dass Bea seine Schwester war? Wie konnte das sein?
Annabeth war noch etwas gelassener, auch wenn sie von Percys Aussagen ziemlich verwirrt war. "Bea, steig bitte ab. Wir wollen nur mit dir reden. Du kannst jetzt nicht einfach so verschwinden."
"Na ja, das sieht gerade anders aus, oder nicht?", Bea grinste die ach so schlaue Tochter der Athene überheblich an. "Blackjack, bring mich hier raus. Costringi lui."
Jemanden zu etwas zwingen war fast noch leichter, als einfach mit einem Pegasus zu reden. Bea spürte wie in ihr das Verlangen aufkam, mehr zu machen, als einfach zu fliehen und die Halbgötter unbeschadet zurückzulassen. Sie kämpfte gegen diese Wut an, konnte sie aber nicht im Keim ersticken.
Blackjack hörte den Befehl und trabte los. Percys verzweifeltes Gesicht wurde dabei vollkommen ignoriert - schließlich hatte er keine andere Wahl.
"Stopp!", ertönte schließlich eine dominante Stimme und ließ Bea innehalten.
Ihr Blick wanderte nach rechts und traf den eines blonden Jungen. Ein Junge, der drohend mit einem Pfeil nach ihr zielte. Zuerst dachte sie, dass es Will wäre, aber sein Verhalten passte einfach nicht. Und auch beim Aussehen entdeckte sie ein paar Unterschiede.
Die Will-Kopie musterte sie ernst und deutete mit dem Pfeil an, dass sie absteigen sollte. "Runter, oder ich schieße."
Bea zögerte. Sollte sie ihre Chance einfach ignorieren? Vielleicht würde sie es noch schaffen. Vielleicht könnte sie noch einen Zauber ausführen, den Jungen entwaffnen und fliehen, bevor die anderen Halbgötter angriffen. Aber vielleicht könnte sie das auch nicht und würde getroffen werden.
"Gute Entscheidung", kommentierte die Will-Kopie, als Bea abstieg und ließ die Sehne etwas lockerer. "Und jetzt beweg dich vom Pegasus weg."
"Liam, das reicht. Wir wollen doch nur mit ihr reden und sie nicht verletzen. Sie ist eine von uns." Annabeth probierte alle zu beruhigen, aber Bea und Liam funkelten sich weiterhin warnend an.
"Wir sollten zu Chiron gehen", sagte Percy. "Ich hab einige Fragen, auf die ich gerne eine Antwort hätte."
"Nein!", widersprach Bea sofort und schüttelte vehement den Kopf. "Lasst mich einfach verschwinden, in Ordnung? Blackjack bleibt auch hier."
"Wir gehen zu Chiron", entschied Annabeth. Sie war immer der Meinung gewesen, dass Bea eine einfach Halbgöttin war, die mutig und hilfsbereit war. Schließlich hatte Bea ihnen bei den Werwölfen geholfen. Aber ihr Verhalten war seltsam - und das war noch eine Untertreibung.
Erst wollte sie nicht ins Camp, dann reagierte sie völlig unvorhersehbar auf das Ambrosia, konnte mit Blackjack sprechen, redete zwischendurch auf Italienisch ohne erkenntlichen Grund und weigerte sich jetzt mit Chiron zu sprechen. Dem wohl nettesten Zentaur der Erde.
Bea suchte nach einem Ausweg, aber sie fand keinen. Gegen drei Halbgötter könnte sie wohl kaum etwas ausrichten. Und Liams Pfeil lag immer noch an der Sehne, auch wenn er nicht mehr direkt auf sie zielte. Seine Warnung war leicht zu verstehen.
"Beweg dich", befahl Liam und schaute Bea ernst an. Er würde wohl keinen Halt davor machen, seine Waffen zu benutzen, wenn sie nicht auf ihn hörte.
Die Halbgötter und Bea setzten sich in Bewegung. Auf dem Weg zurück zum Haupthaus stießen auch Will und Nico auf sie. Beide waren sehr verwirrt, von dem Bild was sich ihnen bot, aber fragten wegen Annabeth's "Wir erklären das später" nicht nach.
Gemeinsam betraten sie das Büro von Chiron, welcher sie scheinbar schon erwartet hatte. "Liam, keine Waffen im Haupthaus. Du kennst die Regeln", ermahnte er den Jungen streng, welcher seinen Pfeil sogleich im Köcher verschwinden ließ. "Setzt euch doch bitte. Ich denke, wir haben einiges zu besprechen."
"Wie geht es dir? Wir haben uns Sorgen gemacht, als das Ambrosia nicht richtig gewirkt hat", erklärte Chiron und musterte Bea, welche widerwillig auf einem der Stühle Platz genommen hatte. Liam starrte sie immer noch böse an.
"Was geht dich das an?!", fauchte Bea den Zentauren wütend an und war kurz davor wieder aufzuspringen.
Chiron ging nicht auf ihre Wut ein und beobachtete sie stattdessen eingängig. Dann trabte er hinter seinen Schreibtisch und holte etwas aus einer der Schubladen heraus. "Das hier gehört dir, nicht wahr?", fragte er interessiert und offenbarte Bea die Haarnadel. "Eine sonderbare Waffe. Und dann auch noch aus himmlischer Bronze."
Bea zuckte merklich zusammen. Sie hatte sich schon gefragt, wo ihre Waffe abgeblieben war. Sie hatte die Hoffnung gehegt, dass Chiron sie nicht erkennen würde, aber scheinbar war dem nicht so. Die Haarnadel war von ihrer Mutter. Es überraschte Bea nicht, dass der Zentaur sie wiedererkannte.
"Wie geht es deiner Mutter, Bea?", hakte Chiron nach und schaute sie immer noch mit diesem neugierigen Blick an.
Die anderen Halbgötter verstanden währenddessen gar nichts - selbst Annabeth blickte vollkommen ratlos zwischen Chiron und dem seltsamen Mädchen hin und her.
"Was geht dich das an", erwiderte Bea mal wieder - nur nicht ganz so hartnäckig wie zuvor. Trauer mischte sich zu ihrer Wut.
"Oh", machte Chiron überrascht, als er Beas Reaktion wahrnahm, "es tut mir leid." Und das war wirklich so. Beas Mutter, Alessia, war ihm eine gute Freundin gewesen. Auch wenn er sie seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatte, schmerzte die Erkenntnis ihres Todes.
"Was ist hier los?", hakte Annabeth verwundert nach. "Woher kennt ihr euch?"
"Ich kenne Bea nicht", antwortete Chiron ehrlich. "Aber ich kannte ihre Eltern, Alessia und Simon."
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Hallo zusammen,
das war also das vierte Kapitel, ich hoffe, es hat euch gefallen. :)
Ich werde mir Mühe geben, die Uploads für Montags und Donnerstags zu planen. Da ich aber nächste Woche anfange zu arbeiten, weiß ich noch nicht, ob ich planloses Etwas es schaffe, mich immer daran zu erinnern XD
Gibt es hier jemanden, der Italienisch spricht? Hoffentlich nicht, weil meine drei Jahre Unterricht haben nicht sonderlich viel gebracht. Falls jemand Ahnung hat, kann er mir gerne mitteilen, wenn meine Übersetzungen absoluter Müll sind ;)
Bis hoffentlich Montag, thegreeni :)
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