Kapitel 3
Bevor sie ins Camp konnten, mussten sie aufs Percys Mom warten. Nico war keineswegs in der Lage wieder schattenzureisen, geschweige denn eine oder gleich vier Personen zu transportieren.
Sally war nicht allzu erfreut, als sie nach Hause kam.
Eigentlich war ein schöner gemeinsamer Abend mit Paul, Percy und Annabeth geplant gewesen. Stattdessen wies ihr Wohnzimmersofa, sowie der Teppich im Flur Blutflecken auf und ihr Sohn erwartete, dass sie ihm mal eben ihr Auto leihen könnte.
Diese unerfreulichen Nachrichten hielten Sally jedoch nicht davon ab, sich zu freuen die vier Halbgötter zu sehen - selbst Nico lächelte, als er so herzlich von Percys Mom begrüßt wurde. Obendrein sorgte sie dafür, dass Percy einen Keksvorrat für die nächste Woche hätte - oder vielleicht auch nur die nächsten zwei Tage. Sallys blaue Kekse hatten schon im halben Camp die runde gemacht und waren heißbegehrt, auch wenn Percy nur in seltensten Fällen teilte.
Die Kekse besserten die Stimmung der Halbgötter, besonders da Percy und Will dafür Sorge tragen mussten, dass Bea unversehrt die zwei Stockwerke runterkam. Leichter gesagt als getan, aber schließlich saßen die fünf Halbblute im Auto.
"Pass' auf dich auf, Percy", sagte Sally sanft, aber ein leichter besorgter Unterton war wie immer zu hören.
"Ja, Mom." Percy gab immer auf sich und seine Freunde acht, aber er wusste wie wichtig es seiner Mom war, dass er in Sicherheit war. Also schluckte er einen blöden Kommentar runter und lächelte sie stattdessen an. "Wir passen auf. Wie immer."
"Und fahr' vorsichtig, in Ordnung?"
"Ja, Mom."
"Und du bist sicher, dass du alles dabei hast?"
"Ja, Mom." Percy seufzte leicht. Es tat ihm ja leid, dass er und Annabeth nicht bleiben konnten, aber ändern konnte er das auch nicht. Bea hatte ihnen geholfen, also war es seine Verantwortung ihr denselben Dienst zu erweisen.
"Und denk dran, dass du-"
"Mom!", unterbrach der Halbgott seine Mutter und zog eine Grimasse. "Bitte. Ich bin vorsichtig. Sobald alles geregelt ist, komm ich zurück."
Ein verletzter Ausdruck erschien auf Sallys Gesicht, welcher jedoch schnell durch ein Lächeln ersetzt wurde. Nur, dass das Lächeln etwas zu glücklich und etwas zu unbesorgt wirkte. "Bis dann, Percy."
"Tschüss, Mom." Percy lächelte sie entschuldigend an, aber er wusste, dass sie ihn letztendlich verstehen würde. Das tat sie immer, egal was er auch anstellte und in welche Schwierigkeiten er geriet.
Die Fahrt von Manhattan nach Long Island zog sich und dauerte aufgrund von mehreren Staus fast zwei Stunden. Abgesehen von dem Umstand, dass vier von ADHS betroffene Kinder so eine lange Zeit still sitzen mussten, stellte Beas Gesundheitszustand ein zunehmendes Problem dar.
Die meiste Zeit war sie bewusstlos. Manchmal hatte sie geblinzelt, sich irritiert umgeschaut und war dann wieder abgedriftet. Will kontrollierte alle paar Minuten ihre Atmung und ihren Puls und wurde so langsam ungeduldig.
Er verstand nicht, wieso es dem Mädchen so schlecht ging. Ihre Wunde tat sicherlich weh und sie hatte bestimmt auch eine Menge Blut verloren, aber das erklärte ihren gesundheitlichen Zustand nicht. Bea wirkte eigentlich wie ein ziemlich toughes, fittes Mädchen und laut Annabeths und Percys Erzählungen war sie eine sehr gute und mutige Kämpferin.
Wieso war sie also schon seit zwei Stunden bewusstlos und schien immer blasser und schwächer zu werden?
Hier im Auto konnte Will sich nicht um Beas Wunde kümmern, also schleppte er sie gemeinsam mit Percy ins Camp zum Haupthaus.
Sie hatten Bea gerade auf einem der Betten in der Krankenstation abgelegt, als Chiron auch schon in der Tür erschien. Der Zentaur war von Annabeth geholt worden und trug eine besorgte Miene. "Erzählt mir, was passiert ist."
Annabeth begann von ihrem Kampf mit den Werwölfen zu berichten und wie sie Bea in Percys Wohnung gebracht hatten. Danach übernahm Will das Reden. "Ich verstehe nicht ganz, was mit ihr los ist. Ihre Wunde ist nicht allzu tief und sie hat auch nicht zu viel Blut verloren."
Chiron nickte und begab sich schweigend zu der Verletzten. Ein kurzer Blick zu Will reichte aus, um diesen dazu zu bewegen den Verband zu lösen. "Wieso habt ihr Bea nicht einfach Ambrosia gegeben?", fragte er, während er die Wunde genau unter die Lupe nahm.
Viel gab es nicht es zu sehen. Quer über Beas Bauch zogen sich die Schnitte und Will hatte Recht mit seiner Vermutung, dass die Verletzung an sich wirklich nicht so schlimm war.
"Wir wollten sicher gehen, dass sie ein Halbblut ist", erklärte Annabeth. "Sie hat uns erkannt und wusste über alles Bescheid. Aber sie wollte uns nicht sagen, wer ihr göttliches Elternteil ist."
"Vielleicht weiß sie es einfach nicht", gab Percy zu bedenken, der eine finstere Miene zur Schau trug. "Sie ist definitiv älter als 13, ihre Mutter oder ihr Vater hätte sie längst anerkennen müssen!"
Ärger verdrängte seine Sorge für einen Augenblick. Der Deal mit Zeus und den anderen Olympiern hatte deutlich festgehalten, dass jedes Halbblut entweder zum 13. Geburtstag oder beim Ankommen im Camp anerkannt wurde. Wenn Bea also wirklich nicht wusste, von wem sie abstammte, bedeutete das, dass die Götter die Abmachung gebrochen hatten.
"Vielleicht wollte sie es uns auch nur nicht anvertrauen", widersprach Annabeth, "sie kennt uns gar nicht, da will sie vermutlich nicht ihre ganze Lebensgeschichte erzählen."
"Wir wollten doch nur wissen, ob sie ein Halbblut ist", hielt Percy dagegen.
Und so ging das ganze weiter. Annabeth nahm Bea in Schutz und suchte eine logische Erklärung, während Percy kurz davor war zum Olymp zu stiefeln, um Zeus seine Meinung zu geigen.
"Es reicht!" Augenblicklich verstummten beide Halbblute und blickten Chiron betroffen an. "Der Werwolf, der Bea verletzt hat. War das ein Alpha?"
"Ich weiß es nicht", gestand Annabeth. Diese Worte sagte sie wahrlich nicht oft und in so einer ernsten Situation fielen sie ihr noch schwerer auszusprechen als sonst. "Was macht das denn für einen Unterschied?"
"Alphas sind Nachkommen des Lykaon. Wunden, die von ihnen geschlagen werden, sind gefährlicher als die anderer Werwölfe. Bei einem Biss wird ein Gift frei, dass innerhalb weniger Stunden zum Tod führt. Bea hat Glück gehabt, dass sie nur von den Krallen verletzt wurde."
"Und das heißt?", hakte Will nach und schaute Chiron hoffnungsvoll an. Er wollte nicht noch eine Patientin verlieren. "Du Wunde verheilt und dann ist sie wieder fit?"
"Ganz so leicht ist es leider nicht. Menschen können so eine Wunde nur in äußerst besonderen Situationen überleben. Halbblute können von Ambrosia geheilt werden", erklärte Chiron.
"Das heißt, wir hoffen darauf, dass sie wirklich eine Halbgöttin ist", fasste Annabeth mit einem nüchternen Tonfall zusammen. "Entweder sie stirbt durch das Ambrosia oder sie wird geheilt."
Betroffenes Schweigen erfüllte den Raum. Dann ergriff Percy das Wort. "Heil sie, Will. Ich bin mir sicher, dass sie eine Halbgöttin ist!"
Percy war sich ganz und gar nicht sicher, aber eine andere Möglichkeit gab es nicht. Er war daran Schuld, dass Bea verletzt wurde, also würde er auch die Verantwortung übernehmen, falls das Ambrosia den ungewünschten Effekt hervorrief.
"Wir haben eh keine andere Wahl", ergänzte Percy mit fester Stimme, als Will sich nicht regte, sondern nur mit großen Augen zu Poseidons Sohn blickte. "Tu es!"
"Okay." Will räusperte sich und warf Chiron einen kurzen Blick zu, um dessen Einverständnis zu bekommen.
Aber die Aufmerksamkeit des Zentaurs lag auf etwas ganz anderem. Auf dem Schränkchen neben Beas Bett lag eine Waffe. Die Halbblute hatten Beas Sachen dort hingelegt, um sie ihr später wiederzugeben. Es war schon Jahre her, aber Chiron würde diese speziell angefertigte Waffe immer wieder erkennen.
"Nimm so wenig Ambrosia wie möglich", wies Chiron den Sohn des Apollo an, welcher daraufhin nur sprachlos nickte.
Diese Ungewissheit zerfraß ihn regelrecht. Er hatte sich bisher noch nie um Menschen kümmern müssen und jetzt nicht zu wissen, was da vor ihm lag, war die Hölle. Aber es war sein Job.
Also portionierte er ein kleines Stück Ambrosia und ließ seinen Blick ein letztes Mal über seine Freunde gleiten, bevor er es Bea verabreichte. Jetzt konnten sie nur noch abwarten und hoffen - Will überbelegte für einen Moment zu seinem Vater zu beten, in der Hoffnung, er würde helfen.
Die erste Stunde passierte gar nichts. Beas Zustand verschlechterte sich nicht, aber eine Verbesserung war auch nicht in Sicht. Das rief ziemlich große Verwirrung hervor.
Chiron und Will waren beide davon überzeugt, dass ein Halbblut schon längst auf die Heilung reagiert hätte und auf dem Weg zur Besserung wäre. Aber bei Bea passierte absolut gar nichts.
In der zweiten Stunde begann das Fieber. Es kam schleichend und wurde erst von Will entdeckt, als er seinen halbstündigen Gesundheitscheck durchführte und dabei Puls, Atmung, Temperatur und Wundheilung überprüfte.
Chiron wurde geholt, aber auch er hatte keine Ahnung, was sie tun könnten. Also wies er Will jediglich an, feuchte Tücher zu holen und ihren Körper möglichst abzukühlen.
In der dritten Stunde kamen die Schmerzen. In der einen Sekunde war Bea bewusstlos, trieb in der unendlichen Schwärze und bekam rein gar nichts mit. In der nächsten stand ihr Körper in Flammen.
Bea brauchte einige Momente, um zu verstehen, dass sie nicht wirklich verbrannte. Aber die Schmerzen kamen echt nah dran. Dass Will, Chiron und Percy an ihrem Bett standen, probierten sie zu beruhigen und ratlose Blicke miteinander wechselten, drang gar nicht zu ihr durch. Da waren nur Schmerzen - unendliche Schmerzen.
Ein lautes Klopfen ertönte, da scheinbar die ersten Camper alarmiert worden waren. Es war kein Wunder, dass die Schreie bis draußen zu hören waren und sich die Halbblute begannen Sorgen zu machen. Gezwungenermaßen verließ Chiron die Krankenstation und beruhigte die aufgewühlten Camper.
Will hatte die Zeit aus den Augen verloren. Vielleicht war es nur eine halbe Stunde gewesen, in der Bea sich im Bett herumwälzte, sich ihre Muskeln zusammenkrampften und sie vor Schmerzen schrie bis sie heiser war. Ihr Fieber nahm übernatürliche Werte an und insgeheim machte sich der Sohn von Apollo mit dem Gedanken vertraut, dass er diese Patientin nicht hatte retten können.
Irgendwann ebbte Beas Anfall ab und ihr Körper entspannte sich. Will und Percy gaben sich Mühe, die Verletzte zu wecken, aber diese war erneut bewusstlos und regte sich nicht.
Will checkte ihren Puls und ihre Atmung - beides war im normalen Bereich. Tatsächlich war ihr Fieber sogar gesunken. Nur an der eigentlichen Wunde gab es keinerlei Veränderung. Ob das jetzt eine positive oder negative Entwicklung war, wusste keiner so recht.
Annabeth und Nico besuchten die anderen in der Krankenstation, aber mehr als schweigend rumsitzen, konnten sie auch nicht machen. Später erschien auch Chiron, der sich nach dem Gesundheitszustand erkundigen wollte.
Irgendwann verschwand Annabeth und besorgte eine Ablöse für Will, damit dieser mal ins Bett gehen konnte. Da auch Percy, Annabeth und Nico zunehmend gähnten und ihnen die Augen zufielen, schlossen sie sich Will an und gingen in ihre Hütten.
Mit der Hoffnung, dass es Bea morgen besser ging, schliefen sie ein.
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