Kapitel 16
Bevor Bea ihre Handlung durchdachte, war sie schon aufgesprungen. Ihre Hände waren zwar hinter ihrem Rücken gefesselt, aber das hielt sie nicht davon ab, Matthias mit der Schulter zu rammen, sodass dieser einige Schritte nach hinten stolperte.
Dass sie selbst in diese Situation geraten war, konnte Bea verkraften. Darauf hatte sie sich jahrelang eingestellt. Aber dass Liam da mit reingezogen wird, würde sie verhindern! Ihm würde kein Leid zugefügt werden!
"Aber, Bea", ertönte die Stimme des Anführers bedauernd, "Es gibt doch keinen Grund sich so aufzuregen. Bitte, setz dich."
Ihr Blick schoss zu dem Schwarzhaarigen. Erwartete er wirklich, dass sie sich so leicht geschlagen geben würde und Liam im Stich lassen würde? Nie im Leben!
"Setz dich, Bea. Bitte", forderte sie eine andere Stimme auf.
Bea glaubte ihren Ohren nicht. Ihr Kopf drehte sich zu Liam. Er stand immer noch auf dem gleich Fleck, hatte sich kein Stückchen bewegt und schien das auch nicht vorzuhaben.
Ihr Blick fiel auf seine Hände. Sie waren angespannt zu Fäusten geballt, aber sie waren nicht gefesselt. Liam war vollkommen frei und unbeschadet. Er wies keine Kampfspuren auf.
Einer ihrer Wachen trat hinter dem Stuhl hervor und zog sie zurück auf eben diesen. Bea wehrte sich nicht. Ihr Blick ruhte immer noch auf Liam, während sie verzweifelt nach einer Erklärung für all das suchte.
"Es tut mir leid", gab der Anführer der Truppe von sich und ließ sich hinter dem Schreibtisch, gegenüber von Bea auf einen Stuhl sinken. "Wegen der Fesseln und des Knebels", ergänzte er, als er Beas Verwirrung bemerkte.
"Aber du weißt sicherlich, wieso wir diese Vorkehrungen treffen mussten", seine Stimme klang mitfühlend, als wenn er sich tatsächlich entschuldigen wollte. "Als Trägerin eines Drachenauges ist deine Stimme deine gefährlichste Waffe. Wir mussten sichergehen, dass du sie nicht gegen uns einsetzt."
Bea verzog keine Miene. Ihr Aufmerksamkeit glitt erneut zu Liam, der teilnahmslos daneben stand und die Arme vor der Brust verschränkte. Ihre Blicke trafen sich und Bea sah nichts als Gleichgültigkeit.
"Mein Name ist Damien Kendrick, du bist meine Nichte."
Ein Grinsen erschien auf Damiens Gesicht, während Bea provokant die Augenbraue hob. Ihre Verwandtschaft zu Damien war keineswegs unerwartet. Er war offensichtlich der Anführer und somit der Träger eines Drachenauges, woraus folgte, dass er ein Sohn der Hekate war und somit auf eine seltsame Art Beas Onkel.
"Das scheint dich nicht zu überraschen", erkannte Damien. "Aber was habe ich auch erwartet. Als Träger eines Drachenauges erkennt man seine Mitstreiter."
Mit diesen Worten griff Damien an den Kragen seines Hemden und beförderte sein eigenes Drachenauge ans Licht. Es sah Beas zum Verwechseln ähnlich; der einzige Unterschied würde die Farbe der Iris sein.
Wie auch bei Bea war das Drachenauge vorher vollkommen unsichtbar gewesen. Trotz der offensichtlichen Größe und Form hatte sich unter Damiens Hemd nicht eine einzige Beule sehen lassen.
Wenigstens war sie darauf vorbereitet gewesen, sonst hätte sie nicht so gelassen bleiben können. Liams Informationen, die sie gestern erhalten hatte, hatten also doch noch ihren Zweck erfüllt.
Nur, dass sie ihr jetzt nicht mehr viel brachten. Überraschung traf sie, als sie erkannte, wieso Liam sie gestern kontaktiert hatte. Es ging nicht darum, sie zu warnen. Er hatte sich nicht um sie gesorgt, er hatte lediglich wissen wollen, wo sie war.
"Liam, wärst du so lieb", Damien lächelte ihn an und nickte in Beas Richtung. "Ich würde es gerne sehen."
Liam trat an Bea heran und hob seine Hand. Einen Moment später fühlte Bea, wie seine Finger sanft an ihrem Hals entlang strichen. Plötzlich verharrten sie. "Es ist nicht da."
"Es ist nicht da?", wiederholte Damien fragend. "Was meinst du damit, Liam?" Zum ersten Mal geriet seine Stimme ins Schwanken. Sein sonst so sanfter, aufgesetzt freundlicher Tonfall änderte sich und ließ seine Verunsicherung ans Licht kommen.
"Es ist nicht da", sagte Liam erneut und richtete seinen Blick starr auf Beas Augen. Was hatte sie nur wieder angestellt? Sie trug das Drachenauge immer bei sich! Immer!
"Durchsucht sie", befahl Damien sogleich und beobachtete wie Matthias vortrat und nicht gerade sanft Beas Körper abklopfte. Seine Hände glitten sogar in ihre Hosentaschen, um sicherzugehen, dass sie es dort nicht versteckt hatte.
Aber das Drachenauge blieb unauffindbar. Der Nachteil daran war nur, dass Bea jetzt unbewaffnet war. Matthias hatte jegliche Messer gefunden, die sie bei sich trug und diese auf dem Schreibtisch abgelegt. Dazu kamen eine Packung Kaugummis und ihr Portemonnaie.
"Sie hat es nich' bei sich", bestätigte nun auch Matthias.
Bea hätte gegrinst, wenn sie nicht geknebelt gewesen wäre. Sie konnte sich gar nicht entscheiden, wessen Gesichtsausdruck sie besser fand. Damiens komplette Verwunderung und Überraschung oder Matthias unbändige Wut, da er sich mal wieder hatte überlisten lassen.
"Wo steckt es, Bea?"
Sie zog die Augenbrauen schweigend hoch und wartete einfach, bis Damien es raffte. Ein paar Sekunden später wurde der Knoten hinter ihrem Knopf gelöst und das Tuch fiel endlich aus ihrem Mund.
"Uäh", machte sie lang gedehnt und zog eine Grimasse. "Das war echt widerlich. Das nächste Mal könntet ihr vielleicht erst nett fragen, in Ordnung? Einfach so jemanden zu knebeln ist nicht wirklich Gentleman-like."
"Wo ist es, Bea?" Jegliche Freundlichkeit war aus seiner Stimme verschwunden. Sein Körper spannte sich deutlich an, seine Hände ballten sich zu Fäusten und sein Blick wurde eiskalt.
"Ich weiß nicht, wovon du redest", Bea setzte eine entschuldigende Miene auf und zuckte mit den Schultern.
"Stell dich nicht dumm!", fauchte Damien wütend und sprang von seinem Stuhl auf. "Sag mir, wo du es versteckt hast!"
Als Bea weiterhin schwieg, griff Damien ohne zu zögern zu anderen Mitteln. Das Drachenauge, das um seinen Hals hing, öffnete sich und enthüllte die rot leuchtende Iris. "Sie soll mir sagen, wo ihr Drachenauge versteckt ist!", forderte Damien.
Bea zögerte. Ihre Lippen pressten sich zusammen, die Kiefermuskeln spannten sich an und sie kniff die Augen zu. "In Poughkeepsie", ihre Stimme klang hohl, während sie den genauen Standort beschrieb. "In der Nähe der Wohnung, wo ich geschlafen habe." Darauf folgten Straße, Hausnummer, Wohnungsnummer, Raum und Position der Holzdiele, unter der ein Hohlraum war, groß genug für ein Drachenauge.
"Danke. Schafft sie weg, wir brauchen sie erstmal nicht mehr", Damien verließ ohne ein weiteres Wort den Raum mit Matthias als Anhängsel. Wahrscheinlich plante Damien, dass Matthias der neue Träger für das Drachenauge werden sollte.
"Ich übernehme sie, ihr könnt gehen." Liams Stimme riss Bea aus ihren Überlegungen. Die zwei Wachen hinter ihr zögerten.
"Ich bin Damiens direkter Berater. Meine Informationen haben euch dazu verholfen, sie gefangen zunehmen. Und ihr zweifelt an meiner Loyalität?"
Bea zweifelte sehr stark an seiner Loyalität; zu ihr. Ihr anfänglicher Glaube, dass er - genau wie sie - unfreiwillig hier war, verflüchtigte sich immer mehr und machte dem Gedanken Platz, dass er sie verraten hatte.
Selbst wenn er unter Einfluss von Damiens Drachenauge gehandelt hätte. Dass würde nicht erklären, wieso er sich immer noch so verhielt. Er schien keineswegs davon beunruhigt, Bea verraten zu haben.
Die Wachen machten ohne ein Wort zu sagen kehrt und verließen das Büro. Zurück blieben Bea und Liam.
"Bea, hör zu-"
Bea unterbrach ihn sofort. "Halt deine Klappe, Liam. Ernsthaft. Ich will deine billige, gelogene Entschuldigung gar nicht hören."
"Ich wollte mich nicht entschuldigen", erwiderte Liam ruhig, fasste Bea am Arm und zog sie vom Stuhl hoch. "Ich wollte mich dir nur erklären. Damien und ich liegen nicht im Unrecht, Bea. Du solltest nicht nur auf deinem Standpunkt beharren und das Drachenauge alleine für dich beanspruchen."
"Also kommst du damit klar hunderte, tausende unschuldige Wesen zu töten", schnaubte Bea verachtend, während sie von Liam aus dem Raum gezogen wurde. "Hast du schon mal an die Ausmaße eures Planes gedacht? Chiron, Tyson? Was ist mit Satyren? Nymphen? Dryaden?"
"Damien weiß, was er tut", sagte Liam sicher. "Wenn wir alle Drachenaugen haben, können wir gezielt damit umgehen, Bea. Stell dich nicht in den Weg und hilf uns! Wir können so viele Halbblute retten!"
"Du hast mich verraten", Bea musste schlucken, als sie diese Worte aussprach. "Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben, Liam. Aber lass dir eins gesagt sein: wenn du meinen Freunden etwas tust - sie verrätst, auslieferst, ausspionierst, verletzt - dann werde ich nicht zögern dir dasselbe anzutun."
Liam zögerte mit seiner Antwort. "Das Wohlergehen vieler steht über dem eines Einzelnen."
"Das ist keine Entschuldigung dafür, Freunde zu verraten."
"Ich entschuldige mich nicht, Bea", sagte Liam. "Ich versuche dich lediglich davon abzuhalten, einen Fehler zu begehen."
"Mein einziger Fehler war es, dir zu vertrauen", gab Bea zurück und kümmerte sich nicht darum, dass man ihr deutlich anhörte, wie sehr sie das schockiert und verletzt hatte.
Liam antwortete nicht mehr. Er führte Bea schweigend die Treppe hinab bis in den Keller. Seine Hand ruhte stets an Beas Arm und hinderte sie daran, Dummheiten zu begehen.
Er öffnete eine Tür und bedeutete Bea schweigend den Raum zu betreten. Es gab nicht viel zu sehen. Die Anzahl der Möbelstücke war stark beschränkt. Mehr als ein Bett und einen Stuhl gab es nicht.
"Ich werde später wiederkommen, falls du auf Toilette musst", erklärte Liam. "Dreh dich um, dann öffne ich die Handschellen."
Bea wandte den Rücken zu Liam und spürte, wie die Fesseln um ihre Handgelenke nacheinander aufgingen. Ein wohliges Seufzen entfloh ihren Lippen, als sie ihre Arme wieder frei bewegen konnte.
Noch während Liam die Handschellen in seiner Hosentasche verstaute, zog Bea ihre letzte verbliebene Waffe, drehte sich schwungvoll um 180 Grad und zielte direkt auf Liams Kehle.
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Soo, ich bin unpünktlich XD
Ich bin zwar ziemlich müde, aber ansonsten war das Seminar echt okay. Als kleine Erklärung am Rande: ich mache zur Zeit einen Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) und damit hängt dieses Seminar zusammen. Es werden auch noch weitere folgen :)
Die Unterkunft war echt in Ordnung, vielleicht abgesehen von den Duschen und Toiletten, die leider nur auf dem Flur waren. Aber dank Corona (wow, es hat echt mal was positives) haben wir alle Einzelzimmer XD
Allerdings gab es kein WLAN, was mich dann doch ziemlich stört. So abends im Bett mal ein Youtube Video zu gucken, wäre schon ganz nett gewesen XD
Bis Montag und ein schönes Wochenende euch allen, thegreeni
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