Kapitel 13
Percy hatte gegen Clarisse gewonnen. Und obendrein auch noch ihren neuen Speer zerstört, was Rache geben würde.
Aber das war ihm egal. Er war gerade dabei die letzen Meter zurückzulegen. Der Fluss und ein paar erwartungsvolle Teammitglieder, die am Ufer standen, gelangten in sein Blickfeld.
Sobald die Flagge in Sicht kam, brach Jubel aus und Percy wurde freudig in Empfang genommen. Er trat gerade in den Fluss als etwas merkwürdiges passierte.
Annabeth war Percy entgegengekommen, ein paar Schritte in den Fluss getreten und wollte nach der Flagge greifen. Wollte sie gemeinsam mit Percy in die Luft recken und zeigen, dass sie erneut gesiegt hatten. Das sechste Mal in Folge.
Mit einem lauten Platschen fiel die Flagge ins Wasser. Und in der nächsten Sekunde war Percy zwischen den Bäumen verschwunden und rannte zurück ins gegnerische Spielfeld. Der Sieg, die Flagge, seine Mitspieler und Annabeth waren vergessen.
"Percy? Was ist los?", rief Annabeth ihm verwirrt nach. Als sie merkte, dass er nicht umkehrte, setzte sie sich direkt in Bewegung und nahm die Verfolgung auf.
Percy war schnell. Er wusste genau, wo er hin musste und wie er da am schnellsten hingelangen konnte. Er nahm immer den richtigen Weg, wich umgefallenen Bäumen aus und ließ sich durch nichts von seinem Weg abbringen.
Als er nur noch zehn Meter von ihnen entfernt war, brach der Zauber ab. Percy schaute sich verwirrt um, kurze Zeit später erreichte Annabeth ihn. "Was ist denn los mit dir? Du bist plötzlich einfach losgerannt!"
"Ich bin, was-?", stammelte der Angesprochene überfordert. Wo war er eigentlich und wie war er hier hingekommen? Er erinnerte sich nur daran, die Flagge zum Fluss getragen zu haben.
"Leute, kommt her!", ertönte die Stimme eines Jungen nicht allzu weit entfernt.
Ein kurzer Blickwechsel zwischen dem Paar und sie setzten sich in Bewegung. Wenn sie nicht alles täuschte, war das Liams Stimme gewesen. Was sollte er hier machen und was um alles in der Welt war mit Percy los?
Liam war nicht alleine. Direkt neben ihm saß Bea an einen Baum gelehnt mit halb geschlossenen Lidern. Ihr Arm wies eine breite Fleischwunde auf, ihre Lippe war aufgeplatzt und ihr T-Shirt war im Bauchbereich blutgetränkt.
"Was ist passiert?", fragte Annabeth alarmiert und ließ sich neben der Verletzten auf den Boden sinken. "Das war ganz klar gegen die Spielregeln!"
"Ich weiß es nicht", antwortete Liam. "Ich hab sie kurz vor euch gefunden, keine Ahnung, wer ihr das angetan hat."
"Ist sie schlimm verletzt?", hakte Percy nach, bevor sich die beiden in Diskussionen darüber verlieren konnte, welches Halbblut sowas getan haben könnte.
"Nichts lebensbedrohliches. Die Wunde am Arm ist von einem Pfeil", mit einem Nicken deutete er zu besagten Objekt, das ein paar Meter entfernt auf dem Boden lag. "Und die Stichwunde am Bauch ist nicht allzu tief. Sie scheint trotzdem nicht ganz anwesend zu sein - sie ist nicht bewusstlos, aber reagieren tut sie auch auf nichts."
"Das heißt sie hat gezaubert!", stellte Annabeth fest. "Deswegen ist Percy plötzlich wie besessen durch den Wald gerannt. Bea muss ihn mit ihrem Drachenauge gerufen haben!"
"Wahrscheinlich", stimmte Liam zu. "Ich denke, wir warten kurz auf Chiron. Für ihn ist es leichter, Bea zurück zum Haupthaus zu bringen."
Und so warteten die Halbgötter. Nach einiger Zeit kam Chiron - er hatte zunächst die anderen Camper beruhigen müssen und angeordnet, dass alle bis auf Will in ihren Hütten verschwinden sollen.
Bea landete erneut auf der Krankenstation - immerhin war sie diesmal nicht die einzige, da beim Erobern der Flagge durchaus mal der ein oder andere verletzt wurde.
Als sie am nächsten Morgen erwachte, war es noch dunkel. Nichtsdestotrotz erkannte sie den blonden Haarschopf direkt. Liam hatte die Nacht über neben ihr verbracht und Wache gehalten. Solange niemand wusste, was ihr passiert war, wollte Chiron für ihre Sicherheit garantieren.
"Endlich wachst du mal auf", sagte Liam mit leiser Stimme, da die anderen verletzten Halbgötter noch schliefen. "Hast du diesen Raum nicht schon oft genug gesehen? Du solltest es nicht zur Angewohnheit werden lassen, immer hier zu landen."
"Dir auch einen schönen Morgen", murmelte Bea und verdrehte die Augen. "Was sitzt du eigentlich neben mir, anstatt in deiner Hütte zu liegen?"
Liam zog die Augenbrauen hoch. "Ich beschütze dich. Nach gestern ist das ja scheinbar ziemlich nötig. Ich habe Will heute Nacht gegen 2 Uhr abgelöst. Er hat deine Wunden versorgt."
"Oh", gab Bea von sich und überprüfte wie stark ihre Wunden schmerzten. Erstaunlicherweise tat es gar nicht so weh.
"Also", begann Liam neugierig, "mit wem hast du dich gestern angelegt? Chiron wartet schon darauf, den Verantwortlichen aus dem Camp zu schmeißen." Natürlich vermuteten sie alle, dass es Matthias gewesen war, aber ohne eine handfeste Aussage von Bea hatte Chiron nichts unternehmen wollen.
"Ach, der ist wahrscheinlich schon längst abgehauen. Matthias hat sich mindestens vier Halbgötter als Verstärkung geholt. Ein Apollo-Junge war dabei."
Liam verkrampfte sich sichtlich. "Woher willst du das wissen? Nicht nur wir können mit Pfeil und Bogen umgehen!"
"Nicht mal die Ares-Hütte kann so gut zielen wie ihr. Ich bin mir sicher, dass es ein Sohn des Apollo war. Matthias hat verraten, dass es ein Junge ist. Sehen konnte ich ihn leider nicht."
Liam schnaubte abwertend, sichtlich konsterniert von Beas Beschuldigungen. "Sei so lieb und hol' mir was zu trinken, okay?", gab Bea von sich, da sie keineswegs weiter mit ihm diskutieren wollte.
Ein paar Stunden später erschien Chiron mit ein paar Halbgöttern als Anhängsel. Bea erklärte sofort, dass es ihr gut ging und sich niemand sorgen brauchte, aber Chiron behielt seinen komischen Gesichtsausdruck bei.
Nachdem Will sie kurz untersucht und die Verbände gewechselt hatte, war es ihr frei, sich zu bewegen. Daher fand sie sich kurze Zeit später mit Percy, Annabeth, Will und Liam in Chirons Büro wieder.
"Also hat Matthias dir das angetan?", stellte Chiron mit nüchternem Tonfall fest.
"Meine Verletzung am Bauch, ja", bestätigte Bea. "Er wollte mich dazu zwingen, das Drachenauge von meinem Zauber zu befreien."
"Was er nicht geschafft hat."
"Ja", antwortete sie zögerlich. "Ich habe das Drachenauge mit einem Zauber an mich gebunden. Nur ich selbst kann es abnehmen. Ist Matthias noch hier?"
"Nein", antwortete Chiron enttäuscht. "Und er hat ein gutes Duzend Halbblute mitgenommen. Sie sind freiwillig gegangen, also sollten wir davon ausgehen, dass sie seine Taten und Meinungen unterstützen."
"Wer ist mit ihm gegangen?", hakte Bea direkt nach.
Über die Hälfte der Namen kannte sie nicht, aber ein paar schon.
Freya, das junge Mädchen aus der Hekate-Hütte war verschwunden. Bea war fest davon überzeugt, dass sie nicht aus freien Stücken gegangen war, sondern entweder von Matthias gezwungen oder mit Lügen überredet wurde.
Eileen, ein Mädchen aus der Apollo-Hütte. Nun tat sich die Frage auf, ob Matthias sich vielleicht doch nur versprochen hatte und es gar kein männlicher Bogenschütze gewesen war. Da kein anderes Mitglied aus der Hütte verschwunden war, gab es wohl keine andere Möglichkeit.
Mark und Arnold aus der Ares-Hütte. Bea hatte sie beim Training kennengelernt.
Der Rest war ihr unbekannt.
"Was machen wir jetzt?", durchbrach Percy die Stille.
"Ich werde verschwinden", gab Bea ohne zu zögern von sich. "Matthias will dieses Drachenauge und er weiß, dass ich hier im Camp bin. Er ist wahrscheinlich schon dabei einen neuen Plan aufzustellen. Wer weiß, vielleicht gibt es hier im Camp noch mehr Anhänger, die auf ihre Chance warten das Drachenauge in die Finger zu bekommen."
"Du gehst nicht alleine", entschied Percy bestimmt. "Das ist zu gefährlich."
"Ich habe die letzten drei Jahre alleine auf den Straßen überlebt. Mit Begleitung wäre ich auffälliger und würde mehr Monster auf mich aufmerksam machen. Ich gehe alleine."
"Du könntest nach Camp Jupiter. Dort wärst du in Sicherheit", schlug Will vor.
"Matthias würde dort nach ihr suchen", verneinte Annabeth dieses Mal. "Oder dort passiert das Gleiche wie hier. Ich würde sie auch gerne in Reynas und Jasons Nähe wissen, aber es ist zu gefährlich."
"Ich könnte nach Europa", warf Bea ein. "Nach Italien, Triest, wo meine Großeltern leben. Die Monster dort sind mein geringsten Problem."
"Ich hätte dich lieber hier in Amerika", widersprach Chiron, "in Europa bist du außerhalb unserer Reichweite. Wenn du in der Nähe von New York bleibst, können wir dir gegebenenfalls Hilfe schicken."
"Wieso verstecken wir das Drachenauge nicht einfach irgendwo? Oder zerstören es einfach", sagte Will plötzlich. "Dann wäre Bea in Sicherheit und könnte hierbleiben."
"Das wird nicht funktionieren", erklärte Bea missmutig. "Man kann das Drachenauge nicht einfach so zerstören und es zu verstecken ist fast unmöglich. Es will praktisch gefunden werden."
Stille breitete sich im Raum aus.
Die Halbblute hatten gemeinsam schon viele Kämpfe ausgefochten. Und gemeinsam gegen Titanen, Götter und Monster zu kämpfen, das war schwer. Aber jetzt konnten sie sich gegenseitig nicht mehr vertrauen.
Wer im Camp würde noch solche Maßnahmen ergreifen, nur um mächtiger zu werden?
"Dann geh ich wohl mal meine Tasche packen, was?", sagte Bea schließlich und zwang sich ein Grinsen auf.
"Ich begleite dich zu deiner Hütte", erwiderte Percy entschlossen. "Falls Matthias noch weitere Anhänger im Camp hat."
Ein paar Minuten später gammelte Percy auf Beas ehemaligem Bett herum, während sie ihre Sachen im Rucksack verstaute. Es gab nicht viel einzupacken. Sie war die letzten drei Jahre viel umhergereist und das war leichter mit wenig Gepäck. Und da es noch Sommer war, musste sie keine dicken Winterjacken mit sich herumschleppen.
"Ich denke, ich werde gleich mit Epona fliegen", verriet sie Percy. "Matthias wird schnell herausfinden, dass ich nicht mehr im Camp bin und mit einem Pegasus bin ich schneller als zu Fuß."
"Klingt gut", gab Percy bloß von sich. Er schien mit seinen Gedanken wo anders zu sein, aber Bea war trotzdem dankbar für seine Anwesenheit.
"Sobald ich einen sicheren Ort gefunden habe, werde ich sie zurückschicken. Ich denke, ich werde New York erstmal verlassen. Aber vielleicht kann ich mich in ein paar Wochen zu dir schleichen - ich weiß ja, wo du wohnst."
"Wenn es hart auf hart kommt, kannst du bei meiner Mom Unterschlupf suchen. Ich werde sie über dich informieren, dann stellt sie keine Fragen."
"Danke", Bea schwang sich den Rucksack über die Schulter und überprüfte ein letztes Mal, ob sie an alles gedacht hatte.
Sie würde das Camp vermissen.
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Heeyy,
lange ist Bea ja leider nicht im Camp bei Percy und seinen Freunden geblieben :(
Na ja, ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen. Ich habe erfolgreich meinen Montag überlebt, jetzt folgen ja nur noch 4 Tage bis zum wohlverdientem Wochenende XD
Bis Donnerstag, thegreeni
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