Silber und Drache 39
Ama brauchte mir zu lange um wiederzukommen. Ich streunte durch meine Räume, auf der Suche nach Beschäftigung. Nicht nur weil mir Langweilig wurde, ich versuchte auch mich von meiner Situation abzulenken.
Dass ich angezogen wie eine Prinzessin im Luxus schwelgte, vollkommen in der Kontrolle Fremder, passte kein bisschen zu mir. Sobald ich Gewänder anlegen konnte, die meinem Ansprüchen genügten, hatte ich vor Milanda und Ranja besuchen zu gehen. Außerdem wollte ich mich im Palast umsehen, um mich zu fühlen, wie als ich besäße ein wenig Kontrolle über mein Leben.
Zunächst konnte ich nur auf Amas Wiederkehr warten.
In dem Raum, den ich zuerst betreten hatte, eine Art Wohnzimmer, fand ich auf einem Tisch einen Krug Wasser und eine Schale mit Obst.
Einen Großteil der Früchte hatte ich noch nie zuvor gesehen. Deshalb stillte ich meinen aufkommenden Hunger mit Äpfel und Birnen, die ich von zu Hause her kannte.
Zu gern hätte ich meinen Magen mit etwas deftigen wie Rindfleischeintopf, oder Schmorrbraten gefüllt. Eine Diät aus Trockenfleisch und Obst, raubte mir langsam aber sicher alle Kräfte.
Nach dem Essen entdeckte ich ein Bücherregal.
Zu meiner Enttäuschung waren nur zwei der Bücher in der Hochsprache Ametrins geschrieben worden, so dass ich sie lesen konnte.
Der Rest zeigte mir seitenweise, der für mich unlesbaren winzigen Kringel und Schnörkel, die für die Elfenschrift typisch waren.
Mit meiner Ausbeute zog ich mich in mein Schlafzimmer zurück und ließ mich dort in die weiche Decken und unzähligen Kissen des Bettes sinken, um mich in die pure Langeweile eines Buches über elfische Hofetikette zu vertiefen.
Es schaffte es hervorragend mich einzuschläfern.
Ein warmes zartes Streicheln, über meinen Kopf und meine Wange, holte mich aus dem Schlaf. Ein ungewöhnliches Gefühl. Vermutlich war ich zum letzten Mal in meiner Kindheit so zärtlich geweckt worden.
Mit einem leisen Murren regte ich mich und kuschelte mich noch etwas tiefer in die weiche Matratze unter mir.
Ich fühlte mich unglaublich wohl, doch ahnte, das würde vorbei sein, sobald ich die Augen öffnete.
„Iris.", hörte ich ein Flüstern. Es klang süß und lieblich.
Zögerlich drehte ich meine Gesicht in Richtung der Stimme und blinzelte.
Die Berührung veränderte sich. Etwas strich mir sanft die Nase hinunter, tippte kurz auf die Nasenspitze, dann spürte ich warmen Atmen an meinen Lippen.
Die Königin saß neben mir. Ich wusste es sofort.
Wenn ich mich jetzt nicht regte, würde sie mich vermutlich küssen.
Der Gedanke ließ mich nicht weiter trödeln. Hastig riss ich die Augen auf und blickte direkt in die der Elfe, nur ein paar Zentimeter über mir.
„Ihr wolltet keinen Kuss?", fragte mich die Königin und klang dabei ein wenig enttäuscht.
Verschlafen schüttelte ich den Kopf.
„Also doch?"
Sie kicherte und legte ihre warmen Handflächen um meine Wangen.
„Ich will jetzt keinen Kuss.", brummte ich und hörte mich vielleicht ein bisschen trotzig dabei an.
Irgendwie war ich immer noch nicht richtig wach. Doch ich erinnerte mich, dass ich die Königin aus irgendeinem Grund absolut nicht hatte sehen wollten.
Müde rieb ich mir mit den Fingern über die Augen, während ich die Hände der Elfe durch mein Haar kämmen fühlte.
Irgendwann hatte ich eine gewisse Distanz zwischen uns geschaffen. Doch die Königin hatte sie wieder eingerissen und fühlte sich jetzt scheinbar mehr befugt als jemals zuvor, mich durchgehend zu berühren.
Schlimmer noch als ihre mangelnde Zurückhaltung, war mein Drang diese Eigenart trotz all meiner Zweifel nicht nur zuzulassen, ich genoss ihre Berührung teilweise mehr als ich sollte.
„Euer Haar fühlt sich wunderbar weich an so sauber. Aber ich denke, eure Frisur hat ihre besten Tage bereits gesehen. Nur noch die Spange ist übrig.", sagte die Königin. Sie hielt mir die silberne Haarklammer, die Ama mir zuvor ins Haar gesteckt hatte, vor die Nase.
„Trotzdem seid ihr wunderschön. Ich hätte nicht gedacht, dass euch ein Elfenkleid so gut steht."
Die Realität meiner Lage überfiel mich mit riesigem Schrecken. Der Moment, den ich unbedingt hatte umgehen wollen, war eingetreten.
Panisch raffte ich eine Decke an mich, versuchte meinen Körper so gut es ging dahinter zu verbergen.
Dann stockte ich. Wieso musste ich nur immer so überzogen reagieren, bei allem was die Königin anbelangte? Sie hatte mich bereits in dem dünnen Kleidchen gesehen. Was sollte der Aufstand also noch?
Dennoch stopfte ich die Decke um mich herum fest und murmelte dabei:
„Ama bringt mir andere Gewänder. Ich ziehe praktischere Kleidung vor."
„Ich weiß."
Die Königin griff nach der Decke und zog sie langsam wieder von mir herunter. Ich hielt den Stoff nur halbherzig fest, unsicher ob ich ihrem Willen nachgeben wollte oder nicht.
„Ama hat es mir erzählt und war dabei sehr unglücklich. Ich habe euch etwas mitgebracht, in dem ihr euch wohler fühlen könnt. Also. Lasst mich euch vorher noch richtig ansehen. In Ordnung?"
Mit bloßen Ansehen konnte ich mich abfinden, doch die Königin nutzte zum Sehen scheinbar ihren Tastsinn.
Ihre Finger berührten nicht mich, sie strichen über das Kleid, das sich um meine Knie herum zu einer knisterten Wolke bauschte.
Vorsichtig zupfte sie das Gewand zurecht, wie es zuvor schon Ama getan hatte. Doch ihre Bemühungen fühlte sich keineswegs unschuldig an.
Ihre Hände schienen den Stoff zu verbrennen, dort wo sie ihn berührte, dass die Hitze bis hinunter auf meine Haut drang.
Dann fasste sie mich plötzlich fest um die Taille und lehnte sich wie zuvor direkt über mich.
„Ihr wollt es wirklich nicht anlassen? Prinzessin."
Nein. Nach diesem Kosewort noch tausend Mal weniger.
Mich überkam das Gefühl, sie wollte mich schon wieder ärgern.
„Prinzessin.", knurrte ich laut und schob die Königin von mir herunter um aufzustehen.
Die Elfe brach in Lachen aus. Am Liebsten hätte ich sie kräftig geschüttelt, damit sie aufhörte.
Ich musste wirklich raus aus diesem Kleid. In dieser Verkleidung, war ich der Königin wirklich kein bisschen mehr gewachsen.
Auf der Kommode, die direkt neben dem Tor zum Wohnzimmer aus der Wand herauswuchs, entdeckte ich einen Stapel Kleidung, der nur auf mich zu warten schien.
Herrlich dickes Leinen, festes Leder und harte Schnallen schmiegte sich an meine Hände, als ich die Gewänder auseinander zog.
„Soll ich euch beim Umziehen helfen?", fragte die Königin.
Im Augenwinkel bemerkte ich, wie sie vom Bett aufstand und auf mich zu kam.
Rasch drehte ich mich zu ihr um und hob abwehrend die Hände.
„Ich kann das sehr gut alleine."
Viel zu schnell ergriff ich die Flucht, doch stoppte nach ein paar Schritten. Es machte mich so zornig, dass sie mich grundsätzlich so leicht zum Weglaufen brachte.
Seit wann war ich so feige?
Nur weil mein Nacken kochte wie flüssiges Gestein, mein Herz laut pochte und meine Knie zitterten, war ich noch lange nicht besiegt.
Also stellte ich mich der Königin nochmal und zischte:
„Ihr solltet wirklich aufhören mich zu verärgern. Schließlich müsst auch ihr es ein paar Monate mit mir aushalten."
Ein verwirrtes Lächeln erschien auf dem Gesicht der Königin.
„Ich glaube, ich würde kein Problem haben, es eine Ewigkeit mit euch auszuhalten. Und ich würde euch unheimlich gerne nicht mehr ärgern. Aber ihr macht es mir nicht einfach."
Also gab sie mir die Schuld an diesem Drama?
Vielleicht wäre wortlos weglaufen, doch die bessere Lösung gewesen.
Zähne knirschend rannte ich davon ins Bad.
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