Silber und Drache 133
Wir kehrten durch ein Schattentor in Junas Lebensbaum zurück. Den Schatten fiel es schwer sich zu einer spiegelklaren Fläche wie üblich zu vereinen. Immer wieder rissen Fetzen ab, die sich ins nichts auflösten und dunkle Wellen rannen über die Oberfläche. Als wir hindurchtraten, zischten und fauchten die Schatten. Meine Liebste packte meine Hand fester und wir kamen sicher in unserem Schlafzimmer an.
Mit einer knappen Handbewegung scheuchte Juna die Schatten davon. Diese lösten sich mit leisem Flüstern und Wimmern auf.
„Leg dich schon mal hin. Ich hole noch etwas Wasser.", befahl mir meine Liebste, während sie aus dem Zimmer lief.
Mit einem Stirnrunzeln betrachtete ich unser blütenreines Bett. Die duftenden, weißen Lacken und die Bettdecke mit filigranem Blumenmuster. Hauchzarte Vorhänge, mit weißen Kordeln an die Bettpfosten gebunden. Dann blickte ich an mir herunter. Meine Kleidung verkrustet mit getrocknetem Blut und Matsch, die Haut mit Dreck beschmiert. Ich hätte mich lieber auf den Boden gelegt.
Da Juna für eine Heilung sowieso meine nackte Haut berühren musste, konnte ich mich zumindest vorher ausziehen und unsere Schlafstätte nicht ganz so sehr verdrecken.
Ich zog mir das Hemd über den Kopf, obwohl sich meine gequälten und steifen Muskeln über die Bewegung beschwerten. Eine der Brandwunden an meinem Oberarm riss auf, ein kleines, rotes Rinnsal rann über meine Haut nach unten und sammelte sich in meiner Armbeuge.
Hastig ballte ich mein Hemd zusammen und tupfte das Blut auf, weil Juna es nicht sehen sollte. Immer noch hoffte ich meine Verletzungen vor ihr verharmlosen zu können, damit mein Zustand sie nicht traurig machte.
Den Stoff fest zusammengerollt, der frische Blutfleck tief in den Falten verborgen, versteckte ich mein Oberteil hinter einem Vorhang. Das würde ich später wegräumen.
Der Versuch, mein Unterkleid auszuziehen, scheiterte. Zwar glitt der weiche Stoff ganz leicht von meinen Schultern, doch an meiner Brust stieß ich auf Widerstand. Sanft zupfte ich, dann zog ich etwas fester, bis ich vor Schmerzen die Zähne aufeinanderbiss. Die dünne Seide bildete eine Einheit mit meiner verbrannten Haut. Mit jedem genervten Zerren verletzte ich mich weiter, also gab ich auf und wandte mich meiner Hose zu. Auch das Leder war stellenweise mit meiner Haut verschmolzen, doch ließ sich mit deutlich weniger Widerstand lösen.
Trotz meiner Bemühungen vorsichtig zu sein, rannen mir rote Tröpfchen die Beine hinunter, als ich die Hose schließlich in Händen hielt. Wie zuvor, wischte ich mich ab und warf die Hose hinter den Vorhang, dabei tanzten kleine, schwarze Punkte vor meinen Augen. Mein Körper zeigte mir so eindringlich seine Grenzen, dass ich sie nicht weiter ignorieren konnte.
Ich stütze mich auf die Fensterbank, den Kopf gesenkt und keuchte laut. Meine Muskeln zitterten.
So fand mich meine Liebste.
Sie gab einen erstickten Laut von sich und ich hörte einen lautes Klirren als etwas auf dem Boden auftraf. Kühle Wassertropfen trafen meine nackten Beine und große, braune Scherben schlitterten in mein Sichtfeld.
Ihr musste vor Schreck der Wasserkrug aus den Händen gefallen sein.
„Was tust du? Du lebensmüder Drache. Wieso kannst du dich nicht einfach hinlegen und auf mich warten?"
Ihre Stimme klang hysterisch. Sie eilte an meine Seite und schlang die Arme um meinen Oberkörper.
„Pass auf. Steig nicht in die Scherben.", wisperte ich. Ich blickte hinunter auf ihre zarten, nackten Füße.
„Ich pass schon selbst auf mich auf. Wir achten jetzt beide Mal auf dich, du dummer Drache.", rügte sie mich sanft. Ihre Stimme bebte. Ich hörte den Schrecken der vergangen Stunden darin.
Mit meinem ganzen Gewicht stützte ich mich auf meine Liebste und gemeinsam erreichten wir das Bett, welches nur ein paar Schritte entfernt lag.
Mir entschlüpfte ein Seufzer der Erleichterung, als ich mich in die weichen Laken sinken ließ. Juna stützte meinen Kopf als ich mich zurücklehnte und half mir die Beine hoch auf die Matratze zu hieven. Sie klopfte die Kissen zurecht und zog fürsorglich eine Decke über meinen Körper. Schwer sank mein Körper in das weiche Bett. Ein dumpfer Schmerz pochte unaufhörlich in meinen Beinen und Armen. Meine Brust brannte, als ob immer noch ein Feuer meine Haut versengte.
Juna strich sanft mit den immer noch kühlen Fingern über mein Gesicht. Tief in ihren Augen hielt sich ein dunkler Funken. Die Stirn in tiefe Falten gezogen ruhte ihr Blick auf meinem Oberkörper. Sie streckte die Hand darüber, doch berührte mich nicht.
Dann seufzte sie traurig und blinzelte, als wollte sie am liebsten losheulen.
„Ich möchte dich nicht selbst heilen. Ich könnte es, aber das Dunkel in mir, verwirrt meine Kräfte. Ich würde dir unnötig Schmerzen bereiten. Ich habe Ama bereits nach der Heilerin schicken lassen. Sie sollte bald hier sein."
Ich wollte die Hand heben und ihr über die bleichen Wangen streichen. Doch mein schwerer Arm ließ sich nicht heben. Also schenkte ich ihr nur ein aufmunterndes Lächeln.
Eine Elfenheilung würde meinem Körper schnell alle Kräfte zurückgeben, selbst wenn ich etwas darauf warten mussten. Dadurch, dass ich bei den Elfen lebte, genoss ich ohnehin schon den größten gesundheitlichen Luxus. Im Winterstein würde mir eine wochenlange mühevolle Heilungsphase bevorstehen, wie ich sie schon einige Male erlebt hatte. Die zurückbleibenden Narben würden für den Rest meines Lebens die Geschichte des heutigen Tages erzählen. Wir Drachen zeigten stets stolz unsere Narben vor und berichteten dabei von unseren Abenteuer. Doch ich besaß keine Narben mehr. Alle waren verschwunden unter den liebevoll heilenden Lichtern der Elfen.
„Es ist alles gut. Juna. Ich fühle mich nicht schlecht und kann noch etwas warten."
Meine Liebste schnaubte. Sie nahm mein Gesicht fest zwischen ihre Hände.
„Nein. Du kannst nicht warten. Du musst nicht warten, verstanden? Du bist meine Gemahlin. Also eine Königin, wie ich selbst. Jeder meiner Untertanen muss alles stehen und liegen lassen, wenn es um dich geht. Egal ob Minister, oder Soldat. Ich hab viel zu lange zugesehen und gewartet, dass mein Volk und auch du es von alleine erkennen. Aber ich hab genug. Das heute hat mir gezeigt, dass ich nicht mehr warten kann."
Ich schaffte es nicht meinen Kopf ruhig genug zu halten, dass sie mein kleines Kopfschütteln nicht bemerkte. Als habe sich mein Körper verselbständigt, um mich an meine Liebste zu verraten. Juna tippte mit dem Finger auf meine Nase und lehnte sich vor. Das Gesicht direkt vor meinen, kitzelte eine freche Haarsträhne, die aus einem ihrer Zöpfe entkommen war, meine Wange.
„So? Du bist nicht meiner Meinung?"
Sie schmollte und ich musste lachen. Ein Fehler. Eine Welle der Schmerzen rollte durch mich hindurch. Mit einem Keuchen krümmte ich mich zusammen. Juna verzog das Gesicht, als fühlte sie genau dasselbe. Ein paar Mal atmete ich ruhig ein und aus und schloss für einen Moment erschöpft die Augen. Währenddessen streichelte meine Liebste durch mein Haar, immer wieder und presste die Lippen an meine Stirn.
„Ich bin keine Königin.", wisperte ich schließlich.
„Oh, doch."
Juna drückte mir einen zarten Kuss auf die Lippen.
„Meinst du ich würde jemand anderen als eine Königin heiraten. Wer soll mit mir regieren, wenn nicht mein tapferer Drache?"
Über ihren Wunsch mit mir zusammen zu regieren, hatten wir noch nie gesprochen. Verwundet und müde, fühlte ich mich einer Diskussion über meine neue Aufgaben als ihre Gemahlin nicht gewachsen. Deshalb war ich froh, als die Heilerin uns störte.
Ohne zu Klopfen stürmte sie ins Zimmer und trippelte mit kleinen Schritten zum Bett. Dabei kickte sie Tonscherben aus ihrem Weg, die dumpf gegen die Wände prallten.
Emri Esse Emsge zählte ich inzwischen zu meinen engen Freunden, weil ich sie oft nach dem Schwerttraining in ihrer Hütte besuchte. Dort trank ich mit ihr Tee und sie heilte nebenbei Kratzer und blaue Flecke. Sie wusste, dass ich die Wunden vor Juna verstecken wollte und hüllte sich in Schweigen darüber. Bevor ich ihre Hütte verließ, schob sie mir jedes Mal zum Abschied ein Honigbonbon in die Hand.
Aufrecht und selbstbewusst stolzierte die Elfenfrau, die aussah wie ein kleines Mädchen, mit den runden Backen und dem roten Haar in zwei hohen Zöpfen, durch die Gemächer der Königin. Ihr grünes Kleid und die silberne Spange in ihrem Haar, die das Elfensymbol für Heilung auf einem Bett auf Blättern zeigte, wiesen sie als Heilerin aus.
„Bei der Erdenmutter. Isi-lein was hast du denn angestellt?", rief Esse und drängelte die Königin zur Seite, um zu mir zu gelangen. Sie hockte sich auf die Matratze und legte ihre Hand auf meine Stirn.
Am Anfang hatte mich das respektlose Verhalten der Heilerin gegenüber der Königin, sowie dem Rest des Elfenadels überrascht, doch inzwischen hatte ich gelernt, dass Heiler sich im Elfenland nur den Göttern unterordneten.
Ohne ein Wort der Beschwerde ließ Juna der Heilerin den Vortritt. Sie ließ sich auf einem Stuhl in der Nähe des Bettes nieder und ließ uns nicht aus den Augen. Das Gesicht voller Sorgen, verfolgte sie kritisch jede Bewegung. Vermutlich bereit dazu, jederzeit dazwischen zu springen, wenn Esse ihrer Meinung nach etwas nicht richtig machte.
Ganz eindeutig fiel es ihr schwer, jemand anderem meine Heilung zu überlassen.
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