Drache und Silber 140
Kaum hatte ich ausgesprochen, wirbelte Sielgfried herum und riss dabei eines der Smaragdschwerter vom Tisch. Genau die schmucklose Waffe, die ich zuvor genauer betrachtet hatte.
Das Lächeln der Elfe strahlte noch heller, als sie die scharfe Klinge an der meines Schwertes entlanggleiten ließ. Ein helles Klirren begleitete die Berührung. Die ersten wundervollen Töne eines besonderen Liedes, das viel zarter erklang als das kräftige Scheppern der Eisenschwerter auf meinem nicht mehr so geheimen Trainingsplatz im Wald. Ich konnte es kaum erwarten, mein neues Schwert zu spielen, wie ein Instrument, und seine glockenhelle Melodie durchs Elfenreich hallen zu lassen.
Die Luft vibrierte zwischen den Waffen. Ein Zeichen der Magie, die in ihnen ruhte. Roter Schimmer vermischte sich mit Grün, bis eine dunkelbrauner Schleier durch den Raum waberte.
„Duell. Hier?"
Sielgfried zog fragend ihre Augenbraue hoch, doch ihre Augen strahlten vor Begeisterung im goldenen Feuer. Sie wurde mir immer sympathischer.
Natürlich konnten wir in Junas Lebensbaum keinen Schwertkampf austragen. Ein Ort des Friedens, durfte nicht mit einem Kampf beschmutzt werden. Außerdem würde meine Liebste mein Vorhaben sofort bemerken und unverzüglich hier auftauchen. Ich wollte sie nach dem Schrecken des gestrigen Tages nicht wieder aufregen.
„Nein. Nicht hier. Nach draußen."
Als ich mein Schwert senkte, nahm Sielgfried ihres ebenfalls herunter. Eine Welle der Entrüstung rann meinen Arm hinauf. Alvira beschwerte sich. Ich hatte mir eindeutig ein blutrünstiges, kleines Monster als Waffe ausgesucht.
„Schwertkampf. Hier? Innerer Palast?"
Ich seufzte und schüttelte den Kopf. Kämpfen im inneren Palast war grundsätzlich verboten. Obwohl ich diese Regel schon ein paar Mal gebrochen hatte, wollte ich es diesmal nicht tun, weil ich immer einen gewaltigen Aufruhr damit verursachte. Plötzlich wünschte ich mich zum Winterstein. Dort hätte niemand auch nur die Stirn gerunzelt, wenn wir uns auf einem der Gänge duelliert hätten.
Sielgfried kicherte und zuckte mit den Schultern.
„Also kein Kampf. Leider."
Sie patschte mir die große Hand auf den Kopf und ich sprang erschrocken einen Schritt von ihr fort. Unverschämtheit. Ich musterte sie irritiert und die Schwertschmiedin blinzelte unschuldig, als könnte sie kein Wässerchen trüben.
Inzwischen zählten einige Elfen zu meinen Freunden. Diese hatten alle eines gemeinsam. Sie waren geradlinig und ehrlich, wie Drachen. Sielgfried gehörte nicht dazu. Ebenso wenig meine Liebste. Diese Sorte Elfen benahm sich ganz anders. Sie verdrehten mit ihren vielseitigen Talenten, ihrer Schönheit und Klugheit, allen anderen den Kopf und wussten diese Vorzüge sehr bewusst einzusetzen. Von der Art erlaubte ich nur eine einzige Elfe in meinem Leben. Weil ich sie liebte und bewunderte und sie mein Leben erhellte. Mehr davon blendete mich nur, bis ich blind durch reines Chaos irrte.
Sielgfried konnte jetzt also gerne wieder gehen, auch wenn ich mich gerne mit ihr duelliert hätte. Es fiel mir nicht leicht, eine mir scheinbar ebenbürtigen Gegnerin ziehen zu lassen, ohne sich mit ihr zu messen. Doch wenn ein Kampf nicht möglich war, brauchte ich sie nicht mehr hier.
Ich deutete eine knappe Verbeugung an. Hand aufs Herz, um meine ehrlichen Gefühle auszudrücken.
„Habt Dank für euren Besuch. Ich werde dieses Schwert sehr in Ehren halten. Ihr habt mir einen großen Dienst erwiesen. Lebt wohl."
Ein Mindeststandart an Höflichkeit war sicherlich angebracht. Mehr gab ich ihr nicht, weil die Begegnung sich ohnehin schon in eine seltsame Richtung verkehrt hatte, die mir aus den Händen glitt. Es fühlte sich ein bisschen so an wie mit Juna, bei unseren ersten paar Aufeinandertreffen. Viel weniger intensiv, doch selbst der kleine Funke der von Sielgfried zu mir herüberschwebte, durfte gern im nichts verglühen. Es reichte mir, wenn nur Juna mich anflimmerte.
„Schwert in 6 Monaten zu mir bringen. Ich anschaue ob noch gut. Vielleicht reparieren."
Sielgfried streichelte über das Smaragdschwert in ihrer Hand. Sie schien ihre Schwerter wirklich zu lieben. Dem konnte ich nur Respekt zollen, also nickte ich.
„Ich werde es vorbeibringen..."
Ich verstummte für einen Moment, um meine Gedanken zu sammeln.
„Vorbeibringen lassen.", fügte ich dann noch an.
Sielgfried grinste und ich wandte mich frustriert ab. Verfluchte Elfen.
Zu meiner großen Erleichterung, schwang in diesem Moment die Tür auf. Jae trat zu uns herein, die Wangen rot und Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Er atmete schwer, als wäre er hergerannt. Trotzdem warf er sich im Türrahmen in Pose, strich sich durch das kinnlange, blonde Haar und schenkte uns sein charmantes Lächeln. Dann vollführte er eine knappe Verbeugung in Sielgfrieds Richtung.
„Tut mir sehr leid, dass ich störe, aber ich muss die Dame von Winterstein entführen. Es hat sich ergeben, dass eure Anwesenheit dringend benötigt wird.", erklärte er sein Erscheinen.
Mein Herz stockte.
„Ist etwas mit Juna?"
Sofort übermannte mich Sorge. Zu deutlich sah ich ihr vor Gram verzerrtes Gesicht und ihre großen, schwarzen Augen vor mir, in denen Tränen glitzerten. Hatte sie einen Rückfall erlitten?
„Nein. Keine Sorge. Ihr geht es gut. Aber ihr müsst trotzdem sofort mit mir kommen.", sagte Jae.
Ich nahm einen tiefen Atemzug und merkte wie sich die Ängste zerstreuten und milder Frustration Platz machten.
Ein neuer Termin, der mir einfach so in den Tag hineinrutschte und von dem ich keine Ahnung hatte, welchem Zweck er diente. Es gefiel mir nicht, wenn spontan so über mich bestimmt wurde. Die Termine für die Hochzeit waren mir alle früh genug mitgeteilt worden, dass ich sie selbstständig in meinen Tag einplanen konnte. Niemand zerrte mich hierhin und dorthin, oder unterbrach meine anderen Vorhaben. Zwar hatte Vigour auf dem Winterstein auch frei über meine Zeit verfügen können, doch er hatte sehr schnell gelernt, dass ich nicht dazu neigte, seinen spontanen Einfällen nachzugeben. Wenn er mich auf Mission schickte, verlangte ich stets ausreichend Zeit, diese vorzubereiten.
Hier im Elfenreich, kämpfte ich noch härter darum, meinen eigenen Alltag kontrollieren zu können. Weil ich schon beinah zu viel aufgegeben hatte, um hierher zu kommen und an Junas Seite zu bleiben. Ich bereute es keineswegs, doch kämpfte genau deshalb noch härter um mein Recht. Um im Elfenpalast auf jeden Fall mein Glück zu finden.
„Worum geht es?"
Ich rührte mich nicht von der Stelle, als mich Jae zu sich herwinkte. Obwohl es mir eher gelegen kam, dass ich von der unangenehmen Situation mit Sielgfried weggeholt wurde.
Jae grinste frech wie ein kleiner Bub und kratzte sich verlegen am Kopf.
„Das sollten wir nicht hier besprechen. Iris. Interne Angelegenheiten."
Natürlich. Ich ahnte, dass es den Angriff auf mich betraf. In diesem Fall würde ich mich sicher nicht weigern, mit ihm zu kommen.
„Lebt wohl. Und danke."
Mit einer weiteren kurzen Verbeugung verabschiedete ich mich von Sielgfried. Enttäuschung stand auf ihren Zügen. Trotzdem lächelte sie mich an.
Sie griff nach meinem Handgelenk und strich mit ihren großen Fingern über meine Handfläche. Bevor ich mich losreißen konnte, legte einer der Buben eine Schwertscheide aus schwarzen Leder in meine Hand. Zwei Drachenschwingen in Gold waren darauf eingeprägt. In deren Mitte glänzte ein viereckiger Rubin. Das perfekte zu Hause für mein neues Schwert.
Ich starrte einen Moment überwältigt darauf, doch wich Sieglinds Blick aus, als ich den Kopf hob. Es gefiel mir nicht, dass es ihr gelungen war, mir eine Freude zu mache.
„Danke.", wisperte ich. Das Schwert glitt ohne Widerstand in die Lederhülle. Eindeutig füreinander geschaffen.
Sielgfried nickte mir zu. Dann gab sie mir einen Klaps auf den Po, grinste und wandte sich zum Tisch, um den Buben dabei zu helfen, die restlichen Waffen aufzuräumen. Nach einer kurzen Schockstarre, hätte ich mich am liebsten auf sie gestürzt. Vielleicht wollte ich auch lieber wegrennen und schreien. So recht konnte ich mich nicht entscheiden, also stand ich nur und starrte wütend auf den Rücken der Elfe, bis Jae meinen Namen rief.
„Iris. Komm. Wir sollten nicht lange zögern. Alle warten."
Herausgerissen aus der Vorstellung, wie ich Sielgfried mein Schwert mit der flachen Seiten auf den Hintern drosch und ihr zartes Gewand dabei verwüstete, fuhr ich zu Jae herum und zischte gereizt:
„Ich komme. Ich komme. Wehe, wenn das nicht wichtig ist."
„Oh, es ist sehr wichtig. Äußerst wichtig für deine Zukunft hier im Elfenreich."
Er legte mir die Hand auf den Rücken und nahm mich mit sich zur Tür hinaus. Seine warme Stimme beruhigte mich etwas. Als sich die Tür hinter uns schloss, atmete ich erleichtert aus. Sollte ich jemals wieder einen Schwertschmied brauchen, würde ich diesen unter allen Umständen selbst aussuchen.
Alvira, mein wundervolles neues Rubin Schwert, musste mir erst beweisen, dass sie den ganzen Ärger mit ihrer Schöpferin wert war.
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