Drache und Silber 14
Erwartungsvoll blickte ich die Königin an, sie hatte mir meine Frage immer noch nicht beantwortet und nun war ich kurz davor das Armband von meinem Handgelenk zu reißen.
Das deutliche Vibrieren des Schmuckstücks hatte sich inzwischen zu einem milden, beinah angenehmen Pulsieren gewandelt.
Obwohl die Elfenkönigin mir das Schmuckstück gegeben hatte, glaubte ich nicht, dass sie mir damit etwas böses antun wollte. Vielleicht wollte ich es aber auch nur unbedingt glauben, obwohl sie eine Elfe war und ein Drache ihr deshalb nicht vertrauen sollte.
„Es wird euch helfen. Eure Untergebene hat mir erzählt wie ihr euren Herren kontaktieren wollt, doch ich spure nur geringe Magie in euch. Mit dem Armband wird euch der Zauber auf jeden Fall gelingen und ihr werdet nur wenig eurer Kraft verbrauchen."
Während sie mir ihr Geschenk erklärte, rutschte die Königin zu mir her, so weit es ihre Fessel zuließ. Frustriert runzelte sie die Stirn, als sie bemerkte dass sie mich nicht erreichen konnte, selbst als sie an der Kette zerrte.
Kurz fragte ich mich ob sie die Fessel nun gleich lösen würde, weil sie die Hürden einer Gefangenen, die sie sich selbst auferlegt hatte, nicht mehr ertragen konnte, doch stattdessen blickte sie hilfesuchend zu mir auf, als sollte ich es für sie tun.
Vielleicht wollte sie mich auch einfach nur bitten näher zu kommen, aber ich fühlte mich direkt an der Tür ausgesprochen wohl.
Schließlich gab sie mit einem frustrierten Schnauben auf und arrangierte meinen und ihren eigenen Mantel erneut so um sich herum, bis ihr Körper ganz hinter den dicken Wollstoffen verschwunden war.
„Wenn ihr wollt könnte ich das Portal für euch aufstellen. Ich kann es auch von hier aus tun," sagte sie dann und überraschte mich damit vollkommen. Nicht weil ich ihr den Zauber nicht zugetraut hatte, sondern weil sie ihre Kraft einfach so vor mir zu gab.
Von Anfang an hatte ich recht gehabt. Wenn die Königin mühelos von der Ferne ein Schattenportal aufstellen konnte, dann sollte es ihr auch keine Probleme bereiten aus diesem klapprigen Gefängnis zu fliehen.
Ich ging in die Hocke um ihr direkt in die Augen zu sehen und dann stellte ich die Frage, die mir schon seit Beginn dieser Tragödie auf der Seele brannte.
„Ihr seit nicht hilflos nicht wahr? Wenn ihr wolltet könntet ihr jetzt gleich vor meine Augen entkommen und ich könnte nichts dagegen tun. Warum tut ihr es nicht?"
„Hmmm," sie stützte ihr Kinn auf ihre Hand und erwiderte meinen Blick mit einem entzückenden Augenaufschlag, als sei sie sich nicht der geringsten Schuld bewusst.
„Wie kommt ihr jetzt nur da drauf?"
Sie gluckste ein wenig als sie das sagte und grinste mich dann breit an. Der reine Sarkasmus, wir wusste beide wieso ich sie nach ihren Gründen fragte.
Verärgert stand ich auf und wandte mich wieder der Türe zu.
Ich hatte schon zu viel Zeit vertrödelt. Das Wissen um ihre freiwillige Gefangenschaft änderte ohnehin nichts an dem Unrecht, das wir gegen die Elfe begannen hatte. Wir musste unsere Schuld begleichen und dafür war es wichtig jetzt mit meinem Herrn zu sprechen.
Wortlos verließ ich das Gefängnis. Dieses Geplänkel verdiente keine weitere Sekunde meiner Zeit.
Als die Tür hinter mir zu fiel hörte ich die Königin rufen.
„Bis bald. Und passt gut auf euch auf."
Der Himmel brannte tiefrot, Li, die kleineren Sonne, berührte als heller, weißer Kreis bereits den Horizont. Das Naturschauspiel zeigte mir deutlich die Zeit, die ich mit der Königin vertrödelt hatte.
Mit schnellen Schritten machte ich mich auf den Weg durch die Wiese zum künstlich geschaffenen magischen Kreis und meinen Untergebene, die dort warteten.
Dabei dachte ich nur an die Königin und schaffte es nicht meine Gedanken auf die wichtige Aufgabe in meiner Zukunft zu lenken.
Beinah spürte ich noch ihre Handflächen sanft über meinen Rücken streichen, ihren Blick der auf mir ruhte und mein Herz schneller zum Schlagen brachte und hörte ihre Stimme diese beruhigende, fremdartige Melodie leise in mein Ohr singen.
Das Armband der Königin klingelte leise bei jedem meiner Schritte.
Die Aufregung in mir wollte sich nicht legen, doch sie verdrängte die Angst, die ich zuvor verspürt hatte, als ich noch versucht hatte gegen die Emotionen anzukämpfen, die die Elfe in mir wach rief.
Vielleicht war mein Gefühlszustand jetzt besser, ich wusste es nicht so genau.
Als ich auf die Lichtung hinaustrat und von Milanda und Ranja schon ungeduldig begrüßt wurde, brachte ich keinen Ausdruck der Gelassenheit zustande, sie konnten in mir lesen wie in einem offenen Buch.
Ranja sagte keinen Ton und zog sich eine goldene Maske auf, sie bedeckte ihr ganzes Gesicht und diente dazu ihre Haut vor der gewaltigen Energie zu schützen, die wir heraufbeschwören wollten.
„Du siehst aus als hättest du mit einem Bären gekämpft."
Zwar erwähnte Milanda die Königin nicht, doch einen Kommentar konnte sie sich dennoch nicht verkneifen. Es entsprach zu sehr ihrem Charakter, als das ich deshalb wieder wütend werden wollte.
„Ja, das wäre schön," seufzte ich laut, denn die Vorstellung einen wilden Bären niederzuringen kam mir tatsächlich bedeutend einfacher vor, als mich mit der Königin zu messen.
Verblüfft starrte mich Milanda an, dann grinste sie breit und schob sich ebenfalls ihre Schutzmaske von ihrem Haarschopf hinunter über ihr Gesicht.
„Lasst und beginnen," sagte ich feierlich, dann maskierte ich mich ebenfalls.
Wir waren bereit zu zaubern, so bereit wie wir es sein konnten.
Meine Aufgabe begann und beschloss den Zauber, dazwischen musste ich nur warten und meine Begleiter die Arbeit machen lassen.
So betrat ich den Kreis, hob die Arme zum Himmel und erbat die Hilfe von Amaleya, der ältesten Tochter des weisen Drachen und ihres Zwillingsbruder Amdir, denn sie hatten den Drachen die Magie aus der Götterwelt geschenkt. Ohne die Zwillinge war für einen Drachen kein Zauber möglich, selbst wenn dieser mit Magie geboren worden war.
„Amaleya, oh du große Zauberin mit den blutroten Schuppen. Höre mich an und schenke mir deine Gabe für diesen Moment.
Amdir, oh du mächtiger Magier mit den feuerroten Schuppen. Höre mich an und schenke mir deine Gabe für diesen Moment.
Mein Opfer gebe ich, Iris von Winterstein dafür, das lebensspendende Elixier, die Essenz meines Seins und die meines Herrn Vigour von Winterstein."
Langsam kniete ich mich vor das Auge des weisen Drachen am Boden, das im Moment noch tot und schwarz zum Himmel hinauf starrte, dann fasste ich in meine Tasche und holte zwei dunkelrote Steine daraus hervor. Sie hatte die Größe von Murmel und ein dumpfes Licht glühte in ihrer Mitte.
Sachte legte ich die Steine in die Mitte des Auges und rief dabei laut:
„Nehmt das Blut meines Herrn zu dem ich Kontakt suche."
Vigours Blutsteine begannen stärker zu leuchten, ein Zeichen dafür, dass die Götter bereit waren sein Opfer anzunehmen.
Neben dem Auge des weisen Drachens, lag ein kleiner, silberner Zeremoniendolch auf dem Boden, sein Griff reich verziert mit den Schuppen der Drachenhaut. Ohne zu zögern nahm ich ihn auf und zog den Ärmel meines schwarzen Kittels nach unten, sofort bemerkte ich das Armband der Königin, das Silber strahlte deutlich heller als zuvor.
Ich konnte mich nicht ablenken lassen, rasch zog ich meinen Ärmel zurück über das Kettchen und wählte meinen nicht geschmückten Arm um mein Geschenk darzubringen.
Auf die Seite kam es in diesem Fall nicht an, aber ich wollte nicht riskieren, dass die Drachengötter mein Opfer ablehnten weil es mit Elfenmagie in Berührung gekommen war.
Meinen Arm weit vorgestreckt, über das Auge des weisen Drachen auf dem Boden, zog ich die spitze Klinge des Dolches einmal quer über meinen Unterarm. Der Schmerz brachte mich nicht einmal zum zusammenzucken, ich kannte deutlich schlimmere Verletzung und brachte auch nicht zum ersten Mal in meinem Leben ein Opfer dar.
In kleinen Tropfen perlte mein Blut hervor, verbanden sich zu einem Rinnsal, das wie ein klitzekleiner Bach über meinen Arm rann und auf die Erde hinunter regnete um dort zu versickern
Dunkelrote Bahnen leuchteten auf meiner weißen Haut.
„Nehmt mein Blut, die ich Kontakt suche."
Nach meinem Ruf geschah überhaupt nichts, die Zeit schien still zu stehen. Schon befürchtete ich der Zauber würde misslingen, bevor er überhaupt richtig begonnen hatte.
Die roten Tropfen fielen weiter, geräuschlos traten sie aus meinem Körper hervor und benetzten das Erdreich.
Vielleicht wollten die Götter mich bestrafen, weil ich Elfenmagie mit in diesen magischen Kreis gebracht hatte.
Da bemerkte ich das die Erde mein Blut auffing wie eine Schale, es sammelte sich unter Vigours Blutsteinen zu einer Pfütze.
„Ich danke euch ihr Götter," flüsterte ich. Wie immer genoss ich diesen Moment, wenn die Drachengötter mir ihre Anwesenheit und Liebe zeigten.
Es ließ mein Herz beben vor Stolz über die Macht der Drachen.
„Ich danke euch ihr Götter. Mit eurer Unterstützung kann dieser Zauber gelingen. Lasst uns beginnen."
Mit diesem Ruf, laut wie Donner grollen, begann der Tanz, der die Magie heraufbeschwor unter dem blutroten Himmel der Glutstunde.
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