Zwei Pagen
Arndt von Mühlburg und auch sein Sohn Leonhardt staunten nicht schlecht- es war niemand anderer als der 12- jährige Lukas von Draburg, der oben vom Torhaus dem Wachknecht anwies, das Tor für die Gäste zu öffnen.
Die Gäste führten ihre Pferde in den Hof und gleich zum Unterstand für das Vieh, wo auch eine Anleinstange war.
"Junger Lukas. Ich grüße Dich. Ist denn dein Vater nicht im Hause?" fragte Arndt von Mühlburg. "Ich sollte ihm doch den Leonhardt bringen, für die Pagenausbildung?"
Lukas kletterte die Holzstufen am Torhaus herab.
"Herr Arndt, mein Vater ist noch nicht vom Osterhoftag zurück. Er musste Gäste dorthin geleiten und dann Dienst für den Regensteiner Grafen am Ort Quedlinburg verrichten. Wir rechnen aber jeden Tag mit seiner Rückkehr. So lange bin ich hier verantwortlich."
"Gut, Gut, junger Lukas." Arndt von Mühlburg und sein Sohn Leonhardt tauschten Blicke aus.
"Hallo Leonhardt!"
"Guten Tag Lukas!"
"Soll ich dir dein Zimmer zeigen?" fragte Lukas den Leonhardt, seinen Freund. Fast hätten die Jungen Leonhardts Vater, Arndt von Mühlburg mit den Pferden allein stehen lassen, aber Lukas hatte auch hier noch einmal den Blick für wichtige Abläufe- in letzter Sekunde.
"Guter Wernherr? Könnt ihr die Tiere unserer Gäste bitte versorgen? Sie bleiben erst einmal bei uns."
"Ja, junger Herr Lukas!" bestätigte Wernherr mit einem Grinsen die Anweisung von Lukas und nahm sich der Aufgabe und der Zügel der Tiere an.
Arndt von Mühlburg fiel es schwer zu glauben, das Lukas hier die Geschicke zu führen hatte. Was hatte Arno hierbei geritten?
"Ritter Arndt? Kommt ihr? Sicherlich wollt ihr auch den fertigen Palas besehen?"
"Ja. Ich folge Euch, junger Lukas!"
Lukas zeigte den Gästen den Palasbau ab dem Saal und erklärte, was ihm dazu gerade einfiel. Die Feierlichkeit, die Bewirtung der Gäste, die Tafelordnung.
Dann führte Lukas den Ritter Arndt und den Leonhardt nicht etwa in das Obergeschoss zum Voigtgemach- nein. Lukas erschien es wichtiger, Leonhardt die kleine Kerkerecke im Kellergewölbe zuerst zu zeigen und das nebenher hier einiges an Vorräten trocken lagere.
"War denn schon einmal jemand dort in der Kerkerecke hinter dem Gitter?" fragte Leonhardt, der im Licht der zwei schmalen Lichteinlässe hier unten kaum etwas wahrnehmen konnte.
"Nein. Der Vater hat sie noch nicht gebraucht hier." gab Lukas zurück- mit bewusst tiefer gestellter Stimmlage, die seinen Worten Gewichtigkeit gab.
Arndt von Mühlburg musste in seinem Herzen lachen, hielt sich aber gewollt zurück. Ihm gefiel jetzt der Umgang der Freunde miteinander.
Lukas führte die Mühlburger danach in das Voigtgemach des Palas. Hier erklärte Lukas, dass man erst vor kurzen noch hier drei feine und edle Damen einquartiert hatte, die sehr hochgestellt waren und aus dem Burgund stammten. Da die Damen viel in der Kammer waren, würde es noch so gut riechen.
Arndt von Mühlburg hörte die Ernsthaftigkeit der Worte.
"Was waren das denn für Damen, Lukas?"
"Drei Fremdländische, aus dem Burgund- mit Dienerinnen und kleinem Gefolge. Die eine davon war wohl eine Herzogstochter, die anderen zwei Damen Gräfinnen. Alle sehr sittsam und gottgefällig! Und sehr hübsch! Allesamt. Doch die Schönste von allen war die Luisa von Bodfeld!"
"Die Tochter des Bodfelder Pfalzvoigtes? War sie mit den Damen unterwegs?"
"Ja, Herr Arndt. Vater musste die zwei Kutschen mit den Damen am Vortag des Osterhoftages nach Quedlinburg eine Eskorte geben. Vater hat auch zwei Knechte mitgenommen. Daher helfe ich bei der Wachgestellung ab und zu mit aus. Zumindest am Tage."
"Das ist sehr ritterlich und löblich, junger Herr Lukas!" erklärte Voigt Arndt von Mühlburg. "Ein Ritter muss immer die Übersicht behalten- nicht nur im Kampf."
"Ja. Nun kommt, ich zeige Euch die Kammern der Gäste unter dem Dach. Dort wird auch dein Zimmer hier sein, Leonhardt. Nur im Winter nicht."
Der Palas gefiel Ritter Arndt von Mühlburg sehr. Es war beeindruckend, wie viel hier schon geschafft worden ist.
Sein Freund Arno von Draburg war hier sehr zielstrebig zu Werke gegangen, hatte entschlossen immer mit zugepackt.
Das hat hier viel bewirkt- auch für die Einfachen, wie Arndt bereits in der Siedlung sehen konnte. Dort waren einige Hütten und Grubenhäuser hinzu gekommen.
Daher wollte sich Arndt von Mühlburg auch einen Scherz mit Arno erlauben- wollte sagen, dass man dem Ort Draburg wohl alsbald das Markt- und Stadtrecht geben wird, wenn er weiter so anwächst. Leider muss dieser Spaß noch bis zur Rückkehr Arnos warten.
Leonhardt von Mühlburg und sein Vater waren im Angesicht der guten und ausreichenden Kammer für Leonhardt sehr zufrieden.
Auch die große Kammer für Gäste gefiel, wenngleich sich Herr Arndt hier sehr verloren vorkam.
Wernherr und Menz hatten schon die Pferde abgesattelt und das Gepäck erst einmal zum Eingang des Palas gebracht. Beide Knechte waren nun damit befasst, die Pferde mit Stroh trocken zu reiben.
Die beiden Herren von Mühlburg hatten braune Pferde mitgebracht. Sie unterschieden sich nur etwas in der Größe der Tiere und der Blässe. Wenn man sich so anschickt, einem Pferd die Hitze auszustreichen, kann man sich gut über manche Dinge den Kopf zerbrechen.
Wernherr hatte im Angesicht der unterzustellenden Tiere gleich wieder Sorge, ob man alles gut bedacht habe- die Anzahl der überdachten Ställe vor allem. Vielleicht war es nötig, den Herrn Arno noch einmal daraufhin anzusprechen.
In Menz Kopf spielten sich andere Gedanken ab. Menz überlegte schon, wie man die Pläne zu dem neuen hölzernen Bergfried am Besten umsetzt. Und ob es nicht ratsamer war, den Graben danach anzufangen. Mit dem neuen Bergfried würde der Herr auch mehr Raum für Waffen und Ausrüstung bekommen, die Waffenknechte zudem noch einen Aufenthaltsraum. Auch ein weiterer Lagerraum könnte entstehen.
Lukas und die beiden Mühlburger kamen zurück auf den Innenhof der Burg. Die Gäste nahmen ihre Gepäckstücke auf.
"Lukas? Hat dein Vater bereits gesagt, was Leonhardt und dich erwarten wird?" Arndt von Mühlburg wollte für sich in Erfahrung bringen, ob sein Freund Arno schon genaue Ideen für die Pagenausbildung geäußert hat.
Leonhardt sah seinen Freund neugierig an.
Doch auch hier hatte Lukas schon gleich eine Antwort. "Der Vater meint, dass es nötig ist, zuerst einmal richtig zu Reiten. Für einen Pagen, wie auch für einen Ritter. Er möchte diesen Sommer mit Leonhardt und mir solang üben, bis wir sicher im Sattel sind und auch in der Lage, unsere Pferde mit nur einer Hand gut zu bewegen. Vater meint, da ein Ritter im Kampf auf seine Reitkunst und sein Pferd vertrauen muss, ist dies unbestritten mit die wichtigste Sache unserer Ausbildung für dieses Jahr."
Leonhardt war ein wenig überrascht. "Aber ich kann doch schon gut reiten!"
Doch Arndt von Mühlburg erkannte das gute Ziel hinter dieser Ausbildung. "Ja, reiten kannst du gut. Doch bist du so sicher, dass du über längere Zeit auch reiten und nebenher ein Schwert oder einen Kolben schwingen kannst? Und ich habe dich auch noch nicht mit einem Schild reiten sehen. Voigt Arno ist ein erfahrener Streiter zu Pferd. Er kann euch bestimmt noch gute Kniffe beibringen."
"Ach so. Nein, mit einem Schild bin ich noch nicht geritten."
Vom Tor kam ein kurzer Ruf herunter: "Der Herr ist zurück! Herr Arno kehrt zurück!"
Alle schienen urplötzlich gebannt von diesem Ruf. Die Männer strebten dem Torhaus zu. Auch Lisbeth und die gute Magd Barbara schauten aus dem Wirtschaftsbau heraus.
Ritter Arno von Draburg und seine Weggefährten Christian und Manthey kamen langsam den Weg zur Burg, stiegen vor der Holzbrücke von den Pferden ab.
Arno hatte seinen Freund Arndt von Mühlburg schon erkannt und winkte ihm und den Neugierigen zu.
Die drei ankommenden Männer sahen erschöpft aus, als sie die Pferde in die Burg führten.
"Arndt! Wartet ihr schon lange hier?" fragte Arno.
"Vorhin sind wir erst angekommen. Der gute Lukas hier"- Arndt von Mühlburg klopfte Lukas aus die Schulter- " hat uns begrüßt und schon einmal unsere Quartiere gezeigt. Mann! Arno! Was für ein Palas! Bestimmt dein ganzer Stolz!"
Arno lächelte erschöpft. "Ja, dem ist so. Doch mein ganzer Stolz sind meine Kinder. Lisbeth, nimmst du mir bitte einmal den Grauen ab?"
Lisbeth kam hinzu, drückte den Vater herzlich, bevor sie die Zügel des Pferdes nahm.
"Oh Gott, Arno. Habt ihr auf dem Osterhoftag zu viel gefeiert oder warum seht ihr Drei so matt aus? Turniere werdet ihr ja nicht ausgefochten haben, oder?"
"Kaum Schlaf, die letzten zwei Tage. Und heute die Rückreise. Die Kost war gut, aber die Dienste dort für uns sehr lang!" erklärte Arno.
"Habt ihr viele Herrschaften gesehen?" fragte Lisbeth neugierig.
"Kaum. Wir kamen vom Lager nur selten an den Ort heran. Wir hatten dort nur am Rande unsere Aufgaben umzusetzen. Einige Edle haben wir ja gesehen, doch deren Namen kennt man zumeist ja nicht."
Auch Lukas hatte Fragen: "Und viele Ritter? Und Waffenträger? Habt ihr viele Ritter gesehen?"
"Sei nicht enttäuscht Junge, aber nur wenigen Leuten waren dieser Tage die Waffen in der Stadt gestattet. Ich beantworte Euch Eure Fragen gern, doch lasst mich und die Männer erst einmal abrüsten."
Arno brachte seine Waffen und das Gepäck mit Hilfe seiner Kinder und Freunde in den Palas.
Barbara sorgte derweil für kühle Getränke und Brot am Tisch.
Wie man draußen hörte, waren auch Manthey und Christian im Hof damit befasst, den anderen Knechten vom Hoftag und dem Lagerleben in Quedlinburg zu berichten. Vom Essen, den anderen Knechten und den Quedlinburger Frauen war dort die Rede.
"Arno?" fragte Arndt von Mühlburg vorsichtig seinen Freund. "Wie ich von Lukas hörte, hattest du reichlich Damenbesuch hier?"
"Ja, mein Haus war wie ein Stall von Gänsen vor der Abreise nach Quedlinburg zuweilen. Doch bevor du mich weiter befragst- die Richtige habe ich noch nicht finden können."
Arno setzte sich an den Tisch, streckte sich ins Hohlkreuz und ließ einen kurzen Ton des Schmerzes heraus. "Die Strohschütten haben meinem Rücken nicht gefallen. Es zwickt mich furchtbar- kaum das ich gut liegen konnte!"
Leonhardt und Lukas brachten lachend weitere Sachen ins Obergeschoss hinauf.
"Arndt- unter uns gesprochen!" sprach Arno von Draburg leise zu seinem Freund. "Ich habe der Luisa von Bodfeld im Heimlichen meine Gefühle eingestanden. Doch die Luisa soll nun mit anderen heiratsfähigen Frauen nach Italien und dem Burgund gehen. Ich wird sie wohl nie wiedersehen."
"Die Luisa von Bodfeld?"
"Ja. Doch bitte behalt es für dich!"
"Nun gut. Für Gerede werde ich nicht sorgen, dazu stehe ich mit meinem Wort."
"Die Jungen werden jedoch eine gute Ausbildung bekommen- hierzu mein Wort. An Waffen will ich sie jedoch dieses Jahr noch wenig lassen. Wir üben mit Kampfstäben- auch mit Schild, wenn sie dafür bereit sind. Das ist eine gute Vorbereitung für Lanze, Spieß und Speer. Und ich werde sie reiten lassen."
"Der Lukas hat es uns schon gesagt. Das Pferd vom Leonhardt ist gut und stark. Nur noch etwas scheu ab und an."
"Das treiben wir dem Tier aus, denn es soll den Jungen auch bei lärmendem Geräusch gut im Sattel behalten. Auch für den Lukas muss ich noch ein besseres Tier erwerben. Der Schecke, den er jetzt nutzt ist mehr ein gutes Lasttier als ein Reittier." Arno nahm einen tiefen Zug des kühlen Bieres aus dem Becher.
"Nun denn Arno, ich weiß den Leonhardt in guten Händen. Bereite die Jungen gut vor für die Knappenzeit auf der Pfalz Dullide."
"Das werde ich. Doch nicht zur Hitzigkeit im Kampf will ich sie erziehen- mehr zur Übersicht und Sicherheit. Die Hitzigen haben wir seinerzeit zu häufig schon jung fallen sehen. Diejenigen, die Übersicht hatten und sicher im Kampf waren, diese Männer haben überlebt. Dazu eine Frage, guter Arndt- hat Leonhardt oft mit dir gejagt?"
"Es ging so. Ab und an war er dabei."
"Ich werde die Beiden oft mitnehmen müssen- sieh es mir nach. Denn ich will, dass sie auch im Angesicht eines blutigen Schauplatzes kühlen Kopf bewahren. Unsere Zwei sollen wissen, was sie erwarten könnte- obwohl ich wünschte, Ihnen sei ein friedliches Leben gegeben."
"Arno- alter Fuchs. Du scheinst den rechten Weg für Beide zu bahnen. Doch nun, können wir uns noch ein Bier und dir erst einmal ein wenig Ruhe für heute. Ich bleibe noch einige Tage mit auf Draburg. Berichte uns doch heute am Abend weiter."
Arno von Draburg war dies recht. Die letzte Woche war anstrengend gewesen- zwar voller Erlebnisse, doch auch mit ein wenig neuer Leere im Herzen. Die Ruhe und die Gesellschaft eines Freundes würden Arno wieder Kraft schöpfen lassen.
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