Unkraut vergeht nicht
Schlafen im eigenen Bett!
Aufwachen im eigenen Zuhause! Die eigenen Räume am Morgen sehen können!
Wissen, dass die Menschen- welche einem Mann im Leben wichtig geworden sind- da sind, wenn man aufsteht und dann durch die heimischen Gefilde schleicht!
Für Arno war dies alles an diesem Morgen nach der Heimkehr ein großes Geschenk.
Ein Poltern aus der Gästekammer im Dachgeschoss des Palas hatte Arno wach werden lassen. Herr Kuno von Kucksburg muss wohl ebenfalls aufgestanden sein, da er dort einquartiert war.
Was war dies für eine Wiedersehensfreude am gestrigen Tage.
Dann- als die Karren abgeladen und das Vieh und die Pferde versorgt waren- hatte sich die gesamte Anwohnerschaft der Draburg auf Arnos Geheiß im Palas eingefunden. Alle hatten dort gespannt dem Reden der Männer gelauscht, jeder -auch die Knechte, sogar die Ehemaligen des Michelfelders- kam zu Wort und wusste Erlebnisse zu berichten. Im Schein der Kerzen und des Kaminfeuers hatte man lange bei gutem Wein aus dem Italienland zusammen gesessen.
Die heimischen Leute berichteten auch vom Gewesenen der letzten Jahre, den Ernten, einem Waldbrand nahe der Susenburg, einem Hochwasser der Rappbode im Vorjahr und einigen herausragenden Erlebnissen auf der Burg, dem Ort Drudenstein und der Siedlung.
Arno blieben auch die Blicke von Kuno von Kucksburg nicht unbemerkt- sehr interessiert schien der Grafensohn an Lisbeth am gestrigen Abend.
Lisbeth war auch eine Schönheit, die Arno hier auf Draburg gut behütet hatte. Und die Jahre der Abwesenheit hatten sie in Verantwortung und Selbstständigkeit augenscheinlich gefordert und daran wachsen lassen.
Das der Voigt Kuno nun der Schönheit Lisbeths mit großem Interesse gewahr wurde, sah Arno mit weinendem und lachendem Auge.
Über die lange Zeit hatte Arno viele Gespräche mit Kuno geführt- nicht nur, weil dies die Aufgaben erforderten. Ein Freundesband war zwischen den Männern- gewachsen aus der guten Bekanntschaft davor.
Sollte der Grafensohn ein wirkliches Interesse an seiner Tochter Lisbeth haben, so würde dies Lisbeth gut absichern für ihre Zukunft- mehr noch. Da Kuno der Erstgeborene der Regensteiner war, so würde dies für Lisbeth vielleicht sogar die Grafenwürde bringen können und auch die Draburger Geschicke könnten irgendwann noch besser stehen durch solch vorteilhafte Verbindung. Sollte Kuno als ungebundener Graf werden, so würden andere Leute höheren Standes sicherlich Verbindungen bestimmen. Bis dahin gab es noch die Kucksburg- ein gutes Lehen, gute Böden für eine zufriedene Bauernschaft und - soweit es Arno in Erinnerung ist- mit vier zugeordneten Orten im Lehen nahe dem Verkehrsweg von Blankenburg nach Quedlinburg. Nur die Burg war sehr klein war von geringerem militärischen Wert.
Doch letztlich müsse auch Lisbeth entscheiden- sollte eine Werbung durch den Voigt Kuno von Kucksburg erfolgen. Und davon war noch kein Wort gefallen und somit wollte Arno nicht Wasser auf das Mühlrad geben.
Auf dem Voigtstisch standen schon Schüsseln im Palas- Saal, Brot war vorhanden und ein Krug stand bei den Bechern.
Auch wenn die Jahre hier viel bewirkt hatten, so freute sich Arno über die vorbereitete Gastlichkeit seines Hauses.
Arno ging zuerst einmal in den Wirtschaftsbau. "Guten Morgen." gab er dort der Lisbeth, der Katharina, dem Menz und dem neuen Waffenknecht Roland.
Ein mehrfaches 'Guten Morgen' kam zurück.
"Bevor ich die hiesigen Sachen angehe und zu den Leuten gehe, will ich erst einmal unsere Gäste um Herrn Kuno bewirten und verabschieden. Dann möchte ich mich in der Siedlung und bei den Leuten kurz sehen lassen. Und zuerst- Lisbeth, Menz- zeigt mir, was ihr hier an der Burg so zustande bringen konntet einmal bei Tageslicht!"
"Gern Herr Vater!" sagte Lisbeth- zurecht mit Stolz. "Ihr Männer habt einen Schlaf wie Bären. Der Tag ist schon lange da."
Sogleich war Lisbeth bemüht, der Katharina zur Hand zu gehen, was die gute Magd durch ein Lächeln begrüßte.
"Roland? Der Paul und auch du werden mich nachher begleiten. Den Felix Baldasar nehmen wir auch mit auf der Runde. Doch will ich vorher mit Herrn Kuno die Burg besehen. Herr Kuno soll ruhig mit ansehen, wie sein Vater Versprechen hier eingehalten hat."
Die Frauen brachten einen warmen Brei aus dicken Bohnen auf den Tisch im Palas. Arno lies die gute Mahlzeit auf den Langtisch stellen- auch die Sachen vom Voigttisch. So konnten auch Kunos Männer mit Platz nehmen.
Lisbeth, die mit bei der Runde saß, gab kund, dass in der Grafschaft und auch den angrenzenden Lehensgebieten einiges geschehen sei. Und nicht nur hier- auch das gesamte Ostfalen und alle sächsischen Gebiete haben sehr viele Edle auf dem Italienzug gelassen. Vielerorts sind kaum noch Edle, um kirchliche Besitzungen oder weltliche Voigtlehen zu verwalten, wie Reisende in diesem Frühjahr berichteten.
Der Pfalzvoigt Heneke von Bodfeld sei nach langer und zuletzt bösartiger Krankheit vor zwei Jahren verstorben. Ein vorgesehener, bestimmter Nachfolger auf dieses hohe Amt sei wohl auch in Italien auf dem Feldzug geblieben.
Auf der Burg Regenstein sei der gute Herr Segest im letzten Jahr verschieden, Herr Carl Bader war nun dort Rüstmeister, Waffenmeister und Meier in einer Person.
Melchior von Günthersburg, ein väterlicher Freund Arnos und Wächter über die Grenzburg der Stolberger Grafen, im hohen Alter verstorben. Die Voigtwitwe Margarete führe dort die Burg und erwarte dort alsbald einen neu eingesetzten Voigt, bei Wohnsitzgabe für sie selbst.
Herr Gero von Susenburg sei mit seinen 58 Jahren kaum noch außerhalb seiner Burg zu sehen. Er sei verbittert- wie die Leute erzählen- nach den Nachrichten vom Italienfeldzug und ergraut über die fehlenden Nachrichten von seinem Sohn Thilo. Sollte Gero auch den Thilo verloren haben, so habe der Susenburger Voigt alle beide Söhne vor sich sterben erlebt. Dies könne er nur schwer verwinden.
Lisbeth hatte ganz bewusst nicht viel über die Grafenfamilie auf Regenstein verlautbaren lassen. Erst auf Bitten des Grafensohnes Kuno von Kucksburg hin, gab sie auch hierzu Auskunft.
Graf Kuno sei- wie auch dessen Gemahlin Gudrun- ergraut und verbittert. Dem Grafen ist die Obhut über Burg Bodfeld vorübergehend mit angewiesen. Der Bruder von Ritter Kuno, Herr Sigurd von Regenstein, habe eine starke Position in der Grafschaft erhalten. Herr Sigurd habe die etwas ältere Voigtstochter Mechthild von Heimburg geheiratet und geschwängert- nach dem Tode von Herrn Dietherr von Heimburg habe die Voigtwitwe Sieglind von Heimburg für ihre Tochter diese Heirat vorangetrieben. Die Mechthild habe dem Sigurd mehr als nur schöne Augen zuvor wohl gemacht. Sigurd ist nun Sigurd von Heimburg- auch die kleine Beninzigenburg sei dem neuen Lehen nach Zusammenschluss zugefallen und einige Siedlungen nördlich. Die Kucksburg werde vom Regenstein mit verwaltet- in der Hoffnung auf Herrn Kunos Rückkehr aus dem Feld.
Lisbeth gab den Eindruck, das die fehlende Rückkehr vieler Edler aus dem Italienischen viele Burgen zu Witwenheimen werden ließ- auch die Draburger befürchteten das Schlimmste.
Das Gesagte sorgte für Bedrücktheit. Zu lang war die Zeit im Feld.
"Man wird sich auf Regenstein über Eure Heimkehr in höchstem Maße freuen, Herr Kuno." gab Lisbeth zu verstehen. "Ich bin Euch auch sehr dankbar, dass ihr meinen Herrn Vater wieder nach Hause brachtet."
"Gute Lisbeth, ich danke für eure Worte. Doch war es Euer Vater, der wohl mich nach Hause führte. Ihm schulden wir größten Dank. Ohne ihn hätte ich mich sicherlich -dem Kaiser und den Männern verpflichtet- weiterhin beim Heerzug gehalten und läge vielleicht auch mit zerschmettertem Leibe auf italienischer Erde."
Nach der Mahlzeit besahen sich die zwei Ritter und die neuen Knechte die Draburg. Unter Obhut der Frauen, mit zutun von Menz und auch Wernherr- solange er konnte-, war einiges geschafft.
Vor der Burg ein zweiter Graben mit Palisadenanbau einer Vorburg.
Doch die Arbeiten um den Neuen Bergfried waren für Arno von größerem Interesse.
Auf 3 Manneslängen Tiefe und Breite hatte man einen Steinbau auf die äußere Felsnase gesetzt, davor einen halben Graben ausgehoben. Der Steinbau war wohl gute 3 Meter in der Höhe entstanden- darunter im Fels war noch ein Lagerraum, zu erreichen über eine Bodenluke. Man hatte eine gute Gründung schaffen müssen, damit die Regensteiner Steinmetze zufrieden waren und den Umbau schaffen konnten. Verschüttet habe man den Keller, damit man besser an den Bauplatz mit den Fuhrwerken und Steinen kam. Nun fehle nur noch ein hölzernes Obergeschoss, denn die Steinmetze seien mit dem Dahinscheiden von Herrn Segest von Schwenda nicht mehr erschienen auf Draburg- Herr Segest habe sie sich wohl einbestellt.
Doch sind auch die Lager der Burg gut gefüllt- trotz des Winters- wohl weil die Abgaben gesenkt waren. Auch Bauholz sei in Fülle am Ort. Menz wolle- nun unter Vorbehalt der Entscheidung von Voigt Arno- gern den Bergfried weiter hochziehen.
Herr Kuno bewunderte Lisbeths von Herz vorgetragene Schilderungen des guten Erreichten. Unverhohlen lächelte er unter Arnos Augen der jungen Lisbeth zu, die wohl ebenfalls dem guten Mann gefallen wollte und ihr Lächeln zurückgab.
Doch für Kuno von Kucksburg war dann alsbald die Zeit der Weiterreise da, denn seine Knechte hatten hierfür schon Karren, Pferd und Tier bereit gestellt und angezäumt.
Kuno wollte zu aller erst an die Kucksburg, am morgigen Tage die Eltern auf der Burg Regenstein von der Sorge um den verloren vermuteten Sohn entbinden. Auch über Arnos Mut und Obhut wollte der Kucksburger dort lobend berichten.
Arno verabschiedete den Freund gegen Mittag von der Draburg.
Mit den drei benannten Knechten ging Arno in die Siedlung und sprach in manchem Hause mit den Leuten. Lange blieb Arno in der Schmiede, denn dem jungen Schmied Richling gab es genug an Aufgaben zu geben- neue Lanzen und Bolzen, Reparaturen an Arnos Plattenpanzer und dem Geschirr waren vorzunehmen. Der Richling hatte damit gute Aufträge.
Hinter der kleinen Drogfurth auf der anderen Seite der Rappbode traf die Gruppe um Arno auf den Riesen Hanjo und auch auf den Detlef Baldasar. Der Vater vom Waffenknecht Felix war nun fest bestimmter Holzfäller und Waldarbeiter - und mit dem Tagwerk und auch der groben Gesellschaft von Hanjo sehr zufrieden. Die Männer waren guter Dinge, berichteten aber auch von den Unbillen des Hochwassers nach der Schneeschmelze im Vorjahr und dem Windbruch am Wald des Lehens. "Unkraut vergeht nicht! Stimmt doch, Herr Arno?", hatte der Hanjo gesagt und offen gelassen, ob er sich selbst oder Arno damit angesprochen hatte.
Durch die nördlichen Auen schaffte man es bis zum Nachmittag in den Ort Drudenstein- auch dort war Arno willkommen aufgenommen und hörte die Sorgen der Bauern und Bewohner. Einiges Vieh war verschieden- Hochwasser und Krankheiten hatten viele Tiere gekostet, obwohl einige durch Abgabenachlass durch Lisbeth neu beschafft werden konnten.
Beim Rückweg an der südlichen Aue kamen die Männer an den Stollengängen am Mühlenberg vorbei. Auch für Kamerad Martin und die anderen Bergleute hatte Arno ein Gehör, doch gab es hier weniger Klagen zu hören, denn die Bergarbeiter waren zuversichtlich in ihrer Arbeit an guten Strängen im Tief des Bergs.
Am Abend in der Burg gab es nun noch die schwerste Beredung für Arno.
Er hatte Katharina um ein Gespräch unter vier Augen gebeten, war mit ihr allein einige Schritte vor dem Dunkelwerden zum Wald südlich der Burg gegangen.
"Katharina, in der Fremde hatte ich sehr viel Zeit, um über manches klare Gedanken zu finden. Es fällt mir nun- Euer Antlitz vor Augen- doch schwerer, als ich dachte, um all die bereitgelegten und gut gewählten Worte wieder zu finden. Auch Eure Gefühle für mich könnten erkaltet sein- wir haben auch gestern kaum miteinander reden können. Doch wenn ihr - ebenso wie ich- diese starke Zuneigung noch empfindet, dann sollt ihr wissen, dass ich mich darauf einlassen möchte."
"Guter Arno, mein guter Herr. Ich bin in Gedanken bei Euch geblieben- all diese Zeit. Und nicht nur dies- auch für Lisbeth war ich wie eine Freundin, ja fast eine Mutter. Gemeinsam haben Lisbeth und ich viele Stunden der Sorgen überwunden. Dies zeigte mir auch, wie stark ich für Euch fühle. Und wie stark ich für Euch hier auch sein durfte."
"Ich kann dies nur erahnen, liebe Katharina." Arno gab Katharina einen warmherzigen lieben Blick.
"Ihr habt Recht, guter Arno. Oft dachte auch ich an Euch. Oftmals zweifelte ich auch. Doch irgendwie schienen gestern- mit eurem Ankommen und all Eurer offen gezeigten Herzlichkeit und Gefühle- auch für mich alle Zweifel vergessen. Sofort war ich wieder von Euch in den Bann gezogen, freute mich, Euch wieder nahe sein zu können. Wie damals."
"Wie steht ihr zu mir? Heute? Nach all dieser Zeit?"
"Auch wie damals." gab Katharina gurgelnd und rot anlaufend zu. Sie begann zu weinen. "Schlimmer noch, Herr Arno, glaube ich. Ich scheine Euch noch mehr zu lieben als damals. Oh, ich war so in Sorge, ihr könntet mich vergessen oder nicht wiederkehren..."
Katharina blieb stehen und verbarg ihren Tränenfluss hinter ihren Händen. Ihre Knie schienen die Frau kaum tragen zu können, die suchte einen kleinen Felsstein zum festhalten und setzte sich schnell darauf.
Auch Arno- sonst anderes gewohnt- ging im Anblick der verweinten Frau vor ihr in die Knie, um ihr Trost zu geben.
"Niemals habe ich Euch vergessen! Keinen Tag auf der beschwerten Heerschau! Ich war immer in Gedanken hier bei Euch allen, bei Lukas, bei Lisbeth.. und ja.. bei Euch!"
"Oh guter Gott. Wir haben so für Eure Rückkehr gebetet. Und dann ward ihr wieder da gestern. Unbeschadet, kaum verändert, so gut und herzlich, so liebevoll für uns- für mich! Vom ersten Moment, da ihr wieder hier auf der Burg gewesen seid! Und ihr strecktet mir sofort Euren Arm entgegen und zogt mich an Euch..."
"Dies tat ich, weil ich Euch liebe, Katharina! Ich liebe Euch! Und ihr seid ein Teil meines Lebens! Wohl schon seid ich Euch das erste Mal sah, wenn ich es mir eingestehe."
"Auch in mir ist das Gefühl der Liebe für Euch erneut entflammt. Aber das geht doch nicht. Wir dürfen doch nicht..."
"Mir ist es egal, liebste Katharina. Auch wenn ich dir nicht vor Gott die Ehe geben darf, so darf ich zu meinem Herzen doch stehen."
"Das werden jedoch die anderen Herren nicht gut befinden."
"Doch du und ich."
Arno nahm Katharinas Hände in die seinen. Die verweinte Frau und der Ritter gaben sich einen langen Kuss und sahen sich danach lange in die Augen.
"Du bist edel im Herzen, Katharina. Wir werden wohl heimlich tuen müssen, aber wenn wir zueinander stehen, so werden wir auf Draburg einen gemeinsamen Weg finden."
"Und deine Kinder, Arno?" Katharina bewegten immer noch kleine Zweifel.
"Wir können - so gestehe ich mir ein- mit Lisbeth sicher ein offenes Gespräch suchen, um ihr unsere Liebe anzuzeigen. Mit Lukas wird sich vielleicht auch Gelegenheit geben. Sie werden es verstehen, wenn ihr Vater eine Entscheidung des Herzens getroffen hat- auch wenn andere dagegen sprechen."
Beide standen auf, wandten sich auf einen Weg zurück zur nahen Burg.
"Wir finden einen Weg für uns." beteuerte Arno, festen Entschlusses, die wiedererlangte Liebe zu der lieben, gutherzigen Frau zu bewahren.
Einige Zeit konnten sie noch im Halten ihrer einander fassenden Hände so gehen.
Erst vor der Burg ließen sie sich aus Vorsicht wieder los, liebe Blicke einander gebend.
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