Regen, Vieh, Gäste und Kunde aus dem Land
Es regnete nun schon den fünften Tag.
Die Nächte wurden länger.
Morgendliche Kälte kündigte bereits den Winter an. Und zumeist wollte die Kälte auch am Tag kaum noch weichen.
Auch der heutige Morgen war sehr kalt.
Am abschüssigen Drogweg zur kleinen Drogfurth hinunter querten kleinere Wasserrinnsale die Spur der vorüberreisenden Karren und Reiter. Dennoch blieb der Weg gut befahrbar, allerdings kamen kaum noch Durchreisende den Weg entlang.
Durch den langanhaltenden Regen hatten sich die Knechte – so sie keinen Wachdienst zu versehen hatten- lieber im großen Wohnhaus, besonders in der Küche aufgehalten. Hier loderte stets ein wärmendes Feuer.
Arno, der mit Lisbeth und Lukas die gute und große Kammer direkt darüber zur Verfügung hatte, konnte deren Gepolter und das Gezeter der Männer über das schlechte, feuchte Wetter bei den Wachwechseln hören.
Dann suchten die Männer zuerst einmal Wärme und Trockenheit hier und sie bekamen von der Magd, der guten Barbara Rötlein ein warmes Mahl.
Lukas war an diesem Morgen schon unten in der Küche. Dem Hören nach machte sich der Waffenknecht Christian seinen Spaß mit ihm- im Kräftemessen und Armdrücken. Gelächter war zu hören.
Lisbeth hatte einen Husten und leichtes Fieber gut überstanden. Dennoch befolgte sie die Bitte des Vaters, sich auszuruhen.
Arno saß dösend im Stuhl neben ihrem Bett.
Vorhin erst hatte Arno nach seiner Notdurft einen kleinen Rundgang vor und in der Burg gemacht.
Ein Blick in das Tal von der westlichen Palisade bescherte eine schöne, allerdings ungemütliche Aussicht. Über dem Wald hangen tiefe und nach Feuchtigkeit aussehende Wolkenfetzen, wie ein Schleier über dem Dach der Baumkronen. Die Wiesen waren satt vor Nässe.
Mit Manthey am Tor hatte Arno ein kurzes und angenehmes Wort gewechselt, auch um Zuversicht für den Dienst und den Tag zu geben. Manthey indes äußerte seine Gedanken zum Winter und darüber, dass die Herberge im alten Bergfried bei Regen an verschiedenen Stellen durchlässig war.
Arno zog es schnell in die behagliche Geborgenheit des Steinhauses zurück.
Ein Regentag.
Sicherlich ein ruhiger Tag.
Auf Draburg war bis zuletzt viel erreicht worden.
Arno war voll des Lobes über den Knecht Wernherr und dessen Frau Barbara. Bei den vielen Aufgaben, die Beide angingen- jeder in seiner Weise, war viel Gutes herausgekommen. Ein festerer Stall, ein repariertes und nun auch des Nachts verschließbares Tor hatte Wernherr geschafft. Das Vieh war immer gut versorgt- ebenso die Männer und Arnos Familie. Frau Barbara erwies sich als sehr geschickte Köchin, Weberin und Näherin. Den Kindern gab sie trotz der wenigen Zeit immer ein gutes Wort und guten Rat.
Selbst im Dösen dachte Arno schon darüber nach, was man alles noch vor sich hatte- das Palas erneuern, eine Entscheidung zum Bergfried treffen und mehr Leute ins Dorf bekommen.
Doch ein ruhiger Tag sollte es für die Leute auf der Draburg wirklich nicht werden.
„Da kommt ein Karren auf dem Weg zur Burg!" rief Manthey draußen über den Burghof. „Ein Karren!"
Arno öffnete die Augen und wand sich aus dem Lehnstuhl, die dicke, mollige Decke abstreifend.
Auch Lisbeth hatte den Ausruf auf dem Hof gehört und öffnete die Augen, lehnte sich auf.
Ritter Arno bedeutete seiner Tochter, doch bitte liegen zu bleiben. Lisbeth hatte noch Schonung nötig.
Arno trat an das kleine Fenster zum Innenhof, beugte sich hinaus, um besser sehen zu können, was sich draußen tat..
Manthey erblickte Arno.
„Herr, ein Karren kommt auf dem Weg zur Burg. Ein Ochsengespann! Ein Mann." Manthey deutete mit dem Handschuh in Richtung des Weges vor dem Torhaus.
„Na dann öffne ihm! Wenn er zu uns will, wollen wir ihn willkommen heißen und einlassen! Ich komme besser auch hinzu." Arno winkte seiner Torwache, damit Manthey wusste, woran er war.
Arno zog sich vom Fenster zurück.
„Lisbeth, ein Karren kommt. Ich will sehen, was dort vor sich geht!" sagte Arno und legte sich den guten grünfarbenen Überwurf aus der Kiste bereit. Doch zuerst legte er den Gürtel mit dem Breitschwert an. „Wollen wir uns doch einmal herausputzen, was?"
Lisbeth lächelte erschöpft. „Der Grüne steht dir gut, Vater. Berichte mir dann bitte!"
„Mache ich, obwohl du sicherlich auch so alles gut hörst- vom Hof und der Küche!"
Vater und Tochter lächelten einander zu.
Über die nunmehr leere Küche nach draußen in den Regen getreten, sah sich Arno in einer Meute von Schaulustigen, die in Richtung des offenen Tores und dem Manthey blickten.
Manthey rief nun noch: „Da kommt noch ein zweiter Karren hinterher- und ein Reiter begleitet den Wagen." Dies brachte alle Leute in noch mehr Aufregung.
„Ein Reiter?"
„Ja Herr."
Nachdem der gutbeladene Ochsenkarren in den Innenhof der Burg gefahren war, ging Ritter Arno hinter dem Karren zum Tor hinaus. In der Tat folgte ein zweiter Wagen- auch ein Ochsengespann- nach.
In dem Ritter, der den Wagen begleitete, erkannte Arno den Herrn Segest von Schwenda, den Berater seines Lehnsherren, des Grafen Kuno von Regenstein.
Auch wenn Arno im Umgang und Gespräch mit Herrn Segest Vorsicht walten lassen wollte, die Freude über dessen Erscheinen mit der Warenfuhre war im Moment zu groß, als dass er sie nicht heraus lassen konnte.
So trat Arno an den Weg vor der Brücke heraus, wartete dort mit breitem Lächeln.
„Herr Ritter Segest! Ihr seid hier wahrlich willkommen, ebenso die guten Güter, welche Euer Tross bei sich führt."
Auch Segest von Schwenda zeigte sich erfreut, die Lieferung wohlbehalten aufgebracht zu haben, er grüßte Arno ebenso freundlich zurück.
„Herr Voigt Arno von Draburg. Auch für mich ist es eine Freude, Euch zu sehen. Die Karren bringen Euch auf dem Ersten zusätzliches Getreide und Saatgut. Der Karren hinter mir das schnatternde Federvieh. Vier Schweine, drei Kühe, einen Ochsen sowie sechs Schafe und einen Bock werden grade durch die Furth getrieben von 2 Knechten. Der Graf hat Euch noch einen Bullen dazugegeben. Das Getreide soll Euch, Herr Arno, bei der Versorgung der Tiere über diesen Winter helfen. Der Regensteiner Speicher ist durch ein gutes Erntejahr recht voll und Graf Kuno hatte es mit Euch zwar nicht ausgemacht, gleichwohl die Waren für Euch doch gestellt."
„Kommt doch in die Stube herein und trocknet Euch ein wenig." bat Arno, im Angesicht des durchnässten Ritters Segest.
Herr Segest stieg von Pferd.
„Sehr gern. Die Karren kamen gut voran, jedoch das gute Vieh hat einen eigenen Willen und war recht langsam. Aber ihr braucht für kein Quartier zu sorgen, die Knechte und auch ich kehren nach dem Abladen zur Susenburg zurück. Das Federvieh stammt ja auch von dort."
Arno gab Segest die Hand zum Gruße.
„Ich bitte euch jetzt schon, Eurem Bruder, dem Herrn Voigt Gero von Susenburg, und seiner Gemahlin vor Gott, Frau Hildegard, neben meinem Dank als Nachbar für die Hilfe auch meinen Gruß auszurichten."
Herr Segest nickte, nahm sein Pferd am Zügel, um es in die Burg durch das Torhaus zu bringen.
„Nun, Herr Arno- viel scheint mir aber hier nicht gewonnen zu sein. Die Burg sieht aus, wie eh und je?"
„Herr Segest, bitte beschämt mich nicht und die Arbeit der fleißigen Hände hier. Die Palisade ist geschlossen worden und das Tor wieder gerichtet. Auch an den Gattern haben die Leute hier lange gearbeitet- und viele Leute habe ich nicht im Dienst des Lehens." sprach Arno und machte einen großen Schritt über das Rinnsal in der Mitte des Burghofes.
Arno winkte dem Wernherr Rötlein zu, näher zu kommen.
„Herr Arno?"
„Wernherr, tragt Sorge für ein schnelles Abladen und versorgt die Zugtiere sowie das Pferd des Herrn Ritter Segest. Auch kommt zu dem Federvieh auf dem Wagen noch Großvieh in diesem Moment durch die Furth. Schafft die Tiere in die Gatter. Der Schäfer Bodo und auch der Clemens sollen sich darum kümmern. Die Leute vom Dorf sollen mit zupacken."
„Das machen wir!" Sofort drehte sich der Wernherr zu den Herumstehenden um und gab erste Weisungen weiter. Die Barbara Rötlein wurde ins Dorf zu den Leuten geschickt, alle freien Waffenknechte und auch Lukas griffen sich die Sachen, brachte sie in die Küche oder den Bergfried- Keller.
„Kommt herein in die warme Stube, Herr Segest." bat Arno und deutete mit einer höflichen Verbeugung in Richtung Küchentür.
„Sehr gern. Und so ihr habt- etwas Warmes?" sprach Segest beim Betreten der Küche. Er zog die langen Handschuhe aus und sah sich im Inneren um.
„Ja Herr Segest- etwas kleiner als auf Regenstein!"
„Etwas kleiner? Wie viele Leute sind auf der Burg? Es scheint sehr beengt in allem? Ich hab die Draburg bislang nur von außen gesehen. Und nur einmal." Segest machte große Augen, blickte sich um.
„Hier leben ich, meine zwei Kinder und die vier Knechte. Herr Wernherr ist der eingesessene Knecht und Wirtschafter der Burg mit seiner Frau. Sie sind auch des Tages hier. Beide bewohnen die gute Hütte, die ihr vor dem Torhaus rechts am Brunnen gesehen habt. Ich gebe zu, es ist beengt. Grade meine guten Knechte sind schlecht untergebracht des Nachts, aber es muss uns vorerst genügen, bis der Palas fertig ist."
„Große Vorhaben, Herr Arno!"
„Nach dem Palas muss der Bergfried ran, dort ist der ganze nördliche Unterbau aus Holz verrottet."
Herr Segest zog die Augenbrauen hoch. Er musste nicht sagen, dass auch dieses Vorhaben sehr groß werden würde.
Arno beließ es dabei, wollte nicht noch mehr beschreiben, was alles anstand.
Auch klagen wollte Ritter Arno vor Herrn Segest von Schwenda nicht. Der Berater des Lehnsherrn konnte sich auf Grund seiner Anstellung vorstellen, dass Arnos Pläne für die Burg viel Manneskraft und Material benötigen werden.
Segest setzte sich an den Tisch, nachdem er sich ins Hohlkreuz gestreckt hatte.
„Herr Arno, der Carl Bader- unser Waffenmeister zu Regenstein richtet Grüße aus. Er bittet um Nachsicht, dass die Fertigung eures Wappenschildes andauert. Der Schild wird wohl erst im nächsten Jahr fertiggestellt."
„Es eilt nicht. Dankt dem Carl Bader von mir." Auch Arno setzte sich dazu.
Beide Männer beobachteten, wie ein Sack nach dem anderen in den trockenen Raum gebracht wurden.
Arno wandte sich dem Gast zu. "Herr Segest. Erzählt mir. Was gibt es für Kunde im Lande?"
Segest sprach leise- fast verschwörerisch und machte dabei große Augen. "Hier am Drogwege werdet ihr sicherlich auch schon Kunde davon haben von Reisenden- ungläubige Sarazenen stehen in Italien. Sie haben dieses Jahr dort am Boden gewonnen. Auch im Osten- östlich der Elbe soll der Unmut stärker geworden sein. Im Norden wohl auch, wenn man den Reisenden glauben schenken kann. Ihr werdet alsbald im nächsten Frühjahr hier einige Rittersleute vorbeiziehen sehen. Der junge König Otto der Zweite scharrt wohl fürs Frühjahr Ritter um sich. Die Rittersleute aus der Region Ostfalen, die Willens sind, den Sarazenen entgegen zu treten sind aufgerufen, bis Mitte des Frühlings zur Pfalz Tilleda am Kyffhäuser Berg zu ziehen und sich dort den Thüringern zu vereinen. Man sagt, es geht weiter zum Lechfeld, vielleicht dann über die Alpen nach Italien. Ruhm und Ehre vor Gott kann ein entschlossener Mann dort im Kampf wohl alsbald erhalten. Otto der Zweite muss Stärke zeigen, heißt es- in Italien als auch hier in den Herzogtümern und Marken."
Arno war besorgt, lehnte sich auf dem Stuhl in Gedanken zurück.
"Herr Arno?"
"Dann geht das Kämpfen wieder los."
"Überlegt ihr Euch anzuschließen? Ein Mann mit Waffenerfahrung gegen die Ungarn- da würde kein Feldherr ablehnen. Die Beutel könntet ihr euch füllen. Vielleicht erhaltet ihr ein eigenes Fähnlein unterstellt zum eigenen Handeln?"
"Meine Zeit als Streiter für Gott und König ist vorbei, Herr Segest. Ich habe meine Pflichten hier. Finden sich den Ritter in der Grafschaft, die über den Harz im Frühjahr ziehen wollen?"
"Einige sind es, zumeist die, die kein Lehen in Erbaussicht sehen und zu Ehre kommen wollen."
"Ich habe gegen die Ungarn genug Ehren erhalten. Die jungen Ritter waren sicherlich noch nie im Feld. Sie werden schwere Entscheidungen treffen müssen und gute Freunde neben sich liegen sehen."
Nach einiger Zeit kam die gute Magd Barbara aus dem Dorf zurück. Sie nickte bestätigend Ritter Arno zu, dass die Aufgaben auf den Weg gebracht und gut verteilt waren. Auch wurden der Herr Segest und die Knechte gut bewirtet von ihr. Zum Mittag gab es eine gute und fleischreiche Suppe für alle.
Nach dem Mittagsmahl stellte sich der Tross der Leute und Wagen zur Rückreise nach Susenburg auf. Gut zwei Stunden zu Fuß und mit den schweren Ochsenkarren hatte Herr Segest eingeplant.
Der Regen hatte über Mittag nachgelassen.
„Ritter Arno. Nun, nachdem ich alles hier von Euch gezeigt bekam, kann ich meinem Grafen Kuno von Regenstein den Bericht geben, dass alles auf guten Weg gebracht ist. Ihr seid hier wirklich der Richtige für diese Arbeiten, dessen bin ich nun einmal mehr überzeugt."
„Herr Segest, richtet dem Herrn und der Herrin mit freundlichem Wort meinen Gruß aus. Ich weiß, dass ihr dafür der rechte Mann seid, denn niemand den ich sonst kenne, versteht sich darauf, gute Worte zu finden. Dankt den Susenburgern und dem Grafen herzlich für die Gaben. Sie sind hier gebraucht und sollen nicht verschwendet sein."
„Guter Mann, ich danke für das Lob und werde wohl Fürsprache halten."
„Ich danke Euch, edler Segest. Gute Heimreise Euch selbst und euren Knechten."
So zog der Tross denn langsam los. Zum Burgtor hinaus rollten die leeren Karren. Segest musste sein großgewachsenes Pferd hinausführen, saß nach der Brücke über einen Stein auf.
Arno und Manthey standen im Tor und winkten zum Abschied.
Manthey sprach aus, was auch Arno dachte. „Mit dem vielen Bevorratenden kommen wir gut über den Winter und auch im nächsten Jahr ein gutes Stück voran. Da mangelt es weder dem Vieh noch uns an Nahrung."
Arno blickte dem Tross beim Abbiegen in den Drogweg zu. Auch von der Siedlung standen Leute an der Kreuzung. Sie hatten wohl trotz des anhaltenden Regens dort ausgeharrt und zeigten sich nun, winkten sogar.
„Das sehe ich auch so. Aber noch einmal werden weder die Susenburger noch die Regensteiner helfen. Jetzt muss es uns gelingen, etwas daraus zu machen. Kann auch gut sein, dass wir einmal Hilfe geben müssen. Das bedeutet kein Müßiggang für uns, Manthey!"
„Ja, Herr Arno!" sagte der Knecht im Angesicht des Blickes seines Voigtes und stützte sich auf seinen Spieß.
Arno wollte gerade zurück in den Wirtschaftsbau, um nach Lisbeth zu sehen.
Doch dazu kam es nicht.
„Seht, Herr!" sagte Manthey.
Auch Arno hatte den Mann gesehen, der dem Tross entgegen schritt und kurz ausgewichen war an der Kreuzung. Dann setzte der Mann seinen Weg in Richtung der Burg fort.
„Ein Fremder!" sagte Manthey.
„Kein Fremder. Manthey."
Arno musste lächeln, als er den Mann erkannte. Der Mann in der Mönchskutte winkte.
Es war der Bruder Ademar, der langsamen Schrittes zur Burg kam, an seinem Holzstock einen kleineren Beutel und einen schweren Leinensack an der rechten Hand. Ein Sack, indem augenscheinlich wohl seine gesamte Habe war.
„Ich denke- Manthey, Gott hat unsere Gebete erhört. Nicht nur Vorräte lenkt er heute zu uns, sondern vielleicht auch unseren neuen Geistlichen für Burg und Leute."
Manthey machte Schlitzaugen, schätzte den Fremden ab.
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