Kamerad Martin
Es ist Sommer geworden.
Die Hitze steht über dem Felssporn, wie unten im Tal.
Die andauernde Sonne freut die Bauern, denn das Korn geht gut in die Höhe.
Doch das Vieh sucht Ruhe und Schatten. Die Wassertränken in den Gattern und auf den Weiden müssen stetig neu aufgefüllt werden.
Mit Arnos Einverständnis haben viele Bauern ihr Vieh auf die satten Weiden des Tales gebracht. Am Fluss kann das Vieh reichlich Futter finden.
Aber dort sind keine Gatter, so dass sich die Bauern mehrmals täglich nach den Tieren umsehen müssen. Bislang konnten nur an wenigen Tagen Hütejungen bestimmt und eingesetzt werden, denn die Bauern hatten mit dem Tagwerk genug zu schaffen.
Es schien ein gutes Erntejahr zu werden, so es das Wetter weiterhin so gut mit den Bauern meinte. So erhofften sich die erfahrenen Bauern in diesem Sommer ein gute Ausbeute. Man redete nunmehr schon offen davon, aus einem gesäten Korn eine Ernte von vier, ja vielleicht sogar von fünf Körner zu erhalten, was über die Maßen gut war und über den Erwartungen. Sollte sich das Wetter halten, wäre dies kein Jahr des Hungers und zusätzliches Saatgut könnte vorgehalten werden.
Mit dem Thomas Holzer und dessen Frau aus der Siedlung haben Arno und Lukas heute Mittag zwei Kühe erst im Wald gesucht, dann mit Gerten zurück auf die Flussaue getrieben.
Die Holzers sind früher aufgebrochen, waren durch den Wald hinunter zur Aue gegangen- ein gerader Weg.
Arno und Lukas kamen zu Pferd hinzu. Ihr Weg war länger, führte erst zur Furth hinunter und dann dem Flusslauf entlang über die Auen. Sie wollten heute zum Dorf und danach die dahinter liegenden Felder inspizieren.
Das Lehen zog sich hinter dem Ort Drudenstein noch ein Stück nach Süden und Westen durch die Auen. Aber auch nach Osten breitete sich das Lehen dort noch einmal aus- dort waren die Felder zu finden.
Nachdem sich die Draburger Edlen von den Holzers verabschiedet hatten, ritten sie langsam durch die Aue in Richtung des Ortes Drudenstein weiter. Es bestand kein Grund zur Eile. So konnten die Pferde, der Graue und der Schwarze – noch satt vom Auengras- langsam die Reiter am Waldrain im Schatten der Bäume voranbringen.
Weiter vorn am Waldrain stand ein Ochsengespann an einem Karren. Augenscheinlich für Arno war der Karren vom Dorf her über die Aue gefahren worden und dann zum Waldrand gebracht worden.
Arno und Lukas regten die Zügel und ritten hinüber zu diesem abgestellten Gespann.
Beim Näherkommen waren dort vier Männer zu erkennen, die wohl eine Mittagsruhe nahmen.
Während zwei der Männer in der schattigen Stelle auf dem Boden zu schlafen schienen, erhob sich einer der Männer und stand auf. Der vierte Mann erhob den Oberkörper zum Sitzen vom Gras. Die Männer schienen sichtlich erschöpft zu sein- waren Arno auch von Angesicht her nicht bekannt. Es waren Fremde.
Die Pferde hielten im guten Abstand.
Der Stehende kam langsam und ebenfalls vorsichtig näher.
„Ich grüße Euch, ihr guten Leute. Wohin führt Euch der Weg hier durch die Aue?"
„Euch auch den Gruß, edler Herr. Wir sind über diesen Ort dort hierher gelang. Wir sind Bergleute. Auf dem Weg zu dem Herren dieser Lande, dessen feste Burg hier etwas flussabwärts am Berg liegt. Im Dorf sprach man von der Draburg."
„Dann stellt die Weiterfahrt ein. Ihr habt euern Mann gefunden. Ich bin der Herr auf Draburg. Arno ist mein Name- dies dort ist mein Sohn Lukas."
„Ich grüße Euch, Herr Arno. Junger Herr Lukas. Mein Name ist Martin, die zwei Jüngeren dort sind meine Söhne Stenz und Klaus, der gute Mann dort hinten im Schlaf ist ein Gefährte von uns, der Kamerad Michel. Wir stammen aus dem Goslarschen."
„Und was treibt Euch im Sommer hierher in den Harz?"
„Ihr wisst, Herr, das Bergregal ist beim König. Der Bischof von Halberstadt hat bei uns Kameraden eingeworben. Und wir wurden bestimmt. Es gilt hier im Lande nach Gangausbissen guten Erzes zu suchen. Silber, Eisen und Kupfer- danach steht dem Erzbischof der Sinn. So streifen wir und auch andere seit vielen tagen schon durch die Lande. Ihr müsst wissen, Herr Ritter, dass wir den Fels anders betrachten als die Leute sonst es tun. Zumindest der Kamerad Michel und ich, der Kamerad Martin haben ein gutes Auge für Erzgesteine. Meine Jungs hier müssen es noch erlernen, unser Handwerk."
„Und warum wolltet ihr zu mir auf die Burg?"
„Nun, Herr. Von hier auf halben Wege zum Ort liegt ein guter Felsen. Wir haben dort zwar keinen Bleiglanz gesehen, der gutes Silber vermuten lässt, aber Rotgestein. Und das in guter Menge im Stein. Wir wollten es Euch sagen, wie es sich für uns Gemeine geziemt, und bitten, dort einen Gangausbiss – vielleicht auch zwei- legen zu dürfen. Die Erlaubnis liegt dafür ja mit dem Wort des Bischof vor."
Erst jetzt stieg Arno vom Pferd. Gefahr ging von den Männern nicht aus. Im Gegenteil- sollte der Mann Recht behalten, würde es auch Arnos Schaden nicht sein. Der Harz war weithin im Land als gutes Erzrevier bekannt. Und Arno hatte von einem Ritter aus Franken einmal im Gespräch erfahren, dass der Ritter durch die Oberflächenschurfe an gutes Geld kam, da dies dem Lehnsherrn am Ort zustehen soll.
„Kamerad Martin, hier kommt ihr am Wald oder über die Aue nicht mit einem Karren weiter. Vorn verengt sich das Tal an einer Felsnase, direkt am Fluss. Die nächste gangbare Furth kann mit dem Karren bei Drudenstein passiert werden- so es Euch zu mir nach Draburg zieht. Doch jetzt kommt. Lasst die Leute bei der Hitze ruhen und bringt mich zu dem Felsen."
„Ja, guter Herr."
Der Kamerad Martin ging neben Arno daher, während Lukas zu Pferd hinterher kam.
Der Bergmann erzählte Arno, dass auch noch weitere Bergleute der Einwerbung des Bischofs gefolgt sind.
Arno erfuhr hierbei auch, dass ein Kamerad Gregor, der mit einem Paulus und einem Eberhardt unterwegs sei, bei Susenburg eine offene Silberstelle an der Erde entdeckt habe. Diese sei auch mit Ertragsaussicht. Der Susenburger Voigt habe schon ob der neuen Einnahmen frohlockt.
Aber der hier bei Drudenstein offene Gangausbiss wirke satt an Kupfererz im sonst tauben Gestein. Wenn sich dies felsnah weiter hielt, so könne Herr Arno sich über ein gutes Zubrot freuen.
Arno gestand auf dem Weg zu der Stelle, dass er wenig in Bergbaudingen bewandert war. So erfragte er, was die Männer zu machen hatten, um das Erz heraus zu holen und zu bearbeiten.
Kamerad Martin war nicht verwundert, dass der Voigt sich nicht auskannte. Martin sagte, die wenigsten sind hierin bewandert- es sei ein selten verstandenes Handwerk.
An dem Felsen erklärte der Martin, was er gefunden hatte. Er zeigte von ihm bereits abgeschlagenes Gestein vor, welches er liegen gelassen hatte. Dann erklärte er, was er beabsichtigte. Einen Gang vortreiben, wenn an der Fläche ausgetragen ist. Durch Fäustel wollte er auspochen, die Erze dann an eine Hütte bringen. Vom Erlös bekäme der Herr Arno am Anfang den Großanteil- so ist es bestimmt. So im Berg gefunden wird, geht der Verkauf dem Erzbischof zum Großteil zu, auch dann kann der Lehnsherr hier noch einen kleinen Anteil erhalten.
Arno dachte bei sich, dass dem Erzbischof sicherlich an der Einnahme gut gelegen ist, um den Dombau in Halberstadt fertig zu bringen.
Da es aber auch sein Schade nicht ist, wie er erfuhr, war ihm dies recht egal.
„Wo nächtigt ihr mit euren Männern, Martin?"
„Wir sind seit zwei Tagen hier in der Gegend, waren beim Müller im Stall untergebracht."
„Ich kann es euch nur anbieten- im Draburger Dorf an der Burg sind noch zwei Hütten frei. Ihr könnt eine davon zu der euren machen."
„Sehr gern Herr, wenn wir die Ochsen dort untergestellt bekommen? Die Schurfe, das Auspochen und das Waschen sind unser Tagwerk- für den Transport brauch ich das liebe Vieh jedoch mit Karren."
„Da wird sich etwas finden."
„Guter Herr Arno, wie heißt der Felsen hier?"
„Ich denke, die Leute haben für den Berg noch keinen Namen. Die Mühle ist hier jedoch nahe- nennen wir ihn daher den Mühlenberg."
„Also mit eurem Einverständnis als Voigt gehen wir hier an den Mühlenberg ab Morgen. Ich bringe meine Gefährten nach Draburg und wir suchen im Ort die Hütten."
„Da komm ich mit meinem Sohn mit- wir reiten voraus. Ich lasse mir melden, wenn ihr ankommt. Bis dahin habe ich eine passende Hütte bestimmt für Euch und auch das Unterstellen der Tiere soll Euch dann nicht mehr Sorge bereiten. Und auch für das Futter für Euch und das Vieh wird fürs erste aufgekommen."
„Danke Herr. Vielen Dank von uns einfachen Bergleuten. Doch eines muss ich Euch noch gestehen- unser Handwerk ist recht schmutzig zuweilen. Wir werden zum Waschen eine Stelle am Fluss suchen müssen. Dort und am Berg selbst wird es alsbald verschlammt aussehen und der Abschlag beim Auspochen wird liegen bleiben."
„Wenn es der Erzbischof bestimmt hat, hat es so zu sein. Bis nachher."
Arno und Lukas ritten zurück- die Felder hatten auch Zeit für den nächsten Tag. Nun galt es Unterkunft zu ermöglichen.
Unterkunft für vier Bergleute in der Ansiedlung.
Der kleine Ort an der Burg wuchs dadurch weiter.
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