Heiratsmarkt und Kinderhandel
Das aufgetafelte Mahl ließ es an nichts mangeln. Frisches Brot, reichlich Fleisch, Fisch, Geflügel und ein gutes Bier, welches einem schon nach einem dritten Krug die Sinne berauben konnte.
An allen Tischen wurde geredet, gescherzt und diskutiert.
Arno war über die vorhandene Fülle beeindruckt, ebenso ging es Lisbeth und Lukas.
Dennoch kam sich Arno von Draburg hier fremd vor. Denn obwohl er am Tisch der Regensteiner Gesellschaft saß und viele bekannte Gesichter anwesend waren um Gespräche zu führen, redete er zumeist nur mit seinen Kindern und beobachtete das Treiben der Edlen im Raum.
Da waren Kirchliche am ersten Tisch mit Edlen aus dem Herzogtum Franken gemischt. Grade die Kirchlichen hatten einen guten Hunger, so dass Arno von Draburg über die Gespräche mit dem guten Bruder Ademar nachdachte. Ademar hatte beklagt, dass viele Kirchliche sich zu weit von den ureigenen Regeln der Orden entfernt haben. Arno sah dies bestätigt, wenn er das Gebaren der anwesenden Kirchlichen betrachtete. Denn mit wenigen Ausnahmen gaben sie sich dem Genuss hin, sie soffen und lachten und betrachteten die auftragenden Mägde wie Jagdwild ihrer Lust.
Dann der Tisch mit Thüringern, die doch in Arnos Augen verhaltener am Tisch waren, als die Beisitzenden Edlen aus dem Illisgau.
Die östlichen Marken waren dem Reden nach durch Nordmark und Billunger- Mark mit Leuten aus dem Nord- Ostfälischen Raum am Dritten Tische zusammengesetzt. Hier wurde heftig diskutiert. Nabelgau und Hasengau waren mit Würdenträgern und Edlen am Tisch neben dem von Arno.
An Arnos Tisch die ritterliche Elite des Harzgau und des nahen Saltgau, sowie Reste der Hasengauer Gesandschaften. Hier war es im Vergleich eher ruhig und gesittet.
Und der Stirntisch, der abgesehen von einem Abt, dem kleinen, sehr alt und gebrechlich wirkenden Pfalzvoigt Heneke von Bodfeld und dessen Tochter Luisa sowie dem Bodfelder Waffenmeister nicht besetzt war. Hier gab es nur ab und an geflüsterte Gespräche zwischen Voigt und Tochter.
An den meisten Tischen waren bessere Plätze unbesetzt, da die Herren schon mehrere Tage zur Jagdgesellschaft waren.
Ritter Arno hatte vor dem Mittagsmahl einige freundliche Worte mit dem Grafensohn Kuno von Kucksburg gewechselt. Aber auch den jungen Kucksburger musste Arno ernstgemeinte Worte der Mahnung geben, denn der junge Kuno hatte vor, sich dem Zug gegen Frankreich für das nächste Jahr anzuschließen. Arno hatte dem Grafensohn seine Besorgnis mitgeteilt, zumal auch dessen Bruder Sigurd von Regenstein dem Zug folgen wolle, so er die Schwertleite für dieses Jahr noch erhält. Die Herrin, Frau Gräfin Gudrun von Regenstein war Zeuge von Arnos mahnenden Worten und auch die Einzige, die beipflichtete, nicht beide Regensteiner Söhne in den Feldzug zu geben. Dennoch wollten sich Kuno und Sigurd offenbar vor Gott und auch dem Vater beweisen und im Feld zu Ehren gelangen.
Während der junge Sigurd auf den Kampf zu brennen schien, waren die Worte Arnos bei dem jungen Grafensohn Kuno ins Gewissen gegangen, wie es schien, denn Kuno wollte es sich noch einmal überlegen.
Zu Gesprächen über Materiallieferungen für die Draburg kam es auch jetzt nicht. Außer den Susenburgern war niemand im Raum, der Abhilfe hätte schaffen können und dies wollte Arno nicht, da die Susenburger schon gute Hilfsleistungen erbracht hatten.
Lukas saß zu Arnos rechter Seite, direkt neben der jüngsten Tochter Miriam aus dem Hause Susenburg. Sie war etwas jünger als Lukas, doch Beide redeten mit kindlicher Leichtigkeit und Unbefangenheit miteinander. Auch Lisbeth hatte mit der Susenburger Tochter am Zelt vorhin kleine Wurfringspiele vor dem Mahl noch gespielt. Die ältere Tochter Heidelinde von Susenburg- eigentlich eher in Lisbeths Alter wirkte eher kühl und abweisend auf ihr Umfeld. Die Erichsburger Tochter, Witwe Kriemhild von Susenburg saß am Tisch noch einen Platz weiter- sehr schön anzusehen und herausgeputzt, wie Arno fand, jedoch kühl und mit wenig Freude. Ihr gegenüber saß wohl der Hasengauer Edle aus dem Merseburgischen, dem sie versprochen war. Der Mann war einige Jahre jünger als Kriemhild und im Blick feurig entfacht für seine Zukünftige.
Graf Kuno hatte auf Regenstein gesagt, dass man auf Bodfeld sehr schöne edle Herrinnen erblicken könne. Er hatte nicht übertrieben. In der Tat waren sehr viele Frauen an den Tischen zu sehen- für Arno nur in gewissen Maßen einzuschätzen, ob die edlen Damen gebunden waren oder nicht.
Schönheit war auch nur äußerlich- innere Werte konnte man hier nicht erkennen.
Arno betrachtete daher einige Damen im Rund dieser Gesellschaft.
Unter den Damen des sächsischen Hauses gab es eine Edle, die dem Begriff von Schönheit aus Arnos Blick entsprach. Die Frau hatte lange schwarze Haare zu einem breiten Zopf gebunden und einen kleineren Zopf um den Kopf herum gelegt. Kleinere lockige Haarstränge hingen an beiden Seiten des schmalen Gesichtes herab und sie hatte sehr schöne und freundliche Augen. Die Frau war 25, vielleicht 30 Jahre alt und sehr schlank.
Die Voigtstochter war sehr ansehnlich. Blonde lange Haare, jedoch über den freundlichen Katzenaugen als Kurzschnitt. Sie war schlank, jedoch recht klein nach Arnos Meinung.
Eine Kirchliche war ansehnlich von Gesicht und vielleicht auch der Gestalt unter ihrer langen Kutte, jedoch keine für einen Bund.
Eine Edle aus Franken war sehr schön- blond, schlank und freundlich- allerdings in Begleitung ihres Mannes.
Die anderen Damen, die dieses Attribut verdienten waren nach Arnos Blick zu jung- auch wenn sie Schönheit besaßen.
Ach ja, seine Lisbeth war eine Schönheit in dieser Runde- äußerlich und auch vom Herzen her.
Und auch die Tochter von seinem Freund Arndt von Mühlburg schickte sich an, eine Schönheit zu werden. Arno kannte Alma von Kindesbeinen an. Über die vielen Tische hinweg scherzte sie mit Lisbeth, sie hielt sich einen Hühnerknochen ins Gesicht, klemmte den Knochen wie einen Schnauzbart ein und schielte, bevor sie in ein Lachen kam. Ja, auch Alma würde schön werden- so wie ihre Mutter Daria von Mühlburg vor ihr, die leider nicht mit angereist war und das Gut versorgte.
Arno freute sich, dass sich die Mädchen Alma und Lisbeth sowie auch die Jungen Leonhardt und Lukas wiedererkannt hatten- trotz der langen Zeit seit dem letzten Wiedersehen. Wie früher war es- als wären keine zwei Jahre vergangen seither- keine Hemmnisse oder Schranken, einfach nur Freude miteinander.
Allein dafür hatte sich diese Anreise nach Bodfeld doch gelohnt.
Gleichwohl wollte Arno es nicht den anderen Edlen gleichtun und bleiben, um diese Fülle hier zu genießen- Arno wollte heute noch zurück nach Draburg kommen. Christian war bereits informiert, den Karren alsbald nach dem Mittagsmahl bereit zu machen und auch den Grauen dann zu rüsten.
Damit konnte Arno auch diesem Heiratsmarkt- denn so erschien es Arno zuweilen hier zu Tisch- entfliehen.
Vorher jedoch standen da noch zwei Hindernisse- Verabschieden von den anderen des Regensteiner Lagers und dem Pfalzvoigt Heneke von Bodfeld für die kurze Gastlichkeit danken.
Das Letztere ging Arno nunmehr an.
Arno erhob sich am Tisch, ging langsam – unter der merklichen Wirkung des Bieres- zum Tisch an der Stirnseite.
„Geehrter Herr Voigt Heneke, ich hatte noch nicht die Gelegenheit mich Euch vorzustellen. Ich bin Arno, Voigt der Draburg und damit euer Nachbar in diesen Landen. Ich erhoffe mir eine gute Nachbarschaft und- dies muss heraus- ich danke Euch für die Bewirtung mit diesem Mahl für die meinen und mich."
Der Pfalzvoigt saß wie angewurzelt, blickte Arno an. Dann sprach er mit sehr tiefer und ein wenig rauer Stimme, nachdem er kurz hustete.
„Die Draburg, ja- ein schönes Lehen. Aber fast ohne Leute am Gut. Woher Stammt ihr, Herr Arno?"
„Aus dem Thüringischen. Dem Hause Gebra zwischen Eichsfeld und Helmengau, wo ich zuletzt diente."
„Welch Ironie- jetzt habt ihr eine der Grenzburgen zum Thüringischen als Lehen."
„Eine Grenze, an der es nichts zu schützen gibt als den Handel und die reisenden Leute am Drogweg."
„Als ich noch reisen konnte vor Jahren war ich mehrmals dort zu Gast. Der Palas ist aber doch ausgebrannt, oder?"
„Ganz recht, Herr. Der Bergfried auch. Mir scheint manchmal, Gott möchte mich und meine Geduld durch den Wiederaufbau prüfen."
„Es kann gut so sein. Aber glaubt mir- ist der Palas neu errichtet habt ihr jeden Tag einen schönen Sonnenaufgang zu erleben über dem Tal – ich erinnere mich gern daran. Schickt ihr Euch an anzureisen?"
„Ja Herr. Ich bin erst heute Morgen hergereist, doch es zieht mich zurück zu meinen Aufgaben. Ich möchte meine zwei Kinder dort auch wieder in ihre eigenen Schütten heut Abend schlafen legen und euch auch nicht zur Last fallen, denn wie ich sehe- ihr habt genug Gäste zu bewirtschaften." Arno drehte sich kurz zum Raum um.
Der Pfalzvoigt verstand. „Herr Arno. Ihr seid seit Wochen der allererste Mann, der mir für die Bewirtung dankt! Und dies, obwohl ihr nur eine Mahlzeit hier hattet mit den Euren. Glaubt mir, dies ist selten an diesem Ort, denn die meisten Hergereisten setzen sich nur, um zu essen und zu trinken."
Arno lächelte über diese Anspielung des Voigts.
„Meinen Kindern gefällt das große Treiben womöglich ein wenig mehr als Euch- oder mir. Ich bewirte auch gern, jedoch von dieser Fülle ist bei mir auf Draburg kein Tisch. Wenn es euch jedoch einmal hinauszieht, um den Sonnenaufgang von der Draburg zu erleben- ihr seid herzlichst eingeladen."
„Ich danke Euch, jedoch glaube ich meine schmerzenden Glieder wünschen sich nur noch eines- hier am Feuer Ruhe zu haben." sprach der Voigt.
„Aber Vater. Sprich nicht so." wandte die junge Tochter des Voigts ein, griff mit der rechten Hand den linken Arm des Voigts. Der Voigt klopfte ihre beschwichtigende Hand vorsichtig und warf seiner Tochter einen herzlichen, freundlichen Blick zu.
„Herr Arno von Draburg, habt ihr schon meine Tochter Luisa kennen gelernt? Sie sorgt für mich, wie eine Amme."
„Ich kam noch nicht dazu, mich ihr vorzustellen. Eure Tochter und auch ich haben unsere Verpflichtungen."
„Ja, das habt ihr. Ja, das habt ihr." Der alte Voigt wirkte nachdenklich. „Luisa hat hier mittlerweile mehr Sagen als ich- alles, was ihr hier seht, wird von ihr besorgt und vorbereitet- Tag um Tag."
„Und es ist ihr gut gelungen, wie ich Euch für heute versichern kann."
„Gut Herr Arno, eine gute Heimreise zur Draburg. Eure Frau wird sicherlich schon die Heimkehr erwarten. Wie lange werdet ihr reisen?"
„Gute drei Wegstunden, wenn wir uns Zeit nehmen und die Tiere nicht hetzen. Und verzeiht mir- meine Frau ist vor vielen Jahren schon verstorben. Ich stehe allein mit meinen Kindern, daher möchte ich sie gut zurückschaffen."
Arno von Draburg verneigte sich kurz vor Voigt und Voigtstochter. Dann ging er zum Tisch zurück.
„Kinder, wir können dann nachher aufbrechen. Der Christian wird binnen einer Stunde alles gerichtet haben."
„Wir können noch nicht aufbrechen, Herr Vater!" sprach Lukas.
Fast zeitgleich wandte Lisbeth hinzu ein „Ja, Vater, das geht jetzt noch nicht."
„Warum nicht?"
„Hat es dir der Herr Arndt noch nicht gesagt, Vater?" fragte Lisbeth nach.
„Was gesagt?" Arno stutzte.
„Wir können Alma und Leonhardt heute mitnehmen nach Draburg, auch die junge Magd Anne Reinicke- die Freundin von der Alma darf uns schon begleiten. Herr Arndt ist noch verpflichtet eine gute Woche hier auf Bodfeld zu lagern, er würde die Drei dann von uns abholen." erklärte Lukas den ausgemachten Handel- der offenbar durch die Fürsprache der Kinder entstanden war.
Arno dachte sofort darüber nach, wo er drei zusätzliche Lager auf der Draburg herstellen soll, denn der Platzmangel war im Moment auf Draburg noch recht groß. Satt bekäme die Barbara die zusätzlichen Mäuler schon, aber Nachtlager zu schaffen war ein großes Problem.
„Und wo sollen bitte die drei Gäste schlafen?"
„Das haben wir schon besprochen, Herr Vater." erklärte Lisbeth. „Wir Jungen und Mädchen nehmen alle zusammen die große Kammer. Du schläfst in der kleinen Kammer oder mit den Knechten im Bergfried. Oder in der Küche."
„Aber das schickt sich nicht für einen Edlen, meine Lieben."
„Ach Vater. Bitte seht darüber hinweg. Bitte. Wir sind alle schon voller Freude!" bat Lisbeth.
Arno dachte daran, warum er nach der Pfalz Bodfeld gereist war. Auch um Gesellschaft für die Kinder- vor allem auch für Lisbeth zu finden. Nun hatten sie diese Gesellschaft gefunden, sollte er wegen seines Lagers jetzt diese Ansinnen verbieten? Nein, irgendwie konnte er dies nicht im Angesicht seiner Kinder jetzt, die eine Entscheidung wollten.
„Na gut. Die kleine Kammer. Aber alle müssen anpacken, damit heute zur Nacht alles gerichtet ist. Ihr geht zu euren Freunden und sagt, dass der Aufbruch beschlossen ist. Und mit Herrn Arndt spreche ich noch einmal nach dem Mittagsmahl."
„Danke, Herr Vater."
„Ja, vielen Dank von Herzen!"
Die Kinder verließen ihre Plätze und gingen sittsam und langsam zu den Thüringern, wo sie mit Leonhardt und Alma lustig sprachen- wie es schien. Arndt von Mühlburg belauschte das dort Besprochene und prostete mit seinem Becher über die Tische zu, wobei er seine Augen rollte.
Arno lächelte- er verstand. Der Handel ging also doch auf die Kinder zurück.
So sei es dann.
Der Karren war auch alsbald gestellt und mehrere Bündel an habe sowie die Mitreisenden saßen obenauf. Eng war es- auch ohne Holz oder andere erlangte Güter- aber fröhlich war die Runde auf dem Karren allemal.
Arnos Freund, Arndt von Mühlburg, verabschiedete seine Kinder und die junge Magd Anne, die auch 14 Jahre alt war wie Alma von Mühlburg, in den Tross mit dem Versprechen, die Gäste binnen einer Woche abzuholen.
So reiste man nach kurzer Verabschiedung von den Regensteinern-und hier diesmal dem jungen Grafen Kuno von Kucksburg, Gräfin Gudrun und Herrn Segest- nach Draburg zurück.
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