Gefahr für Arno
Am Donnerstag morgen hatte sich Herzog Heinrich- oder König Heinrich, wie ihn die engsten Vertrauten hier offen betitelten in Lager und Pfalzburg- mit seinem Gefolge und mit dem Kindkönig Otto III. aus Bodfeld - ohne Worte des Grußes- verabschiedet. Mit dem Ziel Burg Regenstein reiste die Gesellschaft ab.
Stille zog in die Räume ein.
Stille der Missachtung für Arno?
Nur wenige Reisende waren auf dem Bergplateau in den Zelten an der Burg. In der Burg waren die Knechte und Mägde mit Aufräumen und dem Zusammenlegen von Zelten befasst.
Arno ärgerte sich noch über die Gespräche vom Vortage- dennoch sah er es für sich selbst als richtig an, seine Meinung offen gesagt zu haben. Nun musste er den Boten aus Halberstadt abwarten, um vielleicht noch reagieren zu können.
Zwei Wochen nach Ostern wird gegen die Slawen ins Heer gerufen. Wenn er nun durch Heinrichs Niedertracht wirklich abberufen würde, so müsste er dem Heerbanne wieder die Folge leisten. Hierzu müssten auf Draburg Vorbereitungen getroffen werden- jedoch überstürzen wollte Arno nun die Dinge auch nicht.
Seine Hoffnungen lagen nun bei dem Boten.
Innerlich unruhig begab sich Arno nach dem Mittag in seine Kammer des Palas Bodfeld. Doch zur Ruhe kam er auf dem Lager auch nicht.
Erst am Abend kam der Bote zurück, sichtlich erschöpft und mit zusammen gepressten Lippen.
"Herr, ich habe dem Sekretär des Bischofes eure Informationen gegeben. Vertröstet wurde ich von Stunde zu Stunde, obgleich ich auf schnelle Rückantwort gebeten hatte. Erst heute am Morgen- nach einer Nacht in einer Kammer des Bischofsitzes- kam der Sekretär zu mir. Folgende Nachricht gab er mir mit: Der Bischofstuhl von Halberstadt hat Kenntnis von dem Geschehen in Magdeburg. Ob Erzbischof Giselher von Magdeburg zu Heinrich steht ist ungewiss. Bischof Hildeward wird den Osterfeierlichkeiten nicht fernbleiben können, will zumindest an der Prozession teilnehmen und unter Vorwand danach abreisen. Die sächsischen Adligen sind in zwei Lager gespalten, jedoch fallen schon jetzt viele von Heinrich ab- die Herzöge von Schwaben und Franken verweigern Heinrich die Gefolgschaft. Mit dem Eintreffen der Kaiserin und der Kaiserin- Mutter wird noch in diesem Sommer gerechnet, man drängt auf Herausgabe des Königs Otto III. an die Mutter und Großmutter. Nahe liegt, dass die Regentschaft von den beiden Frauen bis zur Mündigkeit des Königs fortgeführt wird. Euch- Herr Arno- sollte das Schlimmste mit einem Königsausruf Heinrichs auch in Quedlinburg erfolgen, wird empfohlen bei Entbindung vom Pfalzgrafenstand zu Eurer Burg zu gehen und dortige Pflicht zu erfüllen. Man werde sich jedoch bei gegebener Zeit an Euch und euren Treuedienst erinnern."
"Dann heißt es erst einmal Beigeben?"
Der Bote sah Arno fragend an. "Herr? Ich kann nur kundgeben, was mir aufgetragen war. Ich habe unterwegs immer wieder die Texte vor mich hin gesprochen ohne..."
"Schon gut, braver Mann. Ich war in Gedanken. Du hast gut berichtet und gut deine Pflicht erfüllt!"
Arno klopfte dem Mann die Schulter und bat ihn, sich zu stärken und dann zu ruhen.
Mit dem Maier Siegward sprach Arno später offener.
"Guter Siegward, es ist nach dem geschehenen Gesprächen möglich, dass ihr alsbald einem neuen Herren zum Dienst verpflichtet seid und ich abberufen werde. Die hohen Herren üben sich in Geduld und Unentschlossenheit hinsichtlich der Anmaßungen Heinrichs. Doch es ist gewiss- mir will der Heinrich nichts Gutes widerfahren lassen- für ehrliche Worte eines ehrlichen Mannes ist in dem Kreise um Heinrich wohl nur wenig Platz. Machtgier und Missgunst werden hier gezeigt- ein Jeder steht nur für sich und seine eigenen Interessen."
"Dann haltet ihr Eure Absetzung für gewiss?"
"Davon gehe ich aus. Heinrich wird einen für ihn günstigen Mann finden und hierher an die Burg Bodfeld setzen. Zu wichtig ist diese Würde. So behaltet mich in guter Erinnerung, sollte es so kommen."
"Und bis dahin?"
"Bin ich Euer Herr! Bis andere Kunde kommt!"
Arno war zu betrübt, um noch weiter seinen Gedanken Worte zu geben. Siegward verstand dies. Arno begab sich zu Bett und reiste am Folgetag zurück nach Draburg.
Unterbrochen wurde die Ungewissheit nur von den Feierlichkeiten am Ostersonntag und dem Gottesdienst in der kleinen Kapelle auf Burg Bodfeld. Der Kaplan Josephus hatte hierbei sehr gut gesprochen und auch Arno Hoffnung gegeben- am Beispiel des Herrn Jesus Christus. In der kleinen Palmprozession am Ort wurde eine Jesusfigur auf einem Esel reitend umhergeführt.
Ritter Kuno von Kucksburg kam mit einem Knecht zwei Tage nach dem Palmsonntag zur Draburg. Er berichtete aus der Stadt Quedlinburg, wo sich Heinrich am Ostersonntag erneut vor den Leuten und den anwesenden Edlen als König Heinrich ausrufen ließ. Auch habe Kuno von Kucksburg erfahren, dass sein Vater, Graf Kuno von Regenstein, mit der neuen Besetzung des Pfalzgrafen- Amtes von Bodfeld beauftragt worden sei durch König Heinrich. Kuno von Regenstein wolle Sigurd, seinem zweitgeborenen Sohn, dieses Amt übergeben. Arno soll- mit königlichem Diktat Heinrichs- wohl arrestiert werden, in welcher Form obliege ebenfalls dem Grafen von Regenstein.
Der junge Ritter Kuno von Kucksburg war betrübt, diese Nachrichten an Arno geben zu müssen.
"Um der alten Zeiten willen, Arno- versuche dich vor diesen Heinrich zu bringen und entschuldigt Euch- so öffentlich, als möglich. Tut Euch den Arrest nicht an."
"Ist entschieden, wie der Arrest aussehen wird?"
"Ich habe dazu keine Kenntnis. Doch ich denke, mein Vater der Graf wird sich vor Heinrich in gutem Lichte zeigen wollen. Daher ist mit harter Strafe gegen Euch zu rechnen."
"Und Bodfeld?"
"Sigurds Hand wird schon bald danach greifen! Doch fehlt es Sigurd wohl am Wohlwollen des Bischofes von Halberstadt, um Bodfeld sofort in Besitz zu nehmen. Heinrich gedenkt, auch dieses kirchliche Amt mit hohem Ansehen alsbald neu zu besetzen. Doch war er nicht mutig genug, dies sogleich auszusprechen. Jeder, der in diesem Moment zu Otto III. steht, scheint dem König Heinrich ein Gegner zu sein und Heinrich setzt viel daran, zumindest hier in Ostfalen und dem Sachsenland die Herrschaft für sich zu festigen."
"So müssen die Ehrhaften also weichen? Das ist unritterlich!"
"Lisbeth ist in Sorge um Euch. Ich bin es nicht minder, Arno. Ich rate Euch an, ins Thüringische zu gehen. Geht nach Gebra, wo Euch die Tür offen steht."
"Das kann ich nicht, Kuno. Doch bitte ich Euch um folgendes: Nehmt mir den Knappen Konrad mit zur Kucksburg. Ebenso die Katharina und alle, die mir nahe stehen- auch einige der guten Knechte. Wir wollen dies besprechen, sofort."
"Gut." Kuno war damit einverstanden.
Im Palas der Draburg war kurz darauf große Unruhe. Arno stellte die Sachlage dar und auch seine Absichten, sich der Gerichtsbarkeit stellen zu wollen. Auch gab er seiner Sorge um seine Vertrauten kund- und das eine Lösung auch für die Einfachen gefunden werden muss.
"Ich könnte im Hause meiner Mutter Gitte bleiben, der Familie vom Detlef mit dem Vieh und dem Ackerbau helfen." , schlug Katharina vor, die nicht von Arno in dieser schweren Stunde weichen wollte.
"Aber dies ist Unrecht! Otto III. ist rechtmäßiger König vor Gott." warf der Menz ein.
"Menz, dir empfehle ich nicht so sorglos wie ich mit dem Mundwerk zu sein. Ich mag deine Gesellschaft, doch wenn ich in Arrest gehe, solltest du nicht mitkommen- keiner von Euch." Die Waffenknechte können zu Herrn Kuno, um auf der Kucksburg den Dienst zu tun. Solange mein Wort auf Bodfeld noch Gewicht hat, könnte ich dorthin noch zwei Mann verpflichten. Niemand kann genau wissen, was die Absichten des Grafen sind. Doch der Zorn des Herzogs Heinrich- oder König Heinrich, wie er sich nun nennen lässt- richtet sich nur gegen mich, nicht Euch. Gleich, was mit der Draburg passiert- ein Auskommen werden alle finden."
"Ich gehe mit Herrn Kuno!", sprach Roland Hahnl.
"Ich dann auch!" redete der Paul Sternberger nun auch.
"Ich bleibe. Habe hier Frau und Kinder.", warf Tobias ein.
"Ich bleibe auch." fügte der Stephan Masur hinzu.
"Ich auch.", legte Christian seinen Willen offen. "Den Felix gebt lieber vorerst aus der Burg. Er kann seinem Vater und dem Hanjo mit dem Holz zur Hand gehen."
Arno nickte zu jeder getroffenen Entscheidung. Als Christian die Runde geschlossen hatte, sah Arno jeden einzeln an.
"Christian, für den Fall, dass du bleibst - auch unter einem neuen Herren, so will ich, dass du gutes auskommen hast. Ich mache dich zum Waffenmeister auf Draburg. Soviel Befugnis steht mir noch zu. Doch Katharina- von dir erbitte ich, dass du mit dem Kucksburger gehst. Um meinet Willen, bitte."
Kuno von Kucksburg fügte hinzu: "Und schnell sollten wir aufbrechen, denn ich weiß nicht, wie viel zeit uns für lange Abschiede bleibt!"
"Sei stark." Arnos Worte an die geliebte Katharina brachten aus ihr einen tiefen Seufzer heraus. Doch letztlich nickte sie und willigte in Arnos Wunsch ein.
"Gut Kuno! So brecht in Kürze auf, auch wenn es nun schon spät ist. Ich gebe Euch einiges wertvolle mit auf den Weg- bevor andere Hände danach greifen. Lisbeth und du- ihr werdet es brauchen können. Nehmt auch alle Pferde, bis auf meinen Argo. Argo ist so bekannt, man würde eine Absprache vermuten, wenn Argo in Eurem Stall auf Kucksburg erkannt würde."
In aller Eile wurde ein Karren beladen mit Arnos habe- auch der gute, edle Wappenschild und der Andergaster- ein Beschenk des Slawenvoigtes Bohumer waren darunter. Stoffe, Gewürze, Salz, Silberlinge und die schönsten Waffenstücke. Alles wurde gut verdeckt auf den Wagen gebracht. Über Hasselfelde wollten die Abreisenden gehen und weiten Bogen um die schroffen Harztäler über Treseburg reisen.
Der Abschied fiel schwer.
Sogar ein Kuss- vor aller Leute Augen bezeugt- wurde Katharina zum Abschied mitgegeben.
Zum Abend ließ Arno ein gutes Fass anstechen. Sollte am Folgetag noch Zeit bleiben, so wollte Arno noch Saatgut aus dem Speicher der Burg an die Einfachen der Siedlung verteilen.
Dies gelang noch am Folgetag.
Doch es herrschte beängstigende Stille über der Draburg.
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